DER ANGRIFFSKRIEG DER BRD GEGEN JUGOSLAWIEN

Es begann mit einer Lüge

Wie die Nato im Krieg um Kosovo Tatsachen verfälschte und Fakten erfand

Ein Film von Jo Angerer und Mathias Werth. WDR - Ausgestrahlt im Ersten Deutschen Fernsehen am 8. Februar 2001.  - Das vollständige Manuskript - (Zwischenüberschriften wurden von uns eingefügt, Pst)

 Gerhard Schröder (24. März 1999):"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die Nato mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will dasBündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosevic führt dort einen erbarmungslosen Krieg. Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen."

Dieser Film zeigt, wie schon vom ersten Tag des Kosovo-Krieges an die Bevölkerung getäuscht wurde. Dieser Film zeigt auch, wie Tatsachenverfälscht und Fakten erfunden, wie manipuliert und auch gelogen wurde. Dieser Film zeigt, weshalb Bomben auf Belgrad fielen. Drohte eine "humanitäre Katastrophe"? 

Die Nato sagt, sie habe die Bomben geworfen, um das Leben der Kosovo-Albaner zu schützen - vor den Serben. Doch als die ersten Bomben einschlugen, waren es diese Bilder, die man sah. Man sah Serben, die voller Angst in ihre Keller und in die wenigen Bunker der Stadt flohen.

Originalton im serbischen Radio:

"Eine große Gruppe feindlicher Flugzeuge nähert sich Belgrad. Wir bitten alle Bürger ihre Lichter auszumachen. Nachdem Sie die Räume

verdunkelt haben, appellieren wir an Sie den Strom abzuschalten. Achtung, eine große Gruppe feindlicher Flugzeuge in Richtung Belgrad. Bürger,bleibt in euren Schutzräumen und wartet auf die Empfehlungen aus dem Informationszentrum. Ende der Durchsage."Man sah serbische Kinder voller Furcht ihr Leben könne enden, noch bevor es richtig begonnen hatte. Bilder des jugoslawischen Fernshens zwar,aber sie waren zu "echt", um als serbische Propaganda druch zu gehen. Angst vor Krieg ist unteilbar - wie die Menschenrechte, um deret Willen er geführt wurde. Entscheidend aber ist das Bild, das der Krieg bietet. Welche Macht den Bildern zukommt, wusste der oberste Nato-Sprecher damals sofort.

 Jamie Shea, Nato-Sprecher:

"Das Wichtigste ist, dass der Feind nicht das Monopol auf die Bilder haben darf, denn das rückt die Taktik der Nato in das Licht der Öffentlichkeit

und nicht die bewusste Brutalität von Milosevic: Etwa ob wir eine perfekte Organisation sind, oder ob wir einen perfekten Luftkrieg führen und so

weiter. Viele Journalisten sagten: Milosevic hat die Bilder - und Jamie Shea hat nur Worte. Wem sollen wir glauben? Den Bildern oder den Worten?

 

Beim nächsten Mal, wenn die ARD, CNN oder die BBC ein Bild von einem zerschossenen Flüchtlingstreck zeigen, dann will ich sagen können: Ja,

das stimmt. Ich entschuldige mich, ich kann das erklären. Aber sehen Sie hier: Ein Massengrab, Leute, die absichtlich umgebracht und in dieses

Grab geworfen wurden! Auf welcher Seite stehen Sie also?"

 

Aber Bilder von Massengräbern zum Beispiel standen der Nato nicht zur Verfügung. Nur diese von fliehenden Kosovo-Albanern. Ihre Gesichter

zeigen - wie die der Serben im Bunker - Angst, Schmerz, Todesfurcht. Doch was sagen diese Bilder? Helfen sie der NATO, sind sie nicht wie ein

Appell an die NATO: Rettet uns? Ist das Leid der Menschen nicht Verpflichtung - und Chance - zum militärischen Eingriff? Menschenrechte für

die Kosovo-Albaner - Rechtfertigung oder Vorwand? Verteidigungsminister Rudolf Scharping erklärte 1999, weshalb er deutsche Soldaten in den

Kosovo-Krieg geschickt hat.

 

Rudolf Scharping (27. 03. 1999):

"Wir wären ja auch niemals zu militärischen Maßnahmen geschritten, wenn es nicht diese humanitäre Katastrophe im Kosovo gäbe mit 250.000

Flüchtlingen innerhalb des Kosovo, weit über 400.000 Flüchtlingen insgesamt, und einer zurzeit nicht zählbaren Zahl von Toten."

 

Nicht zählbare Tote schon vor Beginn der Nato-Bombardierung? Die OSZE, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, müsste

davon doch gewusst haben. Denn ihre Beobachter hatten penibel die Vorkommnisse im Kosovo gemeldet. Ihr Fazit für den März 1999: 39 Tote im

gesamten Kosovo - bevor die Nato-Bomber kamen. Drohte also eine "humanitäre Katastrophe"?

 

Der damals leitende deutsche General bei der OSZE und eine amerikanische Diplomatin, die damals im Kosovo war, erinnern sich.

 

Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:

"Die Legitimationsgrundlage für die deutsche Beteiligung war die so genannte humanitäre Katastrophe, eine solche humanitäre Katastrophe als

völkerrechtliche Kategorie, die einen Kriegseintritt rechtfertigte, lag vor Kriegsbeginn im Kosovo nicht vor."

 

Norma Brown, US-Diplomatin im Kosovo:

"Bis zum Beginn der Nato-Luftangriffe gab es keine humanitäre Krise. Sicher, es gab humanitäre Probleme, und es gab viele Vertriebene durch den

Bürgerkrieg. Aber das spielte sich so ab: Die Leute verließen ihre Dörfer, wenn die Serben eine Aktion gegen die UCK durchführten - und kamen

danach wieder zurück. Tatsache ist: Jeder wusste, dass es erst zu einer humanitären Krise kommen würde, wenn die Nato bombardiert. Das

wurde diskutiert: In der Nato, der OSZE, bei uns vor Ort und in der Bevölkerung."

 

Ein eindeutiges Urteil! Gewalt im Kosovo - in keinem einzigen Bericht der OSZE findet sich auch nur ein Indiz für eine drohende humanitäre

Katastrophe. Was die internationalen Fachleute beobachteten, waren Situationen wie diese: Rebellen der so genannten Kosovo-Befreiungsarmee

UCK kämpften gegen reguläre jugoslawische Truppen. Ein Bürgerkrieg - so die OSZE. Vor diesen Kämpfen flohen die Dorfbewohner. Später

kehrten sie dann meist in ihre völlig zerstörten Häuser zurück.

 

Die Nato in Brüssel kannte die Berichte der OSZE. Sie deckten sich mit ihren eigenen Beobachtungen, bleiben aber intern. Diese Erkenntnisse

wurden damals nicht auf einer der vielen Nato-Pressekonferenzen veröffentlicht. Mehr noch: Auf der letzten Tagung des Nato-Rates vor

Kriegsbeginn, am 14. März 1999, wurde berichtet: Die Gewalt gehe eher von terroristischen Aktionen der UCK aus, die Serben übten dann

allerdings mit unverhältnismäßiger Härte Vergeltung. Dennoch drohte die Lage im Kosovo zu der Zeit nicht außer Kontrolle zu geraten. Denn die

Nato-Führung bereitete sich längst auf einen Angriff gegen Jugoslawien vor.

 

Zur gleichen Zeit im deutschen Verteidigungsministerium: Auch dort war keine Rede von einer drohenden humanitären Katastrophe: In den

Unterlagen des Bundesministers für Verteidigung zur Lage im Kosovo stand nämlich etwas ganz anderes als Rudolf Scharping in der Öffentlichkeit

verkündet hatte. Zitat aus den geheimen Lageberichten des Verteidigungsministeriums: "In den vergangenen Tagen kam es zu keinen größeren

bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen serbisch-jugoslawischen Kräften und der UCK ... Die serbischen Sicherheitskräfte beschränken ihre

Aktionen in jüngster Zeit auf Routineeinsätze wie Kontrollen, Streifentätigkeit, Suche nach Waffenlagern und Überwachung wichtiger

Verbindungsstraßen."

 

Der Kampf um die öffentliche Meinung

 

Dennoch: Hinter dieser Tür, dem mehrfach gesicherten Eingang zur militärischen Organisationszentrale, liefen die Vorbereitungen für den Angriff

weiter. Als dann jedoch die ersten Bomben fielen, sank in den Nato-Ländern die Unterstützung für den Krieg. Die Stimmung in der Bevölkerung

drohte sogar zu kippen.

 

Jamie Shea, Nato-Sprecher:

"Die politischen Führer spielten nun die entscheidende Rolle für die öffentliche Meinung. Sie sind die demokratisch gewählten Vertreter. Sie

wussten, welche Nachricht jeweils für die öffentliche Meinung in ihrem Land wichtig war. Rudolf Scharping machte wirklich einen guten Job. Es

ist ja auch nicht leicht, speziell in Deutschland, das 50 Jahre lang Verteidigung nur als Schutz des eigenen Landes gekannt hatte, statt seine

Soldaten weit weg zu schicken. Psychologisch ist diese neue Definition von Sicherheitspolitik nicht einfach. Nicht nur Minister Scharping, auch

Kanzler Schröder und Minister Fischer waren ein großartiges Beispiel für politische Führer, die nicht der öffentlichen Meinung hinterherrennen,

sondern diese zu formen verstehen. Es stimmt mich optimistisch, dass die Deutschen das verstanden haben. Und jenseits der sehr unerfreulichen

Begleiterscheinungen, der Kollateralschäden, der langen Dauer der Luftangriffe, hielten sie Kurs. Wenn wir die öffentliche Meinung in Deutschland

verloren hätten, dann hätten wir sie im ganzen Bündnis verloren."

 

Der Kampf um die öffentliche Meinung war härter geworden. Und die Gangart auch. Schlichte Meinungsmache, Kriegspropaganda für den

Hausgebrauch - das reichte jetzt nicht mehr.

 

Die Lüge vom serbischen KZ

 

Pristina, die Hauptstadt des Kosovo, war Schauplatz einer perfiden Propagandageschichte: Im Mittelpunkt stand das Fußballstadion. Rund um das

Stadion sind die Zerstörungen bis heute zu sehen, und oben auf den Tribünen verwittert der Beton. Doch der Rasenplatz unten wird gehegt und

gepflegt, und die Jugendmannschaft trainiert hier wie eh und je. Doch damals, vor zwei Jahren, sollen die Serben hier ein KZ für Kosovo-Albaner

betrieben haben - ganz nach Nazi-Manier. Mit dieser Behauptung ging Rudolf Scharping im April 1999 an die Öffentlichkeit.

 

Rudolf Scharping (28. 03 1999):

"Viel wichtiger ist die Frage, was geschieht jetzt im Kosovo: Wenn ich höre, dass im Norden von Pristina ein Konzentrationslager eingerichtet

wird, wenn ich höre, dass man die Eltern und die Lehrer von Kindern zusammentreibt und die Lehrer vor den Augen der Kinder erschießt, wenn

ich höre, dass man in Pristina die serbische Bevölkerung auffordert, ein großes ‚S' auf die Türen zu malen, damit sie bei den Säuberungen nicht

betroffen sind, dann ist da etwas im Gange, wo kein zivilisierter Europäer mehr die Augen zumachen darf, außer er wollte in die Fratze der

eigenen Geschichte schauen."

 

Das "S" zum Schutz der Serben hat in Pristina auf keiner einzigen Tür geprangt. Auch nicht in den Katakomben unter den Stadiontribünen, wo

Serben das KZ betrieben haben sollen. Hierher hat sich höchstens mal ein Weitschuss der Fußballjugend verirrt. Vielleicht rauchten die Jungs nach

dem Spiel hier unten ihre erste Zigarette, tranken heimlich Cola und Schnaps. Aber Rudolf Scharping berichtet sogar noch in seinem späteren

Kriegstagebuch über den Nato-Einsatz im Kosovo von mehreren tausend Leuten, die hier interniert gewesen seien. Und der deutsche

Außenminister Joschka Fischer bemühte sogar mehrfach den Vergleich zwischen Serben und Nazis und rief zum Krieg mit den Worten: "Nie

wieder Auschwitz!" Bis heute bleiben Joschka Fischer und Rudolf Scharping bei ihrer Darstellung.

 

Rudolf Scharping:

"Ich habe mich so geäußert, dass der Verdacht besteht, dass im Stadion von Pristina Menschen festgehalten werden. Das beruhte auf

Zeugenaussagen, die sich bezogen auf entsprechende Internierung in den Gängen des Stadions, in den Geschäften, die unterhalb der Tribünen

waren. Wir haben versucht, das aufzuklären. Bilder davon konnten wir nicht gewinnen. Aber die Zeugenaussagen standen."

 

Zeugen aus Pristina also. Wenn einer aber etwas mitbekommen hat, dann müsste es Shaban Kelmendi gewesen sein, kosovarischer Politiker. Sein

Haus liegt direkt am Stadion und während des Krieges hat er Pristina keinen Tag verlassen. Shaban Kelmendi, Augenzeuge: "Wie Sie sich selbst

überzeugen können, blickt man von hier aus genau auf das Stadion. Man kann alles sehen. Es hat damals dort keinen einzigen Gefangenen oder

eine Geisel gegeben. Das Stadion hat immer nur als Landeplatz für Helikopter gedient."

 

Und während er noch spricht, nähert sich von weitem ein Helikopter der KFOR, der internationalen Schutztruppe für das Kosovo, dem Stadion.

 

Sheban Kelmendi, Augenzeuge:

"Sie sehen ja, da landen immer nur Helikopter. Wie damals. Das haben wir alle hier sehen können. Die Helikopter landeten dort, und die Leute

stiegen ein, Soldaten halt."

 

Das Fußballstadion von Pristina - ein Konzentrationslager, wie Rudolf Scharping es vollmundig verkündet hatte? Im besten Fall gutgläubig

weitergetragene Propaganda, wahrscheinlich aber schlicht eine frei erfundene Gräuelgeschichte.

 

Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:

"Hier muss ich mich wirklich beherrschen, weil der Vergleich mit Auschwitz und der Situation im Kosovo eine ungeheuerliche Behauptung ist.

Man muss sich als Deutscher schämen, dass deutsche Minister so etwas getan haben, denn ein normaler Mensch, ein normaler Deutscher, wird

vor Gericht zitiert, wenn er in derartigem Ausmaße Auschwitz verharmlost. Und dass ein deutscher Minister von KZs im Kosovo sprach, ist auf

der gleichen Linie, denn KZs sind Einrichtungen einer bestimmten historischen Situation, nämlich der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland.

Und ich finde es im Grunde genommen ungeheuerlich, dass gerade Deutsche diese Vergleiche gewählt haben."

 

Die Lüge vom Massaker in Rugovo

 

Nicht die einzige Kriegslüge, die man in die Welt setzte, um die Unterstützung der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten. Beispiel: Rugovo, ein kleines

Bauerndorf im südlichen Kosovo. Im Krieg blieb der Ort weitgehend unzerstört. Jetzt zwei Jahre danach, wird die Ernte wieder eingebracht,

normaler Bauern-Alltag. Und doch hat Rugovo für den Kosovo-Krieg eine besondere Bedeutung. Begonnen hatte die Geschichte auf dem

Bauernhof von Shefget Berisha. Eine Geschichte, die später im fernen Deutschland Schlagzeilen machte. Es war der 29. Januar 1999, zwei

Monate vor Beginn der Nato-Luftangriffe. Plötzlich hörten die Nachbarn von Shefget Berisha Schüsse. Was war passiert?

 

Remzi Shala, Augenzeuge:

"Damals am 29. Januar ist folgendes passiert: Es war ein Freitag. Morgens kurz nach fünf ging es drüben im Haus meines Nachbarn Shefget

Berisha los. Es waren Schüsse aus Maschinengewehren, drei oder vier Stunden lang. Wir waren wach geworden und hörten das alles, ja, erst

nach drei oder vier Stunden hörte die Schießerei auf. So gegen zehn Uhr kam eine Gruppe Polizisten aus dieser Richtung dort auf uns zu. Mein

Vater und ich haben sie gesehen. Als sie dann so ungefähr bis auf fünfzig, sechzig Meter an mich herangekommen waren, blieb mir nur noch

wegzulaufen. Ich lief weg in die andere Richtung."

 

Dieser zerschossene rote Kleinbus erinnert noch heute an jenen Tag. Doch was war genau in Rugovo geschehen? Ein Massaker der Serben an

unschuldigen Zivilisten, sagte Rudolf Scharping. Zwei Monate später, am 27. April 1999, präsentierte der Verteidigungsminister seine Beweise.

 

Rudolf Scharping (27. April 1999):

"Was wir Ihnen hier zeigen, ich hatte ja schon gesagt, man braucht starke Nerven, um solch grauenhafte Bilder überhaupt ertragen zu können, sie

machen aber deutlich, mit welcher Brutalität das damals begonnen wurde und seither weitergegangen ist. Wenn Sie sich mal solche Fotos

anschauen, dann werden Sie auch sehr, sehr unschwer erkennen können, dass das in einem gewissen Umfang auch beweissichernd sein kann.

Die Uniformen, die Sie da sehen, dass sind Uniformen der serbischen Spezialpolizei. Das macht auch deutlich, dass Armeekräfte und

Spezialpolizei, später dann auch im Fortgang nicht nur diese, sondern auch regelrechte Banden freigelassener Strafgefangener und anderer, an

solchen Mordtaten beteiligt sind. Es sind erschütternde Bilder. Und ich muss mir große Mühe geben, das in einer Tonlage zu schildern, die nicht

gewissermaßen zur Explosion führt."

 

"Deshalb führen wir Krieg", titelte auch die Presse und veröffentlichte die Bilder Scharpings. Doch seine eigenen Experten wussten es schon

damals besser: Dies war kein Massaker an Zivilisten! Aus dem geheimen Lagebericht:

"Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch. Am 29. Januar '99 wurden in Rugovo bei einem Gefecht 24 Kosovo-Albaner und ein serbischer

Polizist getötet."

 

Also ein Gefecht unter Soldaten - kein Massaker an Zivilisten, wie der Verteidigungsminister behauptet? Diese Fernsehbilder, aufgenommen von

einem westlichen Kamerateam unmittelbar nach den Ereignissen in Rugovo, liefern Hinweise, wie es tatsächlich war: Gewehre neben toten

Albanern, die angeblich Zivilisten waren. Die Toten tragen Militärstiefel. Sie haben Mitgliedsausweise der UCK und tragen deren Rangabzeichen.

Doch wurden diese Bilder vielleicht arrangiert - von den Serben, und vor dem Eintreffen der westlichen Kamerateams?

 

Frage: "Bei dem Beispiel Rugovo, auf welche Quellen haben Sie sich dabei berufen?"

 

Rudolf Scharping:

"Auf OSZE-Beobachter, die als Erste am Ort waren."

 

Frage: "Waren diese Schilderungen, die damals gemacht worden sind zu den Vorgängen in Rugovo, aus ihrer Sicht heute korrekt und sind nach

wie vor so gültig?"

 

Rudolf Scharping:

"Ja, die sind völlig korrekt."

 

Der erste OSZE-Beobachter vor Ort, das war dieser Mann, ganz links im Bild. Es ist der deutsche Polizeibeamte Henning Hensch.

 

Henning Hensch, OSZE-Beobachter:

"In jedem Fall ist es richtig, dass der Verteidigungsminister noch am Tage der ersten Veröffentlichung, die ich selber auch gesehen habe in der

Deutschen Welle, von mir darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, dass die Darstellung, die da abgelaufen ist, so nicht gewesen ist."

 

Sein offizieller Ermittlungsbericht zu Rugovo. Das Ergebnis: Kein Massaker an Zivilisten.

 

Henning Hensch, OSZE-Beobachter:

"Am Tatort fanden wir einen roten Van, zerschossen, mit offenen Scheiben und insgesamt vierzehn Leichen in diesem Fahrzeug, und drei Leichen

lagen außerhalb des Fahrzeuges. In der ‚Garage' genannten Stallung auf der Rückseite der Farm befanden sich fünf UCK-Fighter in den typischen

Uniformen, den dunkelblauen mit dunkelgrün oder grün eingefärbten Uniformen, die dort im zehn Zentimeter hohen Wasser lagen. Und dann ging

es noch etwa 300 Meter weiter zu einem zweiten Tatort, an dem wir wiederum vier Leichen fanden, und darüber hinaus sind die Leichen, die der

Verteidigungsminister zeigen ließ, dort von den serbischen Sicherheitsbehörden und von mir und meinen beiden russischen Kollegen abgelegt

worden, weil wir sie von den verschiedenen Fundorten oder Tatorten zusammengesammelt hatten."

 

So also entstanden diese Bilder einer angeblichen Exekution, die der Minister präsentierte. Bilder, die mit den tatsächlichen Ereignissen nichts zu

tun hatten.

 

Heinz Loquai, General a.D. - OSZE:

"Es war auch ganz klar, dass das kein Massaker an der Zivilbevölkerung war, denn nach den OSZE-Berichten haben Kommandeure der UCK ja

selbst gesagt, es seien Kämpfer für die große Sache der Albaner dort gestorben. Also zu einem Massaker hat es eigentlich der deutsche

Verteidigungsminister dann interpretiert."

 

New York, April 1999. Während Scharping von einem Massaker berichtet, das keines war, und von einem KZ, das es nie gab, war der

Kosovo-Krieg weiter in vollem Gange. In Deutschland wie in den USA wurde für diesen Krieg Stimmung gemacht. Das war auch notwendig,

denn der Krieg war völkerrechtswidrig: Nur die Vereinten Nationen, deren Hauptquartier hier in New York ist, hätten ein Mandat für den Angriff

geben dürfen. Doch dieses Mandat hat es nie gegeben. Damals herrschte Hochbetrieb für das Wachpersonal der UNO. Immer neue

Regierungsvertreter trafen im Haptquartier der Vereinten Nationen ein, immer heftiger wurden die Auseinandersetzungen hinter verschlossenen

Türen.

 

"Kollateralschäden" - und die Erfindung des "Hufeisen-Plans"

 

April 1999: Bei den Vereinten Nationen wird um den Krieg gestritten. Zur gleichen Zeit fliegen Nato-Bomber bereits Angriff um Angriff, 6000-mal

- und immer ohne UN-Mandat.

 

Ganz überraschend ist das nicht, denn bei den Vereinten Nationen kennt man nicht erst seit heute die amerikanische Regierungspolitik, und deren

kaum verhüllte Geringschätzung der Vereinten Nationen. Bereits 1993 hatte US-Präsident Bill Clinton die Grundzüge dieser US-amerikanischen

Außenpolitik in einem geheimen Regierungsdokument festgelegt. Der Titel: "Mit den Vereinten Nationen wenn möglich, ohne sie wenn nötig." "Die

Nato", heißt es darin, "soll die Entscheidungskriterien für die UN festlegen und nicht umgekehrt." Der Kosovo-Einsatz ohne UN-Mandat - ein

klarer Bruch des Völkerrechts. Der deutsche Verteidigungsminister hat ihn mitgetragen.

 

Doch warum? Einer der wichtigsten politischen Berater der US-Regierung, Wayne Merry, hatte Zugang zu geheimen Planungsunterlagen der

US-Regierung.

 

Wayne Merry, Berater der US-Regierung:

"Manche Regierungsleute aus dem Außenministerium reden davon, dass Kosovo nur der Auftakt ist für zukünftige Kriege der Nato, die noch viel

entfernter sein werden. Für Washington ging es nicht um die Demonstration der amerikanischen Führungsrolle in der Nato. Die wurde nie

bestritten. Man wollte zeigen, dass die Nato überhaupt noch einen Zweck hat. Und dieser Zweck ist etwas ganz anderes, als die rein defensiven

Aufgaben, für die die Nato gegründet wurde."

 

In diesen Räumen tagt der NATO-Rat. Soll die NATO der neue Weltpolizist werden? In den USA vielleicht eine selbstverständliche Vorstellung.

Doch der deutschen Öffentlichkeit wäre die nur schwer zu vermitteln gewesen. Zumal der Kosovo-Krieg inzwischen immer heftiger kritisiert

wurde, vor allem nachdem NATO-Flugzeuge die militärischen Ziele der Serben verfehlten und stattdesse versehentlich Flüchtlingstrecks angriffen.

"Kollateralschäden" nennen dies die Militärs. Besonders in Deutschland wurde die Öffentlichkeit gegenüber der Nato-Politik nun spürbar kritischer.

 

 

Anfang April 1999 im Nato-Hauptquartier: Jetzt ist Schadensbegrenzung gefragt.

 

Jamie Shea, Nato-Sprecher:

"Nach dem Angriff auf den Flüchtlingskonvoi bei Djakovica, dem ersten ‚Unfall' des Krieges, fiel die öffentliche Zustimmung in vielen Ländern,

auch in Deutschland, um 20 bis 25 Punkte. Wir mussten sechs Wochen hart arbeiten, um die öffentliche Meinung zurückzugewinnen. Milosevic

machte den Fehler, die Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Albanien und Mazedonien zu treiben.

An der Grenze waren Fernsehteams, die das Leiden filmten. Und so stellte sich die öffentliche Meinung wieder hinter die Nato."

 

Und das sind die Fernsehbilder, die der Nato-Sprecher Jamie Shea meint, und die den entscheidenden Fehler Milosevics im Propagandakrieg

dokumentieren: Bilder albanischer Flüchtlinge an der jugoslawisch-mazedonischen Grenze. Jeden Abend und in jeder Nachrichtensendung ist es

nun zu sehen: Leid, Flucht und Vertreibung. Doch in Deutschland haben diese Bilder offenbar nicht ausgereicht. Jetzt hieß es: Von langer Hand

hätten die Serben die Vertreibung dieser Menschen und die ethnische Säuberung des Kosovo geplant. Mord und Vertreibung im Kosovo erhielten

einen Namen: "Operationsplan Hufeisen".

 

Rudolf Scharping (7. 04. 1999):

"Ich will Ihnen ausdrücklich auch für morgen ankündigen eine genaue Analyse dessen, was sich auf der Grundlage des Operationsplans Hufeisen

in den Monaten seit Oktober 1998 im Kosovo vollzogen hat. Er zeigt sehr deutlich, dass in klar erkennbaren Abschnitten die jugoslawische Armee,

die jugoslawische Staatspolizei begonnen hat, in der Zeit von Oktober bis zum Beginn der Verhandlungen in Rambouillet, die Vorbereitungen für

die Vertreibung der Bevölkerung nicht nur zu treffen, sondern diese Vertreibung auch schon begonnen hat. Er zeigt im Übrigen sehr deutlich das

systematische und ebenso brutale wie mörderische Vorgehen, das seit Oktober 1998 geplant und seit Januar 1999 ins Werk gesetzt worden ist."

 

Dies sollte der Operationsplan sein. Wie ein Hufeisen umschließen serbische Truppen albanische Zivilisten und treiben sie aus dem Kosovo. Schon

seit Januar '99, also vor Beginn der Nato-Angriffe, seien die Serben "planmäßig" vorgegangen, hieß es in der Broschüre des

Verteidigungsministeriums. Und zum Beleg dieses Foto. Doch die Datenzeile weckt Zweifel, denn sie zeigt das Aufnahmedatum: April '99, also

erst nach Beginn der Nato-Luftangriffe, und schon deshalb ist das, was in Randubrava, dem Dorf auf dem Foto, geschah, kein Beweis für den

Hufeisenplan.

 

Randubrava heute. An den Krieg erinnert nur noch wenig. Wiederaufbau: Die Dachziegel, mit denen die Bewohne iohre zerstörten Häuser neu

decken, hatte ihnen die deutsche Hilfsorganisation "Cap Anamur" gespendet. Aber wurde das Dorf tatsächlich, wie Minister Scharping behauptete,

bereits vor den NATO-Luftangriffen von den Serben überfallen und in Brand gesetzt? Und wurde die Zivilbevölkerung wirklich "planmäßig" von

hier vertrieben? Dies hätte dann ein Indiz für die Echtheit des Hufeisen-Plans sein können.

 

Shaip Rexhepi, Augenzeuge:

"Die Bewohner haben das Dorf am 25. März nach den Luftangriffen der Nato verlassen. Abends gegen zwanzig Uhr haben wir den Befehl von der

UCK erhalten, die Bevölkerung zu evakuieren. Am 26. März hat es keine Dorfbewohner mehr hier gegeben, wir hatten sie alle in das Dorf

Mamush gebracht. Dann erst beschossen uns die Serben mit Granaten. Wir waren UCK-Soldaten, wir haben uns verteidigt, aber es war

unmöglich. Wir waren den Panzern und Kanonen gegenüber machtlos. Aber wir haben standgehalten so lange wir konnten. Hier aus meinem Dorf

waren wir 85 UCK-Soldaten, aber es gab auch noch andere von außerhalb. Insgesamt waren wir hier 120 Soldaten von der vierten Kompanie der

129. Brigade der UCK."

 

Mit einer "planmäßigen" Vertreibung der Zivilbevölkerung hat das wenig zu tun. Hatte Verteidigungsminister Scharping in seiner Broschüre die

Unwahrheit verbreitet?

 

Frage: "Wie haben Sie sich darüber informiert, was in diesem Ort geschehen ist?"

 

Rudolf Scharping:

"Das sind Ergebnisse der Luftaufklärung, das ist ja nicht so schwer, entsprechende Bilder zu bekommen, jedenfalls solange sie keine geschlossene

Wolkendecke haben. Im übrigen gibt es Zeugenaussagen, die man heranziehen kann, es gibt Menschen, die geflohen sind, es gibt andere, die zum

Teil unter Lebensgefahr berichtet haben. Dazu gehörte in der Zeit vor dem Ausbruch der kriegerischen Maßnahmen auch das sehr vielfältige

Informationsangebot, will ich's mal nennen, das über die unbewaffneten Beobachter der OSZE an uns herankam."

 

Doch nicht nur das Dorf Randubrava führt Rudolf Scharping in seiner Broschüre als Beweis für den Hufeisen-Plan an. Auch ein Dorf namens

Sanhovici soll vor den Nato-Luftangriffen zerstört worden sein. Doch auch dieses Foto entstand später: im April '99, ebenfalls nach Kriegsbeginn.

 

 

Dort hinten liegt das Dorf aus der Aufklärungsbroschüre des Verteidigungsministeriums. Allerdings heißt der Ort nicht Sanhovici, sondern

Petershtica. Noch heute sind die Spuren des Krieges zu sehen. Viele Häuser bis auf die Grundmauern niedergebnrannt - es wird noch lange

dauern, bis die rund hunert Bewohner ihr Dorf wieder aufgebaut haben. "Dankeschön", rufen Kinder auf deutsch. Auch hier stammt das

Baumaterial von deutschen Hilfsorganisationen. In Petershtica wollten die Serben die Heimat dieser Dorfkinder auf eine besonders tückischebArt

und Weise für immer zerstören, so steht es in der Broschüre des Verteidigungsministeriums. Zitat:

"Zunächst stellt man (also die Serben) eine brennende Kerze auf den Dachboden, und dann öffnet man im Keller den Gashahn ..."

 

Auf diese Weise also hätten die Serben hier gewütet. Ihre Aktionen - so Scharping - seien keine Reaktion auf die Luftangriffe der Nato gewesen,

sondern, so wörtlich, "von vornherein Teil der so genannten Operation Hufeisen", also der planmäßigen Vernichtung vor Beginn der

Nato-Bombardierung. Doch in Petershtica erinnert man sich völlig anders.

 

Fatmir Zymeri, Augenzeuge:

"Das war alles schon im Juni 1998 passiert. Damals waren da eine Menge Leute von der jugoslawischen Armee, die dort vom Dorf Zboc aus auf

uns zu kamen. Aber wir hatten die Armee zurückgeschlagen. Dann hatten sie angefangen, uns mit schweren Waffen zu beschießen - vier Wochen

lang. Es gab so gut wie keine Stelle mehr, wo keine Granate eingeschlagen war. So war es in diesem Ortsteil hier und im gesamten Dorf."

 

Die Zerstörungen also stammten bereits vom Juni 1998. Doch laut Scharping hatte Milosevic den so genannten Hufeisenplan erst ein halbes Jahr

später, im Dezember 1998, entworfen. Und was war mit den Kerzen auf den Dachböden und dem Gashahn im Keller, von denen Scharping

berichtete?

 

Fatmir Zymeri, Augenzeuge:

"Nein, so gerieten die Häuser in unserem Dorf nicht in Brand. Das passierte auf unterschiedliche Art und Weise, aber nicht so. Die wurden anders

in Brand gesetzt. Die Häuser hatten durch Granatenbeschuss nFeuer gefangen, diese Fälle gab es. Das geschah, als die Granaten ins Heu

einschlugen, auf die Zäune und so. Auf gar keinen Fall aber durch solche eine Methode mit den Kerzen."

 

Wieder kein Beleg für den so genannten Hufeisen-Plan. Wohl aber ein weiterer Beweis für Manipulation undb Fälschung im

Verteidigungsministerium.

 

Frage: "Dieser letzte Ort, da war eine Bildunterschrift drunter, dort stand, die Serben kommen in Dörfer, öffnen die Gashähne in den Kellern und

stellen eine brennende Kerze auf den Dachboden. Es gibt Zweifel, dass diese Methode überhaupt funktioniert."

 

Rudolf Scharping:

"Welche Zweifel sind das denn?"

 

Frage: "Wenn man in den Kellern den Gashahn aufdreht und oben eine Kerze hinstellt, das funktioniert nicht!"

 

Rudolf Scharping:

"Ja?"

 

Frage: "Nein, funktioniert technisch überhaupt nicht, weder chemisch noch physisch noch überhaupt. Das weiß eigentlich jeder

Oberbrandmeister. Es muss also eine Information sein, die entweder von den Zeugen, die ihnen zugetragen worden ist, nicht korrekt ist oder nicht

geprüft worden ist."

 

Rudolf Scharping:

"Dann würde ich Ihnen raten, diesen Test noch einmal zu machen. Aber nicht mit einem Gashahn im Keller, sondern mit einer Flasche."

 

Frage: "Ja, das ist das Gleiche, das funktioniert beides nicht."

 

Rudolf Scharping:

"Ja ...?"

 

Gas ist nämlich schwerer als Luft. Auch der Minister hatte offenbar gemerkt, wie leicht solche Manipulationen und Lügen auffallen könnten, denn

später finden sich zwar noch die Abbildungen der beiden Dörfer, aber ohne die verräterischen Text- und Datenzeilen. In neiner Neuauflage der

Broschüre vom Mai '99 waren sie entfernt worden.

 

Mai 1999, schon er zweite Kriegsmonat. Immer häufiger machten sich Tornado-Piloten der Bundeswehr bereit für den Angriff. Längst war

bekannt, dass nicht nur militärische Ziele getroffen wurden, sondern auch zivile. Und die NATO setzte sowohl grausame Splitterbomben wie auch

umstrittene nUranmunition im Kosovo ein. Trotz des unbeliebten und autoritären Regimes in Belgrad wurden in der deutschen Bevölkerung

deshalb die Zweifel immer stärker, ob der Einsatz der Kampfflugzeuge gerechtfertigt war. Der öffentliche Druck auf Rudolf Scharping wurde

immer stärker. Denn entgegen seinen eigenen Ankündigungen blieb er stichhaltige Beweise für die Existenz des so genannten Hufeisen-Plans

schuldig. Zwei Jahre nach dem Krieg deshalb noch einmal die Frage an Rudolf Scharping: Was war denn nun mit dem Hufeisenplan?

 

Rudolf Scharping:

"Wir hatten geheimdienstliche Informationen, ich erhielt sie Anfang April 1999 über den Außenminister. Ich habe dann unsere Fachleute gebeten,

nicht nur diese Informationen auszuwerten, sondern sie zu vergleichen mit den Erkenntnissen aus der elektronischen Aufklärung, also auch dem

Abhören von Funkverkehr serbischer Einheiten und Paramilitärs. Das ist geschehen, und erst als dieser Abgleich gezeigt hat, dass die

Informationen richtig sind, haben wir sie auch öffentlich verwendet."

 

Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:

"Ich habe dann um ein Gespräch im Verteidigungsministerium nachgesucht, das habe ich bekommen, das war im November, und dort hat man

mir gesagt, es habe kein ‚Operationsplan Hufeisen' vorgelegen, sondern was man hatte, war eine Darstellung der Ereignisse, die im Kosovo

abgelaufen sind, und diese Darstellung der Ereignisse konnte man auf Grund der OSZE-Berichte und anderer Berichte nachvollziehen. Aber es gab

keinen ‚Operationsplan Hufeisen', so jedenfalls die Fachleute im Verteidigungsministerium."

 

Geflüchtete Kosovo-Albaner - ein Opfer der Serben. Aber nicht als Folge eines Vertreibungsplans mit Namen "Hufeisen". Der war schlicht eine

Erfindung des deutschen Verteidigungsministeriums, Kriegspropaganda wie das angebliche KZ von Pristina oder das angebliche Massaker an

Zivilisten in Rugovo. Das Elend der Flüchtlinge aber war auch eine Folge der Nato-Bombardierung. Vor dem politischen Scheitern eines Krieges

im Kosovo war früh gewarnt worden - auch aus den Reihen der OSZE und des Militärs. Dennoch wollte die Bundesregierung deutsche Soldaten

in diesen Krieg führen. Dafür musste sie die Gunst der Öffentlichkeit gewinnen. Kein Kriegsziel der NATO wurde erreicht. Was aus diesen

Menschen wird, ist bis heute ungewiss.

 

Heinz Loquai, General a.D.:

"Man hat in der Vergangenheit oft der deutschen Generalität den Vorwurf gemacht, dass sie dort auch geschwiegen habe, wo sie etwas hätte

sagen sollen. Und ich wollte in dieser Situation auch etwas sagen und die Manipulation und Propaganda nicht als solche stehen lassen."

 

Doch Lügen und Propaganda in Zeiten des Krieges sind meist stärker. Sie sind Waffen. Sie töten die Wahrheit.

 

 Zu jW vom 16. April: »Serbenmörder vor Gericht«

Der bosnisch-muslimische Militärkommandeur von Srebrenica, Naser Oric, wurde festgenommen. Wer hier in Deutschland kennt diesen Namen? Wer kennt die Vorgänge in und um Srebrenica?

Es ist Tatsache, daß die bosnisch-muslimischen Streitkräfte mit der Zivilbevölkerung in Srebrenica als 1993 eingerichteter UN-Schutzzone hatten bleiben können und insgeheim nicht entwaffnet worden waren. An den Standorten der UNPROFOR-Kontingente vorbei konnten weiterhin bandenweise ungeheuerliche Massakerüberfälle auf die serbischen Ortschaften im Drinatal verübt werden. Bis 1994 waren 192 Ortschaften davon betroffen.

Darum überhaupt griff – für die Zivilisten zwar viel zu spät – ein von General Mladic aus dem Drinatal rekrutiertes Korps im Juli 1995 in Srebrenica ein. Und da jene Teile der bosnisch-muslimischen Armee, die den Verrat ihrer Führung (Izetbegovic) zu spät begriffen und sich nicht abgesetzt hatten, den Serben Widerstand leisteten, gab es Kämpfe und Gefallene in der Stadt und auch Gefangene, die später ausgetauscht werden sollten. Es gab aber unter Mladics Führung keinerlei Morde. Nur wurden Morde und die Beschuldigung gegen die Serben, in eine unbewaffnete UN-Schutzzone eingefallen zu sein, gebraucht, um das Bombardement der NATO zu erzwingen.

Wie viele muslimische Kämpfer in der Stadt und verfolgt auf der Flucht nach Tuzla fielen, ist bis heute ungesichert. (...) Es gibt in allen Falschaussagen, die zu Lasten der Serben den von Deutschland provozierten Bürgerkrieg der Sezessionen und das völkerrechtswidrige aggressive Eingreifen des Westens rechtfertigen sollen, eine Dimension, die uns als Deutsche angeht: Die extrem sadistische Grausamkeit der Morde an der serbischen Bevölkerung hat bewußt die Methoden der kroatisch-muslimischen »SS-Handzar-Division« wiederholt, sich auch deren Namen gegeben, und so die Entsetzen des Zweiten Weltkrieges im Bewußtsein der dortigen Bevölkerung aktualisiert. (...)

Was von seiten der Serben zur Richtigstellung der offiziellen Falschaussagen getan wird (siehe Milosevic-Prozeß), darf nicht verlautbaren. Aber auch bosnisch-muslimische Offiziere, die die Wahrheit über Srebrenica einklagen möchten, kommen, zum Teil außer Landes gebracht, nicht zu Wort.

Anatomie einer Tragödie
 
Der Fall von Srebrenica (I): Horrorzahlen und seriöse Untersuchungen
 
Die Tragödie von Srebrenica jährt sich am morgigen Freitag zum achten Mal. Am 11. Juli 1995 eroberten die Serben die unter UN-Schutz stehende Stadt im Osten Bosniens. Die von ihnen begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen an moslemischen Zivilisten und Militärs dienten in Deutschland und anderen westlichen Staaten zur Legitimation eines militärischen Eingreifens. SPD und Bündnisgrüne, die »vor Srebrenica« noch Widerstand gegen die Pläne der Kohl-Regierung geleistet hatten, die Bundeswehr außerhalb des NATO-Bündnisgebietes einzusetzen, schwenkten in der Folge rasch um.

Diese tiefgreifende Revision der traditionellen Außenpolitik der Bundesrepublik war nur möglich, weil die Opferzahl inflationiert und so – erinnert sei an das Diktum des Sozialdemokraten Freimut Duve von der »Rampe von Srebrenica« – Srebrenica in die Nähe von Auschwitz gerückt wurde. Eingebürgert hat sich die Rede von den 7000 ermordeten Moslems, die im letzten Jahr selbst in der »sozialistischen Tageszeitung« Neues Deutschland kolportiert wurde. Ein Spitzenpropagandist kann aber im Bedarfsfall auch die Marke von 30000 Toten erreichen – so Rudolf Scharping bei Sabine Christiansen während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien.

Bleiben wir bei den Fakten: Das Internationale Rote Kreuzes IKRK) hat bis zum Sommer 2001 insgesamt 7475 aus Srebrenica Verschwundene registriert. Wieviel von diesen Verschwundenen tot sind, ist nicht geklärt. Die bosnischen Serben behaupten, daß die Namen von über 3000 angeblich Verschwundenen zwei Jahre später auf den OSZE-Wählerlisten für die Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina wieder aufgetaucht sind.

Auch in den beiden wichtigsten Untersuchungsberichten westlicher Staaten wurde diese Frage leider nicht durch eigene Untersuchungen geklärt, sondern lediglich die bekannten und nicht bewiesenen Zahlen repetiert. Das trifft sowohl auf die 1200 Seiten starke Studie des französischen Parlaments (vorgelegt im November 2001) als auch auf den 3500 Seiten starken Report des niederländischen Armeeinstituts NIMROD (vorgelegt im April 2002) zu. (Frankreich stellte in die Mehrheit der UN-Blauhelme in Bosnien, die Niederlande 1995 das Gros in Srebrenica.) Zum niederländischen Bericht stellt das Wochenmagazin Elsevier kritisch fest: »Die Schuld der bosnischen Serben wird nicht geringer, wenn keine siebentausend, sondern zwei- oder dreitausend Muslime abgeschlachtet wurden. Aber eine genauestmögliche Feststellung der Anzahl der Todesopfer ist von Bedeutung, wenn es um die Wahrheitsfindung geht. Und genau hier wird die Untersuchung ... den Anforderungen nicht gerecht.«

Die Zahl »zwei- bis dreitausend« kann als wahrscheinlich gelten, da sie von den Ergebnissen der Leichensuche gestützt wird. Das UN-Tribunal in Den Haag, das die entsprechenden Grabungsarbeiten in und um Srebrenica koordiniert, gab im August 2001, sechs Jahre nach den fraglichen Ereignissen, die Gesamtzahl der gefundenen Leichen mit »mindestens 2028« an. Diese seien aus 21 Massengräbern geborgen worden, 18 weitere seien noch nicht untersucht.
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Srebrenica – kein Völkermord
 
Jahrestag der Einnahme durch serbische Truppen (II): Massakeropfer und Gefechtstote auf beiden Seiten
 
Zum heutigen achten Jahrestag der Einnahme der ostbosnischen Moslemenklave Srebrenica durch die Serben wird in den meisten Medien wieder die Zahl von 7000 bis 8000 Ermordeten kolportiert. Die bisherigen Ergebnisse der Leichensuche lassen jedoch darauf schließen, daß höchstens 2000 bis 3000 zu Tode gekommen sind (vgl. junge Welt von gestern).

Strittig ist weiterhin, wie viele dieser Toten »abgeschlachtet« wurden. Die Richter in Den Haag stellten dazu im Verfahren gegen den bosnisch-serbischen Armeegeneral Radislav Krstic fest: »Der Gerichtshof kann die Möglichkeit nicht ausschließen, daß ein Prozentsatz der in den Gräbern gefundenen Leichen Männer sein könnten, die im Kampf getötet wurden.« Ein Drittel der 10000 bis 15000 muslimischen Flüchtlinge, die sich von Srebrenica nach Tuzla durchschlagen wollten, waren nach Erkenntnissen der Richter Soldaten. »Die Militärexperten sowohl der Anklage wie der Verteidigung stimmen darin überein, daß nach den Bestimmungen der bosnisch-serbischen Armee diese Kolonne ein legitimes militärisches Ziel darstellte«, hieß es im Urteil. Der Haager Chefermittler Jean-René Ruez geht davon aus, daß alle 2628 Toten der 28. moslemischen Division bei den Kämpfen zwischen Srebrenica und Tuzla »im Kampf umgekommen« sind.

Beim Durchbruchversuch der Muslime kam es zu tagelangen Gefechten mit dem Drina-Korps der bosnisch-serbischen Armee. Daß das Hauptziel der Serben dabei nicht die physische Vernichtung, sondern die militärische Ausschaltung des Gegners war, wurde in dem Prozeß aktenkundig: Demnach haben die Serben 5000 Flüchtlingen der eingeschlossenen Kolonne freien Abzug gewährt, da sie unbewaffnet waren.

Von den bewaffneten Muslimen, die schließlich gefangengenommen wurden, sind sehr viele exekutiert worden – eindeutig ein Kriegsverbrechen. Ungeklärt ist, ob diese Morde von der Armeeführung angeordnet wurden oder ob es ein spontanes Pogrom war, das die Generalität nicht verhindert hat, weil sie es entweder nicht verhindern konnte oder nicht wollte. Der Untersuchungsbericht der niederländischen Armee stellt dazu fest: »Ein schriftlicher Befehl wurde nicht gefunden ... Es ist unwahrscheinlich, daß (das Massaker) lange vorher in dieser spezifischen Form und in diesem Ausmaß geplant worden war ... Besonders angesichts der großen Anzahl von Gefangenen verloren die bosnischen Serben die Selbstkontrolle.« Weiterhin lehnt die Studie eine Schuldzuschreibung an den damaligen jugoslawischen Präsidenten explizit ab: »Es gibt keine Hinweise auf eine politische oder militärische Verbindung (des bosnisch-serbischen Generalstabes) nach Belgrad.« Damit ist die Haager Anklageschrift gegen Slobodan Milosevic an einem wichtigen Punkt praktisch zusammengebrochen: Der Vorwurf des »Völkermordes«, der in der ursprünglichen Anklageschrift vom Mai 1999 bezüglich des Kosovo nicht erhoben wird, war in ihrer Erweiterung im November 2001 bezüglich Srebrenica nachgeschoben worden.

Wie viele wehrlose Muslime in Srebrenica exekutiert wurden, ergibt sich annäherungsweise aus den in den Massengräbern gefundenen Fesseln und Augenbinden - bis zum August 2001 waren dies 448 bzw. 423. Da man Gefangene auch hinrichten kann, ohne sie vorher zu fesseln, können aber auch tausend, vielleicht sogar mehr als 1500 ermordet worden sein. Das ist schlimm genug, aber kein Grund, die Opferzahlen zu Propagandazwecken mit fünf zu multiplizieren, wie die deutsche Presse, oder mit zwanzig, wie Lügenminister Scharping seinerzeit.

In Srebrenica lebten bei Kriegsausbruch im Frühjahr 1992 etwa ein Drittel Serben. Bis zum Jahresende wurden fast alle vertrieben. Verantwortlich dafür waren die Terrortrupps des muslimischen Kommandanten Naser Oric. Zur Schätzung der Zahl der Opfer sind wir auf serbische Quellen angewiesen. Die bosnisch-serbische Wochenzeitung Javnost berichtete am 23. Dezember 1995, »daß in ganz Podrinje – das Gebiet auf der bosnischen Seite der Drna zwischen Zvornik im Norden und Visegrad im Süden – 192 Dörfer verbrannt, 2800 Serben getötet und 6000 verletzt worden waren.« Die Zahl der verbrannten Dörfer wurde von Dutchbat-General Tom Karremans bestätigt. Der serbische Pathologe Zoran Stankovic berichtet: »Wir haben seinerzeit auf eben diesem Gebiet 1000 ermordete Serben identifiziert, wovon wir (den damaligen Chefankläger in Den Haag, J.E.) Richard Goldstone in Kenntnis gesetzt haben, aber für diese Erkenntnisse hat sich niemand interessiert.«

Nachdem Srebrenica 1993 zur UN-Schutzzone erklärt und – angeblich – demilitarisiert worden war, ging der Terror weiter. Ein holländischer Blauhelm erinnert sich: »Die Moslems machten systematische Angriffe aus der Enklave heraus, und hinterher zogen sie sich gewöhnlich wieder auf das Gebiet unter dem Schutz der UN zurück.« In dieser Zeit wurden noch einmal mehr als 500 Serben von Orics Truppen ermordet.

Demnach wurden in Srebrenica sowohl auf serbischer als auch auf moslemischer Seite etwa 1500 unbewaffnete oder entwaffnete Personen ermordet. Warum wird, auch viele Jahre nach den damaligen Ereignissen, nur über die Verbrechen der einen Seite geredet?

 

 

Jürgen Elsässer

 

Serbenmörder vor Gericht

 
Muslimischer Kommandant von Srebrenica vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Teil 1
 

Seit dem gestrigen Dienstag kann auch der Konsument bürgerlicher Nachrichtensendungen wissen, daß im bosnischen Srebrenica die Serben nicht nur Täter, sondern auch Opfer waren. Mit Naser Oric wurde nämlich zum ersten Mal ein muslimischer Kommandant den Richtern des UN-Tribunals in Den Haag vorgeführt, dem schwere Kriegsverbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung zur Last gelegt werden.

Allerdings ist auch mit der Eröffnung dieses Prozesses noch längst keine Ausgewogenheit bei der Behandlung der verschiedenen Volksgruppen hergestellt: Von serbischer Seite sind gleich drei frühere Staatsoberhäupter in Haager Zellen gelandet – die bosnisch-serbische Präsidentin Biljana Plavsic, der serbische Präsident Milan Milutinovic und der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic. Nach Plavsics Vorgänger Radovan Karadzic und dem Oberbefehlshaber der bosnisch-serbischen Armee Ratko Mladic fahnden seit 1995 schwerbewaffnete Fahndungskommandos auf dem ganzen Balkan. Oric hingegen mußte sich nie verbergen und betrieb bis vor kurzem ein Fitneßstudio im bosnischen Tuzla. Dabei war schon seit Jahren bekannt, daß Oric in schwerste Gewaltstraftaten im Raum Srebrenica verwickelt war.

In der ehemaligen Silberstadt lebten bei Kriegsausbruch im Frühjahr 1992 etwa ein Drittel Serben. Innerhalb weniger Monate wurde die Stadt und das Umland von den Truppen Orics vollständig serbenfrei gemacht. Zur Schätzung der Zahl der Opfer von Orics Feldzügen sind wir auf serbische Quellen angewiesen. Die bosnisch-serbische Wochenzeitung Javnost berichtete am 23. Dezember 1995, »daß in ganz Podrinje – das Gebiet auf der bosnischen Seite der Drna zwischen Zvornik im Norden und Visegrad im Süden – 192 Dörfer verbrannt, 2800 Serben getötet und 6000 verletzt worden waren.« Die Zahl der verbrannten Dörfer wird vom holländischen General Karremans, dem Kommandeur der UN-Blauhelme in Srebrenica, bestätigt. Der serbische Pathologe Zoran Stankovic berichtet: »Wir haben seinerzeit auf eben diesem Gebiet 1000 ermordete Serben identifiziert, wovon wir (den damaligen Chefankläger in Den Haag) Richard Goldstone in Kenntnis gesetzt haben, aber für diese Erkenntnisse hat sich niemand interessiert.« Vorsitzender einer UN-Expertenkommission zu den Ereignissen in Srebrenica 1992/93 war Professor Cherif Bassiouni aus Chicago. In seinem Abschlußbericht an den Generalsekretär vom 27. Mai 1994 unterschlug er die von den Serben vorgelegten Beweise für den moslemischen Terror. Oric fühlte sich damals so sicher, daß er westliche Pressevertreter in sein Haus einlud. Die Washington Post berichtete im Februar 1994: »Naser Orics Kriegstrophäen hängen nicht an der Wand seines komfortablen Appartements, sie sind auf Videocassetten: Verbrannte Häuser, serbische Männer ohne Kopf, ihre Körper zu einem bemitleidenswerten Haufen aufgeschichtet.« Und weiter: »Die nächste Ladung Tote ging auf Sprengstoff zurück. ›Wir jagten sie zum Mond hinauf‹, brach es aus ihm heraus. Als Bilder einer Geisterstadt mit vielen Einschußlöchern erschienen, aber keine Leichen zu sehen waren, beeilte sich Oric zu sagen: ›Wir töteten dort 114 Serben.‹ Später wurde gefeiert, Sänger mit öliger Stimme sangen von seinem Ruhm.«

Im Januar 1993 hatte sich aus den Resten der abgezogenen jugoslawischen eine bosnisch-serbische Armee in der Region konstituiert, es begann die Gegenoffensive. Im April 1993 erklärte der UN-Sicherheitsrat Srebrenica zur Schutzzone, doch die in der UN-Resolution zugesagte Demilitarisierung wurde nicht durchgeführt. In der wurden noch einmal mehr als 500 Serben von Orics Truppen ermordet, berichtet Stankovic, der die Autopsien vornahm und davon Fotos gemacht hat.
* Teil 2 und Schluß in unserer morgigen Ausgabe

»Eine hartgesottene Gruppe von Mafiosi«
 
Muslimischer Kommandant von Srebrenica vor Tribunal in Den Haag. Teil 2 und Schluß
 
Mit Naser Oric steht seit Dienstag erstmals ein muslimischer Kommandant aus Srebrenica vor den Richtern des UN-Tribunals in Den Haag. Ihm werden schwere Kriegsverbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung zur Last gelegt. Der erste Teil unseres Hintergrunds erschien in unserer gestrigen Ausgabe.

Srebrenica hat im Westen traurige Berühmtheit erlangt, weil die Serben nach dem Einmarsch am 11. Juli 1995 angeblich 7000 bis 8000 Muslime ermordet haben sollen. Diese Zahl wird durch Leichenfunde nicht bestätigt und muß als um ein mehrfaches überhöht gelten. Vor allem wird bei der Diskussion um die damaligen Ereignisse kaum berücksichtigt, daß es auch eine blutige Abrechnung zwischen den Moslems der Stadt gegeben haben muß. Dabei spielte der mit der örtlichen Mafia eng verbundene Stadtkommandant Oric eine wichtige Rolle. »Zeugen behaupten, daß die Leute von Naser Oric hinter 19 Attentaten stehen«, hieß es 1996 in der muslimischen Wochenzeitung Ljiljan aus Sarajevo. Diese Gruppe habe auch gemordet, als die Moslems nach dem serbischen Einmarsch aus der Stadt geflohen seien: »Über die Morde darf man auch heute noch nicht sprechen. Einige radikalere Kenner der militärischen und politischen Verhältnisse in Srebrenica wagen es zu behaupten, daß ›Zeugen‹ sogar liquidiert worden sind, als sich das Hauptkontingent aus Srebrenica herausgekämpft hat. Während dieses Durchbruchs auf freies Territorium wurde auf dem Gebiet von Baljkovici Azem Bajramovic, ein Präsidiumsmitglied der (regierenden Moslempartei) SDA, getötet. Sein Tod wird als Beispiel angeführt, wie man Zeugen aus Srebrenica zum Schweigen bringt,« schrieb Ljiljan weiter. Dies deckt sich mit den Aussagen von Flüchtlingen aus Srebrenica, die in der muslimischen Tageszeitung Oslobodjenje wiedergegeben wurden: »Deshalb beschuldigen die Vertriebenen die Führung, für das Verschwinden oder den Tod vieler verantwortlich zu sein, die sich mit den Kämpfern auf freies Territorium zurückgezogen haben.« Die präzisesten Angaben kommen von Ibran Mustafic, dem Vorsitzenden der regierenden SDA-Partei in Srebrenica. In einem Interview mit dem muslimischen Polizeikreisen nahestehenden Magazin Slobodna Bosna berichtete er von seiner Flucht aus der Stadt und der Gefangennnahme durch die Serben. »Persönlich glaube ich, daß die Mehrzahl der Menschen, die sich (den Serben) ergeben haben, am Leben ist«, meinte Mustafic.

Scharf ging Mustafic mit einer »privilegierten Mannschaft« unter den Moslems ins Gericht (»einer hartgesottenen Gruppe von Mafiosi«), die für die Opfer beim Abzug einer Flüchtlingskolonne nach dem Fall der Enklave verantwortlich sei. Sie wollte »die Menschen, die ihnen folgen wollten, möglichst stark verwirren. Die Kolonne wurde unterbrochen, und die Menschen haben den Kopf verloren. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die gesund aus Srebrenica herausgekommen sind und nicht dieser Mannschaft angehört haben, und als die mir erzählten, was sich alles auf diesem Weg ereignet hat, war ich fassungslos. Ich darf gar nicht daran denken und kann erst recht nicht darüber sprechen. Das sind furchtbare Dinge.«

Es wäre erfreulich, wenn diese viele Jahre von der westlichen Öffentlichkeit ignorierten Fakten durch den Prozeß in Den Haag wieder thematisiert würden. Es muß allerdings befürchtet werden, daß die Festnahme von Oric Teil eines größeren Deals zwischen den NATO-Spitzen und der neuen Führung in Belgrad ist: Demnach müßten die Serben die Anklage gegen Oric mit der Auslieferung von Radovan Karadzic und Ratko Mladic honorieren, die an der Spitze der Haager Fahndungsliste stehen. In diesem Fall hätten die westlichen Medien eine neue Gelegenheit, um die Lüge von der Alleinschuld der Serben zu verbreiten.
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Weitere Beiträge zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien

 

Das "Massaker von Srebrenica", bei dem, nach der Einnahme der gleichnamigen Stadt im Juli 1995, angeblich acht Tausend bosnisch-muslimische Männer summarisch von bosnisch-serbischen Truppen exekutiert worden sein sollen, wird nicht nur weithin als Kriegsverbrechen verurteilt, sondern gilt auch als Beweis für die serbische Politik des Genozids, d.h. für die Absicht ein Volk als solches zu vernichten.

Die Hauptmächte der NATO haben Srebrenica mißbraucht, um die Vereinten Nationen (VN) zu diskreditieren, wegen deren angeblichen Unfähigkeit, den "Genozid" zu stoppen. Dadurch waren die Voraussetzungen geschaffen, um die NATO als einzige "effektive" Kraft für friedenserhaltende und friedenserzwingende Maßnahmen zu etablieren, die somit außerhalb der Einschränkungen der demokratischen und auf tatsächlichen Frieden ausgerichteten Prinzipien der Charter der VN agieren konnte. Objektive Berichterstattung der Medien wurde weiter zugunsten der Propaganda für den neuen "militärischen Humanismus" der NATO ausgehöhlt. In der Folge verband sich die Berichterstattung organisch mit den dominanten wirtschaftlichen und militärischen Mächten. Mit der Etablierung des Haager Tribunals, wurde öffentliche Akzeptanz geschaffen für Methoden der Inquisition, die das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz verweigert. Ein doppelter Moralstandard wurde zur Meßlatte, mit deren Hilfe die "Menschenrechte" sehr selektiv eingefordert wurden, um politisch mißliebige Staaten und ganze Völker als kriminell abzustempeln.

Für Deutschland war Srebrenica von besonderer Bedeutung. Es kam sehr gelegen, um sich des Stigmas der im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen zu entledigen. Srebrenica wurde gerne mit Auschwitz verglichen, um die NAZI-Barbarei zu relativieren und zu trivialisieren. Und dies wiederum erlaubte, die alte, arrogante, expansionistische und militaristische deutsche Tradition wiederzubeleben.

Joschka Fischer stellte seine "Regierungsfähigkeit" unter Beweis, indem er Srebrenica erfolgreich in seiner Kampagne einsetzte, die die Partei der Grünen dazu brachte, militärische Interventionen und Aggressionen zu unterstützen.

Die Beschuldigung, daß die Serben, die "traditionellen Feinde" der Deutschen, Genozid begangen hätten, wurde von den Politikern der etablierten Bonner Parteien, egal ob rechts oder links, mit besonderer Genugtuung aufgenommen. Es läßt die bleibende historische Schuld Deutschlands an dem Aggressionsverbrechen gegen Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg und an den 1,6 Millionen jugoslawischen Opfern vergessen. Angesichts der Tatsache, daß die von Deutschen auf jugoslawischem Boden verübten Kriegsverbrechen in der Bundesrepublik unverfolgt und ungesühnt blieben, ist auch die strafrechtliche Verfolgung durch die bundesdeutsche Justiz von Bürgern des ehemaligen Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen in Bosnien eine besondere Anmaßung. Konsequent wird die eigene Geschichte überwunden: ein deutsches Gericht verurteilt im Mai diesen Jahres den Gestapohelfer Alfons Götzfrid zu 10 Jahren Haft (die er nicht absitzen muß) wegen "Beihilfe zum Mord" an 17.000 Juden, und der BGH bestätigt im gleichen Monat das Urteil gegen den bosnischen Serben Nikola Jorgic zu 13 Jahren Gefängnis wegen "Völkermord" an 30 bosnischen Muslimen.

All das ist möglich geworden durch die ungeheuerliche Propagandakampagne über das allerdings noch nicht bewiesene Massaker von Srebrenica, das wiederum als wichtigstes "Beweismittel" für die ebenfalls erst noch zu beweisende Beschuldigung wegen Genozids dient.

In den ersten drei Jahren, die der Übernahme von Srebrenica folgten, hat das Internationale Tribunal in Den Haag alles unternommen, um in Ost-Bosnien Massengräber zu finden, die seine Anklage gegen die beiden bosnisch-serbischen Anführer im Bürgerkrieg, Dr. Radovan Karadzic und General Radko Mladic, wegen Genozids untermauern würden. Vor dem Hintergrund des diesjährigen Krieges gegen Jugoslawien und der erneuten frenetischen Versuche, den Serben völkermörderische Absichten zu unterstellen, diesmal angeblich gegen die albanisch sprechende Bevölkerung des Kosovo, scheint das in Den Haag vergessen zu haben, daß es der Welt bisher den Beweis für das "Massaker an den acht Tausend" und des beabsichtigten Genozids an den bosnischen Muslimen schuldig geblieben ist.

Den deutschen Kriegsminister Scharping stört das nicht. Nur die Zahl der Toten paßt dem Propagandaminister Scharping nicht. In einer ARD Talkshow machte er kurzerhand und unwidersprochen aus der bisher gehandelten und bis heute nicht bewiesenen Zahl von 8 000 in Srebrenica massakrierten Muslimen, gleich 30 000 und stellte die absurde Behauptung auf, daß UN-Blauhelm Soldaten angekettet wurden und diesem Massaker zusehen mußten.

Krieg mit all seinen Greueln, Zerstörung, Flucht und Tod ist nicht mehr Elend genug. Die öffentliche Meinung ist gegenüber der "normalen" Brutalität des Krieges bereits dermaßen abgestumpft, daß nur noch Übertreibungen und offenkundige Lügen glaubhaft erscheinen: keine Vergewaltigung, die nicht zur Massenvergewaltigung wird, kein Grab, das nicht zum Massengrab wird, kein Mord, der nicht zum Völkermord wird.

Jede neue "Generation" von Spekulationen, unbewiesenen Berichten und auch absichtlichen Fälschungen baut auf vorhergehenden "Generationen" von Spekulationen, unbewiesenen Berichten und absichtlichen Fälschungen auf. Und mit jeder neuen "Generation" von Lügen werden die Lügen der vorangehenden "Generation" zu unumstößlichen Wahrheiten. Viele dieser Gerüchte und Spekulationen werden als Teil einer gezielten Desinformationskampagne von interessierten Geheimdiensten, Public Relations Agenturen und wenig objektiven Journalisten in die Welt gesetzt. Ständig wiederholt werden schließlich Gerüchte zu gesicherten Fakten. Jeder, der sie zu hinterfragen wagt, der versucht, die Quelle der Information zu finden und handfeste Beweise verlangt, läuft schnell Gefahr, verbal gelyncht zu werden.

Diana Johnstone, eine anerkannte Autorität in Bezug auf die Entwicklungen auf dem Balkan schrieb dazu in "The Nation": "Als die muslimisch geführte Regierung in Sarajevo in den ersten Kriegsmonaten (...) die westlichen Medien mit Berichten versorgte, die darauf hindeuteten, daß die Serben eine Politik des Genozids verfolgten, wurde ein Grundprinzip der Vorsicht, das für jede Suche nach Gerechtigkeit unabdingbar ist, schnell über Bord geworfen. Das Prinzip lautet: Je schwerwiegender die Beschuldigung, um so größer die Notwendigkeit von handfesten Beweisen. Sonst werden die Beschuldigungen zu Instrumenten des Lynch Mobs."

Die Zahl der Personen, die angeblich summarisch exekutiert wurden, könnte den Unterschied zwischen einer Anklage wegen Genozids oder wegen Kriegsverbrechens ausmachen. Die Diskrepanz ist nicht zu übersehen. Der Zahl von acht Tausend angeblich in Srebrenica Ermordeten stehen nur etwa 500 Leichen gegenüber, die bis Ende 1998 trotz intensivster Suche gefunden wurden. Ein erster Schritt Fakten von Fiktionen zu trennen - in dieser makabren Kampagne zur Dämonisierung der Serben - wäre es, Klarheit in der Frage der Zahlen zu schaffen.

Am 13. September 1995 erklärte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK): "Der Direktor der operativen Abteilung Westeuropa des IKRK, Angelo Gnaedinger, besuchte Pale (Hauptstadt der bosnischen Serben; Anm. G.P.) und Belgrad vom 2. bis zum 7. Sept., um von offiziellen, bosnisch serbischen Stellen Informationen über den Verbleib von 3 000 Personen aus Srebrenica zu erhalten, die nach Zeugenausssagen von bosnisch-serbischen Sicherheitskräften festgenommen worden seien. Das IKRK hat Details über alle Todesfälle verlangt und bestand so schnell wie möglich auf Zugang zu den Gefangenen (bisher war es nur möglich 200 Gefangene zu besuchen). Das IKRK hat sich auch an die Regierung von Bosnien Herzegowina (die bosnisch-muslimische Seite im Bürgerkrieg, Anm. G.P.) gewandt, mit der Bitte um Informationen bezüglich der 5 000 Personen, die von Srebrenica geflohen sind und von denen ein Teil Zentralbosnien (die für sie sichere bosnisch-muslimische Seite; Anm. G.P.) erreicht haben."

Am 15. Sept. 1995 gab ein Artikel in der New York Times der Geschichte bereits eine andere Note: "Das IKRK berichtete heute, daß aus Srebrenica, aus der ersten von zwei Schutzzonen, die von den Vereinten Nationen eingerichtet worden waren, aber im Juli von serbischen Truppen überrannt wurden, etwa 8 000 Muslime vermißt werden. Unter den Vermißten wird auch eine hauptsächlich aus Männern bestehende etwa 3000 Personen starke Gruppe gezählt, die nach Zeugenausssagen von Serben gefangen genommen worden seien. Nach dem Zusammenbruch von Srebrenica sammelte das Rote Kreuz 10 000 Namen von vermißten Personen, sagte die Sprecherin Jessica Barry. Sie berichtete, daß zusätzlich zu den Gefangenen weitere 5000 Personen ´einfach verschwunden´ seien".

Hier wurden also nicht nur die 3000 Gefangenen zu den 5000 Geflohenen hinzugezählt - was sowohl die Gesamtzahl aufblähte als auch die Schwere der Beschuldigung verschärfte - sondern auch die Tatsache, daß das IKRK die bosnisch-muslimische Regierung um Informationen über die 5000 gebeten hatte, von denen "ein Teil Zentralbosnien ( um Mitte September) erreicht" hatten, verschwindet vollkommen aus den Nachrichten.

Ein genauerer Blick auf den ursprünglichen IKRK-Bericht macht allenthalben deutlich, daß er die gebotene Objektivität vermissen läßt. Mit der beiläufigen Bemerkung, daß nur "einige von ihnen Zentralbosnien erreicht haben", vermittelt das Rote Kreuz den falschen Eindruck, daß nur einige wenige der vermißten Männer es bis Mitte September geschafft hatten, sich in Sicherheit zu bringen.

Am 18. Juli 1995, eine Woche nach der Eroberung von Srebrenica durch das serbische Militär, wußte die New York Times bereits, daß "zwischen drei und vier Tausend bosnische Muslime, die nach dem Fall von Srebrenica von Vertretern der Vereinten Nationen als vermißt registriert waren, sich einen Weg durch die feindlichen Linien auf das Territorium der bosnischen Regierung gebahnt haben. Die Gruppe, zu denen auch Verwundete gehörten, hatte sich unter feindlichem Feuer durch die serbischen Linien geschlichen und sich nach einem 30 Meilen Marsch durch die Wälder in Sicherheit gebracht".

Am 2. August 95 bestätigte die Times of London diesen Vorgang mit folgender Meldung: "Es kann davon ausgegangen werden, daß Tausende von vermißt gemeldeten bosnisch muslimischen Soldaten, die im Focus der Berichte über mögliche Massenexekutionen durch die Serben gestanden haben, nörd-östlich von Tuzla in Sicherheit sind. Für die UNO und das Internationale Rote Kreuz war es äußerst schwierig gewesen, die gelungene Flucht der bosnisch muslimischen Soldaten und Zivilisten zahlenmäßig zu erfassen. Gestern berichtete jedoch das Rote Kreuz in Genf unter Berufung auf Quellen in Bosnien zum ersten Mal, daß bis zu 2000 bosnische Regierungssoldaten aus Srebrenica sich bis in das Gebiet nördlich von Tuzla einen Weg gebahnt hätten ´ohne ihre Angehörigen zu informieren´, berichtete der Sprecher des Roten Kreuzes und fügte hinzu, daß es nicht möglich sei, diese Berichte zu überprüfen, denn die bosnisch muslimische Regierung würde dem Roten Kreuz den Zugang in dieses Gebiet verweigern."

Zwei Wochen bevor die Vertreter des Roten Kreuzes, Angelo Gnaedinger und Jessica Barry, ihre Zahlen an die Presse gaben, brachte ein anderer Sprecher des Internationalen Roten Kreuzes in Genf, Pierre Geultier, ein wichtiges Detail zur Sprache. In einem Interview mit der "Jungen Welt" vom 8.8.95 erklärte er: "Insgesamt kamen wir dabei auf eine Zahl von etwa 10 000 [Vermißten aus Srebrenica]. Allerdings kann es gut sein, daß darunter viele Doppelnennungen sind (...). Bevor [die Prüfung der Doppelnennungen] nicht abgeschlossen ist, können wir nichts genaues sagen. Unsere Arbeit wird noch dadurch kompliziert, daß die bosnische Regierung uns mitgeteilt hat, daß mehrere Tausend der Flüchtlinge sich durch die feindlichen Linien geschlagen haben und sich wieder in die bosnisch-muslimische Armee eingegliedert haben. Diese Personen sind also nicht vermißt, sie können aber auch nicht aus den Vermißtenlisten gestrichen werden."

Da die Zahl derer, die als vermißt (und vermutlich tot) geführt werden, während der letzten vier Jahre konstant bei 8000 geblieben ist, muß davon ausgegangen werden, daß die bosnisch muslimische Regierung dem Roten Kreuz nie die Namen jener Menschen mitgeteilt hat, die die muslimischen Linien sicher erreicht hatten. Auf einen weiterer Aspekt hat Prof. Milivoje Ivanisevic von der Universität Belgrad hingewiesen. Nachdem er die Liste des Roten Kreuzes mit den "vermißten" Personen überprüft hatte, entdeckte er, daß die Namen von etwa 500 Personen, die als "vermißt" geführt wurden, schon vor der Einnahme Srebrenicas gestorben waren. Und nun wird es wirklich interessant: als Prof. Ivanisevic die Wählerliste für die Herbstwahlen von 1996 (also einem Jahr nach dem angeblichen Massaker) mit der Vermißtenliste des Roten Kreuzes verglich, wurde bekannt, daß die Namen von 3016 Leuten, die auf der Vermißtenliste des IKRK standen ebenfalls auf der Wählerliste zu finden waren. Entweder ließ die bosnisch muslimische Regierung auch die Toten wählen, - beging also Wahlbetrug - oder die Wähler waren am Leben und das "Massaker" war ein Betrug.

Die Propaganda und Gerüchte, die durch Repräsentanten der bosnischen Regierung und ihrer Verbündeten in Umlauf gesetzt wurden, blieben weitgehend unwidersprochen auch seitens der Organisationen, die sonst den Ruf der Unparteilichkeit genießen.

Innerhalb weniger Tage nach der Übernahme von Srebrenica, wurde Zepa, eine zweite muslimische Enklave (und UNO-Schutzzone) durch bosnisch serbische Kräfte eingenommen. Unter den Verteidigern von Zepa fanden sich Hunderte der "vermißten" Soldaten von Srebrenica. Die New York Times berichtet: "Die verletzten [muslimischen] Truppen wurden zurück gelassen. Und als die bosnischen Serben die Stadt am Dienstag überrannten, wurden die Verletzten nach Sarajevo zur Behandlung im Kosevo-Krankenhaus gebracht. Viele von ihnen waren aus Srebrenica gekommen. Als diese Schutzzone am 11. Juli in die Hände der Serben fiel, flohen sie in die Wälder. Anders als die meisten anderen Flüchtlinge, die sich nach dem Fall Srebrenicas nach Tuzla durchgeschlagen hatten, vereinten sich diese mit den Verteidigern von Zepa. , sagte Sadik Ahmetovic, einer von 151 Personen, die heute nach Sarajevo ins Krankenhaus gebracht wurden. (...) Sie sagten, daß sie in Gefangenschaft von den Serben nicht mißhandelt worden seien."

Ist es nicht ein seltsames Verhalten, daß die muslimischen Verteidiger Zepas bei der Flucht aus der Stadt ihre verwundeten Kameraden zurück ließen, damit sie in die Hände der "serbischen Völkermörder" fallen würden? Befremdend erscheint auch, daß die 5000 muslimischen Soldaten bei ihrer Flucht aus Srebrenica ihre Frauen und Kinder dort ungeschützt vor den Serben zurückgelassen hatten. Wo doch den Serben angeblich der Ruf von brutalen Sadisten und Vergewaltigern vorausging? Oder läßt sich dieses Verhalten eher dadurch erklären, daß die muslimischen Soldaten der eigenen Regierungspropaganda nicht glaubten, weil sie wußten, daß sie sich um ihre Frauen, Kinder und um ihre verwundeten Kameraden keine Sorgen machen mußten, wenn sie in die Hände ihrer serbischen Landsleute fallen würden?

Das serbische Militär ließ die verletzten moslemischen Soldaten von Zepa hinter die muslimischen Linien ins Krankenhaus nach Sarajevo evakuieren. Und dieses Militär wird von unseren Regierungen und Medien mit den Nazis gleichgesetzt? Ist das die Methode, wie die Serben Genozid begehen? Selbst die Tatsache, daß die Serben den muslimischen Frauen und Kindern sicheres Geleit hinter die eigenen (muslimischen) Linien gewährten, wird als böse Absicht gedeutet, obwohl dies doch zeigt, daß von einem Genozid keine Rede sein konnte.

In dem schon oben erwähnten Artikel der Times of London ist von 2000 Soldaten die Rede, die es von Srebrenica bis in den Nordosten von Tuzla auf sicheres muslimisches Gebiet geschafft hatten, "ohne ihre Angehörigen zu informieren". Da stellt sich die Frage, ob ihre Familien überhaupt informiert wurden? Abgesehen von den wenigen Artikeln, die Hinweise gaben, wurde die Öffentlichkeit nicht informiert, daß sie tatsächlich noch lebten. Im Gegenteil. Und die Frauen von Srebrenica organisieren immer noch Demonstrationen, um die Regierung Izetbegovic zu zwingen, wichtige Informationen über ihr Angehörigen herausgeben, von denen sie nach wie vor glauben, daß sie am Leben sind.

Am 17. Januar 1996 veröffentlichte die britische Tageszeitung "The Guardian" einen Artikel über eine Gruppe von ehemaligen muslimischen Kriegsgefangenen aus Srebrenica und Zepa, die nach Dublin geflogen worden waren: "Nach Aussagen einer Gruppe von bosnisch muslimischen Kriegsgefangenen, die direkt aus dem Lager Sljivovica vom Roten Kreuz zur Behandlung in ein Krankenhaus nach Dublin geflogen worden waren, werden in zwei geheimen Lagern im benachbarten Serbien immer noch Hunderte ihrer Leidensgenossen gefangen gehalten. (...) Eine Gruppe von 24 Männern war kurz vor Weihnachten (´95) nach Irland geflogen worden (...) mit Papieren, die ihnen erlaubten in Irland zu bleiben. (...) Aber drei Tage vor dem im Dayton-Abkommen vereinbarten Datum für die Freilassung aller Kriegsgefangener bleiben weitere 800 in dem Lager Sljivovica und in einem anderen Lager in der Nähe von Mitrovo Polje eingesperrt."

Der Guardian-Artikel fährt fort: "Das Rote Kreuz hatte bereits seit Wochen mit Belgrad über ihre Freilassung verhandelt um ihnen in Drittländern einen sicheren Aufenthalt zu vermitteln. Eine Sprecherin sagte, die meisten würden in die USA oder nach Australien gehen. Andere würden nach Italien, Belgien, Schweden, Frankreich und Irland geschickt. (...) Seit Ende August (1995) hatte das Feldbüro des Roten Kreuzes in Belgrad alle vierzehn Tage die Gefangenen besucht. (...) Arbeitsgruppen von dem Kriegsverbrecher Tribunal in Den Haag waren in Dublin, um die Männer bei ihrer Suche nach Beweisen zu befragen."

Hier stellt sich die Frage, warum werden Kriegsgefangene, die nach ihrer Freilassung doch normalerweise zuerst mit ihren Familien wieder vereint sein wollen, nach Dublin gebracht, mit "Papieren, um in Irland zu bleiben"? Wurden ihre Familien informiert? Wer profitierte davon, daß angebliche Opfer der serbischen Kriegsverbrechen still und heimlich außer Landes gebracht wurden, damit sie weiterhin als "vermißt und wahrscheinlich tot" in den Listen der Massakeropfer geführt werden können? Die Glaubwürdigkeit einer Falschinformation hängt nicht nur von der Aufrechterhaltung der Illusion ab, daß die Information zutreffend ist, sondern auch von der Unterdrückung aller möglichen Beweise daß das Gegenteil der Fall ist.

Fest steht, daß viele bosnisch muslimische Kriegsgefangene aus Srebrenica in etliche weit entfernte Länder verschickt wurden. Die bosnische Nachrichtenagentur TWRA, die auf der Seite der muslimischen Regierung steht, berichtete: "Die Vereinigten Staaten haben sich entschieden, 214 Bosniaken aufzunehmen, die nach dem Fall von Srebrenica und Zepa in serbischen Lagern gefangen gehalten worden waren, und ihnen den Aufnahmestatus von Flüchtlingen zu geben. (...) Der Sprecher des amerikanischen Außenministeriums, N. Burns, hob hervor, daß mindestens 800 Männer von 80 000 Personen, die nach dem Fall von Srebrenica und Zepa aus ihren Häusern vertrieben wurden, nach Serbien verschleppt worden sind."

Weder das Rote Kreuz (das die Gefangenen in den serbischen Lagern seit August 95 regelmäßig besucht hatte), noch das Tribunal (das in seiner Suche nach Beweis für einen "Genozid" immer noch beflissen alle entlastenden Tatsachen übersieht), noch die amerikanische Regierung haben zu irgendeinem Zeitpunkt die über die 800 aus Srebrenica stammenden Männer in serbischer Kriegsgefangenschaft mit den angeblich 8000 vermißten und ermordeten Männern aus Srebrenica in Zusammenhang gebracht.

TWRA berichtete weiter: "103 bosnisch muslimische Soldaten, die vor kurzem aus den Gefängnissen in Serbien entlassen worden sind, sind gegen ihren Willen nach Australien geschickt worden". Das behauptete ihr Kommandant Osmo Zimic, der auch das UNHCR deshalb kritisierte. Dessen Sprecher behauptete seinerseits, daß die betroffenen Soldaten auf der Aufnahme und dem Verbleib in Australien bestanden hätten, weil sie auf keinen Fall nach Bosnien zurückkehren könnten, weil sie dort wegen angeblicher Fahnenflucht strafrechtlich verfolgt werden würden. "Dies stimmt nicht", sagt Zimic.

TWRA erklärte auch, daß die bosnische Botschaft in Australien das Internationale Tribunal in Den Haag aufgefordert hätte, mit einer Untersuchung der Zwangsverschickung von 800 Bosniaken von Serbien nach Australien und in europäische Länder zu beginnen. Auch die UNHCR sei angeblich bei der Verschickung behilflich gewesen, statt die Kriegsgefangenen im Rahmen des vereinbarten Austauschprogramms frei zu bekommen, vor allem da sie in Lagern in Serbien - das vorgibt nicht im Krieg involviert zu sein - gefangen gehalten wurden. Der Kronzeuge der Anklage ist der Offizier der bosnisch muslimischen Armee, Osmo Zimic, der gegen seinen Willen nach Autralien verbracht worden war".

Das Lügengebäude von Srebrenica erlaubt uns einen ersten Blick auf die Neue Weltordnung, die an Form gewinnt. Das UNHCR assistiert in der Produktion von Flüchtlingen, mit Hilfe des Roten Kreuzes werden Familien getrennt, statt zusammengeführt und Tribunale klagen zuerst an und suchen nach Verbrechen später; und helfen dabei, alle Beweise verschwinden zu lassen, die die Anklage widerlegen.

Die Anschuldigungen gegen die Führung der bosnischen Serben stammen vom 10. August 1995, von einer geschlossenen Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, in der die damalige UN-Botschafterin der USA, Madeleine Albright, Luftaufnahmen von Spionagesatelliten zeigte, die nach der Einnahme von Srebrenica angeblich "massenhafte Greueltaten an bosnisch muslimischen Zivilisten" durch bosnische Serben zeigten.

Von den acht Fotos, die dem Sicherheitsrat vorgelegt wurden, bekam die Öffentlichkeit nur drei zu sehen. Die anderen wurden als vertraulich klassifiziert. Einschließlich jener Fotos, die auf einem Fußballplatz zusammen gedrängte Menschen zeigen. Die NY-Times berichtete: "Nach Ansicht eines amerikanischen Beamten, der die Fotographien gesehen hat, zeigt eins davon Hunderte, womöglich Tausende von muslimischen Männer und sogar Jungen in einem Feld nahe bei einem Fußballstadium etwa 5 Meilen nördlich von Srebrenica. Ein anderes Foto, das einige Tage später aufgenommen wurde, zeigt in der Nähe des Stadiums, das jetzt leer war, eine große Fläche frisch umgewühlter Erde, was mit dem Erscheinungsbild von bekannten Massengräbern übereinstimmt."

Der Kommentar eines anonymen amerikanischen Beamten mit Zugang zu den "geheimen" Fotos gibt Anlaß zu einigen Fragen: Wenn Auflösungsgenauigkeit der Fotos so schlecht war, daß keine ausreichenden Details zu erkennen waren, ob es sich um "Hunderte" oder "Tausende" von Menschen handelte, wieso konnte der Mann dann aus den Fotos deutlich zwischen "muslimischen Männern und Jungen " unterscheiden? Warum nicht serbische Männer und Jungen? Oder Frauen und Mädchen? Die Mitgliedern des Sicherheitrats sahen aber offensichtlich etwas anderes auf den Fotos. Ein Artikel in der NY Times berichtete: "Die Fotos zeigten einige Felder bei Novo Kasaba, nahe Srebrenica, auf denen bosnisch muslimische Familien zusammengetrieben worden waren". Ein bloßes Detail? Waren das etwa die Frauen und Kinder, die dort auf die Evakuierung mit dem Bus nach Tuzla warteten? Ist das der Grund, warum diese Überwachungfotos der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wurden?

Ein Foto, das der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und weltweit verbreitet wurde, gibt einen Anhaltspunkt hinsichtlich des Grades der Glaubwürdigkeit der anderen Fotos, die geheim blieben. Es wirft auch ein bezeichnendes Licht auf das Niveau der kritischen Behandlung dieser Bilder durch die Journalisten.

Zu den Fotos mit der Beschriftung: "Mögliche Massengräber; Kasaba/Konjevic-Polje-Gebiet, Bosnien" tauchen etliche Fragen auf:

Warum wurde dem Sicherheitsrat nicht die ursprünglichen Fotos gezeigt? Aufklärungsfotos weisen normalerweise eingebaute zeitliche und geographische Erkennungsmerkmale auf. Woher soll man wissen, daß diese Fotos in der Nähe von Srebrenica aufgenommen wurden? Und zu welcher Zeit? Der Titel und andere Bemerkungen über das, was man auf den Fotos erkennen soll, wurden nachträglich auf die Fotos geschrieben, während die zeitlichen und geographischen Erkennungsmerkmale wegretouschiert worden waren. Ohne diese Merkmale können die Fotos jedoch beliebig interpretiert werden.

Könnte es sein, daß die US-Regierung weiß, daß der Ursprung von diesem "umgewühlten Boden" nichts mit "Massengräbern" zu tun hat? Könnte dies der Grund dafür sein, warum die Fotos den Titel: "Mögliche Massengräber" tragen? Könnte dies auch der Grund sein, warum das US-Außenministerium und die CIA anfingen, das Gerücht zu lancieren, die Serben hätten angeblich Tausende von Leichen wieder ausgegraben und weggeschafft? Allerdings ohne Satelliten-Überwachungsfotos als Beleg vorzeigen zu können. Und die Medien hatten in ihrer Berichterstattung in der Zwischenzeit das "mögliche" gleich ganz fallengelassen. Sie berichteten nur noch von "Satellitenfotos von Massengräbern".

Die Bildershow der Madeleine Albright im Sicherheitsrat fand zu einem Zeitpunkt statt, als die größte ethnische Säuberung des gesamten jugoslawischen Bürgerkrieges ablief: Mehr als 250 000 Krajina Serben wurden mit aktiver US-Unterstützung von der kroatischen Armee in einer Blitzaktion aus ihrer angestammten Heimat und ihren Häusern vertrieben. Wer nicht gehen wollte wurde ermordet. Um von den massiven Verletzungen der Menschenrechte des kroatischen Alliierten abzulenken und um die anderen Mitglieder im Sicherheitsrat von Sanktionen gegen Kroatien abzuhalten, beeilte sich die US-Regierung den Serben immer ungeheuerlichere Kriegsverbrechen vorzuwerfen. Genau wie zuletzt im Kosovo genügt es, den Serben vorzuwerfen, sie würden Genozid begehen, um militärische Aggression und andere Verbrechen gegen sie zu rechtfertigen.

Die US-Regierung drängt dem Sicherheitsrat "geheim" eingestufte Satellitenfotos als "Beweis" auf, schließt also jede unabhängige Prüfung dieser "Beweise" von vorneherein aus, wohl wissend, daß sie von keiner Macht der Welt gezwungen werden kann, der Freigabe der Originalfotos zuzustimmen. Damit hat sich die US-Regierung einen gesetzlosen Raum geschaffen, in dem sie Beweise fabrizieren, manipulieren, vorlegen oder vorenthalten kann. Solange ihre Interessen mit denen der US-Regierung nicht in Konlikt geraten, können auch verbündete Regierungen oder Institutionen ein Stück dieser "Freiheit" von Einschränkungen durch internationale und nationale Rechtsnormen genießen.

Laut taz vom 17.12.97 wurden alle Srebrenica-relevanten Akten für die nächsten 30 bis 50 Jahre in der New Yorker UNO-Zentrale weggesperrt und dürfen auch dem Tribunal nicht vorgelegt werden. Dies geschah auf Verlangen der ständigen Sicherheitsratsmitglieder USA, Frankreich und Großbritannien, die sich auf ihre nationalen Geheimschutzbestimmungen für Regierungsdokumente beriefen.

Welche Rechtfertigung könnte es wohl dafür geben, die Beweise von Verbrechen gegen die Menschheit als geheim einzustufen und für Jahrzehnte aus dem Verkehr zu ziehen? Gehören sie nicht per definition der Menschheit und nicht nur einigen Regierungen? Verstecken diese Regierungen hiermit die Beweise für ein Verbrechen oder eher den Beweis dafür, daß es keine Beweise für die angeblichen Verbrechen gibt?

Nachdem Slowenien und Kroatien erfolgreich vorgeführt hatten, wie man es macht, strebten auch die bosnisch muslimischen Nationalisten die staatliche Sezession Bosnien-Herzegowinas von der Bundesrepublik Jugoslawien an. Dabei wurde die muslimische Führung in Sarajevo mit einer ganzen Reihe besonderer Hindernisse konfrontiert. Sie verfügte weder über die Mehrheit der Bevölkerung noch über den größten Teil des Territoriums. Noch hatte sie die militärische Macht, diese Nachteile auszugleichen. Die Islamische Partei (SDA) von Präsident Izetbegovic, die in Sarajevo an der Macht war, verfolgte ihre eigene Strategie, in dem sie versuchte, die internationale Öffentlichkeit mit Greuelgeschichten zu mobilisieren, in der Hoffnung, daß die Medien ausreichenden Druck auf die Regierungen der USA und anderer NATO-Staaten ausüben würden, um Hilfe gegen die Serben zu bekommen. Das wollte anfangs nicht so recht gelingen, denn noch am 17.August 1992 schrieb das "Time" Magazin: "die bosnischen Muslime, kämpfend mit der gleichen Brutalität wie ihre Rivalen, machen sich selbst der Barbarei schuldig und verbreiten übertriebene Horrorgeschichten über die Serben, um Sympathie und Unterstützung zu gewinnen."

Die internationalen Medien standen also anfangs den Horrorgeschichten und dem Verhalten der muslimischen Regierung in Sarajevo durchaus mit einer gesunden Skepsis gegenüber. Zu dieser Zeit hatte sich aber die politische Führung der NATO-Länder noch nicht entschlossen, auf Seiten Sarajevos einzugreifen. In der NATO wurde hinter den Kulissen ein interner Kampf um die zukünftige Ausrichtung der Atlantischen Allianz ausgetragen. Man stritt sich über die "neuen Aufgaben der NATO" nach der Auflösung des Warschauer Vertrags und dem Zerfall der Sowjetunion. Wie zu erwarten, setzten sich schließlich jene Kräfte durch, die im Rahmen der "Neuen Weltordnung" von Amerikas Gnaden die NATO zu ihrem Erfüllungsgehilfen machen wollten, die auch außerhalb ihres ursprünglichen Verantwortungsbereichs, also "out of area" und unabhängig von den Vereinten Nationen militärisch präsent sein und notfalls auch robust eingreifen sollte. Für die Politik kam der "Hilferuf" der Regierung in Sarajevo gerade zur rechten Zeit. Und als sich erst einmal die NATO-Länder zum militärischen Eingriff gegen Jugoslawien entschlossen hatten, folgten ihnen auch die Medien mit einer unterstützenden Berichterstattung, aus der jegliche frühere Skepsis gegenüber den Manipulationen der bosnischen Muslime verschwunden war.

Die Regierung in Sarajevo brauchte in der Folge nur noch Mord und Totschlag zu schreien und die Medien verbreiteten die Stories ungeprüft. Beweise oder Leichen wurden für den Vorwurf des Genozids nicht mehr benötigt. Die Öffentlichkeit wurde auf Seiten der "von Völkermord bedrohten" Muslime mobilisiert und die Medien verlangten den NATO-Eingriff. Den hatte die NATO ohnehin angestrebt, als ersten Schritt auf dem Weg ins "out of area"-Abenteuer. Eine bessere "moralische" Legitimation als Vorwand für diesen richtungsweisenden ersten Schritt, der sonst schwer zu verkaufen gewesen wäre, hätten sich selbst die besten NATO-Strategen vorher nicht ausdenken können.

Im November 1995, als die Anklage wegen Srebrenica gegen die bosnischen serbischen Führer erhoben wurde, machte ein eisiger Winter die Suche nach den angeblichen Massengräbern unmöglich. Als sich der Frühling mit seinem Tauwetter näherte und die US-Regierung immer noch keine schlüssigen Beweise für ein Massaker vorgelegt hatte, begannen das Tribunal und sein Chefankläger Richard Goldstone, nervös zu werden. Im Januar ´96, erklärte Goldstone, daß " die Exhumierung der Gräber notwendig werden könnte, um die Identität der Leichen festzustellen und um die notwendigen Beweismittel wie Zeitpunkt und Ursachen des Todes zu sichern." Was er hier als eine versteckte Warnung an die USA formulierte, hätte bei einem normal funktionierenden Gericht die Voraussetzung sein müssen, um festzustellen, daß ein Verbrechen begangen wurde.

Im März 1996, kurz vor Beginn der langerwarteten Grabungen, erschien Drazan Erdemovic auf der Bildfläche. Er wollte, daß Journalisten ihm helfen als Zeuge vom Haager Tribunal gehört zu werden. In einem Interview mit Le Figaro behauptete er, er habe in einer serbischen Militäreinheit gedient, die Srebrenica eingenommen hatte. Gewürzt mit ein paar konkreten Informationen erzählte er vage von seiner Teilnahme an Exekutionen in Srebrenica, in denen 7,62 mm Geschosse verwendet und die Leichen - er sprach von 1200 - in einem Massengrab am Ort der Exekution verscharrt worden seien.

Als er vor dem Tribunal aussagte, mußte das Tribunal ihn zwar selbst anklagen, aber weil er gestand, wurden keine materiellen Beweise während seines Prozesses vorgelegt, die den Wahrheitsgehalt seiner Aussage bestätigten. Die Diskrepanz zwischen seinen Angaben und den später am genannten Ort gefundenen 150 bis 200 Leichen, wurde nie geklärt. Die Öffentlichkeit wurde auch nie darüber informiert, ob es sich dabei um Opfer einer Exekution oder eines bewaffneten Konfliktes handelte.

Wie glaubwürdig ist ein Zeuge wie Erdemovic, der seiner eigenen Aussage zufolge in der Vergangenheit schon mehrmals die Seiten gewechselt hatte? Die International Herald Tribune zumindest scheint sich diese Frage gestellt zu haben, denn sie meinte, seine Aussage sei "offensichtlich durch Rache" motiviert.

Drazan Erdemovic aber wurde vom Haager Tribunal zum Kronzeugen einer Anhörung auf der Basis von Artikel 61 gegen Karadzic und Mladic gemacht. Anhörungen nach Artikel 61 sind Show-Prozesse nach Art der Inquisition. Das Tribunal legt in einer öffentlichen Sitzung - von CNN meist weltweit übertragen - seine "Beweise" vor, ohne daß die Verteidigung des Angeklagten das Recht hat Fragen zu stellen, oder gar "Beweise" zu widerlegen.

Im Frühjahr 1996 begannen schließlich unter Medienfanfare die Grabungen. Nach Monaten der Exhumierung von "Massengräbern" und des Sammelns und Untersuchens der Leichen jener, die offensichtlich im Kampf gefallen oder auf der Flucht umgekommen waren, fingen die Vertreter des Tribunals an sich zu fragen: "Wo sind all die Leichen geblieben?" Und im November ´96 bemerkte die britische Sunday Times "Von den Tausenden der Männer und Jungen aus der UNO-Schutzzone (Srebrenica, Anm. G.P.), die von bosnischen Serben im Juli 1995 exekutiert wurden, sind nur die Leichen einiger Hundert gefunden worden - weniger als 10% der 7000 vermißten Muslime." Und bei den gefundenen Leichen erfuhr die Öffentlich keine der üblichen gerichtsmedizinischen Details über Todeszeitpunkt, -ursache und -umstände.

Im Frühling ´98 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, daß "nach zwei Jahren (der Suche, Anm. G.P.) mehr als 1500 Geschosshülsen im Gebiet (von Srebrenica, Anm. G.P.) gefunden wurden". Dem Haager Kriegsverbrecher Tribunal fehlen also nicht nur die nötigen Leichen sondern auch die entsprechende Anzahl von Geschosshülsen, oder sollen wir annehmen, daß die Serben mit jedem Schuß mehr als 5 Menschen töteten?

Es existiert die weitverbreitete aber falsche Vorstellung, daß jedes "Massengrab" die Opfer einer Massenexekution enthält. Außerdem ist die Entdeckung von in Eile begrabenen Leichen in Gebieten, in denen über drei Jahre ein Bürgerkrieg tobte, sicherlich nichts Ungewöhnliches. Bei einer plötzlichen großen Anzahl von Toten, egal ob durch Kriegseinwirkungen oder durch eine Katastrophe in Friedenszeiten, ist oft die sofortige zivile Einzelbeerdigung unmöglich und ein - zwischenzeitliches - Massengrab die einzige Lösung.

In weiser Voraussicht hatte Frau Albright deshalb bereits in ihrer "picture show" im UN-Sicherheitsrat die Serben gewarnt: "wir werden genau beobachten, um zu sehen, ob die bosnischen Serben versuchen werden, die Beweise für das, was sie getan haben, zu beseitigen."

"Erklärungen" für den Mangel an Leichen wurden schnell gefunden. Der schon oben zitierte Sunday Times Artikel spekulierte, daß die Leichen in hochgiftigem Sodium Hydroxid aufgelöst worden waren, das "von menschlichem Fleisch praktisch keine Spur hinterläßt mit Ausnahme eines Schlamms".

Gleichzeitig wurde von anderer Seite eine weitere "Erklärung" unter die Leute gebracht, mit der man übrigens auch heute wieder die leeren, oder mit toten Tieren gefüllten "Massengräber" im Kosovo erklärt: die Serben wollten die Beweise für den Genozid beseitigen und haben ganz einfach die Leichen ausgegraben und an anderer Stelle verschwinden lassen.

Diese Erklärungsvariante hat den Vorteil, daß Bosnien groß ist und man nicht einmal nach Resten von Hydroxid-Schlamm zu suchen braucht. Mit der neuen Variante der Nadel-im-Heuhaufen-Suche nach "Massengräbern" in ganz serbisch Bosnien konnte man die Erwartungen der Öffentlichkeit nach Aufdeckung der angeblichen Verbrechen hinhalten; ein Jahr nach dem anderen. Sie hatte aber auch ihre Nachteile. Wie kann man den Medien und der Öffentlichkeit plausibel erklären, daß die Serben Tausende von stark verwesten Leichen unter den Augen von US-Beobachtungssatelliten und Aufklärungsflugzeugen ausgegraben und fortgeschaffen haben, ohne daß es dafür auch nur einen Zeugen geschweige denn eine Satellitenaufnahme gibt.

Aber - bezeichnend für den Zustand unserer "kritischen" Medien und der von ihr bedienten Öffentlichkeit - diese Frage wurde gar nicht erst gestellt. Statt dessen gelten das "Massaker" von Srebrenica und der "Genozid" in Bosnien auch ohne Beweise als gesicherte Fakten.


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Operation Menschenrechte

Eine Presse- und Textdokumentation mit Kommentaren von Marcus Hammerschmitt

 

Im Krieg um den Kosovo ist der NATO offenbar recht, was der jugoslawischen Propaganda billig ist. Jeder Euphemismus, und sei er noch so windig, jede Lüge ist erlaubt, solange sie nur das eigene Handeln rechtfertigen und den Gegner unmenschlich und barbarisch erscheinen lassen. Die folgende Zusammenstellung von Artikeln begründet meine Zweifel an der Darstellung der Kriegsgründe und des Kriegsgeschehens in den westlichen Medien, und sie begründet auch meine Überzeugung, daß die Bombardierungen und vor allem der deutsche Beitrag dazu sofort eingestellt werden sollten. Sie ist ein Flickenteppich von Internetpostings und anderen Artikeln, dem nach Bedarf neue Flicken angenäht werden. Das heißt, die Zusammenstellung ist radikal subjektiv und kann auf keinen Fall den Anspruch der Vollständigkeit erheben, nicht einmal in Bezug auf meinen Kenntnisstand über den Kosovo. Die Texte stammen aus verschiedenen Usenet-Newsgroups, einem Onlinemagazin, den Rundschreiben einer Hilfsorganisation und traditionellen Zeitschriften und Zeitungen.

Da die Datei recht groß ist (ca. 300 K) biete ich sie auch in komprimierter Form zum Download an.

     

    1. Jahrestage (Uwe Johnson)
    2. Kurzer Abschnitt aus "Deutschland, Feindesland?" (Birk Meinhardt / Evelyn Roll, Süddeutsche Zeitung)
    3. Kriegstaugliche Benutzung von Information und Flüchtlingen (Walter Gehr, Internetposting)
    4. Wie Jugoslavien zerstoert wurde, was Re: Verhandlungen mit Serbien? (Erhard Sanio, Internetposting)
    5. As usual. Ein Nachwort (Wolfgang Schneider, konkret)
    6. Der 15-jährige Krieg der Türkei in Kurdistan (Anonymus, rundschreiben 1/99 medico international)
    7. Macht und Moral (Thomas Gebauer und Joachim Hirsch, medico international)
    8. Drogen und Deutschmark (Jürgen Elsässer, konkret)
    9. Nie wieder Frieden, (Hermann L. Gremliza, konkret)
    10. Weit vom Schuss (Theodor W. Adorno, Minima Moralia)
    11. Der Vergleich mit dem Holocaust ist monströs, Ulrich Rippert
    12. Hände weg von Jugoslawien (Klaus von Raussendorff)
    13. Brief an die Heimatfront (Marcus Hammerschmitt)
    14. Signature automatique (Bernhard Schmid, Jungle World)
    15. Auf falschem Weg (Offener Brief von Régis Debray an Jaques Chirac, Junge Welt, 17.5.99)
    16. Ein Appell amerikanischer Juden an die Gruene Partei Deutschlands
    17. Wir klagen an (Offener Brief an Gerhard Schröder, Kunst & Kultur, Ausgabe Mai 1999)
    18. InYugoslavia, rising ethnic strife brings fears of worse civil conflict (David Binder, The New York Times / Einführung durch William Blum)
    19. NATO's humanitarian trigger (Diana Johnstone, Zmagazine)
    20. Radioactive weapons used by U.S. and NATO in Kosovo (Anonymous, International Action Center New York)
    21. The Clinton doctrine (Michael Klare, The Nation)
    22. Noam Chomsky on Yugoslavia, (Interview von Max Boehnel, Zmagazine)
    23. From Vietnam to Serbia (CounterPunch)
    24. Once you kill people because you don't like what they say, you change the rules of war (Robert Fisk, The Independent)
    25. What is the point of Nato? (Robert Fisk, The Independent, 13.5.99)
    26. Is the U.S./NATO leadership planning a ground war? (International Action Centre, 18.5.99)

 

 

Zu Beginn ein wenig Literatur. Uwe Johnson gab seinem Roman "Jahrestage" die äußere Form eines Tagesbuchs. Vom 20.12.1967 bis zum 20.8.1968 registriert die Protagonistin Gesine Cresspahl, die mit ihrer Tochter Marie in New York lebt, die Stadt um sie herum und die politischen Geschehnisse, vor allem die Entwicklung des Vietnamkriegs. Gefiltert werden ihre Wahrnehmungen durch die Berichte der New York Times, Gespräche mit Arbeitskollegen, Nachbarn und ihrem Kind und vor allem durch ihre eigenen Erinnerungen an den Landstrich, aus dem sie stammt: Mecklenburg. Für den 21.12.1967, Donnerstag, beschäftigt sich der Tagesbericht u.a. mit dem Zwischenfall im Golf von Tonking, der 1964 der US-Regierung den Vorwand für den massiven und offenen Kriegseintritt in Vietnam gab.

Im Senatsausschuß für auswärtige Beziehungen zweifeln einige Mitglieder, ob Regierung und Generalstab 1964 die Wahrheit sagten mit der Behauptung, am 4. August seien die Zerstörer Maddox und Turner Joy von Schiffen aus Nord Viert Nam angegriffen worden. Nach Mr. John W. White aus Cheshire, Connecticut, der damals ganz in der Nähe am Unterwasserorter des Tenders Pine Island saß und die Funksprüche der Zerstörer abhörte, waren die unsicher, ob sie nun beschossen wurden oder nicht. Da wurden ankommende Torpedos signalisiert, aber es kamen keine Torpedos an. Zeigte das Radar tatsächlich eine Herde anrückender kleiner Boote? Ist Flakfeuer nachzuweisen, wurden Leuchtraketen gesichtet? Waren von Flugzeugen in der Nähe so geringfügige Kielwasser auszumachen? Das alles galt damals als wahr und reichte aus für eine Ermächtigung des Präsidenten, mit dem fremden Krieg Ernst zu machen.
- Eine Präsident kann nicht lügen: sagt Marie: Es käme doch heraus!

Der ganze Roman ist lesenswert: Uwe Johnson, Jahrestage, 4 Bde, 1892 S., Suhrkamp Verlag, Edition Suhrkamp Leipzig, NF 823

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Eine der ersten Meldungen (aus der Reportage "Deutschland, Feindesland?", Süddeutsche Zeitung Ausg. 27./28.März 1999, S.3)

(...)
Warum, Herr Fischer?

800.000 Menschen aus der Bundesrepublik Jugoslawien leben in Deutschland, 18.000 davon leben in Berlin, 12.000 von ihnen sind Serben. Sie leben seit Jahrzehnten hier, sie sprechen deutsch, sie sind Gastwirte, Facharbeiter, Basketballtrainer, Fußballer, Rechtsanwälte oder Ärzte, sie haben deutsche Freunde, sie leben gern in diesem Land. Und plötzlich, über Nacht soll es das Land des Feindes sein?

Gotana Milanovic ist verzweifelt. "Ich war immer so stolz, die deutsche Sprache zu können und hier in Deutschland zu leben." Und jetzt? "Jetzt soll Herr Fischer mir mal erklären, wie er Tausenden von Menschen im Kosovo Schutz dadurch geben will, daß er Millionen bombardiert." Gotana Milanovic erzählt, daß eine der Bomben gestern in ihrem Heimatort Kragujevac das Mahnmal getroffen und zerstört hat, das Manhmal mit dem an die Opfer eines deutschen Massakers von 1941 erinnert wurde. "Mein Großvater war fünf Jahre in Dachau", sagt sie noch, "mein Vater ist im Krieg umgekommen. Und jetzt lassen sie nicht einmal unsere Toten in Ruhe."
(...)

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Am 14.4.1999 hat ein NATO-Jet einen Treck von Flüchtlingen im Kosovo beschossen, und dabei viele Menschen, die Jugoslawen sagen Dutzende, getötet. Einen Tag lang wurde standhaft behauptet, es habe sich bei dem angreifenden Flugzeug um eine jugoslawische MIG gehandelt, viele Flüchtlinge hätten das übereinstimmend berichtet. Am 15.4.1999 hat die NATO zugegeben, daß es sich um eines ihrer Flugzeuge gehandelt hat, und spricht von einer Tragödie (Generalsekretär Solana), die allerdings in keiner Weise eine Milderung oder gar einen Abbruch der NATO-Luftschäge in Jugoslawien rechtfertige (Präsident Clinton). Die Flüchtlinge als bequeme Manövriermasse im zynischen Propagandapoker zweier Mächte, die miteinander Krieg führen und die Allgegenwart der Lüge in den westlichen Berichten sind das Thema des folgenden Internetpostings.

 

From walter.gehr@gmx.ch Tue Apr 13 23:43:13 1999
Newsgroups: fido.ger.politik
Subject: Kriegstaugliche Benutzung von "Information" und Flüchtlingen
From: "Walter Gehr"
Date: 13 Apr 1999 22:43:13 +0100


Die Nato bekennt sich dazu, daß Information bzw. Desinformation Mittel der
riegführung sind. Es wird auch gar kein Hehl daraus gemacht, daß der
militärischer Pressestab darauf achtet, nur sorgsam gefilterte Nachrichten
herauszugeben, und darauf, daß das Publikum nur Gutes von der Nato denkt. Beim
Feind, der dasselbe macht, ist das natürlich "Kriegspropaganda" - auf die wir
nicht hereinfallen dürfen. Als neuestes hat sich die Nato die Drohung ausgedacht,
serbische Fernsehstationen zu zerbomben, wenn sie nicht drei Stunden täglich
unsere Propaganda, pardon, Berichterstattung ausstrahlen (diese Drohung wurde
mittlerweile wahr gemacht, M.H). Sie geht also davon aus, daß Völker manipuliert
werden können. Und gegen die serbische Manipulation
muß sie eine Gegenmanipulation erzwingen. Man stelle sich vor, die Serben wollten
dasselbe hierzulande probieren...

Woher kommt eigentlich das Grundvertrauen, daß unsere "Informationspolitik" in
Ordnung geht, der Feind aber immer lügt? Erstens, weil das mit der Manipulation
gar nicht stimmt. Ein guter Staatsbürger hält von Natur aus zu seiner eigenen
Seite und vertraut deren "Informationspolitik", er ist sozusagen leichtgläubig
aus innerer Überzeugung heraus; und aus demselben Grund mißtraut er um so
heftiger allem, was der Feind sagt. Insofern ist die Idee von der
Gegenmanipulation in Serbien eine blöde Idee: Weder in Serbien noch hier kann man
Nationalisten ausgerechnet mit der Propaganda der Gegenseite umdrehen. Zweitens,
weil dem Staatsbürger dabei eine sogenannte "Kritische Öffentlichkeit" zur Seite
steht, die im Gegensatz zu dem von mir Behaupteten von sich behauptet, sie sei
überhaupt nicht von vornherein parteiisch. Sie würde nämlich nicht auf die
"Informationspolitik" der Obrigkeit hereinfallen und sie genauestens auf ihren
Wahrheitsgehalt überprüfen. Allerdings sind die Verlautbarungen der Nato dann das
wichtigste Medienereignis und dürfen allemal den ersten Platz beanspruchen - mit
kritischen Anmerkungen, versteht sich -, wohingegen die serbische Propaganda
keine Chance hat. Das liegt daran, daß die "kritische Öffentlichkeit" die
Maßstäbe ihrer Obrigkeit, deren Beurteilungskriterien, so grundsätzlich teilt -
und der wichtigste Maßstab, den die Öffentlichkeit nie verletzt, nach dem
sozusagen Kritik erst anfangen darf, heißt nun mal "Hie Freund - da Feind", noch
platter "Guter Staat - Böser Staat".

In dem Vertrag, der in Rambouillet den Vertretern Jugoslawiens zur Unterschrift
vorgelegt wurde, steht nicht, daß es die Hoheit über den Kosovo verliert. Nein,
darin steht, daß es überhaupt jede Hoheit verliert. Ziemlich ausführliche
Paragraphen legen fest, daß ganz Jugoslawien sich komplett der Nato-Oberhoheit
unterstellen muß. Das war die Aufforderung zur bedingungslosen Kapitulation -
ohne Krieg. Oder: Das war die Ankündigung, daß es ohne Unterschrift auf jeden
Fall Krieg gibt. 1 1/2 Monate später ist es ein Abgeordneter von der SPD, der zum
ersten Mal auf genau diesen Vertragsinhalt hinweist. Wo war unsere objektive,
wahrheitssuchende kritische Öffentlichkeit? Leute, die sonst mit ihrer Kunst des
Recherchierens prahlen, behaupten, diese Information wäre im Internet "versteckt"
gewesen. Die Wahrheit ist: Weil sie sich mit ihrer Obrigkeit einig waren, daß
Milosevic auf jeden Fall als "Vertragsverweigerer" angeprangert werden muß,
wollten sie gar nicht wissen, was in dem Vertrag steht.

Das ist ein Fall von interessiertem Verschweigen im Dienste unserer höheren
Werte. Dem liegt die systemimmanente Herzensübereinstimmung von Öffentlichkeit
und Obrigkeit zugrunde. Darauf wirft eine auch Selbstkritik des Nato-Pressestabs
ein Schlaglicht. Er bedauert: Die Exekution mehrerer Albaner-Führer, darunter
Rugova - große Meldung - hat sich als Falschmeldung herausgestellt - kleine
Meldung. Das war aber nur eine "Panne", es muß noch eine gebeichtet werden:
"...und es gab noch Irrtümer und Fehleinschätzungen: So wurden die Luftangriffe
in den ersten Tagen mit der Sorge vor einer `humanitären Katastrophe' begründet.
Als das Flüchtlingselend immer größer wurde, kam jedoch der Eindruck auf, die
Massenflucht sei erst eben durch diese Luftangriffe ausgelöst worden."

Der Nato-Pressestab zieht also nicht die Lüge von der "humanitären Katastrophe",
die die Nato zum Handeln zwinge aus dem Verkehr, sondern erklärt die
Widersprüche, die sich da auf ein bißchen aufgetan haben, aus seiner mangelhaften
"Informationspolitik". Er muß sich selbst bezichtigen, einen "professionellen
Fehler" begangen zu haben: Das Timing hat nicht gestimmt, die Begründung ist
falsch verkauft worden - der "Eindruck", die Nato hätte die "humanitäre
Katastrophe" erst bewirkt, hätte beim Publikum nicht aufkommen dürfen. Die
kritischen Medienvertreter nehmen die Entschuldigung an - Schwamm drüber.

Serbien betrachtet die Kosovo-Albaner und deren UCK als Feind und behandelt sie
entsprechend. Dazu gehört, die Leute einmal aus dem Land hinaus-, dann aber auch
wieder zurückzutreiben; sie sind Opfer und Material der Kriegführung. So etwas
kann man sehr wohl "menschenverachtende Politik" nennen.
An der Südgrenze Jugoslawiens entstehen riesige Flüchtlingslager. Die erste
Auskunft unserer Politiker lautet: Wir wollen, daß die Leute dort bleiben. Dafür
gibt es dann "humanitäre Hilfe". Für diese Hilfe erklärt sich dann auch die Nato
zuständig und schickt 10.000 "Hilfssoldaten". Unsere aufgeklärte Öffentlichkeit
weiß sofort: Für die "Hilfe" braucht es so viele nicht, das sind die künftigen
Kampftruppen, richtige Bastionen werden aufgebaut. Kritik kommt keine auf,
sondern nur die Frage: Wann ist es denn soweit?

Die Nato macht also eine 2.Front auf, die aus "Hilfe" und "Kampf" zugleich
besteht. Daraus kann man lernen:

- Die Flüchtlinge sind einerseits ein Vorwand, um Truppen zu stationieren. Die
"Informationspolitik" der Nato zielt schon fast augenzwinkernd darauf ab, das
Publikum an deren Umwandlung in Kampftruppen zu gewöhnen. Kein Journalist
kritisiert das oder nennt es gar "Manipulation".
- Den Flüchtlingen ist andererseits eine Funktion zugedacht. Sie sollen - Elend
hin oder her - dort unten bleiben, weil man sie eines Tages wieder in den Kosovo
zurückverfrachten will. Sie sind - so steht es im Wörterbuch des Staatsmann, das
man im Regal gewöhnlicher Menschen nicht finden wird - als Staatsgründungsvolk
vorgesehen, und zwar für einen Staat, wie wir ihn gegen Serbien mit Hilfe unserer
Kampftruppen durchsetzen wollen. Dafür, sozusagen zum Auffüllen des Staats,
müssen diese Leute dort unten festgesetzt werden.

Wer jetzt einen Brutalitätsvergleich mit den serbischen Vertreibungen macht, der
kann die zwar entsetzlicher finden, kommt aber in der Erklärung nicht weiter -
weil das Staatshandeln eben nicht moralischen, sondern seinen eigenen Maßstäben
gehorcht. Auch für die Nato sind diese Vertriebenen ein Material, funktional in
die Kriegführung eingebaut. Natürlich sagt sie dazu, daß sie es gut mit ihnen
meint, sie versieht ihr Handeln also mit einem moralischen Beweggrund, weil sich
das einfach so gehört. Dem Rupert Neudeck von der Organisation "Cap Anamur" ist
daran etwas aufgefallen. Er sagt: "Die Gejagten kommen mir vor wie die
Spekulationsmasse der Politik". Da könnte er stoppen und sich fragen, woher sein
Eindruck kommt; er könnte sogar von "menschenverachtender Politik" sprechen.
Statt dessen macht er weiter und appelliert an eben diese Politik: "Dabei haben
sie Entsetzliches hinter sich. Sie verdienen ein Willkommen." Ganz fest glaubt er
also weiterhin daran, daß das der eigentliche gute Zweck der Politik sei, den er
leider jetzt gerade vermißt. Auf diese Art kann man sich ewig von seiner
Herrschaft enttäuschen lassen, sie sogar an moralischen Maßstäben blamieren -
verstehen, was sie da treibt, wird man so nicht.

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Der folgende Internetdisput bezieht sich auf die Frage, wie eigentlich alles angefangen hat. Erhard Sanio stellt in diesem Internetposting seine Privatmeinung zum Zerfall des alten Jugoslawiens dar. Wie der Titel sagt ("Wie Jugoslavien zerstört wurde"), ist diese Diskussion wohl als Reaktion auf mein Posting des Artikels "Dismantling Yugoslavia, Colonizing Bosnia" von M. Chossudovsky zu verstehen.

 

From sanio@berlin.snafu.de Tue Apr 20 20:10:22 1999
Newsgroups: de.soc.politik.misc
Subject: Wie Jugoslavien zerstoert wurde, was Re: Verhandlungen mit Serbien?
From: sanio@berlin.snafu.de (Erhard Sanio)
Date: 20 Apr 1999 18:10:22 GMT

In article <371C9349.9A4530A2@vcpc.univie.ac.at>,
Markus Egg wrote:

[..]

>Bsp. fuer die Mithilfe der Zerschlagung Jugoslawiens durch Deutschland bitte.
>Z.B. fuer den Fall Slowenien.
>Aber bitte konkrete Bsp.: z.B. hat Deutschland an Slowenien Waffen geliefert?

Du argumentierst hochgradig unredlich und ich fuerchte, Du weisst das
auch. Wer Jugoslavien zerschlagen wollte, musste Slovenien herausloesen.
Der Hebel war der slovenische Wohlstandschauvinismus, der dem Regionalismus
der Lega Nord naeher steht als Faschismen und Nationalismen. Es ging darum:
"Was sollen wir zahlen fuer die serbischen und kroatischen Hinterwaeldler,
die muslimischen Halbwilden und die verlausten Albaner?" Streite es ab,
aber genau so wurde argumentiert - uebrigens auch von slovenischen Serben
und slovenischen Kroaten.

Slovenien war die entwickeltste Region und hatte die hohen Nettotransfers
der fuenfziger Jahre mal locker vergessen (so wie Bayern seine Gewinne
aus dem Laenderfinanzausgleich). In der Krise Jugoslaviens war die
Stimmung fast aller Slovenen jeder politischen Richtung: "Raus aus dem
Balkan!" Nebenbei haben die Slovenen von allen Jugoslaven die heftigste
Antipathie gegen kroatischen Nachbarn - dagegen haben die Serben ein
leichtes Sympathieplus, was sich auch an den auflebenden slovenisch-
serbischen Beziehungen nach dem Buergerkrieg zeigte. Da war auch Eigen-
interesse im Spiel, da die industriellen Verflechtungen zwischen Slovenien
und Serbien staerker waren als mit jeder anderen Region Exjugoslaviens.
Politisch allerdings war Slovenien das entscheidende Gegengewicht gegen
jegliches serbische Hegemoniestreben.

Die regionalistisch-separatistische Stimmung in Slovenien wurde von
deutschen und oesterreichischen Rechten und Rechtsradikalen heftig
geschuert. Dazu gehoerte das Programm einer "Alpenregion" aus Oesterreich,
Slovenien, Bayern und Norditalien. Unter den Leuten, die diese Stimmung
schuerten, waren reihenweise veritable Rechtsextremisten, Sympathisanten
und Organisatoren der Suedtiroler und des kroatischen Terrorszene und
die Altnazis und Neuexpansionisten aus der deutschen "Minderheitenbewegung"
um FUEM, EZM und GfbV. Das FUEM-Zentralorgan "Europa Ethnica" versteht sich
explizit als Fortfuehrung des voelkisch-nationalsozialistischen Hetzblatts
"Staat und Nation", das u.a. bei der Aggression gegen die Tschechoslovakei
eine zentrale Rolle spielte. In FEUM und GbfV sind bzw. waren NS-Experten
der voelkischen Subversion der dreissiger Jahre in Ostmitteleuropa als
Gruendungsmitglieder versammelt. Auf dem Balkan haben diese Obstruktions-
agenturen eine wichtige, kriminelle und destruktive Rolle gespielt.

In der Krise Jugoslaviens war klar: Verlaesst Slovenien die Foederation,
dann zerbricht sie, da dann die 12-13 Millionen Serben die anderen Gruppen
majorisieren. Vor allem Kroatien waere dann in einer hoffnungslosen
Minoritaetsposition gewesen. Das hiess: Die Sezession Sloveniens musste
zum Startschuss fuer den Zerfall der Foederation und damit fuer einen
Buergerkrieg werden. Die Slovenen moegen das nicht gewusst oder eher
verdraengt haben - Mock, Kohl und Genscher wussten, was sie taten, als
sie die Sezession unterstuetzten.

Die slovenische Separation genoss natuerlich die Unterstuetzung der
Mehrheit der lokalen Bevoelkerung. Lokale Milizen, die aufgrund des
Republikstatuts ohnehin grosse Bewegungsfreiheit genossen, uebernahmen
die Kontrolle des oeffentlichen Lebens. Die Armee des Zentralstaats,
die ohnehin zu einem knappen Drittel aus Slovenen bestand, fand sich
im eigenen Land im Belagerungszustand wieder. In dieser Situation
wurde der womoeglich unkluge Befehl gegeben, die Grenzuebergaenge
durch die Bundesarmee uebernehmen und kontrollieren zu lassen.
Dabei und danach kam es zu Zusammenstoessen bis hin zu Schusswechseln
zwischen Armee und lokalen Milizen. Das wurde vor allem in BRD und
Oesterreich schon damals als serbische Greueltat verkauft.

Tatsaechlich kam es zu wenigen ernsten Konflikten und die Bundesarmee
gab unter dem Eindruck der zivilen Proteste, der Blockade der Kasernen
etc. schliesslich nach. Die Sezession Sloveniens war schliesslich nicht
mehr zu vermeiden, womit die Brandfackel an das Pulverfass Balkan gelegt
war. Das war kein Zufall, sondern gezielte Politik von Kohl, Genscher
und Mock. Waffenlieferungen brauchte das nicht, nicht einmal mehr die
logistische Unterstuetzung, wie sie deutsche und oesterreichische
Regierungen in der Vergangenheit suedtiroler und kroatischen Terroristen
gegeben hatten.

[..]

Auf Dein anderes Posting antworte ich spaeter.

regards, es

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Journalismus und Journalismus. Dieser Auszug aus dem Buch "Bei Andruck Mord" von Wolfgang Schneider beschreibt, wie die westliche Presse während des Bosnienkrieges aus Serben Teufel und aus ihren Gegnern Engel gemacht hat, und dokumentiert die Affäre um die Nachforschungen des amerikanischen Journalisten Peter Brocks, der diese Art der Berichterstattung einer kritischen Prüfung unterzog.

Wolfgang Schneider

As usual. Ein Nachwort

Hamburg, 12. Februar 1994: Zwei Wochen nachdem die
Bundesregierung erklärt hat, auch ihr falle es "immer schwerer,
noch zwischen den drei Kriegsparteien (im ehemaligen
Jugoslawien) zu differenzieren", reklamiert Bundeskanzler Kohl
während seines Besuches in Washington erstmals offen ein
"besonderes deutsches Interesse" in der Entwicklung Sloweniens
und Kroatiens - ein Vorgang, den das »Hamburger Abendblatt mit
den Worten kommentiert: »Noch deutlicher sollte ein Bonner
Regierungschef (beim Reden über »Einflußsphären«, W.S.) nicht
werden«, schließlich jähre sich im April >die deutsche Besetzung
Jugoslawiens zum 53. Male<; von derlei Skrupeln völlig frei
hatte die »Taz« am 27. Januar gegen »die Unterstützung Serbiens
in den internationalen Gremien und der Nato durch Briten,
Franzosen und Russen, die auf die Sicherung von Einflußsphären
aus sind«, vom Leder gezogen und »die deutsche Politik«
verteidigt, die sich leider »seit der völlig zu Recht erfolgten
Anerkennung Kroatiens nicht einmal mehr auf das diplomatische
Parkett« gewagt habe eine Woche später warb das Blatt unter der
Schlagzeile »Moralisch geboten, politisch zweckmäßig« für das
Konzept einer Militärintervention in Bosnien-Herzegowina durch
Uno/Nato/WEU, das der Bundeswehrgeneral a. D. Graf Hanno von
Kielmansegg angefertigt hatte.

So ist es kein Wunder, daß - wie ausnahmslos sämtliche deutschen
Medien (siehe in diesem Buch S. 143 ff.) - auch die "Taz" im
Granatenangriff auf den Zentralmarkt von Sarajevo lediglich eine
günstige Gelegenheit sah, auf eine möglichst rasche Erfüllung
längst erhobener Forderungen zu drängen und die unverzügliche
Bombardierung serbischer Stellungen zu verlangen. Zwar ist eine
Woche nach dem Massaker noch immer unklar, wer dafür
verantwortlich ist; zwar weisen Uno-Sprecher wiederholt darauf
hin, daß nach vorläufigen Erkenntnissen der Anschlag auch aufs
Konto einer muslimischen Einheit gehen könnte; zwar hat die Uno
auf massives Drängen der bosnischen Serben eine internationale
Kommission mit der Untersuchung des Anschlags beauftragt - die
»Taz« aber, die nur mehr deutschen Expertisen glaubt, setzt die
«unabhängiger Untersuchung« in ironisierende Gänsefüßchen und
erklärt, es gebe auch ohne Klärung der Schuldfrage »längst Anlaß
genug für Luftangriffe« gegen die Serben.

Einige Wochen bevor sich so wieder einmal die
lumpenjournalistische Front von »FAZ« bis »Taz« von Reißmüller
bis Rathfelder schloß, hatte Peter Brock seinen Beitrag über die
einseitige und systematisch fälschende Bosnien-Berichterstattung
der westlichen Medien in der angesehenen US-amerikanischen
Vierteljahresschrift »Foreign Policy«, (Nr. 3, Winter 93/94)
veröffentlicht. Unter dem Titel »Bosnien: So logen Fernsehen
und Presse uns an« brachte die Züricher Wochenzeitung »Die
Weltwoche« in ihrer Ausgabe Nr. 3/94 die nur unwesentlich
gekürzte deutschsprachige Fassung dieses Textes heraus, die auch
dem Abdruck in KONKRET zugrundeliegt.

Die Reation kam prompt, und sie war heftig. Zwar druckte die
ebenfalls in Zürich ansässige linke »WochenZeitung« (»WoZ«) noch
in der folgenden Woche einen Kommentar, der Brocks Thesen
positiv aufgriff und sogar noch radikalisierte - dann aber
schlugen »Abscheu & Empörung« auch über ihr zusammen: Gruppen
hosnischer Muslime und ihrer Schweizer Unterstützer
organisierten vor dem Redaktionsgebäude der »Weltwoche« eine
Protestwache und suchten auch die Redaktion der »WoZ« heim; die
zuständigen Redakteure erhielten wütende Leserbriefe gleich
kübelweise; die ehrenwerte Gesellschaft der Schweizer Presse
zeigte sich entsetzt über die Beschmutzung ihres Nestes durch
ein international besonders geschätztes Familienmitglied. Die
Angegriffenen reagierten in gleicher Weise: Sowohl »Weltwoche«
als auch »WoZ« veröffentlichten in ihrer Ausgabe 6/94 neben
ausführlichen Entgegnungen auf Brocks Text eine redaktionelle
Erklärung, in der sie sich einerseits von ihm distanzierten und
andererseits darauf beharrten, daß es möglich sein müsse,
»einmal eine Stimme zu Gehör zu bringen, die der über den Krieg
in Bosnien gemachten Weltmeinung widerspricht«(»Weltwoche«).

Mit einiger Verzögerung hatte man mittlerweile auch hierzulande
begonnen, sich für die Thesen des amerikanischen Journalisten zu
interessieren: Kurz nachdem KONKRET das Recht erworben hatte,
Brocks Aufsatz in der Bundesrepublik zu publizieren, versuchten
»Taz«, »Tagesspiegel« und »Die Woche«, den Text bei der
zuständigen Agentur in Paris zu kaufen. Am 10. Februar
erschienen dann sowohl in der »Taz« als auch in der »Woche«
Beiträge, die sich mit Brocks Kritik an der westlichen
Balkankriegsberichterstattung beschäftigten. Während die »Taz«
jene als »billiges Machwerk« abtat (und abei fälschlicherweise
behauptete, der amerikanische Journalist Roy Gutman habe in
seiner für die »Weltwoche« formulierten Replik Brock mehr als
»ein halbes Dutzend« Unwahrheiten »nachgewiesen«, bemühte sich
die »Woche« um »Ausgewegenheit«: Neben einer knappen
Charakterisierung der Brockschen Vorqwürfe als vielfach
»schlicht falsch« die sich lediglich auf eine Verwechslung der
amerikanischen Nachrichtenmagazine »Time« und »Newsweek«
stützte, die Brock in seiner von der »Weltwoche« nicht
gedruckten Duplik auf Gutman inzwischen selbst eingeräumt hatte,
veröffentlichte sie zwei Beiträge, die deutlich machten, wie
berechtigt Brocks Attacken gegen die westlichen Medien sind: ein
Interview mit dem stellvertretenden Chefredakteur des
französischen Fernsehsenders France 2, Jacques Merlino, über die
»Verdrehung der Tatsachen zu Lasten der Serben« und die
Ergebnisse einer Nachfrage unter deutschen
Balkankerrespondenten.

Diese Nachfrage förderte verblüffende Bekenntnisse zutage. Die
Befragten distanzierten sich zwar in der Regel ganz allgemein
von Brocks Analyse - um sie dann aber Stück für Stück zu
bestätigen: »Total über sein Ziel hinausgeschossen« sei Brock,
meinte Jens Schneider von der »Süddeutschen Zeitung« - am
Vorwurf des »Meutenjournalismus« aber sei etwas Wahres dran; -
vollkommenen Unsinn« habe Brock geschrieben, urteilte der »FAZ«-
Auslandskorrespondent Viktor Meier - allerdings gebe es da einen
»Konformitätsdruck«, den die Zentralredaktionen auf ihre
Berichterstatter ausüben: »Es gab Versuche von einzelnen Leuten,
manchen meiner Aussagen die Spitze zu nehmen«; ausgerechnet der
ARD-Korrespondent in Sarajevo, Friedhelm Brebeck, bestätigte,
daß »die bosnische Seite« den Gegner systematisch provoziere:
»Die Bosnier donnern Granaten raus, wenn zwei Tage lang Ruhe
ist, denn sie wissen, für jede ihrer Granaten kommen zehn bis
fünfzig zurück. Die Regierung braucht die tägliche Blutspur in
Sarajevo. Sonst ist die Stadt uninteressant«; der dpa-
Korrespondent in Belgrad hält Brocks "Kernthese für richtig« und
vermutet eine »Koordinierung in den großen Medien« mit dem Ziel,
»die serbische Seite« zu diskreditieren; und ein Mitarbeiter des
Auswärtigen Amtes, der die Lage im ehemaligen Jugoslawien
beobachtet, erklärte, was die Dämonisierung der Serben angehe,
sei Brocks Kritik »absolut berechtigt«.

Was also ist das vorläufige Fazit der Aufregung über Brocks
Text? Seine ursprüngliche Version enthält mindestens einen
sachlichen Fehler (den wir in Übereinstimmung mit Brocks eigener
Revision korrigiert haben). Sie enthält darüber hinaus eine
offensichtlich falsche Wiedergabe des Inhalts eines Uno-Berichts
über Vergewaltigungen und möglicherweise die Verwechslung zweier
Ortsnamen (letzteres ist ein Versehen, das auch Brocks Kritikern
gelegentlich unterläuft, wie der Versuch des Bonner »Time«-
Korrespondenten zeigte, der KONKRET-Redaktion die
Veröffentlichung des Brock-Beitrags mit der Behauptung
auszureden, weder gebe es in EI Paso eine »Herald Post« noch sei
den ortsansässigen Journalisten ein Kollege namens Peter Brock
bekannt - der gute Mann hatte einfach EI Paso/New Mexico mit EI
Paso/Texas verwechselt). Alle übrigen Vorwürfe betreffen
Sachverhalte, die nach wie vor strittig sind - von der
Urheberschaft des »Brot-Warteschlangenmassakers« vom Mai 1992,
über die Identität des abgemagerten Mannes auf einem »Newsweek«-
Foto, bis zum Ausmaß der Vergewaltigungen im Kriegsgebiet.
Setzt man sie mit der Vielzahl unbestrittener Informationen, die
er enthält, und mit der Bedeutung seiner zentralen Thesen ins
Verhältnis, so fällt die berechtigte Kritik an einigen
Ungenauigkeiten und absichtsvollen Retuschen im Detail, die
gegen Brocks Text bislang vorgebracht worden ist, nicht
sonderlich ins Gewicht.

Das ist auch das Ergebnis einer Nachrecherche, die die »Foreign
Policy«-Herausgeber, aufgeschreckt durch die heftigen Reaktionen
zahlreicher Medien auf Brocks Text, haben durchführen lassen.
In einer ausführlichen Stellungnahme haben sie in der Ausgabe
Nr. 97 (Winter 94/95) ihrer Zeitschrift das Ergebnis der
»Faktenüberprüfung« veröffentlicht. Auszug:
Peter Brock hat die Pressebeichterstattung über das frühere
Jugoslawien unter die Lupe genommen und behauptet, daß es dabei
zahlreiche Verzerrungen und Falschbehauptungen gebe. Es ist nur
fair, wenn sein Beitrag denselben Kriterien unterworfen wird.
Wir haben jedoch die Fakten in Brocks Text ein zweites Mal
überprüft und sind der Auffassung, daß sie der Kritik
standhalten ... Tatsächlich ergibt eine Durchsicht unserer
Faktenüberüfungsakte, daß die Mehrheit Angaben in »The Partisan
Press« durch persönliche Interviews, Presseberichte, UN-Quellen
und wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt werden ... Da die
Analyse und die Fakten in Brocks Beitrag so verbittert
attackiert werden, mag es von Interesse sein, prominente
britische Journalisten denselben Boden beackert haben und zu
ähnlichen Schlußfolgerungen wie Brock gekommen sind. Am 3. Juli
1994 veröffentlichte der Londoner "Independent« eine
ausführliche Untersuchung von Nik Gowing, dem außenpolitischen
Redakteur des Londoner Senders Channel 4 News (ITV), über die
Rolle der Medien in der Bosnienkrise. Nach einer viermonatigen
Studie, die er an der JFK School of Government der Harvard
University durchgeführt hatte und nach mehr als 100 Interviews
kam Gowing zu dem Schluß: »Es hat sich herausgestellt, daß meine
Recherchen die Beschwerde eines anonymen UN-Offiziers stützen,
der (in genereller Zustimmung zu Brocks Text) an >FP<
geschrieben hatte: >Das Pressekorps entwickelte eine eigene
Dynamik und einen eigenen Geist, Vieles von dem, was sie
berichteten, zielte darauf ab, eine militärische Intervention
gegen die serbischen Aggressoren berbeizuführen ... Das schließt
mitunter eine persönliche Hingabe mit ein .... die sich mit der
Aufrechterhaltung professioneller Standards nur schwer
verträgt.«

Bei Andruck Mord
Die deutsche Propaganda und der Balkankrieg
ISBN: 3-930786-09-5
KVV konkret, Hamburg 1997

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Der folgende Text, der im rundschreiben 1/99 von medico international erschienen ist, beschäftigt sich noch einmal mit derselben Frage, und nennt für die kurdischen Opfer noch höhere Zahlen als der Bericht Florian Rötzers. Erkennbar vor dem Beginn der Bombardierungen geschrieben, benennt er in der Lieferung der 200 Spähpanzer an die Türkei einen Skandal, der die Menschenrechte als Grund für den Kriegseintritt im Kosovo ausschließt. Es sei denn, Joschka Fischer habe jetzt darüber zu unterscheiden, wer als Mensch in den Genuß seiner Rechte kommen soll und wer nicht.

 

Der 15-jährige Krieg der NATO in Kurdistan

Grosse Anfrage an Joseph Fischer

Kurdistan ist abgebrannt

Herr Minister: Sie reden laut von künftigen Gefahren im Kosovo. Das Massaker in Kurdistan hat längst stattgefunden. Es wurde verschwiegen. Im Kosovo sind 350 Dörfer teilweise zerstört. In Kurdistan sind 4000 Dörfer ausradiert. Über 30.000 Tote kostete dort der Krieg. 29.000 davon sind angebliche oder tatsächliche Anhänger der kurdischen Arbeiterpartei. Herr Minister: Sie erwähnen Tausende Flüchtlinge im Kosovo. Warum erwähnen Sie die 4 Millionen kurdischen Vertriebenen mit keinem einzigen Wort? Herr Minister: Warum kein Rambouillet für Kurden? - Weil die NATO es selber ist, die sich seit 15 Jahren den Krieg im Kosovo leistet? Weil die Türkei ein NATO-Partner ist? Dem die BRD 500.000 Heckler & Koch Gewehre zur Verfügung stellte? Weil der größte Rüstungssonderhaushalt in der Geschichte der BRD der Türkei gewährt wurde? Um Kurdinnen und Kurden genozidal zu treffen? Wie zuvor durch Giftgas deutscher Herkunft in den Händen Saddams? Warum aber, Herr Minister Fischer, liefern Sie jetzt weitere 200 rot-grüne Spürpanzer (Typ Fuchs) nach Anatolien? Damit weiter Krieg herrscht auf kurdischen Straßen? Das muß nicht mehr sein, Herr Minister!

Kurdistan ist abgebrannt, Herr Fischer. Deshalb herrscht Unruhe in Europa.

Unsere Anfrage an die Menschen in Deutschland:

Werden Sie bitte Teil unserer europäischen Bürgerrechtsbewegung für das zerstörte Kurdistan. Wir arbeiten hart an einem Dreischritt: Frieden und Autonomie in Kurdistan ergeben die Demokratisierung in ganz Anatolien & als Resultat ein vereinigtes friedliches und demokratisches Europa. Setzen Sie nicht auf Herrn Schilys Polizei. Unterstützen Sie unsere Menschenrechtsarbeit in der Türkei & Kurdistan. Jede einzelne Mark dafür ist lebenswichtig. Spendenstichwort: Kurdistan. Infomaterial gern & kostenlos.

medico-Spendenkonten:

1800 Frankfurter Sparkasse (BLZ 500 502 10)
6999-508 Postgiroamt (BLZ 370 100 50)

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Warum ist medico international so gut? Was unterscheidet diese Hilfsorganisation von so vielen anderen, die manchmal verdächtig wie finanzielle Kranzabwurfstellen für den gewissensgeplagten Metropolenbürger aussehen? Es ist die Analyse. Mitfühlen und gleichzeitg mitdenken können nur wenige. Diejenigen, die hinter medico international stehen, können es. Und so haben sie denn nicht nur Mitgefühl und Spendenkonten für die Opfer zu bieten, sondern auch klare politische Aussagen dazu, wie es zu ihrem Elend kam. Ist das wichtig? Aber ja. Was möchten Sie gegen die kommenden Katastrophen tun, wenn Sie nicht wissen, wie die jetzigen entstanden sind? Zwei Artikel von Thomas Gebauer und Joachim Hirsch, zuerst erschienen auf der Website von medico international.

 

Der NATO-Krieg in Jugoslawien und die Erschütterungen der internationalen Öffentlichkeit

von Thomas Gebauer

Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, noch unter dem Eindruck der beispiellosen Barbarei, entstanden unter der Führung der USA die Vereinten Nationen. Nie wieder sollte Völkermord sein, nie wieder Krieg! Die Staaten, so die UN-Charta, müßten künftig friedlich und orientiert am Ideal der Menschenrechte zusammenleben. Mit der Einrichtung der UN ist das Unrecht nicht verschwunden. Weder Völkermord, noch Krieg oder Menschenrechtsverletzungen waren zu verhindern. In den anhaltenden Gewaltverhältnissen spiegelten sich die Herrschaftsansprüche der Großmächte und das Diktat einer Ökonomie, die immer größere Teile der Weltbevölkerung von Wohlstand oder auch nur ausreichender Ernährung ausgrenzte. Die strukturelle Katastrophe aber blieb nicht unwidersprochen. Die Befreiungsbemühungen der Menschen in den Ländern der sogenannten Dritten Welt fanden die Solidarität einer internationalen kritischen Öffentlichkeit, die bis heute ein breites gesellschaftliches Spektrum umfaßt: darunter Menschenrechtsinitiativen, Entwicklungshilfeorganisationen, Rüstungsgegnern, Ärzte- und Journalistenverbände, Friedens- und Umweltgruppen, Gewerkschaften, Kirchen. Im solidarischen Beistand für die Opfer der »sozialen Apartheid« ist immer schon das praktisch zum Ausdruck gekommen, wovon heute meist nur in verkürzter Form die Rede ist: – Konfliktprävention. Denn das Ziel des Eintretens für soziale Gerechtigkeit und menschenwürdige Lebensumstände war und ist die Beseitigung der Ursachen von Gewalt und nicht nur deren Früherkennung durch ein internationales Krisenmanagement, das den Status Quo verteidigt, indem es die einhergehenden Schäden lediglich »verwaltet«. Gleichzeitig hat die internationale Öffentlichkeit auf die institutionelle Absicherung der Menschenrechte gedrängt. Durch Schaffung neuer Konventionen und wirksamer Kontrollregime sollte das Völkerrecht erweitert und verbessert werden. Gerade diese Arbeit ist zuletzt nicht ohne Resonanz geblieben. Beispielsweise ist es mit der Ächtung von Anti-Personen-Minen erstmals gelungen, entgegen militärischer Sicherheitserwägungen das Verbot einer Waffe durchzusetzen. Auch die öffentlichen Forderung nach Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes, mit dem Kriegsverbrecher unabhängig von politischer Opportunität und Großmachtinteressen zur Rechenschaft gezogen werden können, hatte mit der Festsetzung des chilenischen Diktators Pinochet eines ersten Erfolg. Und eine von der UN eingerichtete internationale Kommission zur Untersuchung des Krieges in Guatemala kam zu dem Schluß, daß in dem kleinen mittelamerikanischen Land ein systematisch betriebenen Völkermord stattgefunden hat, an dem die USA maßgeblich beteiligt waren. Dafür hat sich der US-Präsident unterdessen entschuldigt. Um aber über solche Gesten hinaus niemals zur vollen Rechenschaft gezogen zu werden, haben die USA mit dem Verweis auf Souveränitätsrechte einem Internationalen Strafgerichtshofes die Zustimmung versagt, – wie sie sich mit erhöhter diplomatischer Aktivität für die Freilassung Pinochets eingesetzt und die NATO-Staaten unter Druck gesetzt haben, um bei gemeinsamen Militäraktionen, wie heute gegen Jugoslawien, jene Minen einsetzen zu dürfen, die über 130 Länder für mörderisches Unrecht halten. Bei aller Kritik, die an den UN und ihrem bürokratischen Apparat zu üben ist -: das Prinzip, mit dem künftig Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen zu begegnen sein würde, nahm konkrete Gestalt an. Verbesserte politische wie rechtliche Mittel, die nicht zuletzt auf Druck der internationalen politischen Öffentlichkeit entstanden sind und sich zum Teil in der Kooperation mit sogenannten Mittelmacht-Initiativen (u.a. Kanada, Norwegen, Irland) realisiert haben, eröffneten der Weltorganisation einen neuen Handlungsrahmen, der sich tendenziell der Kontrolle durch die sie bisher dominierende Macht USA entzog. Zu dieser Entwicklung gehörte schließlich die Forderung nach einer Demokratisierung der UN mit dem Ziel ihrer Stärkung und Konsolidierung als glaubwürdige Schiedsstelle für die Lösung internationaler Streitfälle. Die NATO-Bombardements auf Jugoslawien haben diesen Prozeß unterbrochen und innerhalb der Nachkriegsära eine tiefe Zäsur markiert. Statt die demokratische Umgestaltung der UN voranzutreiben, brach die NATO das Völkerrecht und schwächte die Weltorganisation. Statt sich präventiv mit den sozialen Ursachen von Konflikten auseinanderzusetzen und beispielsweise die Lage im Kosovo rechtzeitig auf die Tagesordnung zu setzen, ließen die Mitgliedstaaten der NATO die sich eskalierende Unterdrückung der Kosovo-Albaner durch Milosevic ebenso geschehen wie die Radikalisierung der national-chauvinistischen UCK, die sich über dunkle Geschäfte ungehindert mit Waffen versorgte. Nicht weil alle anderen Optionen gescheitert sind (die eben nie versucht wurden), haben die USA schließlich die Bündnispartner in der NATO auf den Einsatz militärischer Mittel gedrängt, sondern weil die Allianz nur über den Einsatz von Gewalt ihre Machtvollkommenheit innerhalb und gegenüber der UN sichern konnte. An die Stelle der fragilen UN, die als Staatenorganisation naturgemäß von konkurrierenden Herrschaftsansprüchen durchzogen ist, soll die absolute Herrschaft einer kleinen Gruppe von Staaten treten – unter Führung der USA. Denn das hat der Krieg gegen Jugoslawien auch deutlich gemacht. Sonderwege und »Mittelmacht-Initiativen« dürfen nicht sein. Auch die Hoffnung vieler Menschen vor allem in der sogenannten Dritten Welt, daß mit dem sich einigenden Europa die ein Gegengewicht zu dem imperialen Anspruch der USA geschaffen werden könne und die Verkörperung eines »zivilisierteren« Kapitalismus verbunden sei, wurde in Frage gestellt. Eine weitere Zäsur ist auszumachen. War es früher die kritische internationale Öffentlichkeit, die sich um die humanitären Folgen einer um Staatsräson und Machtabsicherung bemühten Politik sorgte und aus der Kritik an den Ursachen von Not und Krieg die Initiative für politische Veränderungen formulierte, so nutzt heute die NATO eben jene Tragödie, die ihr Handeln weiter vorantreibt, um nachträglich von der Weltöffentlichkeit und der UN die Zustimmung für den Einsatz von Gewalt zu erzwingen. Kein Tag vergeht, an dem der Sprecher der NATO und die Verteidigungsminister sich nicht mit Belegen für die Greueltaten des Kriegsgegners Milosevic an die Öffentlichkeit wenden, um für die eigene Position zu werben. Die Greueltaten sind real und durch nichts zu entschuldigen, – aber sie waren vorhersehbar, wußte man doch seit langem, zu welchen Mittel Milosevic zu greifen imstande ist. Auf das Elend der Flüchtlinge und Deportierten hatte sich die NATO nicht vorbereitet. Die massive Unterstützung durch kirchliche und private Hilfswerke wurde erforderlich, um den betroffenen Menschen zu helfen. Zu dieser Hilfe existiert aus ethischen Gründen keine Alternative, und doch gibt sie unter der Hand eben jener Politik statt, die das NATO-Gewaltmonopol gegen die demokratische Willensbildung innerhalb der komplexen Staatenwelt durchgesetzt hat. Jede humanitäre Hilfe, so überlebenswichtig sie für die Betroffenen der kriegerischen Auseinandersetzungen ist, wird zugleich auch von den kriegsführenden Parteien für strategische und legitimatorische Zwecke in Dienst genommen. Diese Erkenntnis ist nicht erst seit Ruanda zur Gewißheit geworden, wo die Hilfe an ihre Grenze gestoßen ist, als sie zugleich das Elend verlängert hat. Die Einbeziehung der humanitären Hilfe (und tendenziell auch der Entwicklungshilfe) in militärstrategische Überlegungen, schafft für die Hilfswerke ein ähnliches Dilemma wie es auch für die um Aufklärung bemühten Medien besteht. Eine seriöse Berichterstattung über die gegenwärtigen Kriegsereignisse ist in hohem Maße gefährdet. Medien, die dem Gehalt eingehender Meldungen mißtrauen und Funktionalisierung wittern, sehen sich zu dem publizistischen Paradox genötigt, der veröffentlichten Meldung sozusagen bereits die »Gegendarstellung« an die Seite zu stellen. Auf diese Weise führt der Krieg auch zu moralischen und psychischen Erschütterungen, die auf beiden Seiten, bei den Opfern der Krieges im Kosovo und Serbien ebenso wie in der eigenen Gesellschaft auszumachen sind und sich am Ende hartnäckiger halten können als die physischen Schäden, die durch Bomben an der feindlichen Infrastruktur angerichtet werden. Friedenspolitische- und Menschenrechtsaktivisten, die dem Credo der militärischen Gewalt nicht folgen wollen, handeln sich heute umstandslos den Vorwurf ein, sie akzeptierten die stattfindenden Greueltaten, während jene, die allerdings Mitschuld am Elend in der Welt tragen, mit einem Mal in der Pose der Verteidiger der Menschenrechte erscheinen. Durch solche Umkehrungen wird das kritisches Bewußtsein der Menschen, ihre moralische Integrität und schließlich auch die Fähigkeit zum politischen Kompromiß zerstört, weil am Ende nur noch das Recht des Stärkeren und dessen Souveränität gilt. Thomas Gebauer ist Geschäftsführer von medico international, Mitbegründer der »Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen« (ICBL), die 1997 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

 

Macht und Moral

Der »verantwortungsethische« Diskurs blendet reale Machtverhältnisse aus

von Joachim Hirsch

Der Gutmensch hat einen eigentümlichen Gestaltwandel erfahren. Heute tritt er als politischer Realist auf, der – humanitäre Bombardements als unvermeidlich zur Beseitigung von Mördern und Tyrannen mit einigem Bedauern in Kauf nehmend – den naiven Pazifisten als Komplizen ebenderselben denunziert. Der »verantwortungsethische« Diskurs beherrscht das Feld und gerät doch unter der Hand zum bloßen Moralgeschwätz, weil er das ausblendet, was seine Grundlage sein müßte: die Wahrnehmung realer Machtverhältnisse. Der Bankrott kritischer Öffentlichkeit hierzulande zeigt sich nicht zuletzt daran, daß die politische Debatte, sofern es eine solche jenseits nackter Kriegspropaganda noch gibt, von der Frage nach dem Sinn und Zweck »humanitärer« Militäraktionen beherrscht wird. Nun mögen viele wirklich geglaubt haben, es handle sich beim Angriff auf Jugoslawien um eine solche. Den eigentlich Verantwortlichen geht es freilich im Kern um etwas ganz anderes, wie ein Blick auf die »neue Weltordnung« nach 1989 zeigt. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben wir es mit einem internationalen System zu tun, das von einer kleinen Gruppe kapitalistischer Metropolen unter Führung der USA ökonomisch und militärisch uneingeschränkt beherrscht wird. Ein konventioneller Krieg kann gegen die USA überhaupt nicht und ohne sie kaum noch geführt werden. Die Metropolen vereint das gemeinsame Interesse an der Aufrechterhaltung der bestehenden ökonomischen und politischen Weltordnung. Dazu gehört die militärische Demonstration ihrer Fähigkeit, »antiwestliche« Regimes und Bewegungen – wie immer sie auch aussehen mögen – nicht mehr zu dulden. Dies bekräftigt die neue NATO-Militärstrategie, die auf eine feinmaschige Kontrolle der Welt bis hin zur Bekämpfung punktueller Aufstände zielt. Zugleich stehen die dominierenden Staaten in einem sich verschärfenden Konkurrenzkampf untereinander. Dieser Konflikt kann allerdings angesichts der militärischen Übermacht der USA nicht unmittelbar, sondern nur stellvertretend kriegerisch ausgetragen werden. Die Militärintervention auf dem Balkan gewinnt von daher eine doppelte Bedeutung: sie demonstriert den Willen und die Fähigkeit der vereinten Metropolen, jeden Teil der Welt entsprechend ihrer geostrategischen Kalküle ihrer Kontrolle zu unterwerfen und sie demonstriert den europäischen Staaten zugleich die Grenzen ihres politischen und ökonomischen Spielraums. Sie bestätigt und zementiert den Sachverhalt, daß auch in Europa ohne die USA nichts geht. Die, wenn man so will, »Tragik« der europäischen Regierungen liegt darin, daß sie sich aus eigenem Interesse gezwungen sehen, ihre Subalternität mittels Bündnistreue zu demonstrieren und zu untermauern. Das ist es, was die Regierungsmann- und -frauschaft der wieder einmal im Krieg geborenen »Berliner Republik« im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen läßt und vielleicht einen Teil der staatlicherseits inszenierten öffentlichen Hysterien erklärt. Daß es beim Balkankrieg zumindest nicht vorrangig um das Wohl von Menschen ging, läßt sich schon an der desaströsen Wirkung der NATO-Bombardements erkennen, die ja nun nicht überraschend kamen, sondern von vorneherein einkalkuliert sein mußten. Ihre Folge wird sein, daß zumindest diese Region auf unabsehbare Zeit ökonomisch und gesellschaftlich verwüstet und von latenten oder offenen Kriegen durchzogen bleibt. Das, was Konflikte wesentlich erzeugt, nämlich ökonomische Zerrüttung, gesellschaftliche Marginalisierung und Ausgrenzung werden noch weiter verstärkt. Dennoch und gerade deshalb bleibt die Frage ernst zu nehmen, mit welchen Mitteln den im Zuge des sogenannten Globalisierungsprozesses ja nun nicht nur auf dem Balkan ausufernden Massakern und Menschenrechtsverletzungen nun eigentlich begegnet werden sollte. Dies ist eine zu Recht gestellte moralische Frage und ihre Beantwortung hat sich mit den NATO-Bombardements offensichtlich überhaupt nicht erübrigt. Die Antwort darauf kann nicht in einem »realpolitischen« Habitus gefunden werden, der die Wahrung von Recht und Moral an den Staat delegiert, sondern erfordert zuallererst politischen Realismus. Dazu gehört die Erkenntnis, daß Morde, Vertreibungen oder der – als Begriff inzwischen zum propagandistischen Passepartout verkommene – »Völkermord« in einer »Weltordnung«, die Ausbeutung und Unterdrückung zu ihrem Grundprinzip hat, nicht einfach beseitigt werden können. Gewalt gehört schon immer untrennbar zu dem, was gerne als »westliche Zivilisation« bezeichnet wird. Schon deshalb ist das herrschende Menschenrechtsgerede zynisch. Zum politischen Realismus gehört auch die Erkenntnis, daß die existierenden Staaten und das zur »Staatengemeinschaft« verniedlichte Staatensystem, seien seine Bestandteile nun zivilisierter oder barbarischer (was, wohlgemerkt, kein unbedeutender Unterschied ist), ebenso grundsätzlich auf Ausbeutung, Unterdrückung und Ausgrenzung beruhen. Staaten sind Herrschaftsorganisationen, die gesellschaftliche Ungleichheiten und Machtverhältnisse ausdrücken und sie zugleich befestigen. Dies gilt auch dann, wenn sie einigermaßen demokratisch legitimiert sind, wie der aktuelle Fall zeigt, wo die Entscheidung zum Kriegseintritt nicht aus demokratischer Willensbildung, sondern aus einer von öffentlich nicht einmal diskutierten Machtinteressen bestimmten Bündnisverpflichtung hervorging. Deshalb ist es kein Wunder, daß Staaten, ihrer Herrschaftsräson gehorchend und von ökonomischen Machtstrukturen abhängig, mit Demokratie und Menschenrechten in der Regel vorwiegend taktisch umgehen und sie entsprechend definieren. Die einschlägigen Beispiele, von Pinochets Chile bis zu den vom NATO-Partner Türkei in Kurdistan andauernd verübten Gewalttaten, sprechen für sich. Die Sorge um Humanität und Menschenrechte ist naiv oder zynisch, wenn über diesen Zusammenhang hinweggesehen wird. Politisch folgt daraus, daß es darum geht, nicht erst dann in nothilfepolizeilicher Manier zu reagieren, wenn die staatliche Machtpolitik die Katastrophe erzeugt hat. Es geht darum, unabhängig vom und im Konflikt mit dem herrschenden Staatensystem Verhältnisse und Strukturen zu schaffen, in denen zumindest die Chance zu einer allmählichen Durchsetzung von Menschenrechten und zur Entwicklung entsprechender rechtlicher Normen und Übereinkommen besteht. Dies bedeutet zum Beispiel die Kritik an den ökonomisch und sozial verheerenden Folgen neoliberaler »Globalisierungs«-Politik und das Aufzeigen von Alternativen dazu. Es bedeutet, praktische materielle und politische Unterstützung zu leisten, die den Menschen hilft, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen und sich aus Not und Elend zu befreien. Und es bedeutet vor allem den Versuch, eine unabhängige internationale Öffentlichkeit zu entwickeln und zu institutionalisieren, die imstande ist, menschenrechtliche Forderungen gegen das Machtinteresse der Staaten und die damit verwobenen Interessen des internationalen – nicht nur Rüstungs- – Kapitals zur Geltung zu bringen. Es kommt darauf an, einen Politikbegriff praktisch werden zu lassen, der staatliche Herrschafts- und Machtlogik überschreitet. Wenn man den ziemlich heruntergewirtschafteten Begriff verwenden will, geht es um die Entwicklung einer artikulationsfähigen internationalen »Zivilgesellschaft«, wie sie sich in den letzten Jahren etwa in dem sich allmählich konsolidierenden Geflecht menschenrechts-, umwelt-, entwicklungs- oder frauenpolitischer »Nichtregierungsorganisationen« zumindest ansatzweise gezeigt hat. Diese verfügen weder über bürokratische Zwangsapparate noch über Armeen, sind aber in der Lage, von den Staaten systematisch vernachlässigte Probleme zu thematisieren, die katastrophalen Folgewirkungen staatlicher Politiken zu skandalisieren und damit die Regierungen selbst der »starken« Staaten einem nicht zu unterschätzenden Legitimationsdruck auszusetzen. Mit dieser »internationalen Zivilgesellschaft« haben sich politische Strukturen herausgebildet, die auf der internationalen Ebene, wo von demokratischen Verhältnissen überhaupt nicht die Rede sein kann, so etwas wie eine unabhängige Öffentlichkeit und Chancen zur politischen Artikulation systematisch unterdrückter Interessen haben entstehen lassen. Die Militärintervention auf dem Balkan ist nicht zuletzt darauf angelegt, solche Ansätze zu zerstören. Sie macht deutlich, daß die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen immer mehr zum integralen Bestandteil von Militärstrategien wird, darauf ausgerichtet, »Kollateralschäden« bei der betroffenen Bevölkerung zu reparieren und damit die militärische Intervention selbst noch einmal zu legitimieren. Der mit dem Balkankrieg verbundene Bruch des Völkerrechts ist nicht nur der Not der »handlungsunfähigen«, weil von divergierenden Großmachtinteressen blockierten Vereinten Nationen geschuldet, sondern zielt darauf, Politik und Öffentlichkeit wieder auf die Logik staatlicher Herrschaftsinteressen zurückzustutzen. Indem sie internationales Recht wieder klar zur Disposition der herrschenden Metropolen stellt, verhindert sie zugleich seine Weiterentwicklung zu einem überstaatlichen Normensystem. Internationale Institutionen werden nicht nur politisch diskreditiert, sondern als Ansatzpunkte konsensueller Regelungen ausgeschaltet. Es wäre zweifellos verfehlt, den UN, die nichts weiter als eine Staatenorganisation und damit ein Verband von Herrschafts- und Machtapparaten darstellen, die Fähigkeit zur Durchsetzung menschenrechtlicher und demokratischer Prinzipien zuzuschreiben. Dennoch konnten sie sich ansatzweise zu einem in sich durchaus widersprüchlichen und heterogenen institutionellen Forum entwickeln, auf dem gerade unter Ausnutzung von konfligierenden Interessen innerhalb der »Staatengemeinschaft« eine internationale Öffentlichkeit anknüpfen konnte. Ein Beispiel dafür sind die großen UN-Konferenzen der letzten Jahre, die sich zu einem wichtigen Bezugspunkt einer unabhängigen politischen Öffentlichkeit entwickelt haben, die die Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik wesentlich geprägt hat. Ein weiteres Beispiel sind die Anstrengungen zur Etablierung einer unabhängigen internationalen Strafgerichtsbarkeit, deren Wirkungsmöglichkeit nicht vom Interesse der von Menschenrechtsverletzungen ja nun keineswegs freien Großmächte beschränkt wird. Der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen im Zusammenhang des »Kurdistan Human Rights Project« und nicht den Bemühungen der NATO-Partner ist es zu verdanken, daß die Türkei in mehreren Fällen vom Europäischen Gerichtshof wegen Verletzungen der europäischen Menschenrechtscharta verurteilt worden ist. Zu nennen ist schließlich das internationale Abkommen über das Verbot von Landminen, das von einem weltweiten Zusammenschluß unabhängiger Menschenrechtsorganisationen initiiert und vorangetrieben, dann von »mittleren« Staaten wie vor allem Kanada unterstützt und schließlich von den Vereinten Nationen formell anerkannt wurde. Dieses Abkommen wurde freilich von den USA nicht unterschrieben, genauso wie sie die Einrichtung einer unabhängigen internationalen Strafgerichtsbarkeit verhindert haben. Die Aushebelung des Völkerrechts und die Schwächung der internationalen Institutionen, die von den herrschenden Mächten nicht umstandslos kontrollierbar sind, ist nicht nur dem Pragmatismus einer zynischen Machtpolitik zuzuschreiben. Sie hat auch den Zweck, sich dieser Art von öffentlichem Druck und der staatsunabhängig vorangetriebenen Schaffung internationaler Normen zu entziehen. Auch die NATO-Allierten setzen in Jugoslawien inzwischen wieder – wenn auch technisch perfektionierte und aus der Luft abgeworfene – Minen ein. Kriege sind im allgemeinen nicht eben förderlich für den Bestand demokratischer Verhältnisse und ebensowenig gedeihlich für eine unabhängige und kritische Öffentlichkeit. Dieser Krieg zielt direkt darauf ab, beides zu untergraben. Es entsteht ein Gemenge von staatlicher Legitimationspropaganda, die systematisch verschleiert, um was es wirklich geht, von Normalisierungsdiskursen bezüglich der deutschen Nazi-Vergangenheit (so z.B. Scharpings »Konzentrationslager«-Sprüche und die nicht mehr nur leichtfertigen Holocaustvergleiche), von Lügen und Desinformationen, von politischer Naivität und Kriterienlosigkeit. Die allseits propagierte »neue Unübersichtlichkeit«, die nüchterne Analyse und Kritik stillegen soll, resultiert nicht zuletzt einem Wohlstandschauvinismus, der die Sicherung der eigenen »Zivilisationsfestung« vor dem von dieser selbst angerichteten Chaos in den Vorhöfen und Peripherien der »Weltgesellschaft« zum obersten Prinzip erhebt und gelegentliche Schuldanmutungen mittels Spenden beschwichtigt. Damit droht sich ein zivilgesellschaftlicher Totalitarismus zu entwickeln, der für die Zukunft der Demokratie hierzulande ebensowenig Gutes verheißt wie für eine friedlichere und humanere Weltordnung. Was nicht nur der Krieg selbst, sondern auch seine ideologische Begleitmusik an Verwüstungen anrichtet, zeigt sich nicht nur in menschlichen Opfern und materiellen Zerstörungen, sondern auch an den politischen Folgen in den kriegführenden Staaten selbst. Die globale Machtergreifung der NATO erzeugt genau das, was sie zu bekämpfen vorgibt: ein internationales Chaos, das den Boden für das Wirken von Diktatoren, Warlords, Banden und »Terroristen« bereitet. Das Ausmaß dieser »Kollateralschäden« der Militärintervention sind überhaupt noch nicht abzuschätzen. In einigen Teilen der Welt, wo der politische Verstand nicht vollkommen abgedankt hat und wo große Hoffnungen in die Herausbildung eines etwas zivilisierteren, sozialeren und demokratischeren Kapitalismus im europäischen Zusammenhang gesetzt wurden, wird heute von einem »Krieg gegen Europa« gesprochen. Dies ist so falsch nicht. Die Pointe ist allerdings, daß er von den europäischen – im übrigen mehrheitlich sozialdemokratisch bestimmten – Regierungen selbst geführt wird. Gefordert werden muß eine sofortige Einstellung des Kriegs und die Rückkehr zu Verhandlungen, deren Scheitern nicht von vorneherein beabsichtigt ist. Die skizzierten Ansätze einer alternativen Politik versprechen keine kurzfristige Lösung und verlangen einen langen Atem. Und sie bleiben wirkungslos, wenn sie nicht die herrschenden ökonomisch-sozialen Strukturen des globalisierten Kapitalismus ins Visier nehmen. Daß eine Politik der Militärschläge die Probleme nur verschärft, die sie zu lösen vorgibt, ist freilich nicht erst seit dem jüngsten Krieg bekannt. Realisiert werden müßte, daß staatliche Macht nicht durch staatliche Macht, staatliche Gewalt nicht durch staatliche Gewalt bekämpft werden kann, sondern nur durch eine Politik, die sich dieser Logik systematisch entzieht.

April 1999

Joachim Hirsch lehrt Politologie an der Universität Frankfurt am Main und ist Vorsitzender von medico international.

Spenden für die Flüchtlinge aus dem Kosovo

Sie können sich mit Ihrer Spende für die psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen einsetzen, die aus dem ehemaligen Jugoslawien und aktuell aus dem Kosovo in die Bundesrepublik geflohen sind. Unspektakulär aber von großer Bedeutung ist die psychosoziale Arbeit, die unsere Frankfurter Partnerorganisation FATRA (Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil) dabei leistet. medico hat deren Projektarbeit bereits mehrfach finanziell unterstützt. FATRA übernimmt die psychosoziale Betreuung der Flüchtlinge aus dem Kosovo, die im Rhein-Main-Gebiet untergebracht wurden. Ihr psychosoziales Beratungskonzept entstand unmittelbar aus der Betreuung traumatisierter Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Weitere Informationen senden wir Ihnen gerne zu. Vor Ort, in dem Krisengebiet um den Kosovo leistet medico jedoch keine Hilfe. Dazu fehlen uns die strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen. Grundlegend für unsere Arbeit – auch in Katastrophensituationen – ist die Kooperation mit lokalen Partnern. Dies wiederum erfordert Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse, die wir im Falle Albaniens und Mazedoniens nicht haben. Unsere begrenzten Kapazitäten nun von den laufenden Projekten in Afrika, Asien und Lateinamerika abzuziehen, um in der Krisenregion um den Kosovo mit eher kleineren Beiträgen dabeizusein, scheint uns wenig sinnvoll: Hundertausende von Menschen sind dort zu versorgen. Bei dieser Aufgabe spielen die großen privaten und überstaatlichen Hilfswerken eine tragende Rolle. Versäumen möchten wir aber auch nicht, auf ein Dilemma hinzuweisen, das im Fall der Betreuung der Vertriebenen aus dem Kosovo für Organisationen wie medico besteht. Einerseits ist Hilfe unbestritten und unbedingt notwendig, andererseits gibt unter der Hand gerade die humanitäre Hilfe einer militärischen Operation statt, die den Konflikt im Kosovo nicht lösen kann. Dazu wären politische und soziale Initiativen vonnöten, die zu keiner Zeit probiert wurden. Auch wenn es angesichts der wachsenden Zahl von Katastrophen zunehmend schwer fällt, so wollen wir doch an dem Ansatz der Prävention, der Vorbeugung von Konflikten und Not festhalten. Eine solche Arbeit muß per se unauffällig bleiben, weil sie darauf zielt, das spektakuläre Ereignis, die Katastrophe zu vermeiden.

medico international e.V.
Obermainanlage 7
D-60314 Frankfurt am Main
Tel: 069 94438-0
Fax: 069 436002
eMail: info@medico.de

medico-Spendenkonten:

1800 Frankfurter Sparkasse (BLZ 500 502 10)
6999-508 Postgiroamt (BLZ 370 100 50)

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Eigenartigerweise taucht die UCK seit Beginn der NATO-Bombardierungen als kriegführende Partei im Kosovo so gut wie nicht mehr auf. Es wird der Eindruck erweckt, als müsse sich eine komplett unschuldige und harmlose albanische Zivilbevölkerung mit den bloßen Fingernägeln gegen eine bis an die Zähne hochgerüstete und zu allem bereite serbische Besatzungsmacht verteidigen, vor allem weil sie nie Unterstützung von außen bekommen habe. Das darf bezweifelt werden. Noch am 18.3.1999 erschien eine Ausgabe des stern, in der UCK-Kämpfer beim Feuern mit Maschinengewehren, mit panzerbrechenden Waffen, als Scharfschützen mit Präszisionsgewehren u.ä. zu sehen sind. Die Legende zu dem Bild mit dem Maschinengewehrschützen liest sich wie folgt: "Ein UCK-Kämpfer feuert mit seinem MG auf eine serbische Stellung. Seit dem Herbst haben die Rebellen ihr Arsenal systematisch aufgestockt. Über Albanien schmuggeln sie moderne Waffen in ihre Heimat." (S. 40) Heute würde die Veröffentlichung solcher Bilder wohl schon als serbische Kriegspropaganda gebrandmarkt. Woher die UCK das Geld für ihre Waffen hat, untersucht der folgende Artikel.

*Drogen und Deutschmark*

*Wie die albanische Mafia mit deutscher Hilfe zur UCK wurde*

"Die albanische Mafia und die sogenannte Befreiungsarmee Kosovo haben
keine Beruehrungspunkte - sie sind ein und dasselbe, sie sind ueber die
Familien miteinander verbunden, so dass es unmoeglich ist, sie
voneinander abzugrenzen", meint Marko Nicovic, ehemaliger Leiter der
Drogenabteilung im Belgrader Innenministerium.

Der Mann weiss, wovon er spricht - er war an zahlreichen Razzien gegen
internationale Heroinhaendler im Kosovo beteiligt -, und trotzdem mag
seine Auskunft als parteiisch gelten. Serbische Luegen-Propaganda, um
die UCK schlechtzureden, jetzt, wo sie endlich ueber ihre Beteiligung
an der Rambouillet-Konferenz international Anerkennung erfahren hat -
so koennten jene, die ihr Herz fuer die leidenden Kosovaren entdeckt
haben, einwenden. Nur gut, dass die Einschaetzung von Nicovic auch von
vielen westlichen Polizeiexperten und Drogenfahndern geteilt wird. So
wurden nach Analysen der norwegischen und schwedischen Kripo vom
Sommer 1998 in den letzten zwei Jahren achtzig Prozent des Heroins,
das in die skandinavischen Staaten gelangte, von Kosovo-Albanern
eingeschmuggelt. "Wir wissen sicher, dass dieses Geld fuer den
sogenannten Befreiungskampf verwendet wird", sagte Walter Kege, Chef
der Drogenfahndung der Koeniglichen Schwedischen Polizei. Nach
Auskunft von Pierre Duc, dem Leiter des Rauschgiftdezernats in
Lausanne, werden auch in der Schweiz neunzig Prozent des Handels mit
harten Drogen mittlerweile von Albanern kontrolliert. "Wir haben
bisher noch keinen direkten Beweis, aber unsere Erfahrung sagt uns,
dass die Kanaele fuer den Handel mit harten Drogen auch fuer Waffen
benutzt werden", sagte Duc dem "Focus".

In Deutschland wurden 1996 ungefaehr achthundert Dealer albanischer
Herkunft wegen Heroinhandel festgenommen - damit lagen sie auf Platz
zwei hinter ihren tuerkischen Kollegen. "Fuer mich liegt es auf der
Hand, dass die mit den Drogengewinnen Waffenkaeufe finanzieren",
urteilt Ferdinand Schmid, Dezernatsleiter Rauschgift im LKA Bayern.
In Italien liess eine Spezialeinheit der Carabinieri Mitte Oktober
1998 einen Drogenring auffliegen, an dessen Spitze Gashi Agim aus
Pristina stand. Ein Fahnder gegenueber dem "Corriere della Sera": "Vor
ein paar Jahren war der Mailaender Drogenmarkt noch von Tuerken
beherrscht ... Dann, 1996, haben ihn die Albaner uebernommen ...
Einige von ihnen sind Aktivisten in der bewaffneten
Kosovo-Befreiungsbewegung ... Und genau dorthin fliesst zumindest ein
Teil des Geldmeeres, das die albanischen Drogenhaendler erwirtschaftet
haben ... Im Fruehjahr sind eine Reihe albanischer Dealer sogar so
weit gegangen, eine Demonstration fuer die Unabhaengigkeit des Kosovo
zu organisieren. Und etliche Leute, die wegen ganz gewoehnlicher
Verbrechen gesucht werden, marschierten zur US-Botschaft in Rom,
schwenkten ihre Fahnen und verteilten Flugblaetter", fasst der
"Corriere" zusammen. Die linke Tageszeitung "Il Manifesto" berichtet,
Agim sei in flagranti beim Kauf von zweihundert MGs mit
Nachtsichtgeraeten erwischt worden. Eine zweite Schluesselperson, der
Aegypter Assan A., verfuege ueber Verbindungen zu einigen Ministern in
Kairo und zu islamischen Terroristen in Aegypten. Ein Bericht der Drug
Enforcement Administration (DEA) des US-Justizministeriums resuemierte
1996: "Auf der Balkanroute waren ethnische Albaner aus der serbischen
Provinz Kosovo nach den tuerkischer Gruppen die zweitwichtigsten
Heroinschmuggler ... Kosovo-Dealer wurden bekannt wegen ihrer
Gewalttaetigkeit und ihrer Verwicklung in den internationalen
Waffenhandel."

Das Berisha-lmperium

Einer der wichtigsten Drahtzieher der Kosovo-Connection ist der
fruehere albanische Praesident Sali Berisha - er verkoerpert die
Symbiose aus UCK und Mafia. Sein Verteidigungsminister Safet Zhulali
hat sich 1997 nach Italien abgesetzt und ihn beschuldigt, er habe die
Destabilisierung des Kosovo "betrieben", um das Ausland von der
Situation in Albanien abzulenken. Chris Hedges, der Balkanreporter
der "New York Times", berichtet in der Ausgabe vom 10. Juni 1998 aus
Vucidol in Nordalbanien: "Der Familiensitz des frueheren albanischen
Praesidenten Sali Berisha, der letztes Jahr zuruecktrat, ist zur Basis
der UCK geworden ... Waffenhandel, finanziert von ethnischen Albanern
aus Deutschland und der Schweiz, hat die Position von Berishas
Unterstuetzern gestaerkt ... Mr. Berisha betrachtet die Kaempfe im
Kosovo als heiligen Krieg ... Fuer ihn umfasst die "Albanische Nation"
nicht nur Albanien, sondern auch den Kosovo und Westmazedonien, wo
die ethnischen Albaner die Mehrheit stellen ... Zur selben Zeit
transportiert man Waffen ungehindert auf Pritschenwagen hin und her.
Die Polizisten und oertlichen Beamten sind entweder korrupt oder
hilflos."

Wie die UCK der militaerische Arm der Mafia ist, so sind zwielichtige
albanische Banken und Fonds, die sogenannten Pyramiden-Gesellschaften,
ihre oekonomische Basis - zumindest waren sie es bis zu ihrem
spektakulaeren Crash Ende 1996. »Die Pyramiden-Gangster finanzierten
den Wahlkampf der Demokratischen Partei Sali Berishas vor den
Parlamentswahlen im Juni 1996. Zusaetzlich transferierten sie die
Investitionen der Parteioberen in Laender, die als sicherer als
Albanien eingestuft wurden, insbesondere nach Italien«, fasst der von
der franzoesischen Nicht-Regierungs-Organisation »Observatoire
Geopolitique des Drogues« herausgegebene Jahresbericht »The World
Geopolitics of Drugs 1995/1996« zusammen, auf den sich auch die
folgenden Angaben stuetzen.

Dubiose Anlagefonds gibt es in vielen Laendern mit wenig entwickelter
Bankenaufsicht - in der Regel fliegt der Betrug aber schnell auf, die
Betrueger werden verhaftet oder setzen sich mit den Einlagen der
Betrogenen ins Ausland ab. In Albanien konnten sich diese Fonds
jedoch ueber ein halbes Jahrzehnt halten, weil ihre Kapitaldecke nicht
nur mit den Kleckerbetraegen naiver Kleinanleger gestreckt, sondern
zusaetzlich mit dem Schwarzgeld der Mafia unterfuettert wurde.
Insbesondere ging es dabei um die hohen Ertraege aus dem Schmuggel
(vor allem von Oel) nordalbanischer Clans in das von der
internationalen Blockade abgeschnuerte Jugoslawien. Die
nordalbanischen Clans waren lange unantastbar, weil sie auch die
Demokratische Partei beherrschten. (Dies wurde nach dem
Regierungswechsel 1997 sogar gerichtsnotorisch: Auf Druck der USA
wurde zum Beispiel Berishas Innenminister Agon Musaraj angeklagt, das
Jugoslawien-Embargo systematisch gebrochen und einen Drogenring
geführt zu haben.) Die Kapitalbasis der Gesellschaften und ihre
Protektion durch die damalige Regierung schien jedenfalls so solide,
dass auch die italienische Mafia, vor allem die Sacra Corona Unita aus
Apulien und die neapolitanische Camorra, sie benutzten, um
schmutziges Geld zu waschen. Doch das finanzielle Fundament der
Pyramiden blieb der Schmuggel nach Jugoslawien - und der wurde
ueberfluessig, als nach der Auflhebung des UN-Embargos im Zuge des
Dayton-Abkommens legale Im- und Exporte wieder moeglich wurden. Das
Ende des Schwarzmarktes in Montenegro brachte die Pyramiden zum
Einsturz - zum Schaden der kleinen Anleger, waehrend die Berisha-Clans
und die Camorra immerhin noch zwischen 500 und 800 Millionen Dollar
beiseite schaffen konnten.

Der Crash loeste im Fruehjahr 1997 buergerkriegsaehnliche Unruhen aus und
kostete die Demokratische Partei und die sie tragenden Mafiagruppen
die Staatsmacht - die Regierung wurde von den Sozialisten uebernommen.
Hinter diesen standen vor allem suedalbanische Gangstersyndikate, die
in puncto Kriminalitaet den Berisha-Gangs nicht nachstehen, aber
wenigstens nicht deren grossalbanischen Zielsetzungen anhaengen (unter
anderem deswegen nicht, weil in Suedalbanien im Unterschied zum Norden
vor allem Christen leben - mit den Moslems im Kosovo verbindet sie
nur wenig). Andererseits konnte die Demokratische Partei ihre
Hochburgen in den Grenzgebieten zu Jugoslawien verteidigen und diese
dann der UCK zur Verfuegung zu stellen. Die wurde in der Folge vor
allem mit den Waffen aufgeruestet, die waehrend der Aufstaende aus den
Kasernen der albanischen Armee gestohlen worden waren. (Nach einer
Schaetzung der UN-Fact-Finding-Mission vom Juni 1998 handelte es sich
um 650.000 Schusswaffen, 20.000 Tonnen Sprengstoff und 1,5 Milliarden
Patronen und Granaten, wovon etwa ein Viertel »von Einzelpersonen
oder Schmugglern ausser Landes gebracht« wurden.) »Nach Auskuenften
auslaendischer Diplomaten ist der Beschluss von Berisha, seinen
Geburtsort den Rebellen zur Verfuegung zu stellen, Teil seines
Versuches, die Krise fuer sein Comeback zu nutzen«, berichtet »New
York Times«-Reporter Chris Hedges.

Deutsche Hilfe

Berisha wurde bis zu seinem Sturz 1997 massiv aus Deutschland
unterstuetzt. In Tirana hatten sowohl die CSU-nahe
Hanns-Seidel-Stiftung wie die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU ihren
Sitz, letztere war »bei der Formulierung eines auf Berisha
zugeschnittenen Wahlrechts behilflich«, wie das Fernsehmagazin
»Monitor« im Maerz 1993 berichtete. Ungewoehnlich war auch das Angebot
des Verteidigungsministeriums, eine gemeinsame deutsch-albanische
Truppeneinheit zu bilden - sie wurde Ende 1996 als Teil des deutschen
Ifor-Kontingents im kroatischen Zadar stationiert. Insgesamt wurden
1995 vierzehn gemeinsame Militaerkooperationen durchgehuehrt, 1996 mehr
als zwanzig.

Die deutsche Militaerpraesenz vor Ort koennte auch der UCK zugute
gekommen sein. »How Germany backed KLA« - KLA (Kosovo Liberation
Army) wird in den englischsprachigen Medien synonym fuer UCK verwendet
- ueberschrieb das englische Wochenblatt »The European« Ende September
1997 eine Recherche. Dort wurde behauptet, dass »der deutsche zivile
und militaerische Geheimdienst in die Ausbildung und Bewaffnung der
Rebellen verwickelt ist um den deutschen Einfluss auf dem Balkan zu
zementieren und das Fluechtlingsproblem anzupacken«. Deswegen sei es
zu »einem ernsthaften Bruch zwischen dem BND und der CIA gekommen«,
hiess es mit Bezug auf franzoesische Diplomaten. Weiter schrieb die
Zeitung: »Die Entstehung der UCK im Jahr 1996 fiel mit der Ernennung
von Hansjoerg Geiger zum neuen BND-Chef zusammen. Einer seiner ersten
operativen Beschluesse war die Einrichtung einer der groessten
Regionalvertretungen des BND in Tirana ... BND-Agenten arbeiten eng
mit den Fuehrern des Shik, des albanischen Geheimdienstes, zusammen
... Die BND-Maenner hatten die Aufgabe, Rekruten fuer die
UCK-Kommandostruktur herauszusuchen.«

Aehnliches berichtete die ARD-Sendung »Monitor«: »Seit 1990 pflegt die
Bundesregierung gute Beziehungen zu den albanischen Geheimdiensten.
Militaerische Ausruestung im Wert von zwei Millionen Mark wurde ins
albanische Krisengebiet entsandt. Die Militaergueter seien zum Teil an
die Rebellenarmee UCK gelangt.« Ein beteiligter MAD-Mitarbeiter sagte
gegenueber »Monitor«, die Aktion sei »von ganz oben« erwuenscht
gewesen. Von Bill Foxton, dem Leiter des OSZE-Beobachterbueros an der
Grenze zwischen Albanien und Kosovo, wurde Ende Juni 1998 »erstmals
entdeckt, dass die UCK ploetzlich uniformiert ist. Und zwar mit
deutschen Feldanzuegen.« Wesentlich weitergehende Anschuldigungen von
serbischer Seite, wonach die Guerillaausbildung auch in Deutschland
selbst stattfinden soll - genannt werden u. a. geraeumte Nato-Kasernen
in Hechingen bei Tuebingen, in der Naehe von Nuernberg und Bonn sowie
ein Asylbewerberheim in Singen - sind nicht belegt. Ein - nach
eigenen Angaben - »fuehrender UCK-Repraesentant« hat gegenueber einem
»Jungle World«-Reporter ebenfalls von Ausbildungslagern in
Deutschland gesprochen und ausserdem behauptet, »dass UCK-Leute sich im
Verteidigungsministerium auf der Bonner Hardthoehe die Klinke in die
Hand geben« - da »Herr I.« inkognito auftrat, werden sich allerdings
weder sein Rang noch diese Informationen verifizieren lassen.

Doch auch ohnedies ist die Verantwortung der Bundesrepublik fuer den
Aufbau der UCK gross. US-Unterhaendler Richard Holbrooke hat im Juli
letzten Jahres auf einer Kosovo-Rundreise in Erfahrung gebracht, »wie
wichtig Gelder aus Deutschland, Daenemark und der Schweiz fuer die UCK«
seien. Anstatt das Problem diplomatisch zu verhandeln, griff
Holbrooke zu einem ungewoehnlichen Schritt: Er kritisierte das
Laisser-faire der Bundesregierung oeffentlich in einem
Zeitungsinterview. Tatsaechlich hatte Bonn das Fund-Raising fur den
Kosovo-Untergrund in den vergangenen Jahren zumindest toleriert: Fuer
den vom selbsternannten Ministerpraesidenten Rugova und seinem
Praesidenten-Kollegen Bukoshi verwalteten »Fonds der Republik Kosovo«
waren seit 1992 jaehrlich mehr als zehn Millionen Mark gesammelt
worden. Kosovo-Albaner in der Bundesrepublik und anderswo wurden
angehalten, drei Prozent ihres Einkommens auf dieses Konto zu
spenden. Unter dem Stichwort »Heimat bittet um Hilfe« hat die
»Demokratische Vereinigung der Albaner in Deutschland« (DVAD) vor
fuenf Jahren eine weitere Bankverbindung eingerichtet, auf die allein
im April 1998 sieben Millionen Mark eingegangen sind. DVAD- Chef
Kelmendi gibt zu, dass »ein grosser Teil« davon für die UCK bestimmt
sei, schliesslich seien deren Waffenkaeufe auch eine Form »humanitaerer
Hilfe«. Kelmendi und alle anderen DVAD-Vorstaendler sind gleichzeitig
auch Mitglieder der "Volksbewegung fuer das Kosovo"(LPK) - und dieser
wurden im Verfassungsschutzbericht1997 »sicherheitsgefaehrdende Bestrebungen«
zur Last gelegt. Vor diesem Hintergrund ist es pikant, dass Kelmendi der
Bundesregierung noch im letzten Jahr ausdruecklich dafuer gedankt hat,
»dass sie seine Arbeit bisher nicht behindert habe«.

Im Juli 1998 hat die Balkan-Kontaktgruppe auf Holbrookes Draengen ihre
Mitgliedstaaten aufgefordert, diese Form von Terror-Finanzierung zu
unterbinden. Kurz darauf verkuendete der damalige Aussenminister Kinkel
bereits weniger anruechige Formen der Unterstuetzung: Er sicherte
Albanien 1,2 Millionen Mark »fuer die Unterbringung von Fluechtlingen«
zu - was, so will es schon die Geographie, nur im Grenzgebiet zum
Kosovo sinnvoll ist, also im Homeland von Berisha. Der Kampf konnte
weitergehen.

Juergen Elsaesser in: KONKRET 3/99

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Hermann L. Gremliza kommentiert den rot-grünen Kriegseintritt mit der gewohnten Bissigkeit. Und recht hat er auch noch.

Nie wieder Frieden!

aus KONKRET, Heft 5/99

Auf dem WWW zuerst veröffentlicht unter:

http://www.infolinks.de/medien/konkret/index.htm

Hermann L. Gremliza

Glücklicher Lichtenberg! Seiner Frage, für wen die Taten getan würden, von denen es heißt, sie würden fürs
Vaterland getan, ließ noch jeder, der nicht auf den Kopf gefallen ist, die geziemende Antwort auf dem Zinsfuß
folgen. Mit der gleich berechtigten Frage, für wen die Taten getan werden, von denen man (und frau) sagt, sie
würden für die Menschenrechte getan, verhält es sich so, daß nicht einmal die Täter die Antwort zu kennen
scheinen. Warum nur, warum, fragt der Bundesaußenminister, der ihn zur Verteidigung der Menschenrechte
angefangen hat, »müssen ausgerechnet wir Krieg führen?« Er dauert mich, und so will ich 's ihm erklären:

Ohne falsche Bescheidenheit kann dieser Joseph Fischer ja heute selber sagen, »daß dieses Europa mit Horrido
auseinanderfliegt, wenn unser Land die europäische Führungsaufgabe nicht wahrnimmt«, und der Rest ist
Dreisatz: Wer Europa führt, muß Weltmacht sein. Zu deren Insignien gehören das Recht und die Fähigkeit, ihre
Interessen auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Das erste Ziel dieses ersten deutschen
Nachkriegs-Kriegs also war: der Krieg (und hätte es im Kosovo nicht geklappt, wäre der nächstbeste
Schauplatz der erste geworden).

Auch die Regierung Kohl hätte gerne ihr Recht auf Kriegführung realisiert, hatte sich jedoch durch den
dargebotenen Ort des Geschehens gehemmt gefühlt. Noch Mitte der Neunziger war auch des Kanzlers damals
dickster Freund ganz derselben Meinung gewesen: Man bedenke nur, hatte Fischer gemeint, »was es heißen
würde, wenn deutsche Soldaten in Kampfhandlungen gegen Serben verwickelt würden! Dann hätten wir hier
wirklich eine völlig andere Debatte.«

»Ach Quatsch, das glaub' ich nicht«, hatte Cohn-Bendit geantwortet, der geahnt haben muß, wie seine
Achtundsechziger für den Fall, man ließe sie regieren, ihre Legende, sie hätten den Aufstand gegen die
Nazi-Eltern gewagt, zum Exportartikel entwickeln könnten: mit »Hitler« als feindlichem Ausländer, dessen
Vorname je nachdem Saddam oder Slobodan heißen konnte, mit »Genoziden«, »KZs« und »Auschwitz« auf
dem Balkan, im Mittleren Osten oder in Tibet. Kampfhandlungen deutscher Soldaten gegen Serben wären dann
nichts anderes als die Fortsetzung des Antifaschismus mit anderen Mitteln. Er habe, sagte Fischer, als er
schließlich auf der Hardthöhe der Zeit angekommen war, nicht nur »Nie wieder Krieg« gelernt, sondern auch
»Nie wieder Auschwitz«, womit er aber nicht ankündigen wollte, daß er mit der zweiten Lehre morgen so
verfahren werde wie heute mit der ersten, sondern bloß sechzig Jahre post festum den Beitritt Deutschlands zur
Anti-Hitler-Koalition erklären.

Erläutert wäre damit, warum »ausgerechnet wir« Krieg führen können, noch nicht aber, warum »ausgerechnet
wir« das müssen. Vielleicht hätten »ausgerechnet wir« ja wirklich nicht gemußt, wäre »uns« nicht jeder andere
Gegenstand der Politik abhanden gekommen. Doch woran sie sich auch wagten, ob an die Erhöhung des
Benzinpreises um zehn Pfennige, den Einstieg in den Ausstieg aus ein paar maroden Atomkraftwerken oder die
Aufhebung des deutschen Blutrechts - nichts als blutige Nasen haben sie sich geholt, und so sahen sie sich
geradenwegs auf jenes letzte Gebiet des Politischen abgedrängt, auf dem die Entscheidungen nicht unmittelbar
vom Bundesverband der Deutschen Industrie getroffen und von der zugehörigen Pressestelle verkündet werden:
das Auswärtige. »Der Krieg in Jugoslawien bewirkt einen Paradigmenwechsel in der deutschen Innenpolitik«,
bemerkte die »Frankfurter Allgemeine« und wollte damit sagen, daß das rotgrüne Regierungsprogramm dem
Krieg zum Opfer gefallen sei. Richtig war natürlich das Gegenteil: Der Wechsel von der einen Politik, die man
nicht durfte, zu der anderen, die man deshalb mußte, gehört zu den Dingen, welche zum Krieg gegen
Jugoslawien geführt haben.

Was übrigens die Menschenrechte angeht, von denen es heißt, daß um ihretwillen Nacht für Nacht Jugoslawiens
Fabriken, Kraftwerke, Brücken, Straßen, Bewohner in die Luft gejagt werden, sieht es so aus, als werde es
dem vereinigten Kommando schließlich gelingen, die Lage herbeizubomben, die Clinton, Blair, Schröder und
ihre Propagandastäbe herbeigelogen haben, um ihren Krieg anzufangen. Nach drei Wochen war es noch nicht
geschafft, und woran es mangelte, hat der »Spiegel« am 12. April aufgeschrieben:

... allerdings braucht die Bundesregierung Fakten über Greuel, besser noch Bilder von Grausamkeiten, die
Milosevics Schergen begangen haben ... Doch genau daran mangelt es im Moment. Verteidigungsminister
Scharping beschwerte sich öffentlich, die Nato rücke nicht genügend Bilddokumente heraus. »Ich hoffe, sie
ändert das bald«, so Scharping, denn »es ist auch eine Schlacht um Information und Propaganda« ... Für
serbische KZ gibt es ebensowenig Beweise wie für Massenexekutionen.

Im Jahre 1998, als die Deutschen das Schlachtfeld ihres Krieges vorbereiteten, hatten sie 97,5 Prozent der
Leute aus dem Kosovo, die jetzt »ethnische Albaner« heißen, im Alltag aber vorzugsweise »Kanaken«,
politisches Asyl verweigert, und noch am 18. November, als die Bomber schon alarmiert waren, hatte das
Auswärtige Amt des Ministers Fischer die zuständigen Gerichte mit der Expertise versorgt: »Die
Wahrscheinlichkeit, daß Kosovo-Albaner im Falle ihrer Rückkehr in ihre Heimat massiven staatlichen
Repressionen ausgesetzt sind, ist insgesamt als gering einzuschätzen.« Das war, in offizieller Sicht, die
menschenrechtliche Lage auf dem Weg nach Rambouillet, und man kann sagen, daß ihr inzwischen wirklich
abgeholfen worden ist.

Derweil die nationale Linke dem Balkan-Hitler ihr »No pasaran!« mit Bomben einzutrichtern begann, begann die
deutsche Rechte zu murren. Zwar schlossen ihre Parteien den seit 1914 in solchen Fällen üblichen Burgfrieden,
ihre Dichter und Denker aber, die sich gerade noch bei Ovationen in der Paulskirche dicke Beine gestanden
hatten, machten sich auf den Friedensmarsch. Peter Gauweiler geißelte den Bruch des Völkerrechts und zitierte
zum Beweis, daß die Nation sich auf die regierenden Achtundsechziger auch im übrigen nicht verlassen könne,
Joschka Fischers Einsicht von 1982: »Deutsche Helden müßte die Welt, tollwütigen Hunden gleich, einfach
totschlagen; dies zeigt unsere ganze Geschichte.« Rudolf Augstein meinte, die USA »schleppten die nicht sehr
begeisterten Nato-Verbündeten hinter sich her«, und sah, wie Egon Bahr, das Vaterland einmal mehr von den
Amerikanern um seinen Platz an der Sonne gebracht. Am tiefsten bohrte Walsers Preisredner, der
»FAZ«-Herausgeber Frank Schirrmacher:

Es wäre einem sehr viel wohler zumute, wenn Deutschland aus moralischen Gründen an einem Einsatz teilnähme,
ohne mit ihm zugleich auch wieder Hitler besiegen zu wollen. Milosevic ist nicht Hitler. Und der Kosovo ist nicht
Auschwitz. »Auschwitz eignet sich nicht zur Instrumentalisierung«, hatte Martin Walser vor genau sechs
Monaten in der Paulskirche gesagt ... Jetzt, kein halbes Jahr später, dient Auschwitz zur Begründung eines
Krieges.

Es klang, als hätte er aus KONKRET abgeschrieben, allein, es klang nur so. Schirrmacher ist nicht zufällig
Kollege jenes Johann Georg Reißmüller, der als publizistischer Vater aller Balkan-Kriege auch den ums
»Amselfeld« als erster ausgerufen hatte, und so haßt er nicht den Krieg, sondern den Grund. Wenn nämlich
Deutschland Hitler besiegen will, kämpft es immer noch und immer wieder gegen sich und seine nationale
Geschichte. Diesen Kampf zu beenden, Geschichte endlich Geschichte sein, Auschwitz für nichts mehr zur
Begründung dienen zu lassen, nicht für Schuld, nicht für Schulden, nicht für Scham und nicht für Krieg, das ist
das Ziel. Auf daß Deutschland, seinen nationalen Interessen folgend, frank und frei wählen kann, wann es
Bomben wirft und wohin, und nicht etwa genötigt werden kann, seinen besten Freunden mit Krieg zu kommen,
nur weil ein paar Klugscheißer bei ihnen KZs und einen Führer entdeckt haben wollen.

Eine Weltmacht, die es mit der größeren anderen aufnehmen will, muß so souverän sein wie diese, ihre
Geschäfte auch mit den Pinochets dieser Welt zu treiben, und erst recht, wenn sie Chatami heißen, und einen
Feind auch dann mit Krieg zu überziehen, wenn nicht einmal ihrem Regierungspoeten Enzensberger auf ihn ein
Reim mit Hitler gelingt. Deutschland muß Krieg führen können ohne die Rechtfertigung, daß er der
antifaschistischen Sache dient. Das Recht, überhaupt einen Krieg zu führen, das ihm, ausgerechnet, Fischer und
Co. errangen, war ein notwendiger halber Schritt. Die nächste Regierung kann den ganzen tun. Dann wird sich
auch die jüngste deutsche Friedensbewegung wieder an die Front melden.


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KONKRET, Ruhrstr. 111, 22761 Hamburg

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Wenn der Krieg der Vater aller Dinge ist, dann zeugt er, so scheint es, auch die Wiederkehr des Immergleichen. Daher wirken Theodor W. Adornos Kommentare vom Herbst 1944 so erschreckend aktuell. Vielleicht sollte zur Klarstellung angeführt werden, daß ich weder die Serben noch die Kosovoalbaner für die Juden des Jugoslawienkriegs halte, diese ständigen Vergleiche der jetzigen Leiden mit denen der Juden im Holocaust haben für mich nur noch mit der versuchten Nivellierung des Holocaust und nichts mehr mit der konkreten historischen Situation zu tun, in der sich die Welt jetzt befindet. Allein die Treffsicherheit, mit der Adorno die Kälte des total technisierten und total dokumentierten Krieges darstellt, ist für mich an dem folgenden Zitat interessant. Heute wird vor den laufenden Kameras von CNN ohne jede Emotion von "destruction", "secondaries", "collateral damage" gesprochen, als gäbe es keine menschlichen Opfer. Wie aber Adorno für die Endphase des 2. Weltkriegs schon angemerkt hat, dürfen die Typenbezeichnungen der eingesetzten Waffen nie fehlen, so daß man beinahe auf die Werbeunterbrechungen mit den Spots der betreffenden Herstellerfirmen wartet. Und ohne Aufregung und Geschrei entwickelt sich der erste Krieg der Weltgeschichte, der aus reiner Menschenliebe ausgefochten wird.

 

Weit vom Schuß - Bei den Meldungen über Luftangriffe fehlen selten die Namen der Firmen, welche die Flugzeuge hergestellt haben: Focke-Wullf, Heinkel, Lancaster erscheinen dort, wo früher einmal von Kürassieren, Ulanen und Husaren die Rede war. Der Mechanismus der Reproduktion des Lebens, seiner Beherrschung und seiner Vernichtung ist unmittelbar der gleiche, und demgemäß werden Industrie, Staat und Reklame fusioniert. Die alte Übertreibung skeptischer Liberaler, der Krieg sei ein Geschäft, hat sich erfüllt: die Staatsmacht hat selbst den Schein der Unabhängigkeit vom partikularen Profitinteresse aufgegeben und stellt sich wie stets schon real, nun auch ideologisch in dessen Dienst. Jede lobende Erwähnung der Hauptfirma in der Städtezerstörung hilft ihr den guten Namen machen, um dessentwillen ihr dann die besten Aufträge beim Wiederaufbau zufallen.

(...)


Hätte Hegels Geschichtsphilosophie diese Zeit eingeschlossen, so hätten Hitlers Robotbomben, neben dem frühen Tod Alexanders und ähnlichen Bildern, ihre Stelle gefunden unter den ausgewählten empirischen Tatsachen, in denen der Stand des Weltgeists unmittelbar symbolisch sich ausdrückt. Wie der Faschismus selber sind die Robots lanciert zugleich und subjektlos. Wie jener vereinen sie die äußerste technische Perfektion mit vollkommener Blindheit. Wie jener erregen sie das tödlichste Entsetzen und sind ganz vergeblich. - »Ich habe den Weltgeist gesehen«, nicht zu Pferde, aber auf Flügeln und ohne Kopf, und das widerlegt zugleich Hegels Geschichtsphilosophie.

(...)

Wochenschau im Kino: die Invasion der Marianas, darunter Guam. Der Eindruck ist nicht der von Kämpfen, sondern der mit unermeßlich gesteigerter Vehemenz vorgenommener mechanischer Straßen- und Sprengarbeiten, auch von »Ausräu-chern«, Insektenvertilgung im tellurischen Maßstab. Operationen werden durchgeführt, bis kein Gras mehr wächst. Der Feind fungiert als Patient und Leiche. Wie die Juden unterm Faschismus gibt er nur noch das Objekt technisch-administrativer Maßnahmen ab, und wenn er sich zur Wehr setzt, hat seine Gegenaktion sogleich denselben Charakter. Dabei das Satanische, daß in gewisser Weise mehr Initiative beansprucht wird als im Krieg alten Stils, daß es gleichsam die ganze Energie des Subjekts kostet, die Subjektlosigkeit herbeizuführen. Die vollendete Inhumanität ist die Verwirklichung von Edward Greys humanem Traum, dem Krieg ohne Haß.

Herbst 1944

Das ganze Buch ist lesenswert: Theodor W. Adorno, Minima Moralia - Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Suhrkamp Verlag, Bibliothek Suhrkamp 236

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Politiker, die es besser wissen müßten, weil sie es einmal besser wußten, vergleichen die Vertreibung der Kosovoalbaner pausenlos und unter Anwendung der schwersten rhetorischen Geschütze mit der Vernichtung der europäischen Juden in der Nazizeit. Es war aber der Verdienst eines Schriftstellers, den Holocaust zum rhetorischen Abschuß endgültig freigegeben, und damit jede Einordnung und jeden Vergleich, sei er auch noch so unsinnig, mit seinem intellektuellen Plazet versehen zu haben. Seit Walsers Gerede vom letzten Herbst kann man den Holocaust mit allem vergleichen, und deswegen hat er damit auch genau das Gegenteil dessen erreicht, was er wollte. Jetzt müssen wir uns täglich anhören, daß die Serben eine Art Nazis und die Albaner eine Art Juden seien, und diese Vergleiche werden so lange nicht aufhören, wie die NATO sie zur Rechtfertigung ihrer Bombardierungen aus Menschenliebe braucht.

Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht unter:

http://wsws.org/de/1999/apr1999/holo-a10.shtml

 

From K.Fischer@odessa.bonbit.org Fri Apr 16 20:50:00 1999
Newsgroups: de.org.politik.misc,cl.gruppen.gruene,de.org.politik.spd,
de.soc.politik.misc,de.soc.politik.texte,z-netz.forum.diskussion.politik
Subject: Der Vergleich mit dem Holocaust ist monströs
From: K.Fischer@odessa.bonbit.org (Kai Fischer)
Date: 16 Apr 1999 20:50:00 +0200

Der Vergleich mit dem Holocaust ist monströs

Wie die deutsche Regierung ihre Kriegspolitik verteidigt

Von Ulrich Rippert 10. April 1999

Nach über zwei Wochen ständiger Luftangriffe ist es der NATO
nicht gelungen, Serbien in die Unterwerfung zu bomben. Die
Oberbefehlshaber der Allianz reagieren darauf mit verschärften
Angriffen und der Vorbereitung auf den Einsatz von Bodentruppen.
Immer deutlicher rücken zivile Ziele ins Visier der Luftwaffe.
Mehr und mehr nimmt der NATO-Krieg die Form des Terrors gegen
die serbische Bevölkerung an.

Parallel dazu mehren sich Zweifel und Fragen nach dem Sinn
dieses Krieges. Die ursprüngliche Propaganda von den humanitären
Zielen ist längst von der Wirklichkeit widerlegt. Der
Herausgeber des größten Nachrichtenmagazins Der Spiegel, Rudolf
Augstein, fragt: "Was suchen wir auf dem Balkan?" Die Zeit -
Mitherausgeber Theo Sommer fragt: "Droht ein Fiasko?" und
antwortet zurückhaltend aber deutlich mit: "Ja". Auch Alt-
Kanzler Helmut Schmidt fällt ein vernichtendes Urteil: "Am
Gängelband der Amerikaner wurde das Völkerrecht gebrochen.
Dieser Krieg ist ein Fehler." Selbst die Bild -Zeitung,
ansonsten oft hurra-patriotisch, meldet Zweifel an: "Ist dieser
Krieg richtig?"

Unter diesen Bedingungen zieht die rot-grüne Regierung alle
Register und hat eine Propagandakampagne begonnen, die an
Demagogie und Manipulation alles bisherige in den Schatten
stellt.

Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), bisher ein völlig
farbloser Technokrat der Politik mit einer einschläfernden
Rhetorik und dem Charisma eines Bürovorstehers, fungiert
plötzlich als Chefdemagoge der Hardthöhe.

Bereits auf der ersten Pressekonferenz, unmittelbar nach
Kriegsbeginn, richtete er eine Warnung an die Journalisten und
forderte unverhohlen Selbstzensur. Jedes kritische Wort solle
vermieden werden, denn es Stärke den Feind, verlängere dadurch
den Krieg und sei daher mitverantwortlich für mögliche Opfer
unter deutschen oder alliierten Soldaten. Doch diese "Dolchstoß-
Legende" im Voraus zeigte wenig Wirkung. Die kritischen Stimmen
wurden lauter.

Seit einigen Tagen hat die Regierung den Krieg der Worte
ausgedehnt. Verteidigungsminister Scharping und Außenminister
Fischer behaupten nun, das Verhalten von Slobodan Milosevic sei
nur mit dem "menschenverachtenden Verhalten von Adolf Hitler"
vergleichbar. Vor Journalisten erklärte Fischer, das Vorgehen
der serbischen Milizen gegenüber den erschöpften und
ausgezehrten Flüchtlingen erinnere ihn an die schlimmsten Bilder
vom Niederbrennen des Warschauer Gettos. "Zum ersten Mal in
diesem Jahrhundert steht Deutschland auf der richtigen Seite,"
fügte Fischer hinzu, und Scharping wiederholt bei jeder
Gelegenheit seine Formulierung, wonach die " unvorstellbaren
Greuel im Kosovo auch ein Blick in die Fratze der deutschen
Vergangenheit" bedeuten.

Immer deutlicher ziehen sie den Vergleich zum
nationalsozialistischen Holocaust. Jede Presseerklärung des
Außen- oder Verteidigungsministeriums ist mit eindeutigem
Vokabular durchsetzt: "Völkermord, Schlachthaus, Selektierung,
Konzentrationslager, Leichenberge."

Der Spiegel berichtet in seiner jüngsten Ausgabe (14/99) über
eine "Medien-Offensive" des Verteidigungsministeriums, um der
wachsenden Kritik zu begegnen: "Luftaufnahmen sollen beweisen,
daß im Kosovo Konzentrationslager eingerichtet werden. Scharping
und das Kanzleramt haben die dringende Beschaffung solcher
Belege angeordnet... Seit dem vergangenen Mittwoch läßt die
Bundeswehr aus Mazedonien Aufklährungsdrohnen starten, auch die
Tornados sind an der Suche beteiligt... Den fotografischen
Beweis, sobald er denn vorliegt, will die Regierung zur
Rechtfertigung des Kriegs unterbreiten. Auch die Russen sollen
so öffentlich unter Druck gesetzt werden. Die Suche blieb bis
Mitte der Woche ohne Erfolg. Zwar machte eine Drohne der
Bundeswehr Aufnahmen von dem Stadion in Pristina, das als KZ
genannt worden war - doch es war leer."

Die täglichen Pressekonferenzen des Verteidigungsministeriums
dienen nicht der Information, sondern ausschließlich der
Instruktion. Kritische Fragen werden scharf zurückgewiesen.
"Warum die zornigen Eruptionen, einmal von Fischer, dann wieder
von Scharping, weil die Medien zwischen Tätern und Opfern nicht
klar unterschieden, den 'Zynismus', die 'Leichenberge', die
'KZs' oder das 'Schlachthaus' nicht wahrnehmen wollten?" fragte
Die Zeit (Ausgabe 15/99).

Der Vergleich zwischen Milosevic s Soldateska und den
faschistischen Mordbanden der SA und SS, die Gleichsetzung der
gegenwärtigen Flüchtlingslager mit dem Warschauer Getto oder den
Vernichtungslagern der Nazis ist eine monströse
Geschichtsfälschung.

Sechs Millionen Juden haben die Nazis in den
Konzentrationslagern systematisch und bestialisch ermordet. Wer
das gleichsetzt mit der gegenwärtigen Unterdrückung der
Kosovaren, der verhöhnt die Opfer des Holocaust. Eine derartige
Herabminderung der Verbrechen der Nazis grenzt schon an eine
Neufassung der Auschwitz-Lüge.

Die Verbrechen der Nazis nahmen in Jugoslawien ein
ungeheuerliches Ausmaß an. In Kroatien verübte die Ustascha
unter Aufsicht der Nazis einen regelrechten Völkermord an der
serbischen Bevölkerung. Allein im größten der zwanzig KZs wurden
800.000 Menschen ermordet. In Serbien versuchte die Wehrmacht
den Widerstand zu brechen, indem sie für jeden gefallenen
Soldaten erst 50 später 100 wehrlose Zivilisten erschießen ließ,
die willkürlich aus der Bevölkerung herausgegriffen wurden. Im
Oktober 1941 meldete der Oberkommandierende Wehrmachtsgeneral
für Serbien, Franz Böhme, daß für die bei einer Partisanenaktion
getöteten 21 deutschen Soldaten 21.000 Serben - Männer, Frauen
und Kinder - erschossen wurden.

Angesichts dieser Geschichte ist es nicht verwunderlich, daß die
serbische Bevölkerung sich heute nicht davon überzeugen lassen
will, daß die Nato-Bomben zu ihrem Wohle fallen.

Was dieser Tage im Kosovo geschieht, steht in einem anderen
Zusammenhang als der Naziterror. Sieht man einmal davon ab, daß
viele Gerüchte und Beschuldigungen über Massenterror, die in den
Medien bereits als Tatsachen behandelt werden, noch jeden
objektiven Beweises entbehren, so findet eine systematische und
gewaltsame Vertreibung durch das Belgrader Regime statt. Dieses
gewalttätige Vorgehen Milosevics ist zu verurteilen, aber es
folgt einem Muster, das sich bedauerlicherweise in der
Nachkriegsperiode in zahlreichen Ländern wiederholt hat. Die
Bundesregierung nimmt dies allerdings höchst selektiv wahr.

So wurde der Staat Israel vor fünfzig Jahren durch eine brutale
Vertreibung und Unterdrückung der Palästinenser errichtet. [Die
Vertreibung der Menschen aus dem Kosovo ist nicht
gelichzusetzten mit der Vertreibung der Palästinenser, k.f.]Die
Regierung in der Türkei aberkennt den Kurden schlicht das
Existenzrecht und hat 3.000 kurdische Dörfer vernichtet. Es ist
keinen Deut besser als das Milosevic-Regime in Belgrad, erfreut
sich aber der Nato-Mitgliedschaft und Bonner Finanz- und
Militärhilfe.

Auch die Vertreibungen auf dem Balkan betrachtet die
Bundesregierung höchst einseitig und willkürlich, je nach
momentaner Interessenlage. Darauf macht in der Frankfurter
Rundschau vom 8. April Pierre Simonitsch unter der Überschrift
"Eine Geschichte der Vertreibungen" aufmerksam.

Er schreibt, daß die Geschichte des Balkan "immer eine
Geschichte von Vertreibungen und Massenmorden" war, die nur in
den Jahren der Tito-Herrschaft eingeschränkt wurden. Die
deutsche Bundesregierung spielte Anfang der neunziger Jahre eine
Schlüsselrolle dabei, die nationalen Konflikte wieder
anzufachen, als sie auf die Anerkennung von Slovenien und
Kroatien drängte. Simonitsch: "Die Lage ist dramatisch, doch auf
dem Balkan nicht neu. Man hat die 600.000 Serben vergessen, die
seit 1991 aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina flohen. Mit
logistischer Hilfe der Nato vertrieb die kroatische Armee 1995
etwa 200.000 Serben aus der Krajina, wo sie seit 250 Jahren
ansässig waren. Viele von ihnen sind heute in Armeebaracken
untergebracht, wo sie zum unbeabsichtigten Ziel von Nato-Bombern
werden könnten."

Angesichts dieser Tatsachen stellt Simonitsch die berechtigte
Frage, ob die Regierung von den jüngsten Ereignissen im Kosovo
wirklich so überrascht war, wie sie jetzt vorgibt: "Haben die
westlichen Regierungen die Vertreibung der Kosovo-Albaner bewußt
in Kauf genommen, als sie die Luftangriffe gegen Rest-
Jugoslawien anordneten? Es ist schwer zu glauben, daß die Nato-
Strategen diese mögliche Konsequenz ihrer Pläne übersahen. Statt
eine menschliche Tragödie zu verhindern, hatten die
Bombardierungen das Gegenteil zur Folge."

Daß die Regierung zu immer groteskerer Demagogie und
Geschichtsfälschung greift, ist ein Ergebnis der Tatsache, daß
sie einen Krieg verteidigt, der sich durch nichts verteidigen
läßt. Anfangs hieß es: "Für Humanität!", doch die Bomben schufen
Zerstörung und Elend. Dann lautete die Parole: "Stoppt die
Vertreibung!", doch die Luftangriffe wurden zum Deckmantel für
die größte Vertreibung. Jetzt heißt es nur noch: "Für oder gegen
Faschismus?" Welch ein politischer Bankrott!

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Der folgende Artikel stellt die Angriffe der NATO gegen auf Jugoslawien in einen neokolonialistischen Zusammenhang und überprüft einige der Begriffe, mit denen pausenlos in den Medien hantiert wird, um die wahre Natur dieses Krieges zu maskieren. Er ist auch besonders interessant wegen eines Zitats von Joschka Fischer von 1994, das mit gespenstischer Klarheit analysiert, was er heute selbst betreibt.

 

From m.blumentritt@cl-hh.comlink.de Sun Apr 25 02:00:00 1999
Newsgroups: de.soc.politik.misc
Subject: Yugoslavia/NATO Info nr. 7 3/3
From: m.blumentritt@cl-hh.comlink.de
Date: 25 Apr 1999 00:00:00 +0000

## Nachricht vom 02.04.99 weitergeleitet
## Ursprung : /CL/EUROPA/BALKAN
## Ersteller: C.MOELLER@3LANDBOX.comlink.apc.org

*Haende weg von Jugoslawien!*

Klaus von Raussendorff

Die Westeuropaeer waren schon immer sehr ueberzeugt von ihrem
"Recht" andere Voelker ihrem Willen zu unterwerfen. Frueher wurde
das mit dem Christentum gerechtfertigt. Wenn die Spanier z.B. ein
neues Land "entdeckten", lasen sie den Menschen, die dort lebten,
Texte wie diesen vor:

"Ich flehe Euch an, die Kirche als Eure Mutter und - im Na-
men des Papstes - den Koenig als den Herrn Eures Landes an-
zunehmen und seinen Anordnungen zu folgen. Wenn Ihr es nicht
tut, dann sage ich Euch: mit Gottes Hilfe und mit Gewalt
werde ich gegen Euren Willen bei Euch eindringen. Ich werde
Krieg fuehren ueberall und mit allen Mitteln. Ich werde Euch
dem Joch der Kirche und des Koenigs unterwerfen und Ihr
werdet ihnen gehorchen. ... Fuer den Tod und die Verwundun-
gen, die Ihr von nun an erleiden muesst, seid Ihr selbst ver-
antwortlich und nicht der Koenig oder die Gentlemen, die mich
begleiten."


Heute heisst es nicht mehr Kirche und Koenig sondern "westliche
Werte" und "Freier Markt".

Wie in den Zeiten der Conquistadores ist dem Krieg gegen ein mili-
taerisch schwaecheres Volk ein Ultimatum vorausgegangen. Ein Ultima-
tum, von dem der Absender im voraus wusste, dass es unannehmbar ist
fuer ein Volk, dass seine Wuerde und Souveraenitaet nicht aufzugeben
bereit ist.

Am 13. Oktober letzten Jahres wurde zwischen dem US-Sonderbot-
schafter Richard Holbrooke und dem jugoslawischen Praesidenten Slo-
bodan Milosevic ein Abkommen ueber die Autonomie des Kosovo besie-
gelt. Dieses Abkommen sah den Rueckzug serbischer Sicherheitskraefte
vor, Verhandlungen und Ueberwachung durch die OSZE. Die serbische
Seite reduzierte im Kosovo ihre Truppenstaerke auf das vereinbarte
Niveau. Die UCK - die von diesem Abkommen nicht betroffen war -
verstaerkte ihre Provokationen und Angriffe gegen die verbliebenen
serbischen Sicherheitskraefte und gewann an Boden.

Der Bruch dieses Abkommens kam als Folge dessen, was als "Racak
Massaker" Mitte Januar durch die Presse ging. Was tatsaechlich in
der Umgebung von Racak stattfand, ist noch unklar. Sicher ist, dass
ein Fernsehteam von AP am besagten Tag dabei war und die Kaempfe
zwischen den serbischen Sicherheitskraeften und der UCK filmte.
Diese Journalisten hatten nichts von einem Massaker in dem Dorf
gesehen noch gehoert solange die serbischen Sicherheitskraefte anwe-
send waren. Ebenso wie Vertreter der OSZE, die keine auffaelligen
Vorkommnisse meldeten. Sicher ist, dass OSZE-Vertreter von einer
"Inszenierung des Massakers durch die albanische Seite" ausgingen
und eine Abloesung des Leiters der OSZE-Beobachtermission William
Walker forderten, der ohne Ueberpruefung beim ersten Anblick der To-
ten von einem Massaker durch die Serben sprach, eine Version, die
fortan von den meisten Medien kolportiert wurde. Sicher ist, dass
die Herausgabe des Berichts der Pathologen bis zu einem politisch
guenstigeren Zeitpunkt verzoegert wurde. Und sicher ist, dass auf die
finnische Pathologin Helena Ranta enormer Druck ausgeuebt wurde.
Sie musste - der Berliner Zeitung zufolge - "immer wieder Anwei-
sungen aus der grossen Politik entgegennehmen, vor allem seitens
der deutschen Regierung." Und sie hatte versprochen, bei der Be-
antwortung von Fragen "die Anweisungen des deutschen Botschafters
zu befolgen". Sicher ist auch, dass der Befund der Pathologen ge-
heim bleiben soll. Das deutsche Auswaertige Amt, das den Befund
entgegennahm, erlaubte lediglich, dass aus der 21 Kilogramm schwe-
ren Expertise des finnischen Teams eine Interpretation auf 5 Sei-
ten zusammengefasst und veroeffentlicht wurde. Auffaellig war, dass
die Medien, nachdem sie die Serben wieder mal als Bestien der Oef-
fentlichkeit praesentiert hatten, weitestgehend schwiegen, als es
an die Aufklaerung ging. Und auch dies sollte zu bedenken geben:
Einen Tag vor dem sogenannten Massaker von Racak, warnte Madeleine
Albright ihre "Crisis Management" Kollegen, dass das Abkommen zwi-
schen Holbrooke und Milosevic "umittelbar vor dem Bruch steht".
(NYT 19.1.99)

Die USA und ihre NATO-Partner nahmen - wie vorauszusehen war - das
sog. Massaker zum Anlass, um Jugoslawien mit Krieg zu drohen. Sie
stellten der Jugoslawischen Regierung ein Ultimatum: entweder sie
unterschrieb ein von der Kontaktgruppe erarbeitetes Dokument oder
Jugoslawien werde bombardiert. Die "Verhandlungen" die dazu dann
in Rambouillet stattfanden waren keine. Die Kontaktgruppe, zu der
bekanntlich Russland gehoerte, wurde de facto ausgeschaltet und die
USA diktierten.

Zur jugoslawischen Delegation in Rambouillet gehoerten neben den
Regierungsvertretern auch Vertreter 7 verschiedener im Kosovo le-
bender Nationalitaeten: Serben, Montenegriner, Albaner, Muslime,
Tuerken, Roma und Aegypter. Die jugoslawische Delegation unter-
schrieb gleich zu Beginn der "Verhandlungen" in Rambouillet das
politische Abkommen (principles) wie es von der Kontaktgruppe er-
arbeitet und vorgelegt worden war und forderte die Vertreter der
UCK auf, ebenso zu unterschreiben. Diese weigerten sich jedoch.
Das war von den USA nicht vorgesehen, denn sie wollten das Schei-
tern der Verhandlungen den Jugoslawen anlasten.

Die US-Delegation in Rambouillet erweiterte das Dokument der Kon-
taktgruppe so, dass es die militaerische Besetzung Jugoslawiens
durch NATO-Truppen vorsah. Dieser Teil war nie in der Kontakt-
gruppe diskutiert worden. Von dem erweiterterten Teil bekam die
jugoslawische Delegation jeweils nur die Teile vorgelegt, die sie
eventuell annehmbar finden konnten. Erst am vorletzten Tag der
"Verhandlungen" erhielten sie den gesamten Text, der offensicht-
lich den Wuenschen der Kosovo-Albaner entsprach. Fuer die jugoslawi-
sche Seite war er unannehmbar, es haette die Aufgabe der staatli-
chen Souveraenitaet Jugoslawiens bedeutet.

Die USA stellten dann in Paris das endgueltige Ultimatum: entweder
Jugoslawien unterschreibt das erweiterte Dokument - oder die NATO
bombardiert.

Belgrad sollte einer militaerischen Besetzung durch 28,000 NATO
Truppen zustimmen. Waehrend sich serbische Sicherheitskraefte fast
vollstaendig aus dem Kosovo zurueckziehen sollten, sollte die UCK
lediglich erklaeren sich ein bisschen zu entwaffnen. Wider jedes
Voelkerrecht sollte Kosovo als Protektorat durch die NATO kontrol-
liert werden. Die UNO sollte keine Rolle spielen, ausser dass der
Sicherheitsrat "eingeladen" wurde, in einer Resolution dieses Ab-
kommen zu begruessen.

Das Abkommen sieht ausserdem vor, die "freie Marktwirtschaft" ein-
zufuehren. Es erlaubt weitgehende politische Einflussnahme von Buer-
gern des Kosovo auf die Politik der Bundesrepublik Jugoslawien,
aber verbietet jede Beeinflussung der Angelegenheiten des Kosovo
durch die jugoslawische Regierung. Dem Leiter der OSZE/EU Imple-
mention Mission sollten quasi diktatorische Moeglichkeiten einge-
raeumt werden, denn er koennte - wo und wann es ihm wichtig er-
scheint - Anordnungen verfuegen. Er koennte also, wie in Bosnien,
gewaehlte oder ernannte Beamte nach seinem Gutduenken absetzen.

Das, was von der jugoslawischen Delegation in Paris verlangt
wurde, war nichts anderes als die Einwilligung in die bedingungs-
lose Kapitulation.

Die Medien berichteten natuerlich von der Weigerung der jugoslawi-
schen Regierung dieses Abkommen zu unterschreiben aber unterliessen
es, der Oeffentlichkeit die Gruende der jugoslawischen Regierung
darzustellen. Die Menschen, die auf die Massenmedien angewiesen
sind, konnten nicht verstehen, was in Rambouillet und Paris ab-
gelaufen war, konnten nicht erkennen, dass es sich hier nicht um
Verhandlungen, schon gar nicht um Friedensverhandlungen drehte,
sondern um ein Diktat. Bezeichnend fuer die heutigen gleichge-
schalteten Medien ist auch, dass sie es nicht fuer noetig hielten zu
berichten, dass die jugoslawische Seite sich in Rambouillet darueber
beschwerte, dass sie nicht direkt mit der Delegation der Kosovo-Al-
baner verhandeln konnte. Im Gegenteil, die Berichterstattung er-
weckte den Eindruck, als weigerten sich die Serben mit den Alba-
nern zu sprechen. Als dann nach einigen Tagen doch noch direkte
Gespraeche zwischen Serben und Albanern zustandekamen, verkaufte
Madeleine Albright dies als ihren persoenlichen Erfolg.


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Was jetzt auf dem Balkan geschieht, gibt uns einen Vorgeschmack
auf das, was Globalizierung fuer schwaechere Nationen, fuer viele
Voelker tatsaechlich bedeutet. Es geht hier um eine "Neue Weltord-
nung", eine Rekolonializierung mit modernerem Vokabular.

Das Hauptinstrument fuer die Durchsetzung dieser Weltordnung soll
die NATO werden. Deren Abkuerzung steht seit dem Angriff auf Jugo-
slawien fuer nichts anderes als Nord Atlantische Terror Organisa-
tion.

Zu ihrem 50. Jahrestag im April wird die NATO ihre Charta aendern.
Nicht mehr territoriale Grenzen der Mitgliedstaaten sollen vertei-
digt werden, sondern ihre weltweiten "Sicherheitsinteressen". Zum
Schutz der "Menschenrechte" natuerlich, besonders des Menschen-
rechts auf freie Marktwirtschaft, des freien Zugangs zu Maerkten
und Rohstoffen und des Rechts auf ungehinderte gobale Operationen
der US-amerikanischen und westeuropaeischen Grossunternehmen.

Es geht auf dem Balkan weder um Menschenrechte, noch um
"humanitaere Katastrophen". Es geht um die Globalisierung des NATO-
Einsatzgebietes und die Abschaltung der UNO als Konfliktregelungs-
forum. Jugoslawien ist das letzte Land Europas ausserhalb der Gren-
zen der ehemaligen Sowjetunion, das sich dem Diktat der transna-
tionalen Konzerne und der NATO widersetzt. Es muss mit allen Mit-
teln in die Knie gezwungen werden.

Als die NATO nach dem Zerfall der Warschauer Vertragsstaaten eine
Rechtfertigunng fuer die eigene Fortexistenz suchte, gab sie vor,
sich dem "Kampf gegen den Terrorismus" zu widmen. Aber auch heute
benutzt sie Terroristen, diesmal die Terroristen der UCK, um ihre
strategischen Ziele durchzusetzen.

UCK und NATO verfolgen zwar unterschiedliche Ziele, die einen ein
Grossalbanien, die anderen die Globalisierung der NATO, aber beide
benoetigen dazu die Zerschlagung und die Besetzung Restjugosla-
wiens. Die UCK braucht die NATO, weil sie militaerisch nicht in der
Lage ist die Regierung Jugoslawiens zu besiegen. Die UCK benoetigt
Massaker und Fluechtlinge, um die NATO herbeizurufen. Die NATO
bombt Jugoslawien, aber das genuegt der UCK nicht. Sie will NATO-
Bodentruppen. Die NATO zoegert und die UCK liefert den gleichge-
schalteten Medien inflationaere Zahlen von Fluechtlingen und Massa-
kern. Und mit diesen bombardieren die Medien die Oeffentlichkeit
der NATO-Staaten in die Akzeptierung einer Ausweitung des Krieges.
- Und uebrigens: wenn man dem deutschen Kriegsminister Scharping in
den letzten Tagen zuhoert, hat man das Gefuehl er ist der Sprecher
der UCK. Er wiederholt nicht nur jede Propaganda der UCK sondern
er benutzt bewusste Falschdarstellungen. So machte er in einer
Talkshow gestern abend aus der bisher gehandelten und bis heute
nicht bewiesenen Zahl von 8 Tausend in Srebrenica massakrierten
Muslimen, gleich 30.000. Kriegsminister Scharping schreckt nicht
mal mehr vom Sprachgebrauch des deutschen Faschismus zurueck, wenn
er von der "serbischen Fratze" spricht. Ein Propagandaministerium
ist heute gar nicht mehr noetig. Die Kriegspropaganda wird kosten-
sparend vom Kriegsminister selbst uebernommen.

Das Leiden der Bevoelkerung des Kosovo ist fuer die Kriegstreiber
der NATO und der UCK doch nur noch nuetzlicher Vorwand.

Ich hatte in meiner politischen Laufbahn mit vielen Befreiungsbe-
wegungen aus der ganzen Welt zu tun, keine hat sich mit Drogengel-
dern finanziert. Im Gegenteil, alle haben gegen die Zerstoerung der
Jugend ihrer Laender durch Heroin gekaempft.

Was fuer eine "Befreiungsbewegung" aber ist die UCK, die ihren
Kampf mit Heroinschmuggel finanziert? Dies wissen alle westlichen
Geheimdienste und die Medien berichten davon. Die UCK wird nicht
nur durch die albanische Mafia sondern auch durch westliche Ge-
heimdienste, allen voran durch BND, MAD und CIA aufgeruestet, aus-
gebildet und finanziert. Das ist alles in Veroeffentlichungen nach-
zulesen. Am Wochenende meldeteten schweizer Zeitungen, dass die UCK
besonders in den letzten Monaten deutsche Waffen erhielt.

Das erstaunliche ist nur: Keinen der Menchenrechtskreuzzuegler aus
den westlichen Staaten scheint dies zu stoeren. Ehemalige Linke be-
finden sich heute auf der gleichen Wellenlaenge wie Drogenmafia,
BND und CIA. Oder sind sie wirklich so naiv?

Die Unterstuetzung der UCK - auch durch viele ansonsten linksden-
kende Menschen - errinnert mich sehr an die Unterstuetzung der Mud-
jahedin in Afghanistan Anfang der 80iger Jahre. Wer genauer hin-
schaute konnte auch damals schon wissen, wie die Mudjahedin - ein-
mal an die Macht gekommen - handeln werden. Die Mudjahedin wurden
z.T. von den gleichen Geheimdiensten unterstuetzt wie heute die
UCK. Damals war der afghanische Drogenhandel der bedeutendste
weltweit, heute ist es der albanische. Teile der Gruenen und Linken
unterstuetzten die Mudjahedin nur, weil sie gegen die UdSSR
kaempfte. Ueber diese Unterstuetzung wird heute peinlichst geschwie-
gen.

Nichts aus der Geschichte lernend unterstuetzen zum Teil die glei-
chen Menschenrechtler heute die UCK, nur weil sie gegen die Serben
kaempfen. Sollte es diesen Menschenrechtlern aber nicht zu Bedenken
geben, dass sie auf der gleichen Seite stehen mit jenen, die zum
dritten Mal in diesem Jahrhundert den serbischen Erbfeind bombar-
dieren?

Die Staerke der Linken in den westlichen Laendern war einmal, dass
sie skeptisch hinterfragte, was von den Massenmedien verbreitet
wurde, und was den Regierungen als Rechtfertigung zur Durchsetzung
ihrer Interessen diente. Heute spielen sich die quasi-totalitaer
gleichgeschalteten Medien ungehindert zu Meinungsrichtern auf und
fuehren den totalen Medienkrieg, nach Goebbelschem Grundsatz, dass
ein Luege desto glaubwuerdiger wird, je oefter man sie erzaehlt.

Nach dem Motto: Macht besteht darin, Realitaet zu definieren und
sie durch Handeln in die gewuenschte Richtung zu bewegen" haben die
Meister der veroeffentlichten Meinung es verstanden, unser ehemals
progressives Vokabular fuer ihre Zwecke zu vereinnahmen.

Progressive Begriffe von gestern wie "Selbstbestimmungsrecht" -
als es um Antikolonialismus ging - werden heute in ihrer Auswir-
kung ins Gegenteil gewandelt, um neue Apartheid-Situationen unge-
niert zu rechtfertigen.

Aehnlich mit dem Begriff "Menschenrecht": frueher geltend als Kampf-
begriff gegen Kolonialismus, Apartheid, Sklaverei und Ausbeutung,
fuer die Anerkennung als Mensch (im Gegensatz zum "Untermenschen")
als gleichwertiges Subjekt in der politischen und gesellschaftli-
chen Entwicklung der Welt, wird er heute selektiv fuer eine
Bevoelkerungsgruppe reklamiert und einer anderen faktisch
abgesprochen, indem sie als sprach- und rechtloses Objekt des
Weltgeschehens vom elitaeren "Klub der Menschheit" ausgegrenzt bzw.
ferngehalten wird.

Ein Grossteil der Linken hat zugelassen, dass Menschrechte von den
Imperialisten und ihren Medien definiert werden und als Knueppel
gegen andere Voelker, je nach Interessenslage benuetzt werden. Mit
dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien wird es hoechste Zeit, dass all
jene, denen es wirklich um Frieden und Gerechtigkeit geht, sich
nicht laenger von Politikern und Medien, von den Interessensvertern
der NATO und des Freien Marktes, Menschenrechte buchstabieren las-
sen!

Ein wesentlicher Aspekt der Aussenpolitik der BRD fuer den Balkan
ist ethnisch begruendet. Diese "voelkische" Herangehensweise setzt
voraus, dass Voelker verschiedener Ethnien nicht in Frieden (weiter)
leben koennen. Das Motto "ein Volk, eine Fuehrung, ein Boden"
scheint sich wieder durchzusetzen. Aber voelkisch will man es heute
natuerlich nicht mehr nennen, man nennt es "ethnisch" damit es bes-
ser zur Waffe "Menschenrechtspolitik" passt. Diese voelkische Poli-
tik fuehrt nicht nur auf dem Balkan zu einer Katastrophe. Was waere
wenn sie sich in den anderen Vielvoelkerstaaten durchsetzen wuerde
wie Frankreich, Grossbritannien, Spanien und Italien? Dies ist
Apartheidpolitik auf Europaeisch.
Das voelkische Denkmuster fuehrt unweigerlich in die Aufteilung in
"gutes" und "boeses" Volk, in ein Volk mit "Menschen"rechten und
eines ohne, wie die "internationale Gemeinschaft" bereits mit Bos-
nien vorgefuehrt hat und heute mit dem Kosovo tut. Die Designierung
eines boesen Volkes und die einseitige Parteinahme von aussen musste
den Krieg anheizen und ging soweit, dass allein die Reklamierung
der Rechtengleichheit fuer alle Beteiligte als "pro-serbisch" dif-
famiert wird.

Meine Heimatstadt Washington DC, die Hauptstadt der USA ist zu 80%
schwarz. Wenn die 80% nun beschliessen, sie wollen nicht mehr den
"weissen" USA angehoeren, sondern sich mit Afrika verbuenden? Oder
grosse Teile des Suedwestens der USA, die mehrheitlich Chicano sind,
moechten sich Mexiko zuschlagen, oder Miami Cuba?

Oder gar: Was waere, wenn die Deutschen in den Grenzregionen Polens
ihre Sezession und Anschluss an Deutschland proklamierten?

"Ethnisch" alles nachvollziehbar oder zu rechtfertigen? Oder an-
ders gefragt: wann und wo sollen wir voelkische Politik gutheissen
oder "ethnische" Loesungen unterstuetzen, wo und wann nicht? Oder
muss linke Politik nicht eine ganz andere Ebene beschreiten? Die
Ost-West-Konfrontation wurde durch "ethnischen Konflikt" ersetzt
und im internationalen Denken als massgebliche politische Kategorie
inzwischen etabliert. Wie oft werden derartige Konflikte jedoch
vorgeschoben und bewusst geschuert um ganz andere Machtinteressen zu
kaschieren und zu verfolgen?

Das Erschreckende dabei ist doch, dass auch fuer einen Grossteil der
Linken der Balkan nur noch in "Ethnien" existiert und grundlegende
Widersprueche, die fuer jede Gesellschaft gelten, keinerlei Bedeu-
tung auf dem Balkan mehr haben sollen: z.B. Widersprueche innerhalb
der "Volksgruppen" selbst zwischen Friedensbewegten und Kriegs-
treibern, zwischen den Kompromiss Suchenden und jenen, die jeden
Kompromiss von vorneherein ausschliessen, zwischen Arm und Reich,
Links und Rechts....

Gerade Linke in Deutschland haetten jeden Grund skeptisch gegenueber
voelkischen, "ethnischen" Erklaerungen, Denkmustern und "Loesungen"
zu sein. Nach all den leidvollen Erfahrungen dieses Jahrunderts
muss die Linke offensiv Internationalismus und Voelkerverstaendigung
am Ende des Jahrhunderts fordern und auf die Tagesordnung des
kommenden Jahrhunderts setzen. Deshalb muessen wir uns massiv die-
sem Krieg gegen Jugoslawien widersetzen.


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Das Anwenden zweierlei Massstaebe fuer sich selbst und fuer schwaechere
Nationen wird heute in den staerkeren und starken Nationen weitge-
hend kritiklos hingenommen. Waehrend die USA, Deutschland, Grossbri-
tannien und Frankreich u.a. serbische Polizeiaktionen gegen Terro-
ranschlaege albanischer Sezessionisten verurteilen, kommt keiner
auf die Idee Grossbritannien nach seinen Armeeaktionen gegen die
Nordiren oder franzoesische Polizeiaktionen gegen terroristische
korsische Seperatisten, oder den spanischen Natosekretaer Solana
nach Spaniens dreckigem Krieg als Antwort auf terroristische An-
schlaege im Baskenland zu fragen.
Keine dieser Staaten duldet eine Gewaltanwendung gegen ihren je-
weiligen Staatsapparat ohne massiv dagegen vorzugehen - und dass
die BRD diesbezueglich nicht gerade zimperlich ist, braucht nicht
ausgefuehrt zu werden. Unter Berufung auf nebuloese
"Menschenrechte," die weder fuer alle noch ueberall reklamiert wer-
den, werden vorhandene voelkerrechtliche Vertraege und internatio-
nale Normen ausser Kraft gesetzt und ein Gesetz-des-Dschungels ge-
gen schwaechere Laender eingefuehrt.

Und dass es der deutschen Regierung und der NATO schon gar nicht um
Menschenrechte oder um die "Abwendung einer humanitaeren Katastro-
phe" geht, zeigt sich doch an ihrer Behandlung der Tuerkei und die
dortige Situation der kurdischen Bevoelkerung.

Dass die serbische Regierung ihren Teil Schuld traegt, dass der Kon-
flikt eskalierte, ist - denke ich - unumstritten. Aber die Regie-
rung hat nicht in einem luftleeren Raum gehandelt. Was waere denn
die Antwort jeder anderen Regierung gegenueber jeder anderen sezes-
sionistichen Bewegung die Gewalt anwendet? Dies entschuldigt in
keiner Weise Menschenrechtsverletzungen, die auf beiden Seiten
veruebt werden.


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Solange die Bundesrepublik noch als Folge des deutschen Faschismus
eingebunden war in die Nachkriegsordnung, wie waren sich deutsche
Politiker doch einig gewesen, dass nie wieder Krieg von deutschem
Boden ausgehen darf! Der deutsche Kanzler betonte aus Anlass der
Einverleibung der DDR: "Wir sind uns bewusst dass die Unverletzlich-
keit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integritaet und
Souveraenitaet aller Staaten in Europa eine grundlegende Bedingung
fuer den Frieden ist."

Ein sozialdemokratischer Kanzler haette es damals nicht anders for-
muliert. Was aber hat sich denn geaendert, dass dies nicht mehr gel-
ten soll? Es ist schon bemerkenswert, dass gerade eine sozialdemo-
kratische Regierung mit gruener Hilfe dem Weltgendarm USA hin-
terherhechelt und dieses schmutzigste aller Geschaefte erledigt:
den Aggressionskrieg gegen einen souveraenen Staat.

Noch vor wenigen Jahren hatten sie alle erklaert, von links bis
rechts, dass allein schon aus historischen Gruenden eine deutsche
Beteiligung an Militaeraktionen gegen Jugoslawien niemals in Frage
kaeme. Als Folge der deutschen faschistischen Aggression, hatte
Jugoslawien 1,7 Millionen Tote zu beklagen.

Dass die Sozialdemokraten jedesmal vor Aufruestung und Krieg versag-
ten ist bekannt. Wo ist es aber geblieben das Geschichtsbewusstsein
der Gruenen, allen voran des Gruenen Aussenministers? Wo ist er
geblieben der Antikriegskonsens der Gruenen Oppositionsjahre?


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Es lohnt sich daran zu erinnern, was ein Joschka Fischer noch im
Dezember 94 von sich gab. Als es damals um den Buergerkrieg in Bos-
nien ging meinte er: (Ich zitiere)
"Das ist mein Problem .. wenn ich sehe, wie die Bundesregierung
den Bundestag an der Nase, an der humanitaeren Nase, in den Bos-
nienkrieg fuehren will." "Ich finde es nur falsch, die Moral im
Kurzschluss mit Fragen von Krieg und Frieden zu verbinden, ohne
das Moment des nationalen Interesses zu beruecksichtigen. ....
Fuer die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, dass die Bundes-
regierung, Koalition und Generalitaet nach den Gesetzen der Sa-
lamitaktik Anlaesse suchen oder Anlaesse schaffen werden, um die
Barrieren abzuraeumen, die es gegenueber den militaerischen Optio-
nen der Aussenpolitik des vereinten Deutschland noch gibt. Als
Vehikel dienten dabei die Menschenrechts- und die Humanitaets-
frage."

Wir sind in Deutschland nicht gerade gesegnet mit einer pazifi-
stischen Tradition ... Jenseits aller Taktik lautet fuer mich
die entscheidenden Frage einer gruenen Aussen- und Sicherheitspo-
litik: wie kann eine pazifistische und antinationalistische
Partei eine Politik zur Verteidigung bedrohter Menschen und ih-
rer Rechte entwickeln, ohne dabei ihre gewaltfreien Grundsaetze
aufzugeben?"

Nun, die Barriere gegenueber den militaerischen Optionen der Aussen-
politik existiert fuer den Aussenminister Joseph Fischer nicht mehr.
Und entscheidende Fragen zu einer Gruenen Aussen- und Sicherheitspo-
litik muss sich der Herr, als Mitglied eines deutschen Kriegskabi-
netts nicht mehr stellen. Erklaerte er doch letzte Woche: "Ich ma-
che keine gruene Aussenpolitik. Ich bin der Aussenminister der Bun-
desrepublik Deutschland und mache deutsche Aussenpolitik." (Stern,
24.3.99).

Sollen wir daraus schliessen, dass, nachdem die Nachkriegsordnung
ueberwunden ist, deutsche Aussenpolitik Militaeraggressionen und
Kriege wie selbstverstaendlich miteinschliesst?

Dieser Aussenminister sollte abdanken.


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Die Friedensbewegung muss wachsen. Sie hat in den 80iger Jahren ge-
zeigt, wie maechtig sie werden kann. Damals war ihre grosse Staerke
die massive Aufklaerungskampagne, die sie in allen gesellschaftli-
chen Bereichen geleistet hat. Sie zwang die Medien objektiver zu
berichten. Das muessen wir wieder erreichen. Wir duerfen nicht laen-
ger zulassen, dass die Medienberichterstattung es sich zur Maxime
macht,"das zu fressende Lebewesen muss boese sein", wie Theodor Ad-
orno es ausdrueckte.

In den 80iger Jahren ging es darum nukleare Aufruestung zu verhin-
dern. Heute ist unser Kampf noch dringender: seit einer Woche wird
ein souveraenes Land bombardiert. Wir muessen so stark werden, dass
die NATO-Regierungen keinerlei Unterstuetzung bei den Voelkern fin-
den. Die Kriegspolitiker und ihre Medientruppenteile muessen iso-
liert werden.


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Die folgende Satire entstand Anfang 1998 und wurde bei zwei Lesungen im März und im August desselben Jahres öffentlich vorgetragen. Herr Scharping und Herr Fischer sagen im Moment noch, man denke gar nicht daran, die deutsche Bodentruppen in den Jugoslawienkrieg zu entsenden. Vielleicht sollte man sich diese Beteuerungen gut merken. Ihre Halbwertszeit mag noch weitaus geringer sein als die Bemerkungen Fischers von 1994.

 

Brief an die Heimatfront

Obwohl wir jetzt schon zweimal tot sind, geht die Offensive weiter. Der Feind macht eine Offensive, wir auch. Wir treffen uns genau in der Mitte, wie bei einem guten Kompromiß. Ganz vorne soll es ja sogar Zonen geben, wo man nur Karten spielt. Die gemeinsame Offensive dauert jetzt schon fast ein Jahr, jeder macht die Fortschritte, die er braucht, jeder erzielt den Bodengewinn, den er verdient. Das Essen ist bald aus, Munition gibt’s immer noch. Manchmal träume ich, die Artillerie sei eine harte Frau in roten Hosen, mit Augenlidern wie Geschützdeckel. Jeder Schuß ein Rohrkrepierer. Dabei ist die Liebe mit meinem Gewehr schon schwer genug, bei dem kleinen Kaliber. Man darf auch nicht an den Abzug kommen, die Geliebte soll ja nicht zurückschießen. Töten macht mehr Spaß als Schützenverein. Kurze Reichweiten sind der Disziplin förderlich. Man sieht, was man getan hat, im Sinne der Selbstverwirklichung. Ich möchte kein Flieger sein, der nicht einmal weiß, ob alles getan ist. Krieg und Liebe sind ein und dasselbe, wer sauber arbeitet, hat auch ein Ergebnis. Ich habe kein Problem damit, daß das Menschen sind, ich bin ja auch einer, also weiß ich Bescheid. Überhaupt ist vieles eins und gleich. Morgen kommt zum Beispiel der General. Er singt uns ein Lied, wir singen ihm ein Lied. Wir singen uns gegenseitig an, das macht uns weniger einsam. Wer die Hierarchie erst einmal erlernt hat, dem werden die Großen immer ähnlicher. Kochen alle nur mit Wasser. Wenn der General kommt, nehme ich mein Gewehr mit. Ich zeige meiner Braut den Oberbefehl. Möglicherweise ist auch das Fernsehen da. Dann winke ich euch. Ich bin der mit dem Helm. Für den Fall, daß wir verlieren: bitte schärft jetzt eure Dolche. In der Zwischenzeit lerne ich fleißig weiter, Psychologie. Das ist heute unerläßlich für zukünftige Veteranen. Und ich schreibe weiter an meiner Doktorarbeit über Splitter. Bitte sammelt alle, die ihr findet. Ich trinke fast gar keinen Alkohol mehr, rauchen ist während der Arbeitszeit verboten, und weil auch der Koch nur mit Wasser kocht, brauche ich auf mei-ne Figur nicht zu achten. Plündern haben wir zwar schon gedurft, ging aber alles in den Transport. Das Bild zeigt mich beim Lächeln. Wenn der Postbote euch nicht mehr findet, soll er den Brief in den nächsten Krater werfen. Unterschreiben will ich jetzt nicht, das kostet nur wertvolle Zeit.

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Die Nazis sollten eigentlich zufrieden sein mit der NATO. Richtet sie doch mit lasergesteuerter Genauigkeit gegen die Leute ein Blutbad an, die ihre verehrten Ahnen im Verein mit ihren kroatischen Ustascha-Verbündeten schon zu Hunderttausenden abgeschlachtet haben. Aber im maulenden Kampf gegen eine rot-grüne Regierung, die ihnen ansonsten gewaltig stinkt, ist den Nazis hierzulande alles recht, sogar Lippenbekenntnisse zum Pazifismus. Der braune Antiimperialismus kleidet sich ins locker sitzende Gewand der Friedensliebe, das genau so lange passen wird, bis ein erstarkender Euronationalismus unter Führung der europäischen Großmächte seine eigenen Pfründe in absoluter Eigenregie schützen kann. In der Zwischenzeit werden z. B. die deutschen Machenschaften, die den Kriegsausbruch begünstigt haben, und die auf einen gereiften neudeutschen Imperialismus hinweisen, von den rechtsradikalen Friedensengeln genehm geleugnet. Die französische Rechte möchte heucheleitechnisch nicht gerne hinterherhinken, wie der folgende Artikel darlegt. Und so ist es denn leider wahr, wenn von den Verteidigern der NATO-Bombardierungen behauptet wird, daß sich neben serbischen Nationalisten in der neuen Anti-Kriegs-Bewegung auch noch anderes Gesindel herumtreibt.

 

28. April 1999 Jungle World

*Signature automatique*

*Die Strategiespiele der Nouvelle Droite: Das Anti-Nato-Manifest "Non*
*la guerre" vereint Rechtsextremisten und Ahnungslose, Pazifisten und*
*Antisemiten, Alain de Benoist und Peter Handke*

Wer verfolgt in diesem Krieg welche Interessen, und warum? Die teils
verworrenen, teils ratlosen Diskussionen um die Nato-Angriffe auf
Jugoslawien haben einen idealen Nährboden für Verschwörungstheorien
geschaffen. Und vor allem, so scheint es, ist die Öffentlichkeit
derzeit empfänglich für derartige politische Spekulationen. Ein
Umstand, den vor allem rechte und rechtsextreme Gruppierungen sofort
erkannten und für sich zu nutzen wußten, um neue Bündnispartner zu
gewinnen und ihre Ideologie massenwirksam zu publizieren.

In dieser Situation allgemeiner Verwirrung, in der sich die politische
Kartographie zu verschieben beginnt, haben die Leitfiguren der "Neuen
Rechten" um Alain de Benoist, die in den sechziger und siebziger
Jahren daran arbeiteten, die NS-Rassentheorie zu "modernisieren", eine
Petition unter dem Titel "Non la guerre" (Nein zum Krieg) lanciert
(Jungle World, Nr. 15 / 99). Unter das Papier, das auf Laurent Ozon,
den Chef der auf die neu-rechte Besetzung des Themas Ökologie
spezialisierten Gruppe Nouvelle cologie, zurückgeht, haben
mittlerweile auch eine Reihe Prominenter ihre Unterschrift gesetzt,
darunter viele, die außerhalb der extremen Rechten agieren oder sogar
zu ihren erklärten Gegnern gehören. Vor allem auf den Demonstrationen
gegen die Nato-Angriffe wird der Appell gegen den Krieg der Nato
verteilt.

Ziel der Gruppe "Non la guerre" sind 100 000 Unterschriften; nach
Angaben von Libération (vom 22. April) konnten bereits 40 000,
darunter die von 400 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens,
gesammelt werden. Diese Zahlen beruhen jedoch auf den kaum zu
überprüfenden Auskünften der Initiatoren.

Die Petition konzentriert sich insbesondere auf die Gefahr einer
Unterordnung der Europäer unter eine US-amerikanische Hegemonie, ist
jedoch politisch in einer Weise formuliert, die keine klare
ideologische Urheberschaft erkennen läßt. "Der 24. März 1999", heißt
es, "ist ein finsteres Datum in unserer Geschichte: Zum ersten Mal
seit 1945 wird ein souveräner Staat Europas von einem Militärbündnis
unter amerikanischer Führung bombardiert, unter Mißachtung der Regeln
internationalen Rechts und in flagranter Verletzung der Charta der
Vereinten Nationen.

Die Aggression der Nato gegen Serbien ist unakzeptabel und verschärft
nur die Konflikte, die sie zu lösen vorgibt. Die ersten Opfer der
Bombardierungen sind das serbische und das kosovarische Volk, denen
helfen zu wollen, die Zauberlehrlinge der Nato behaupten. Diese
humanitäre Motivation ist nur ein Vorwand, der niemanden täuscht: die
Palästinenser, Kurden und Tibetaner haben in ihrem Kampf gegen die
Unterdrückung und für ihre internationale Anerkennung niemals auch nur
die geringste Unterstützung erhalten. Ursprünglich ein
Verteidigungsbündnis, verwandelt sich die Nato unter unseren Augen in
ein willfähriges Instrument amerikanisch-westlicher Aggressionen in
der Welt.

Die Wiederherstellung des Friedens auf dem Balkan kann nur durch
sofortige Einstellung der Luftangriffe erfolgen, durch eine klare
Ablehnung der amerikanischen Strategien zur Teilung Europas (...)."

Unterstützt wird der Appell außer von Alain de Benoist von dem
pro-serbischen und KP-nahen Schriftsteller Patrick Bresson, der
bereits 1993 an einem rot-braunen Flirt zwischen Parteikommunisten und
Rechtsextremen beteiligt war; von Pierre-Marie Gallois, dem
alt-gaullistischen General a.D., der bereits in der Vergangenheit im
Umkreis der Neuen Rechten auftauchte. Ebenfalls unterschrieben haben
Claude Polin und Claude Rousseau, die beiden Chefideologen der
ehemaligen FN-Theoriezeitschrift Identité, die heute Bruno Mégret
unterstützen; der Le Pen nahestehende neu-rechte Autor Jean Mabire;
der mit Le Pen befreundete und der La Droite angehörende
Rechtsaußenpolitiker Alain Griotteray sowie zwei der
Gründungsmitglieder der rechtsextremen Vereinigung GRéCE, Pierre
Bérard und Jean-Jacques Mourreau.

Aber nicht nur auf die Elite der französischen extremen Rechten kann
die Gruppe "Non la guerre" verweisen, sondern auch auf internationale
Unterstützer, u.a. auf Dieter Stein, Chefredakteur der Jungen
Freiheit, den rechtsextremen Friedensforscher Alfred Mechtersheimer
und den russischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn. Auch die
Unterschrift eines des prominentesten Gegners der Nato-Angriffe findet
sich auf der Liste: Peter Handke.

Zweifel bezüglich der Vorgehensweise der Initiatoren sind allerdings
angebracht; es muß zumindest davon ausgegangen werden, daß eine
Vielzahl der Unterzeichner die Urheber des Anti-Nato-Manifests nicht
kannten. Öffentlich distanziert haben sich inzwischen u.a. die
links-nationalen Promis Jean-Fran ç ois Kahn, Chef der patriotischen
Zeitschrift Marianne, und Didier Motchane, Vizepräsident der
links-nationalistischen Partei von Innenminister Jean-Pierre
Chevènement, sowie der Armenpriester Abbé Pierre, eine Galionsfigur
diverser sozialer Initiativen. Nachdem sie erfahren hatten, wer den
Aufruf initiiert hat, zogen sie ihre Unterschrift wieder zurück.

Die großen Zeitungen, insbesondere Le Monde und Libération, haben
inzwischen zwar mehrfach über die neu-rechte Herkunft der Petition
berichtet, doch nach wie vor können die Aufrufer auf (wohl
desinformierte) Prominente außerhalb des eigenen politischen Lagers
zählen, z.B. auf den libertären Sänger Renaud, die sozialistische
Politikerin und Anwältin Gisèle Halimi, den Dramatiker Harold Pinter
und den linken britischen Regisseur Ken Loach. Die Neuen Rechten
hatten in alle Richtungen um Unterstützung geworben: in grünen und
kommunistischen Kreisen, unter Anarcho-Libertären und unter
Gaullisten, die aus patriotischen Motiven die Teilnahme Frankreichs an
einer US-geführten Nato-Operation ablehnen.

Das Kollektiv "Non la guerre" wird gegenwärtig von drei Personen
geleitet und koordiniert: Charles Champetrier, Chefredakteur der
GRéCE-Zeitschrift Eléments; Arnaud Guyot-Jeannin, der eine Sendung auf
dem rechtsextremen Pariser Sender Radio Courtoise leitet; und Laurent
Ozon, der neben der Gruppe Nouvelle cologie auch Chef der Zeitschrift
Recours aux forts ist. Der Zeitschriftentitel bedeutet ungefähr
"Rückzug in die Wälder" und steht programmatisch für den Versuch, die
Ökologie mit der Blut-und-Boden-Thematik zu verbinden, derzufolge die
Menschen unabänderlich von ihrem "Lebensraum" geprägt sind. In der
Weltsicht der GRéCE-Anhänger stellen die indo-europäischen
"Waldvölker" und die semitischen "Wüstenvölker" sowie ihre jeweiligen
Religionen, das (Neu)-Heidentum und das "Juden-Christentum" einen
nicht zu überwindenden Gegensatz dar.

Die Initiatoren von "Non la guerre" beschränken sich nicht auf das
Verteilen von Unterschriftenlisten; am 21. April hielten sie in Paris
eine Veranstaltung mit rund 400 Teilnehmern ab, zu der all jene
eingeladen waren, die teilweise nichtsahnend "Nein zum Krieg"
kontaktiert hatten. Als Stargast wurde der GRéCE-Gründer und
neu-rechte Chefideologe Alain de Benoist präsentiert, auf dem Programm
standen scharfe Angriffe auf die USA, nicht aber auf deren europäische
Verbündete, die, wie vor allem im Fall Deutschlands, erheblich zur
Eskalation auf dem Balkan beigetragen haben. Statt dessen bewiesen die
Redner die wahnhafte Fixierung ihres Weltbildes und adressierten ihre
Kritik an das am Kosovo-Krieg unbeteiligte Israel.

Nur zwei Tage später, am Freitag, legte das Bündnis noch einmal nach
und brachte mit einer Auflage von 80 000 die sogenannte Anti-Kriegs-Zeitung
La Grosse Bertha an die Kioske, wo u.a. Alain de Benoist, Charles
Champetrier, Laurent Ozon und Arnaud Guyot-Jeannin publizieren. Auch
hier ist die Herkunft aus dem rechtsextremen Lager nicht auf Anhieb zu
erkennen. La Grosse Bertha - in Anspielung auf die im Ersten Weltkrieg
von den Deutschen eingesetzte Superkanone "Dicke Berta" - nannte sich
bereits während des Golfkrieges gegen den Irak 1991 eine eher links
bis linksradikal ausgerichtete Anti-Kriegs-Zeitung, in der
hauptsächlich Karikaturen gedruckt wurden. Viele der damaligen
Bertha-Macher gehören heute zur Redaktion der linksalternativen
Satirezeitung Charlie Hebdo.

Über den Titelschutz ließ sich die neue Publikation nicht verhindern;
den Titel hatte 1991 Jean-Cyril Godefroy, der heute "Non la guerre"
zuarbeitet, auf seinen Namen eintragen lassen. Karikaturen finden sich
keine in der aktuellen La Grosse Bertha, dafür acht Seiten Text,
darunter - nach Angaben der Redaktion - autorisierte Übersetzungen von
Artikeln von Alexander Solschenizyn und Noam Chomsky.

Vor allem aber dient La Grosse Bertha als Forum, um die neu-rechte
Sicht auf den Balkankrieg zu verbreiten, derzufolge die Machenschaften
der USA den Krieg herbeigeführt haben. Die Hegemonialpolitik
Deutschlands in seinem neuen "Hinterhof" Südosteuropa wird dagegen mit
keinem Wort erwähnt. In einigen Passagen wird versucht, die
US-Manipulation, die hinter diesem "Krieg, der für Europa einem
Selbstmord gleichkommt", aufzudecken.

Das eigentliche Interesse der USA sei es, durch den Krieg "das
orthodoxe Europa und das katholisch-reformierte Europa gegeneinander
aufzubringen" (Gabriel Matzneff) und "einen dauerhaften Bruch zwischen
dem westlich-abendländischen Europa und der slawisch-orthodoxen Welt
zu schaffen, um die Westeuropäer zu überzeugen, daß sie ihren sog.
atlantischen Partnern immer noch näher stünden als ihren natürlichen
Nachbarn im Osten" (Alain de Benoist). Auf diese Weise "wollen die
Amerikaner ein neues Schisma schaffen, um Europa zu teilen" (Louis
Sorel). Langfristig wollten die USA - gestern in Bosnien und heute im
Kosovo - einen islamischen und bald islamistischen Staat schaffen, im
Herzen Europas, mit dem Ziel, "es mit Geschwüren zu durchsetzen, um es
zu schwächen" (Gabriel Matzneff). Kurz, die USA sind an allem schuld,
aber, so lautet die Überschrift des Appells "Non la guerre" in dem
Blatt: "Die Europäer wollen Frieden".

* Bernhard Schmid, Paris

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Régis Debrays Brief scheint eilig übersetzt worden zu sein, aber lesenswert ist er allemal.


Auf falschem Weg

Brief eines Reisenden an den Präsidenten der Republik
Frankreich. Von Régis Debray

*** junge Welt dokumentiert im folgenden die Übersetzung eines Offenen
Briefes des Schriftstellers und Philosophen Régis Debray an den fran-
zösischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, den »Le Monde« am 13. Mai
veröffentlichte. Debray (Jg. 1940) - mit Fidel Castro und Ernesto Che
Guevara bekannt - wurde 1967 durch sein Buch »Revolution in der Revo-
lution« über die südamerikanische Guerilla-Strategie bekannt. 1981
wurde er Berater von Präsident Mitterrand. 1996 distanzierte er sich
von seinem Engagement für Kuba, setzte sich aber für die mexikanischen
Zapatistas ein. ***

Zurück aus Mazedonien, Serbien und dem Kosovo, fühle ich mich ver-
pflichtet, Ihnen einen Eindruck wiederzugeben: Ich befürchte, Herr
Präsident, daß wir einen falschen Weg nehmen. Sie sind ein Mann, der
beide Füße auf dem Boden behält. Sie nehmen kaum die Intellektuellen
wahr, die unsere Zeitungsspalten ziemlich wortmächtig und energisch
füllen. Das paßt auf mich nicht mehr. Ich werde mich ausschließlich
an Tatsachen halten. Jedem die seinen, werden Sie sagen. Jene, die
ich an Ort und Stelle beobachten konnte - während eines kurzen Aufent-
haltes von einer Woche zwischen dem 2. und dem 9. Mai in Serbien
(Belgrad, Novi Sad, Nis, Vramje), davon vier Tage im Kosovo, von
Pristina nach Prej, von Prizren nach Podujewo - scheinen mir nicht
den Worten zu entsprechen, die Sie benutzen, scheinen mir weit von
diesen und von ehrlichen Absichten entfernt zu sein.

Halten Sie mich nicht für parteiisch. Ich habe die vergangene Woche
in Mazedonien verbracht, war bei der Ankunft von Flüchtlingen dabei,
habe ihre Zeugenaussagen gehört. Sie haben mich erschüttert wie viele
andere. Da ich Reisen nach dem Muster von Intourist bzw. Journalisten-
reisen per Bus mißtraue, habe ich von den serbischen Behörden einen
eigenen Übersetzer für mich, ein eigenes Auto und die Möglichkeit ver-
langt, nach meinem Gutdünken zu reisen und mit jemandem zu reden. Die
Vereinbarung wurde respektiert. Wichtig sei, wer Dolmetscher war? Ja.
Denn ich habe zu meiner großen Überraschung - aber wie soll man es
anders machen? - festgestellt, daß man sich nur, wenn man leichtsinnig
ist, in Mazedonien oder Albanien auf örtliche Verbindungen verlassen
kann, die - in ihrer Mehrheit Sympathisanten oder Mitglieder der UCK
- dem gerade angekommenen Fremden ihre Sicht oder ihren Blickwinkel
darbieten. Die Berichte von übermäßigen Geldforderungen sind zu zahl-
reich, als daß man einen unleugbaren Hintergrund in Zweifel ziehen
könnte.

Einige Zeugenaussagen, die ich aufnahm und anschließend an den
Originalschauplätzen überprüfte, erwiesen sich jedoch als übertrieben
bzw. ungenau. Das ändert zweifellos nichts am schändlichen Skandal
dieses Exodus.

Was sagen Sie uns wiederholt? »Wir führen keinen Krieg gegen das ser-
bische Volk, sondern gegen einen Diktator, gegen Milosevic, der - jede
Verhandlung zurückweisend - den Völkermord an den Kosovaren kaltblütig
programmierte. Wir beschränken uns darauf, seinen Repressionsapparat
zu zerstören, auf eine Zerstörung, die bereits weit vorangeschritten
ist. Und wenn wir unsere Schläge fortsetzen - trotz der bedauerlichen
Zielirrtümer und der ungewollten Kollateralschäden -, dann deswegen,
weil die serbischen Streitkräfte im Kosovo ihre Operation zur eth-
nischen Säuberung fortsetzen.«

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Jedes Wort Betrug
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Ich habe Anlaß zu befürchten, Herr Präsident, daß jedes dieser Worte
Betrug ist.

1. »Kein Krieg gegen das Volk ...« Wissen Sie nicht, daß im Herzen der
Altstadt von Belgrad das Kindertheater »Dusan-Radevic« in unmittel-
barer Nachbarschaft des Fernsehens liegt und daß die Missile, die
dieses zerstört hat, auch jenes traf? Insgesamt dreihundert Schulen
wurden von den Bomben getroffen. Die Schüler sind sich selbst über-
lassen, gehen nicht mehr zur Schule. Auf dem Land kommt es vor, daß
sie gelbe explosive Röhren, die die Form von Spielzeug haben, auf-
sammeln (Modell CBU 87). Ähnliche Streubomben haben die Sowjets in
Afghanistan abgeworfen. Die Zerstörung von Fabriken hat 500.000
Arbeiter auf die Straße geworfen - mit einem Einkommen von 230
Dinar, umgerechnet 91 Francs (rund 30 DM - Übers.) im Monat. Fast
die Mehrheit der Bevölkerung ist arbeitslos. Wenn Sie glauben, daß
sie sich deswegen gegen das Regime wendet, irren Sie sich. Trotz
der Müdigkeit und trotz der Not habe ich keinen Riß in der unver-
letzlichen Einheit beobachtet. Ein junges Mädchen sagte mir in
Pristina: »Wenn man vier Chinesen tötet, die zu einer Großmacht
gehören, entrüstet sich die Welt; aber vierhundert Serben zählen
nicht. Merkwürdig, nicht?«

Gewiß, ich war nicht Zeuge des Blutbades, das die NATO-Bomber in
dem Autobus angerichtet haben, in den Flüchtlingskolonnen, in den
Zügen, im Krankenhaus von Nis und anderswo, auch nicht der Luftan-
griffe auf serbische Flüchtlingslager (Majino Maselje, 21. April,
vier Tote, zwanzig Verletzte). Ich spreche von ungefähr 400.000
Serben, die die Kroaten aus der Krajina ohne Mikrofone und ohne
Kameras vertrieben haben.

Ich habe die Orte und Momente meines Aufenthaltes im Kosovo fest-
gehalten. General Jertz, der Sprecher der NATO, hat erklärt: »Wir
haben keinen Konvoi angegriffen, und wir haben niemals Zivilisten
angegriffen.« Lüge. Ich habe am Donnerstag, dem 6. Mai, im Dörfchen
Lipjan ein Haus gesehen, das von einer Missile vollständig pulveri-
siert wurde: drei kleine Mädchen und zwei Großeltern massakriert
ohne irgendein militärisches Objekt in einem Umkreis von drei Kilo-
metern. Am folgenden Tag habe ich im Zigeunerstadtteil von Prizren
zwei weitere Hütten gesehen, die zwei Stunden zuvor zu Asche ge-
worden waren - mit mehreren Opfern darin.

2. »Der Diktator Milosevic ...« Meine Gesprächspartner von der Opposi-
tion, die einzigen, mit denen ich mich unterhalten habe, haben mich
an zwei bittere Tatsachen erinnert. Autokrat, Betrüger, Manipulator
und Populist - Herr Milosevic wurde bei nicht weniger als drei Ge-
legenheiten gewählt: die Diktatoren lassen sich nur einmal wählen,
nicht zweimal. Er respektiert die jugoslawische Verfassung. Es gibt
keine Einheitspartei. Seine Partei ist im Parlament in der Minder-
heit. Es gibt keine politischen Gefangenen, es gibt wechselnde Ko-
alitionen. Er ist wie abwesend im täglichen Leben. Man kann ihn,
ohne sich zu verstecken, auf den Café-Terrassen kritisieren - und
man zügelt sich nicht -, aber die Leute kümmert es nicht weiter. Es
gibt irgendein »totalitäres« Charisma in den Köpfen. Der Verstand
des Westens aber scheint durch Herrn Milosevic fünfhundertmal mehr
getrübt als der seiner Mitbürger.

In bezug auf ihn von München zu sprechen, heißt, das Verhältnis
von Schwachem und Starkem umzukehren, und so zu tun, als ob ein
isoliertes und armes Land von zehn Millionen Einwohnern, die nichts
außerhalb der Grenzen des alten Jugoslawiens begehren, mit dem er-
obernden und von Hitler aufgerüsteten Deutschland verglichen werden
könnte. Wer sich zu viele Schleier vors Gesicht hält, wird blind.

3. »Der Völkermord an den Kosovaren ...« Ein furchtbares Kapitel. Ich
habe nur zwei westliche Augenzeugen getroffen, die Zugang hatten.
Der eine, Aleksander Mitic, ist von Geburt Serbe und Korrespondent
von AFP in Pristina. Der andere, Paul Watson, ist anglophoner Kana-
dier und Europa-Korrespondent der »Los Angeles Times«. Er war in
Afghanistan, in Somalia, in Kambodscha und hat den Golfkrieg und
Ruanda mitgemacht: Kein grüner Junge. Früher war er Anti-Serbe,
seit zwei Jahren hat er den Bürgerkrieg im Kosovo, in dem er jedes
Dorf und jede Straße kennt, verfolgt. Ein Held, aber ein beschei-
dener. Als alle ausländischen Journalisten am ersten Tag der Bombar-
dierung aus Pristina ausgewiesen wurden, versteckte er sich anonym,
um zu bleiben. Allerdings ohne aufzuhören, umherzureisen und zu
beobachten.

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Zeugen vor Ort
--------------

Seine Zeugenaussage ist abgewogen und - ergänzt mit der anderer -
überzeugend. Während der Bombenflut der ersten drei Tage (24., 25.
und 26. März) gab es bittere Gelderpressungen verbunden mit Brand-
stiftungen, Plünderungen und Morden. Einige tausend Albaner haben
damals die Order zur Abreise erhalten. Er versicherte mir, seitdem
nicht eine Spur eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit gefunden
zu haben. Ohne Zweifel haben diese beiden sorgfältigen Beobachter
nicht alles gesehen. Und ich noch weniger. Ich kann nur albanische
Bauern auf der Rückfahrt nach Podujewo bezeugen, kann nur bezeugen,
daß serbische Soldaten vor albanischen Bäckereien Wache halten -
vor zehn in Pristina wiedereröffneten -, und daß im Krankenhaus von
Pristina (2.000 Betten) albanische und serbische Verletzte Seite an
Seite liegen.

Also, was ist geschehen? Nach Ihrer Ansicht die plötzliche Über-
deckung eines lokalen Bürgerkrieges von extremer Grausamkeit durch
einen internationalen Luftkrieg. Ich erinnere daran, daß 1998 1.700
albanische Kämpfer, 180 Polizisten und 120 serbische Soldaten ge-
tötet wurden. Die UCK hat 380 Personen gekidnappt und 103 wieder in
Freiheit gesetzt, die anderen sind entweder tot oder verschwunden,
z. T. nach Foltern - darunter zwei Journalisten und 14 Arbeiter. Die
UCK behauptet, in Pristina 6.000 Mitglieder im Untergrund zu haben,
und ihre Heckenschützen sind - sagte man mir - während der ersten
Bombardements in Aktion getreten. Die Serben seien zu der Auffassung
gekommen, daß sie nicht an zwei Fronten kämpfen konnten, und hätten
entschieden manu militari (mit militärischer Gewalt) die »fünfte
Kolonne der NATO«, ihre »Bodenstreitkräfte«, d. h. die UCK, zu
evakuieren - besonders in den Dörfern, wo sie sich mit der Zivilbe-
völkerung mischte und sich auf sie stützte.

Örtlich begrenzt, aber sicher stattgefunden haben diese Evaku-
ierungen, dortzulande »israelisch« genannt, und was das alte
Algerien angeht, erinnern Sie sich sicher - eine Million al-
gerischer Zivilisten wurden vertrieben und von uns in Lager ge-
sperrt, um »dem Fisch das Wasser abzulassen« -, und sie haben hier
und dort Spuren unter offenem Himmel hinterlassen: verbrannte
Häuser, entvölkerte Dörfer. Die militärischen Zusammenstöße haben
die Flucht der Zivilisten vor den Bombardements nach sich gezogen -
in ihrer Mehrzahl, so sagte man mir, Familien von Kämpfern. Das
sei, so der AFP-Korrespondent, eine sehr begrenzte Zahl gewesen.
Die Menschen hätten in anderen Häusern Zuflucht gefunden, bei Nach-
barn, habe er festgestellt. »Niemand starb vor Hunger, es gab keine
Morde auf den Straßen und niemand floh nach Albanien oder Mazedonien.
Es war rundweg der Angriff der NATO, der wie eine Lawine die humani-
täre Katastrophe auslöste. Tatsache ist, daß bis dahin keine Auf-
fanglager an den Grenzen nötig waren.« In den ersten Tagen, räumen
dabei alle ein, sah man eine Entfesselung von Repressalien von seiten
sogenannter »unkontrollierter« Elemente in möglicher Komplizenschaft
mit der örtlichen Polizei.

Herr Vuk Draskovic, der inzwischen zurückgetretene Vize-Premier, und
andere haben mir gesagt, daß seither dreihundert Personen im Kosovo
wegen erwiesener Gelderpressungen verhaftet und verurteilt worden
sind. Täuschung? Alibi? Schlechtes Gewissen? Das ist nicht auszu-
schließen. Danach hat sich der Exodus fortgesetzt, aber auf klei-
nerer Stufenleiter. Er ging weiter auf ausdrücklichen Befehl der UCK,
geschah aus dem Wunsch heraus, mit den seinigen wieder vereint zu
sein, aus Angst, für einen Kollaborateur gehalten zu werden, aus
Furcht vor den Bombardements - die aus 6.000 Metern Höhe nicht
zwischen Albanern, Serben und anderen unterscheiden; er ging weiter,
um sich mit bereits ausgereisten Verwandten zu vereinigen, weil das
Vieh getötet wurde, weil Amerika gewinnen wird, weil es die Ge-
legenheit ist, in die Schweiz, nach Deutschland oder woandershin zu
emigrieren ... Motive, die ich vor Ort gehört habe. Ich erwähne Sie
Ihnen gegenüber ohne Haftung.

Sollte ich zuviel den Leuten »Gesicht zu Angesicht« zugehört haben?
Das Gegenteil wäre Rassismus. Ein Volk a priori - jüdisch, deutsch
oder serbisch - als kollektiv kriminell zu definieren, ist eines
Demokraten nicht würdig. Alles in allem - es gab während der
(deutschen - Übers.) Besatzung albanische, moslemische und kroa-
tische SS-Divisionen - niemals serbische. Sollte dieses
philosemitische, dieses Widerstandsvolk - mehr als zehn Nationali-
täten koexistieren in Serbien selbst - mit fünfzigjähriger Ver-
spätung nazistisch geworden sein? Mir hat eine ganze Zahl von
Kosovaren gesagt, daß sie der Repression dank der Hilfe von Nach-
barn, von serbischen Freunden, entkommen sind.

4. »Die von den Serben sorgfältig begonnene Zerstörung ...« Trostlos:
Die selbst scheinen sehr widerstandsfähig zu sein. Ein junger
Unteroffizier, der im Kosovo dient, beim Autostopp auf der Autobahn
Nis-Belgrad mitgenommen, fragte mich, aus welchem strategischen
Grund sich die NATO so erbittert auf die Zivilbevölkerung stürzt.
»Wenn wir in eine Stadt kommen, in der es keine Elektrizität gibt,
müssen wir lauwarme Cola trinken. Das ist ärgerlich, aber man kann
damit leben.« Ich vermute, daß die Streitkräfte eigene Einheiten
für Stromerzeugung haben.

Sie haben im Kosovo Brücken zertrümmert, die man leicht durch Furte
umgehen kann - wenn nicht oben drüber, dann durch die Trümmer hin-
durch. Sie haben einen Flughafen ohne Bedeutung beschädigt, leere
Kasernen zerstört, Militärlastwagen vor Gebrauch in Brand gesetzt,
Hubschrauber und Teile der Artillerie in den Wäldern außer Gefecht
gesetzt. Ausgezeichnet für Videos und für Briefings im geschlossenen
Raum, aber danach? Erinnern Sie sich, daß die jugoslawische Vertei-
digung von Tito und seinen Partisanen aufgebaut wurde und nichts
von einer regulären Armee hat: verstreut und omnipräsent, mit ihren
unterirdischen Kommandozentralen, langfristig auf konventionelle
Bedrohungen vorbereitet - einst sowjetischen. Man setzt dort sogar
die Geschütze mit Ästen um, um ihre Entdeckung durch Wärmestrahlung
zu verhindern.

Es gibt im Kosovo - das ist kein Geheimnis - 150.000 Männer unter
Waffen, zwischen zwanzig und sechzig Jahre alt - es gibt keine
Altersgrenze für Reservisten -, davon gehören nur 40.000 bis
50.000 zur III. Armee von General Pavkovic. Die Relaisstationen
für Mobilfunk scheinen in gutem Zustand zu sein, aber die
Jugoslawen selbst stören den Empfang - die UCK bedient sich der
Handys, um die US-Bomber einzuweisen. Was die erhoffte Demorali-
sierung angeht - glauben Sie nichts. Im Kosovo erwartet man unsere
Truppen, fürchte ich, mit Standfestigkeit und nicht ohne eine ge-
wisse Ungeduld. Wie mir ein Reservist in Pristina sagte, der gerade
beim Brotkauf war, seine Kalaschnikow auf der Schulter: »Sofort Bo-
denkrieg! In einem wirklichen Krieg gibt es wenigstens auf beiden
Seiten Tote.« Das Kriegsspiel der NATO-Planer läuft 5.000 Meter
über der Realität ab. Ich beschwöre Sie daher: Setzen Sie nicht
unsere sensiblen und intelligenten Saint-Cyr-Absolventen auf einem
Territorium in Marsch, von dem sie keine Ahnung haben. Ihre Sache
ist vielleicht gerecht, aber es wird niemals für sie ein Verteidi-
gungskrieg sein und noch weniger ein heiliger, wie er es - zu Un-
recht oder Recht -, für die serbischen Freiwilligen von Kosovo und
Metohija sein wird.

5. »Sie setzen die ethnische Säuberung fort ...« Die eingesammelten
Nummernschilder und Personalausweise am Grenzübergang zu Albanien
haben mich empört. Das sei aus Furcht geschehen, entgegnete man
mir, daß die »Terroristen« erneut einsickerten und sie täuschten,
indem sie Autos und Papiere unkenntlich machten. Vieles kann meinen
begrenzten Beobachtungen entgangen sein, aber der deutsche Vertei-
digungsminister hat am 6. Mai gelogen, als er erklärte, daß
»zwischen 600.000 und 900.000 Vertriebene im Innern des Kosovo
lokalisiert worden sind.« Auf einem Territorium von 10.000
Quadratkilometern könnte das nicht geschehen, ohne daß es ein
Beobachter vor Ort mit eigenen Augen wahrnähme, am selben Tag,
von Ost nach West und von Nord nach Süd. In Pristina, wo noch
einige zehntausend Kosovaren leben, kann man in albanischen
Pizzerias an der Seite von Albanern essen.

Könnten unsere Minister nicht dort an Ort und Stelle Zeugen mit
kühlem Kopf befragen - griechische Ärzte von »Ärzte ohne Grenzen«,
Kirchenobere, Popen? Ich denke an Pater Stephan, den Prior von
Prizren, einzigartig abgewogen. Denn der Bürgerkrieg ist kein Krieg
der Religion: ungezählte Moscheen sind intakt - bis auf zwei, laut
dem, was man mir berichtet hat.

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Herr und Dienstbote
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Man kann die auswärtige Politik eines Landes einkaufen - das ist
das, was die Vereinigten Staaten mit den Ländern der Region macht -,
nicht seine Träume oder sein Gedächtnis. Wenn Sie die Blicke voller
Haß sehen könnten, die die mazedonischen Zöllner und Polizisten an
den Grenzübergängen auf die Wagenkonvois werfen, die jede Nacht
von Saloniki hoch nach Skopje fahren, auf deren arrogante Begleit-
mannschaften, die sich ihrer Umgebung überhaupt nicht bewußt sind,
dann würden Sie ohne Probleme begreifen, daß es leichter sein wird,
sich in diesen Kriegsschauplatz hineinzubegeben, als sich von dort
zurückzuziehen. Werden Sie, gerade so wie der italienische Präsident
den Mut und die Intelligenz haben, irreale Forderungen zurückzu-
nehmen, um zusammen mit Ibrahim Rugova und nach dessen eigenen
Formulierungen, »eine politische Lösung auf realistischen Grund-
lagen« zu suchen? In diesem Fall wird sich ihrer Aufmerksamkeit
eine gewisse Zahl von Tatsachen aufdrängen. Die erste: Die Rettung
liegt nicht in einem modus vivendi zwischen Albanern und Serben
nach außen hin, wie ihn Herr Rugova fordert, weil es nicht einen,
sondern zwei gibt und außerdem mehrere Gemeinschaften im Kosovo.
Ohne - angesichts einer fehlenden zuverlässigen Erhebung - in einen
Kampf um Zahlen einzutreten, meine ich, erfaßt zu haben, daß es
dort eine Million und mehr Albaner gab, 250.000 Serben und 250.000
Personen, die zu anderen Gemeinschaften gehörten - islamische
Serben, Türken, Bergbewohner, Roma, »Ägypter« bzw. albanophone
Zigeuner -, die die Vorherrschaft eines Groß-Albanien fürchten und
Partei für die Serben ergriffen haben. Die zweite: Die Wiedergeburt
eines grausamen inneren Krieges verhindern, die Episode einer
säkularen Wiederkehr. Das wäre Akt eins, ohne den Akt zwei heute
unvorstellbar ist, der aber selbst einer vorherigen Unterdrückung
folgen wird.

Die gegenwärtige Politik wird nach Analogie mit der Vergangenheit
geführt. Danach gilt es, das kleinste mögliche Übel zu finden. Sie
haben die Hitler-Analogie gewählt, mit den Kosovaren als den ver-
folgten Juden. Gestatten Sie mir, Ihnen eine andere vorzuschlagen:
Algerien. Herr Milosevic ist sicher nicht de Gaulle. Aber die zivile
Macht hat die Geschäfte an eine Armee übergeben, die genug zu ver-
lieren hat und davon träumt, richtig Probleme zu bereiten. Und diese
reguläre Armee umgibt sich mit einheimischen Paramilitärs, die eines
Tages als eine OAS gesammelt werden könnten.

Und wenn das Problem gar nicht in Belgrad läge, sondern in den
Straßen, den Cafés, den Läden des Kosovo? Die Menschen dort, das
ist eine Tatsache, haben nichts, was ihnen wieder Vertrauen geben
könnte. Sie haben mich, ein- oder zweimal, als Kriegspartei ange-
griffen. Und ich muß wahrheitsgemäß sagen, daß es serbische Offi-
ziere waren, die mir zur Hilfe kamen, und mir jedesmal den Anzug
gerettet haben.

Sie erinnern sich der Definition de Gaulles für die NATO: »Eine
Organisation, die der atlantischen Allianz auferlegt wurde, und
die lediglich die militärische und politische Unterordnung West-
europas unter die Vereinigten Staaten von Amerika ist.« Sie werden
uns eines Tages die Gründe erläutern, die dazu geführt haben,
diese Einschätzung zu verändern. In Erwartung dessen muß ich Ihnen
eine gewisse Scham eingestehen, als mir in Belgrad ein oppositi-
oneller demokratischer Serbe auf die Frage, warum sein gegenwär-
tiger Präsident mit solcher Eilfertigkeit jene amerikanische und
keine französische Persönlichkeit empfing, antwortete: »Wie dem
auch sei, es ist besser, mit dem Herrn zu reden als mit seinen
Dienstboten.«

Régis Debray (Übersetzung: Arnold Schölzel)

Die Junge Welt.

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Kurz vor dem Bielefelder Kriegsparteitag der Grünen versuchten einige amerikanische Juden, in die Debatte zum Kosovokrieg einzugreifen, indem sie die ständigen Vergleiche von Milosevics mit Hilters Regime und der Vertreibung der Kosovo-Albaner mit dem Holocaust in Zweifel zogen. Hat Herr Fischer zugehört? Mit jedem Kollateralmassaker, daß die Nato zu verantworten hat, sind seine Auschwitzvergleiche leiser geworden, auch wenn er auf dem Parteitag noch einmal ganz tief in die Trickkiste rhetorischer Demagogie griff. Letztendlich wird dann nur noch der Krieg nützen, um den Krieg zu legitimieren, denn wenn die ersten deutschen Soldaten gestorben sind, wird das Motiv der Rettung durch das der Rache ersetzt werden können.

 

Ein Appell amerikanischer Juden an die Gruene Partei
Deutschlands

Wir sind juedische Amerikaner, die tief besorgt darueber sind,
dass die Erinnerung und die Tragoedie des Holocaustsherangezogen
werden, um einen ungerechten Bombardierungsfeldzug
gegen die Zivilbevoelkerung Jugoslawiens zu rechtfertigen. Viele
von uns haben Freunde, die im Holocaust Familienmitglieder
verloren haben, oder haben selbst Angehoerige verloren.

Wir sind uns zutiefst unserer eigenen Geschichte und dem
Beduerfnis der Weltgemeinde bewusst, in Situationen, wo es eine
Voelkermord-Bedrohung gibt, einzugreifen, um dies zu verhindern.
Es ist allerdings klar, dass es nicht dies ist, was heute in
Jugoslawien geschieht.

Wir glauben nicht, dass der Krieg unserer Regierung gegen
Jugoslawien durch humanitaere Bedenken motiviert ist. Dies ist
offensichtlich, aufgrund ihrer Weigerung, Nahrung und Wasser zu
den verzweifelten Fluechtlingen innerhalb Kosovos zu fliegen,
ebenso wie aufgrund der laecherlichen Summen, die zur
Unterstuetzung der Fluechtlinge bereitgestellt werden im
Vergleich zu den Dollarmilliarden, die fuer das Bombardement
ausgegeben werden. Die grosse Zoegerlichkeit der Clinton-
Administration, eine Verhandlungsloesung im Konflikt
anzustreben, ist ebenfalls ein Indiz, dass es bei dieser
Intervention hauptsaechlich um Macht geht:

Zu zeigen, dass die Vereinigten Staaten (und die NATO, welche
sie weitgehend kontrollieren) der selbsternannte internationale
Polizist sind und ueber dem Voelkerrecht und den Vereinten
Nationen stehen. Sie fuehren Krieg gegen Zivilisten, zerstoeren
die jugoslawische Wirtschaft und toeten Hunderte unschuldiger
Leute, um ihre Macht vorzufuehren und zu festigen. Viele
Bombardierungsbefuerworter haben Analogieschluesse zum Holocaust
gezogen und argumentieren, dass die Welt angesichts ethnischer
Saeuberungen im Kosovo nicht einfach nur danebenstehen koennte.
Aber das Bombardement hat die Situation der Kosovo-Albaner
erheblich verschlechtert, wie mittlerweile allgemein anerkannt
wird. Es hat ausserdem die demokratiefreundliche Bewegung in
Jugoslawien zerstoert und es destabilisiert benachbarte Staaten.

Wir bitten Sie dringend, diese falschen und uebertriebenen
Vergleiche mit dem Holocaust und dem zweiten Weltkrieg
zurueckzuweisen, die benutzt werden, um Unterstuetzung fuer
einen Bombardierungsfeldzug zusammenzutrommeln, der das Leiden
aller Nationalitaeten in Jugoslawien verschlimmern wird. Wir
appellieren an die Gruene Partei Deutschlands, sich diesem Krieg
entgegenzustellen und eine Verhandlungsloesung in diesem
Konflikt zu unterstuetzen.

(Organisationen werden nur zwecks Identifizierung aufgefuehrt).

Noam Chomsky
Institutsprofessor fuer Linguistik, Massachusetts Institute of
Technology(MIT)
Edward S. Herman
Professor Emeritus, Wharton School, University of Pennsylvania
Mark Weisbrot
Research Director, Preamble Center
Dean Baker
Senior Research Fellow, Preamble Center
Robert Naiman
Research Associate, Preamble Center

Hier der Originaltext.

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Natürlich sind die Appelle an das Recht in diesem wie in jedem Krieg ein bißchen albern, weil es im Krieg nicht um das Recht, sondern nur noch um die Macht geht. Aber erstens ist dieser offene Brief das Entschiedenste, was ich bisher von deutschen Intellektuellen zum Kosovo-Krieg gehört habe, zweitens ist es doch auch einmal ganz schön, eine kompakte Übersicht über die hauptsächlichen Gesetze und Verträge vor Augen zu haben, die die Bundesregierung mit ihrem Kriegseintritt gebrochen hat. Sage mir keiner, es gebe keine Anarchisten mehr.

 

Wir klagen an


Herr Bundeskanzler! Sie und Ihre Regierung führen in Gemeinschaft mit den Regierungen der übrigen NATO-Staaten einen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien.

- Sie mißachten und verletzen damit das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, das die Vorbereitung eines Angriffskrieges verbietet (Art. 26,1; 87a,2).

- Sie mißachten und verletzen den der deutschen Wiedervereinigung zugrundeliegenden Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 1 2. September 1990, nach dem es zwingendes geltendes Recht ist, ,,daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen" (Art. 2).

- Sie mißachten und verletzen das Völkerrecht, das die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten verbietet und die friedliche Streitbeilegung in den internationalen Beziehungen zur Pflicht macht (Deklaration über die Prinzipien des Völkerrechts vom 24. Oktober 1970).

- Sie mißachten und verletzen die Genfer Abkommen vom 12. August 1949. Deren 47. Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 verbietet den Angriff auf lebensnotwendige Objekte der Zivilbevölkerung wie Nahrungsmittel, Trinkwasser - in fast allen Kosovo-Städten als Folge der NATO-Bombardements langst ausgefallen -, Versorgungs-, Bewässerungsanlagen u.a. (Art. 54 Abs. 4).

- Sie mißachten und verletzen das deutsche Soldatengesetz, das völkerrechtswidrige Befehle verbietet (§10, Abs. 4), weshalb jeder an einem völkerrechtswidrigen Krieg aktiv teilnehmende und tötende Soldat straffällig wird und sich auf einen strafausschließenden Befehlsnotstand nicht berufen kann (§11).

- Sie mißachten und verletzen den NATO-Vertrag vom 4. April 1949, der ein reines Verteidigungsbündnis begründet (Art 5) und die beigetretenen Staaten auf die Prinzipien der UNO-Charta festlegt.

- Sie mißachten und verletzen die UNO-Charta, die alle beigetretenen Staaten auf die Prinzipien der friedlichen Streitbeilegung und Nichteinmischung (Art. 1 f.) und zur Einhaltung der rechtsgültigen Verträge verpflichtet. Durch Beschluß der UNO-Vollversammlung sind die Nürnberger Prinzipien dem Völkerrecht eingefügt worden und Verbrechen gegen den Frieden, somit als schwerste Verbrechen zu ahnden.

- Herr Bundeskanzler! Sie mißachten und verletzen die angeführten Verpflichtungen. Damit lassen Sie erkennen, daß Ihnen, wie anderen deutschen Regierungen zuvor, die Verfassung, das Völkerrecht und die wichtigsten internationalen Abmachungen abermals nicht mehr sind als ,,ein Fetzen Papier".

- Sie heben den Grundkonsens auf, der sich in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg herausbildete: ,,Nie wieder Krieg von deutschem Boden!"

- Zu Ihrer Rechtfertigung erklärten Sie wiederholt, daß ,,humanitäre" Erwägungen Sie lenken. Ihre Absicht sei die Verteidigung des Lebens und der Menschenrechte der Kosovo-Albaner. Sollte dies wirklich Ihr Motiv sein, so zeigt Ihn en der Kriegsverlauf, daß Ihre Absicht nicht zu verwirklichen war. Vielmehr tragen Sie dazu bei, die Situation der Kosovo-Albaner täglich zu verschlechtern. Die NATO plant, diese an ihren Wohnort zurückzugeleiten? Doch ihre Militärführung schickt sich an, die Region mit Uranmunition zu beschießen. Sie verseucht sie für unabsehbar lange Zeit wie ehedem die Gegenden am Golf im 2. Golfkrieg (,,Monitor", 22. April 1999). Daher bezweifelt der kritische Teil der Öffentlichkeit Ihr ,,humanitäres" Motiv. Der schwedische Friedensforscher Jan Myrdal schrieb: ,,Die Kosavo-Albaner waren nur ein Vorwand." Wäre es Ihnen Ernst mit der Verteidigung der Menschenrechte, warum nicht auch mit den Menschenrechten der Kurden? Eine selektive Anwendung der Menschenrechte schließen diese selber aus. Nach verläßlichen Schätzungen gab es bis zum Beginn des Kosovo-Kriegs 3000 Tote in der Region und 200000 Flüchtlinge. In dem NATO-Staat Türkei gab es bis zu demselben Zeitpunkt: 30- bis 40000 Tote und über drei Millionen Flüchtlinge.

Auf der Suche nach der wahren Kriegsursache vermutete am 6. April 1999 das ,,Hamburger Abendblatt", eine Zeitung aus dem Hause Springer: ,,Mit den Bomben auf Belgrad ist der rein politische Ansatz der NATO als Verteidigungsbündnis obsolet geworden... Die NATO wird in Zukunft die Rolle eines Weltpolizisten unter amerikanischer Führung spielen." Aber stimmt das benutzte Bild? Der redliche Polizist versieht seinen Dienst ja namens des Gesetzes. Ist schon das Spiel ,,Räuber und Gendarm" angesagt, so spielt jedenfalls nicht die NATO den Gendarmen.

Alexander Solschenizyn schrieb: ,, Unter den Augen der Menschheit ist man da bei, ein großartiges europäisches Land zu zerstören, und die zivilisierten Regierungen applaudieren ... Nachdem sie die Vereinten Nationen auf den Müll geschmissen hat, proklamiert die NATO der Welt für das kommende Jahrhundert ein altes Gesetz - das des Dschungels: Der Stärkere hat immer recht." Tatsächlich beanspruchen die USA unter Präsident Clinton, sich den Platz der einzigen Weltmacht zu reservieren und jeden wirklichen oder vermeintlichen Gegner mit Gewalt aus dem Wege zu räumen. Nach dem Irak Serbien, nach Serbien...?

- Herr Bundeskanzler! Sie mißachten und verwerfen die Lehren aus der deutschen Geschichte des ganzen zurückliegenden Jahrhunderts. Fritz Fischers Forschungen ergaben: Vor dem ersten Weltkrieg erstrebte die Reichsleitung den engen politisch-geographischen Anschluß an die Türkei. Als ,,Endpunkt der Linie Berlin-Bagdad" sollte diese das ,,Sprungbrett nach Indien und Afrika" sein. Auf dem Wege nach Bagdad empfand man indes Serbien als störend. So versuchte Deutschland im Bündnis mit dem Kaiserreich Osterreich 1914, Serbien zu zerschlagen. Wilhelm II. forderte: ,,Mit den Serben muß aufgeräumt werden, und zwar bald. Jetzt oder nie!" Ein Vierteljahrhundert später wiederholte das Reich im Zweiten Weltkrieg den Versuch, die ,,serbische Verbrecherclique" endgültig zu beseitigen (A. Hitler). Den Auftakt bildete der Luftangriff auf BeIgrad am 6. April 1941 (fast 3000 Tote). Die Gesamtzahl der Kriegsopfer auf jugoslawischer Seite betrug 1-2 Millionen Tote. Der jugoslawische Staat wurde aufgelöst. In Fortführung der Reichspolitik betrieb die Nachkriegs-Bundesrepublik jahrzehntelang die Destabilisierung des jugoslawischen Staats (nachgewiesen von E. Schmidt-Eenboom). Als seit 1991 die neuerliche Zerstückelung Jugoslawiens bevorstand, übernahm Deutschland den führenden Part durch vorschnelle Anerkennung Sloweniens und Kroatiens. Sie hätte auch ,,einen nahezu entscheidenden Anteil am Ausbruch des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina" (R. Hartmann). Am 24. Mai 1992 erklärte der damalige deutsche Außenminister Kinkel, es sei Aufgabe der deutschen Politik: ,,Wir müssen Serbien in die Knie zwingen" (,,Die Zeit" 2 9.1994).
So zeigt die historische Betrachtung: Die jetzige Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Kriege ist nicht ohne Zusammenhang mit der traditionellen deutschen Balkanpolitik.
Diese wurde nicht einen Augenblick lang durch ,,humanitäre" Motive bestimmt.

- Herr Bundeskanzler! In dem Sie Deutschland in den Krieg führten, den dritten Krieg gegen Serbien/Jugoslawien in einem Jahrhundert, haben Sie diesem Lande Schaden zugefügt, und nicht nur ihm, sondern auch der Bundesrepublik Deutschland, Europa und dem Zusammenleben der Menschen auf der ganzen Erde - moralisch, politisch, ökonomisch, ökologisch. - Wir fordern Sie deshalb auf:

1. die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Kriege sofort zu beenden.
2. Maßnahmen einzuleiten, um Jugoslawien - soweit möglich -für die von den deutschen Streitkräften veranlaßten Zerstörungen zu entschädigen.
3. Ihr Mandat in die Hände des Wahlvolks zurückzulegen.

Mai 1999

Wolfgang Beutin, Karlheinz Deschner, Hans Wollschläger

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David Binders Artikel über die Auseinandersetzungen zwischen Albanern und Serben im Kosovo aus dem Jahre 1987 ist ein erstaunliches Dokument. Seinerzeit in der New York Times erschienen und daher wohl kaum von serbischen Nationalisten oder Kommunisten in Auftrag gegeben, berichtet es über Probleme im Kosovo, die von einer antiserbischen Verdrängungspolitik der dortigen albanischen Mehrheit zumindest miterzeugt wurden. Er schweigt aber auch nicht darüber, daß die Albaner in Jugoslawien lange Zeit als Menschen zweiter Klasse galten und offenbar auch deswegen während der Zeit des Kosovo-Autonomiestatuts (1974 - 1989) mit der serbischen Minderheit in der Provinz nicht eben zimperlich umgingen. William Blum führt den Artikel ein, und merkt an, daß er Übertreibungen enthalten könnte. Interessant auch das Auftauchen eines alten Bekannten: Slobodan Milosevic wird als der prominenteste kommunistische Parteisekretär identifiziert, der die Albaner im Kosovo schon 1987 mit eiserner Hand anpacken wollte, was heute ja auch geschieht.

 

* KOSOVO IMPORTANT BACKGROUND INFORMATION *
Introduction by William Blum, BBlum6@aol.com


In presenting the background to the Kosovo conflict, U.S.
news outlets usually begin with Serbia's revocation of the
Kosovo Albanians' autonomy in 1989. This was a crucial
decision, one of the major reasons that the Kosovo
Liberation Army was formed. It also destabilized the
Yugoslavian system and contributed to the country's breakup.
Yet media accounts have rarely explained why Serbia lifted
Kosovo's autonomy. The attached article, from the New York
Times in 1987, gives important background to this decision.
Although the article is easily found in the Nexis database,
little to none of this information has found its way into
contemporary coverage of Kosovo, in the Times or anywhere
else.

If one read a similar history of Kosovo written today, one
would likely dismiss it as pro-Serb propaganda. Yet this was
written 12 years ago, when Kosovo was an obscure corner of
the world, and the New York Times would not seem to have any
particular interest in defending Serbs or attacking
Albanians.

It should be kept in mind that some of the charges in thi
article may be exaggerated or politically motivated. Of
course, the same is true of atrocity reports that are being
carried in the New York Times and other papers today.
William Blum is the author of _Killing Hope U.S. Military
and CIA Interventions Since World War II_, 1995, Common
Courage Press, Monroe, Maine.
* * *


IN YUGOSLAVIA, RISING ETHNIC STRIFE BRINGS FEARS OF WORSE
CIVIL CONFLICT

THE NEW YORK TIMES
November 1, 1987, Sunday, Late City Final Edition
Section 1; Part 1, Page 14, Column 1
By DAVID BINDER, Special to the New York Times

BELGRADE, Yugoslavia -- Portions of southern Yugoslavia have
reached such a state of ethnic friction that Yugoslavs have begun
to talk of the horrifying possibility of ''civil war'' in a land
that lost one-tenth of its population, or 1.7 million people, in
World War II.

The current hostilities pit separatist-minded ethnic
Albanians against the various Slavic populations of Yugoslavia
and occur at all levels of society, from the highest officials to
the humblest peasants.

A young Army conscript of ethnic Albanian origin shot up his
barracks, killing four sleeping Slavic bunkmates and wounding six
others.

The army says it has uncovered hundreds of subversive ethnic
Albanian cells in its ranks. Some arsenals have been raided.

VICIOUS INSULTS

Ethnic Albanians in the Government have manipulated public
funds and regulations to take over land belonging to Serbs. And
politicians have exchanged vicious insults.

Slavic Orthodox churches have been attacked, and flags have
been torn down. Wells have been poisoned and crops burned. Slavic
boys have been knifed, and some young ethnic Albanians have been
told by their elders to rape Serbian girls.

Ethnic Albanians comprise the fastest growing nationality in
Yugoslavia and are expected soon to become its third largest,
after the Serbs and Croats.

RADICALS' GOALS

The goal of the radical nationalists among them, one said in
an interview, is an ''ethnic Albania that includes western
Macedonia, southern Montenegro, part of southern Serbia, Kosovo
and Albania itself.'' That includes large chunks of the republics
that make up the southern half of Yugoslavia.

Other ethnic Albanian separatists admit to a vision of a
greater Albania governed from Pristina in southern Yugoslavia
rather than Tirana, the capital of neighboring Albania.
There is no evidence that the hard-line Communist Government
in Tirana is giving them material assistance.
The principal battleground is the region called Kosovo, a
high plateau ringed by mountains that is somewhat smaller than
New Jersey. Ethnic Albanians there make up 85 percent of the
population of 1.7 million. The rest are Serbians and
Montenegrins.

WORST STRIFE IN YEARS

As Slavs flee the protracted violence, Kosovo is becoming
what ethnic Albanian nationalists have been demanding for years,
and especially strongly since the bloody rioting by ethnic
Albanians in Pristina in 1981 - an ''ethnically pure'' Albanian
region, a ''Republic of Kosovo'' in all but name.
The violence, a journalist in Kosovo said, is escalating to
''the worst in the last seven years.''

Many Yugoslavs blame the troubles on the ethnic Albanians,
but the matter is more complex in a country with as many
nationalities and religions as Yugoslavia's and involves economic
development, law, politics, families and flags. As recently as 20
years ago, the Slavic majority treated ethnic Albanians as
inferiors to be employed as hewers of wood and carriers of
heating coal. The ethnic Albanians, who now number 2 million,
were officially deemed a minority, not a constituent nationality,
as they are today.

Were the ethnic tensions restricted to Kosovo, Yugoslavia's
problems with its Albanian nationals might be more manageable.
But some Yugoslavs and some ethnic Albanians believe the struggle
has spread far beyond Kosovo. Macedonia, a republic to the south
with a population of 1.8 million, has a restive ethnic Albanian
minority of 350,000.

''We've already lost western Macedonia to the Albanians,''
said a member of the Yugoslav party presidium, explaining that
the ethnic minority had driven the Slavic Macedonians out of the
region.

ATTACKS ON SLAVS

Last summer, the authorities in Kosovo said they documented
40 ethnic Albanian attacks on Slavs in two months. In the last
two years, 320 ethnic Albanians have been sentenced for political
crimes, nearly half of them characterized as severe.

In one incident, Fadil Hoxha, once the leading politician of
ethnic Albanian origin in Yugoslavia, joked at an official dinner
in Prizren last year that Serbian women should be used to satisfy
potential ethnic Albanian rapists. After his quip was reported
this October, Serbian women in Kosovo protested, and Mr. Hoxha
was dismissed from the Communist Party.

As a precaution, the central authorities dispatched 380 riot
police officers to the Kosovo region for the first time in four
years.

Officials in Belgrade view the ethnic Albanian challenge as
imperiling the foundations of the multinational experiment called
federal Yugoslavia, which consists of six republics and two
provinces.

`LEBANONIZING' OF YUGOSLAVIA

High-ranking officials have spoken of the ''Lebanonizing''
of their country and have compared its troubles to the strife in
Northern Ireland.

Borislav Jovic, a member of the Serbian party's presidency,
spoke in an interview of the prospect of ''two Albanias, one
north and one south, like divided Germany or Korea,'' and of
''practically the breakup of Yugoslavia.'' He added ''Time is
working against us.''

The federal Secretary for National Defense, Fleet Adm.
Branko Mamula, told the army's party organization in September of
efforts by ethnic Albanians to subvert the armed forces.

''Between 1981 and 1987 a total of 216 illegal organizations with
1,435 members of Albanian nationality were discovered in the
Yugoslav People's Army,'' he said. Admiral Mamula said ethnic
Albanian subversives had been preparing for ''killing officers
and soldiers, poisoning food and water, sabotage, breaking into
weapons arsenals and stealing arms and ammunition, desertion and
causing flagrant nationalist incidents in army units.''

CONCERNS OVER MILITARY

Coming three weeks after the ethnic Albanian draftee, Aziz
Kelmendi, had slaughtered his Slavic comrades in the barracks at
Paracin, the speech struck fear in thousands of families whose
sons were about to start their mandatory year of military
service.

Because the Albanians have had a relatively high birth rate,
one-quarter of the army's 200,000 conscripts this year are ethnic
Albanians. Admiral Mamula suggested that 3,792 were potential
human timebombs.

He said the army had ''not been provided with details
relevant for assessing their behavior.'' But a number of Belgrade
politicians said they doubted the Yugoslav armed forces would be
used to intervene in Kosovo as they were to quell violent rioting
in 1981 in Pristina. They reason that the army leadership is
extremely reluctant to become involved in what is, in the first
place, a political issue.

Ethnic Albanians already control almost every phase of life
in the autonomous province of Kosovo, including the police,
judiciary, civil service, schools and factories. Non-Albanian
visitors almost immediately feel the independence - and suspicion
- of the ethnic Albanian authorities.

REGION'S SLAVS LACK STRENGTH

While 200,000 Serbs and Montenegrins still live in the
province, they are scattered and lack cohesion. In the last seven
years, 20,000 of them have fled the province, often leaving
behind farmsteads and houses, for the safety of the Slavic north.
Until September, the majority of the Serbian Communist Party
leadership pursued a policy of seeking compromise with the Kosovo
party hierarchy under its ethnic Albanian leader, Azem Vlasi.
But during a 30-hour session of the Serbian central
committee in late September, the Serbian party secretary,
Slobodan Milosevic, deposed Dragisa Pavlovic, as head of
Belgrade's party organization, the country's largest. Mr.
Milosevic accused Mr. Pavlovic of being an appeaser who was soft
on Albanian radicals. Mr. Milosevic had courted the Serbian
backlash vote with speeches in Kosovo itself calling for ''the
policy of the hard hand.''

''We will go up against anti-Socialist forces, even if they
call us Stalinists,'' Mr. Milosevic declared recently. That a
Yugoslav politician would invite someone to call him a Stalinist
even four decades after Tito's epochal break with Stalin, is a
measure of the state into which Serbian politics have fallen. For
the moment, Mr. Milosevic and his supporters appear to be staking
their careers on a strategy of confrontation with the Kosovo
ethnic Albanians.

Other Yugoslav politicians have expressed alarm. ''There is
no doubt Kosovo is a problem of the whole country, a powder keg
on which we all sit,'' said Milan Kucan, head of the Slovenian
Communist Party.

Remzi Koljgeci, of the Kosovo party leadership, said in an
interview in Pristina that ''relations are cold'' between the
ethnic Albanians and Serbs of the province, that there were too
many ''people without hope.''

But many of those interviewed agreed it was also a rare
opportunity for Yugoslavia to take radical political and economic
steps, as Tito did when he broke with the Soviet bloc in 1948.
Efforts are under way to strengthen central authority
through amendments to the constitution. The League of Communists
is planning an extraordinary party congress before March to
address the country's grave problems.

The hope is that something will be done then to exert the
rule of law in Kosovo while drawing ethnic Albanians back into
Yugoslavia's mainstream.

Copyright 1987 The New York Times Company

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Auch der Artikel von Diana Johnstone sollte den neuen Humanitären zu denken geben. Die Dämonisierung der Serben, die zynische Benutzung der leidenden Zivilbevölkerung im Kosovo als Kriegsgrund, die frühere Inszenierung "serbischer Greueltaten" durch ihre Kriegsgegner im Bosnienkrieg, die fehlgeschlagene Autonomisierung des Kosovo von 1974-1989 und anderes sind sein Thema. Und am Ende hält er drei einfache Ratschäge für die Lösung der Kosovo-Krise bereit, die im Unterschied zu den NATO-Aktionen schlicht und ergreifend Sinn machen.

Der Artikel erschien zuerst in Zmagazine.

 

NATO's Humanitarian Trigger

By Diana Johnstone

From James Rubin to Christiane Amanpour, the broad range of government and media opinion is
totally united in demanding that NATO bomb Serbia. This is necessary, we are told, in order to
"avert a humanitarian catastrophe", and because, "the only language Milosevic understands is
force"... which happens to be the language the U.S. wants to speak.

Kosovo is presented as the problem, and NATO as the solution.

In reality, NATO is the problem, and Kosovo is the solution.

After the collapse of the Soviet Union, NATO needed a new excuse for pumping resources into the
military-industrial complex. Thanks to Kosovo, NATO can celebrate its 50th anniversary next month
by consecration of its new global mission: to intervene anywhere in the world on humanitarian
grounds. The recipe is easy: arm a group of radical secessionists to shoot policemen, describe the
inevitable police retaliation as "ethnic cleansing", promise the rebels that NATO will bomb their
enemy if the fighting goes on, and then interpret the resulting mayhem as a challenge to NATO's
"resolve" which must be met by military action.

Thanks to Kosovo, national sovereignty will be a thing of the past -- not of course for Great Powers
like the U.S. and China, but for weaker States that really need it. National boundaries will be no
obstacle to NATO intervention.

Thanks to Kosovo, the U.S. can control eventual Caspian oil pipeline routes between the Black Sea
and the Adriatic, and extend the European influence of favored ally Turkey.

Last February 23, James Hooper, executive director of the Balkan Action Council, one of the many
think tanks that have sprung up to justify the ongoing transformation of former Yugoslavia into NATO
protectorates, gave a speech at the Holocaust Museum in Washington at the invitation of its
"Committee of Conscience". The first item on his list of "things to do next" was this: "Accept that the
Balkans are a region of strategic interest for the United States, the new Berlin if you will, the testing
ground for NATO's resolve and US leadership. [...] The administration should level with the
American people and tell them that we are likely to be in the Balkans militarily indefinitely, at least
until there is a democratic government in Belgrade."

In the Middle Ages, the Crusaders launched their conquests from the Church pulpits. Today, NATO
does so in the Holocaust Museum. War must be sacred.

This sacralization has been largely facilitated by a post-communist left which has taken refuge in
moralism and identity politics to the exclusion of any analysis of the economic and geopolitical
factors that continue to determine the macropolicies shaping the world.

Jean-Christophe Rufin, former vice president of "Doctors Without Borders" recently pointed to the
responsibility of humanitarian non-governmental organizations in justifying military intervention.
"They were the first to deplore the passivity of the political response to dramatic events in the
Balkans or Africa. Now they have got what they wanted, or so it seems. For in practice, rubbing
elbows with NATO could turn out to be extremely dangerous."

Already the call for United Nations soldiers to intervene on humanitarian missions raised suspicions
in the Third World that "the humanitarians could be the Trojan horse of a new armed imperialism",
Rufin wrote in "Le Monde". But NATO is something else.

"With NATO, everything has changed. Here we are dealing with a purely military, operational
alliance, designed to respond to a threat, that is to an enemy", wrote Rufin. "NATO defines an
enemy, threatens it, then eventually strikes and destroys it.

"Setting such a machine in motion requires a detonator. Today it is no longer military. Nor is it
political. The evidence is before us: NATO's trigger, today, is... humanitarian. It takes blood, a
masssacre, something that will outrage public opinion so that it will welcome a violent reaction."

The consequence, he concluded, is that "the civilian populations have never been so potentially
threatened as in Kosovo today. Why? Because those potential victims are the key to international
reaction. Let's be clear: the West wants dead bodies. [...] We are waiting for them in Kosovo. We'll
get them." Who will kill them is a mystery but previous incidents suggest that "the threat comes from
all sides."

In the middle of conflict as in Kosovo, massacres can easily be perpetrated... or "arranged". There
are always television crews looking precisely for that "top story".

Recently, Croatian officers have admitted that in 1993 they themselves staged a "Serbian bombing"
of the Croatian coastal city of Sibenik for the benefit of Croatian television crews. The former
Commander of the 113th Croatian brigade headquarters, Davo Skugor, reacted indignantly. "Why
so much fuss?" he complained. "There is no city in Croatia in which such tactical tricks were not
used. After all, they are an integral part of strategic planning. That's only one in a series of
stratagems we've resorted to during the war."

The fact remains that there really is a very serious Kosovo problem. It has existed for well over a
century, habitually exacerbated by outside powers (the Ottoman Empire, the Habsburg Empire, the
Axis powers during World War II). The Serbs are essentially a modernized peasant people, who
having liberated themselves from arbitrary Turkish Ottoman oppression in the 19th century, are
attached to modern state institutions. In contrast, the Albanians in the northern mountains of Albania
and Kosovo have never really accepted any law, political or religious, over their own unwritten
"Kanun" based on patriarchal obedience to vows, family honor, elaborate obligations, all of which
are enforced not by any government but by male family and clan chiefs protecting their honor,
eventually in the practice of blood feuds and revenge.

The basic problem of Kosovo is the difficult coexistence on one territory of ethnic communities
radically separated by customs, language and historical self-identification. From a humanistic
viewpoint, this problem is more fundamental than the problem of State boundaries.

Mutual hatred and fear is the fundamental human catastrophe in Kosovo. It has been going on for a
long time. It has got much worse in recent years. Why?

Two factors stand out as paradoxically responsible for this worsening -- paradoxically, because
presented to the world as factors which should have improved the situation.

1 - The first is the establishment in the autonomous Kosovo of the 1970s and 1980s of
separate Albanian cultural institutions, notably the Albanian language faculties in
Pristina University. This cultural autonomy, demanded by ethnic Albanian leaders, turned
out to be a step not to reconciliation between communities but to their total separation.
Drawing on a relatively modest store of past scholarship, largely originating in Austria,
Germany or Enver Hoxha's Albania, studies in Albanian history and literature amounted
above all to glorifications of Albanian identity. Rather than developing the critical spririt,
they developed narrow ethnocentricy. Graduates in these fields were prepared above all
for the career of nationalist political leader, and it is striking the number of literati among
Kosovo Albanian secessionist leaders. Extreme cultural autonomy has created two
populations with no common language.

In retrospect, what should have been done was to combine Serbian and Albanian studies, requiring
both languages, and developing original comparative studies of history and literature. This would
have subjected both Serbian and Albanian national myths to the scrutiny of the other, and worked to
correct the nationalist bias in both. Bilingual comparative studies could and should have been a way
toward mutual understanding as well as an enrichment of universal culture. Instead, culture in the
service of identity politics leads to mutual ignorance and contempt.

The lesson of this grave error should be a warning elsewhere, starting in Macedonia, where
Albanian nationalists are clamoring to repeat the Pristina experience in Tetova. Other countries with
mixed ethnic populations should take note.

2. The second factor has been the support from foreign powers, especially the United
States, to the Albanian nationalist cause in Kosovo. By uncritically accepting the version
of the tangled Kosovo situation presented by the Albanian lobby, American politicians
have greatly exacerbated the conflict by encouraging the armed Albanian rebels and
pushing the Serbian authorities into extreme efforts to wipe them out.

The "Kosovo Liberation Army" (UCK) has nothing to lose by provoking deadly clashes, once it is
clear that the number of dead and the number of refugees will add to the balance of the
"humanitarian catastrophe" that can bring NATO and U.S. air power into the conflict on the Albanian
side.

The Serbs have nothing to gain by restraint, once it is clear that they will be blamed anyway for
whatever happens.

By identifying the Albanians as "victims" per se, and the Serbs as the villains, the United States and
its allies have made any fair and reasonable political situation virtually impossible. The Clinton
administration in particular builds its policy on the assumption that what the Kosovar Albanians --
including the UCK -- really want is "democracy," American style. In fact, what they want is power
over a particular territory, and among the Albanian nationalists, there is a bitter power struggle
going on over who will exercise that power.

Thus an American myth of "U.S.-style democracy and free market economy will solve everything" is
added to the Serbian and Albanian myths to form a fictional screen making reality almost
impossible to discern, much less improve. Underlying the American myth are Brzezinski-style
geostrategic designs on potential pipeline routes to Caspian oil and methodology for expanding
NATO as an instrument to ensure U.S. hegemony over the Eurasian land mass.

Supposing by some miracle the world suddenly turned upside down, and there were outside powers
who really cared about the fate of Kosovo and its inhabitants, one could suggest the following:

1 - stop one-sided demonization of the Serbs, recognize the genuine qualities, faults, and fears on
all sides, and work to promote understanding rather than hatred;

2 - stop arming and encouraging rebel groups;

3 - allow genuine mediation by parties with no geostrategic or political interests at stake in the
region.

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Sie kam erstmals im zweiten Golfkrieg zum Großeinsatz und soll jetzt zu einem Hauptmittel im Kampf gegen die jugoslawische Armee gemacht werden: panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran. Eigentlich sind die Urangeschosse seit langem im Arsenal der amerikanischen Luftstreitkräfte vorhanden, aber erst seit Golfkriegszeiten ist klar, wie destruktiv sie sind. Nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen sind erschreckend, sondern auch die radioaktive Verseuchung, die ihre Benutzung unweigerlich nach sich zieht. Wohlgemerkt: es geht dabei noch gar nicht um Atomwaffen im eigentlichen Sinn, sondern um konventionelle Waffen, deren Durchschlagskraft durch Armierung mit "schwach" strahlendem, abgereichertem Uran "verbessert" wurde.

 

RADIOACTIVE WEAPONS USED BY U.S. AND NATO IN KOSOVO

Attention Assignment Editor
Press Contact Sara Flounders or John Catalinotto
For Immediate Release, April 1, 1999
* * *
The International Action Center, a group that opposes the
use of depleted-uranium weapons, called the Pentagon's decision
to use the A-10 "Warthog" jets against targets in Kosovo "a
danger to the people and environment of the entire Balkans."
The A-10s were the anti-tank weapon of choice in the 1991
war against Iraq. It carries a GAU-8/A Avenger 30 millimeter
seven-barrel cannon capable of firing 4,200 rounds per minute.
During that war it fired 30 mm rounds reinforced with depleted
uranium, a radioactive weapon.

There is solid scientific evidence that the depleted uranium
residue left in Iraq is responsible for a large increase in
stillbirths, children born with defects, and childhood leukemia
and other cancers in the area of southern Iraq near Basra, where
most of these shells were fired. Many U.S. veterans groups also
say that DU residues contributed to the condition called "Gulf
War Syndrome" that has affected close to 100,000 service people
in the U.S. and Britain with chronic sickness.

John Catalinotto, a spokesperson from the Depleted Uranium
Education Project of the International Action Center and an
editor of the 1997 book Metal of Dishonor Depleted Uranium, said
the use of DU weapons in Yugoslavia "adds a new dimension to the
crime NATO is perpetrating against the Yugoslav people --
including those in Kosovo."

Catalinotto explained that the Pentagon uses DU, a waste
product of the uranium enrichment process used for making atomic
bombs and nuclear fuel, because it is extremely dense -- 1.7
times as dense as lead. "DU is used in alloy form in shells to
make them penetrate targets better. As the shell hits its target,
it burns and releases uranium oxide into the air. The poisonous
and radioactive uranium is most dangerous when inhaled into the
body, where it will release radiation during the life of the
person who inhaled it," said Catalinotto.

Sara Flounders, a contributing author of Metal of Dishonor
Depleted Uranium and the Co-Director of the International Action
Center, said, "Warthogs fired roughly 940,000 rounds of DU shells
during the Gulf War. More than 600,000 pounds of radioactive
waste was left in the Gulf Region after the war. And DU weapons
in smaller number were already used by NATO troops during the
bombing of Serbian areas of Bosnia in 1995.

"The use of Warthogs with DU shells threatens to make a
nuclear wasteland of Kosovo," Flounders said." The Pentagon is
laying waste to the very people -- along with their children --
they claim to be saving; this is another reason for fighting to
end NATO's attack on Yugoslavia.

"Worldwide protests against these bombings are growing. The
U.S. use of radioactive weapons must be linked to all the
protests and opposition that is taking place internationally to
the bombing. These protests must be joined by environmental
activists, veterans groups, anti-nuclear groups, and all those
who know the long-term destruction to the environment and to
whole civilian populations that this type of warfare will cause."
Flounders said that Metal of Dishonor Depleted Uranium,
which has been translated and published in Arabic and Japanese,
will be coming out soon with a second edition.

Courtesy of Pan African News Wire, ac6123@wayne.edu

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"The Clinton Doctrine" geht der Frage nach, warum die Amerikaner überhaupt und warum sie jetzt mit der Bombardierung Jugoslawiens begonnen haben. Michael Klare ordnet den neuesten Krieg der NATO in ein größeres Muster ein und sieht in ihm den ersten Baustein einer geänderten geopolitischen Strategie, die der Autor schlicht als die "Clinton-Doktrin" beschreibt. Dabei scheint es nicht mehr nur um eine Weltpolizistenrolle der einzigen verbliebenen Supermacht zu gehen, sondern schon um präventives Eingreifen in jeden Konflikt, der irgendwann Gefahren für die "amerikanischen Interessen" heraufbeschwören könnte - und das weltweit. Ob es um Rohstoffe, den Schutz strategischer Verbündeter oder der eigenen, US-amerikanischen Einrichtungen und Investitionen geht: Amerika möchte gern ohne Störung durch die UNO und andere entscheiden, was der Welt am besten bekommt. Die Rolle des neuesten Deutschlands in diesem Spiel ist die des Musterschülers und Juniorpartners, der sich im Austausch für treue Dienste sein Stück vom großen Kuchen abschneiden darf. Und so steht man denn in "großer Festigkeit" (J. Fischer) füreinander ein, in einer Solidarität der Starken gegen die Schwachen, gleichgültig wieviel Tote das kosten mag.

 

THE CLINTON DOCTRINE

THE NATION
April 19, 1999
http//www.thenation.com/issue/990419/0419klare.shtml
By Michael Klare

President Clinton's decision to use military force against
the Serbs was not simply a calculated response to Slobodan
Milosevic's intransigence. A careful reading of recent
Administration statements and Pentagon documents shows that the
NATO bombing is part of a larger strategic vision.

That vision has three basic components. The first is an
increasingly pessimistic appraisal of the global security
environment. "In this last annual threat assessment of the
twentieth century," Director of Central Intelligence George Tenet
testified on February 2, "I must tell you that US citizens and
interests are threatened in many arenas and across a wide
spectrum of issues." Those perils range from regional conflict
and insurgency to terrorism, criminal violence and ethnic unrest.

The second component is the assumption that as a global
power with far-flung economic interests, the United States has a
vested interest in maintaining international stability. Because
no other power or group of powers can guarantee this stability,
the United States must be able to act on its own or in
conjunction with its most trusted allies (meaning NATO).

The third component is a conviction that to achieve global
stability, the United States must maintain sufficient forces to
conduct simultaneous military operations in widely separated
areas of the world against multiple adversaries, and it must
revise its existing security alliances -- most of which, like
NATO, are defensive in nature -- so that they can better support
US global expeditionary operations.

Combined, these three propositions constitute a new
strategic template for the US military establishment. This
template is evident, for example, in the $112 billion the
President wants to add to the Defense Department budget over the
next six years, which will be used to procure additional
warships, cargo planes, assault vehicles and other equipment
intended for "power projection" into distant combat zones.

Less public, but no less significant, is the US effort to
convert NATO from a defensive alliance in Western Europe into a
regional police force governed by Washington. Secretary of State
Madeleine Albright first unveiled this scheme this past December
at a meeting of NATO foreign ministers in Brussels. Claiming that
missile-armed "rogue states" pose as great a threat to Europe as
the Warsaw Pact once did, Albright called on NATO to extend its
operational zone into distant areas and to combat a wide range of
emerging threats. "Common sense tells us," she said, "that it is
sometimes better to deal with instability when it is still at
arm's length than to wait until it is at our doorstep."

Herein lies the essence of what might be termed the Clinton
Doctrine -- the proposition that the best way to maintain
stability in the areas that truly matter to the United States
(like Western Europe) is to combat instability in other areas,
however insignificant it may seem, before it can intensify and
spread. Perhaps the most explicit expression of this doctrine was
Clinton's February 26 speech in San Francisco -- an important
statement that clearly foreshadowed the decision to bomb Serbia
It's easy...to say that we really have no interests in who
lives in this or that valley in Bosnia, or who owns a strip
of brushland in the Horn of Africa, or some piece of parched
earth by the Jordan River. But the true measure of our
interests lies not in how small or distant these places are,
or in whether we have trouble pronouncing their names. The
question we must ask is, what are the consequences to our
security of letting conflicts fester and spread. We cannot,
indeed, we should not, do everything or be everywhere. But
where our values and our interests are at stake, and where
we can make a difference, we must be prepared to do so.

This is an extraordinary statement; not since the Vietnam
era has a US President articulated such an ambitious and
far-reaching policy. Moreover, as we have seen in the Balkans,
Clinton has every intention of acting on its precepts. His
decision to bomb Serbia is consistent with a clearly delineated
strategic plan.

There is a growing debate over the wisdom of bombing Serbia.
Certainly many people are concerned about the humanitarian
dimensions of the Serbian actions in Kosovo. But in the course of
this debate it is essential not to lose sight of the larger
strategic doctrine behind the bombing. If the newly hatched
Clinton Doctrine is not repudiated, the bombing of Yugoslavia may
be only the first in a series of recurring overseas interventions
-- a prospect that should galvanize peace and disarmament groups
across America.
Michael T. Klare, professor of peace and world security
studies at Hampshire College, is The Nation's defense
correspondent.

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Noam Chomsky ist ein weltbekannter Linguist und gleichzeitig einer der wenigen radikalen Kritiker der US-Regierung, die auch außerhalb der USA bekannt sind. In dem folgenden Interview beschreibt er konkret, warum er die US-amerikanische Intervention in Jugoslawien für heuchlerisch hält. Er warnt eindringlich vor den Folgen eines Bodeneinsatzes der NATO in Jugoslawien und gibt am Ende des Interviews den Gegnern dieses Krieges einen Ratschlag: Es wird Zeit und Mühe kosten, die Menschen davon zu überzeugen, daß er weder "humanitär" noch "gerecht" ist. Die Mittel der Wahl in dieser Anstrengung, so Chomsky, werden die alten sein: Aufklärung, Organisation, Protest. Das Interview erschien im Zmagazine.

Interviews mit Noam Chomsky im RealAudio-Format:

http://www.home.cbc.ca/real/radio/news-audio/ram/aih990416.ram

http://www.webactive.com/webactive/audio/radionation/rn990414a.ram

 

Zur Audiowiedergabe ist der RealMedia-Player erforderlich.
                  

NOAM CHOMSKY ON YUGOSLAVIA
Interview, 8 April 1999

                              * * *

     Max Boehnel: Let's decode some of the language we are
     hearing around this war. Can you comment on the use of the
     terms humanitarian crisis, genocide, and ethnic cleaning as
     they are being applied to Kosovo?

Noam Chomsky: Well for starters, the concept called "humanitarian
crisis" has a technical meaning, which does not have much to do
with what might reasonably be assumed to be the defining criteria
of the term. The technical meaning of humanitarian crisis is a
problem somewhere that threatens the interest of rich andpowerful people.
That is the essence of what makes it a crisis.
Now, any disturbance in the Balkans does threaten the interest of
rich and powerful people, namely, the elites of Europe and the
US. So when there are humanitarian issues in the Balkans, they
become a humanitarian crisis. On the other hand, if people
slaughter each other in Sierra Leone or the Congo, it's not a
humanitarian crisis. As a matter of fact, Clinton just refused to
provide the relatively puny sum of $100,000 for a peace making
force in the Republic of the Congo which might well have averted
a huge massacre. But those deaths do not constitute a
humanitarian crisis. Neither do the many other deaths and
tragedies to which the U.S. directly contributes: the massacres
in Colombia, for example, or the slaughters and expulsions of
people in southeastern Turkey, which is being carried out with
crucial support from Clinton. Those aren't humanitarian crises.
But Kosovo is a crisis because it is in the Balkans.
Now the term genocide, as applied to Kosovo is an insult to the
victims of Hitler. In fact, it's revisionist to an extreme. If
this is genocide, then there is genocide going on all over the
world. And Bill Clinton is decisively implementing a lot of it.
If this is genocide, then what do you call what is happening in
the southeast of Turkey? The number of refugees there is huge,
it's already reached about half the level of Palestinians
expelled from Palestine.
If it increases further, it may reach the number of refugees in
Colombia, where the number of people killed every year by the
army and paramilitary groups armed and trained by the United
States is approximately the same as the number of people killed
in Kosovo last year.
Ethnic cleansing, on the other hand, is real. Unfortunately, it's
something that goes on and has been going on for a long time.
It's no big innovation. How come I'm living where I am instead of
the original people who lived here. Did they happily walk away?

     MB: So human rights abuses in Kosovo are termed a
     "humanitarian crisis" by the world's most powerful state.
     But how did we get from that to all out war?

NC: Well, let's look at the situation from the US point of view:
There's a crisis, what do we do about it? One possibility is to
work through the United Nations, which is the agency responsible
under treaty obligations and international law for dealing with
such matters. But the U.S. made it clear a long time ago that it
has total contempt for the institutions of world order -- the
U.N., the World Court, and so on. In fact, the US has been very
explicit about that. This was not always the case. In the early
days of the UN, the majority of countries backed the US because
of its overwhelming political power. But that began to change
when decolonization was extended and the organization and
distribution of world power shifted. Now the US can no longer
count on the majority of countries to go along with its demands.
The UN is no longer a pliant and therefore no longer a relevant,
institution. This proposition became very explicit during the
Reagan years and even more brazen during the Clinton years.
So brazen that even right-wing analysts are worried about it. There
is an interesting article in the current issue of Foreign
Affairs, an establishment journal, warning Washington that much
of the world regards the US as a "rogue superpower" and the
single greatest threat to their existence. In fact, the US has
placed itself totally above the rule of international law and
international institutions.
NATO at least has the advantage of being pretty much under US
domination. Within NATO there are differences of opinion, so when
there was a question last September of sending unarmed NATO
monitors into Kosovo, every NATO country (with the possible
exception of Britain) wanted the operation authorized by the UN
Security Council as is required by treaty obligation. But the US
flatly refused. It would not allow the use of the word
"authorize." It insisted that the UN has no right to authorize
any US action. When the issue moved on to negotiations and the
use of force, the US and Britain, typically the two warrior
states, were eager to use force and abandon negotiations. In
fact, continental European diplomats were telling the press that
they were annoyed by the saber-rattling mentality of Washington.
So NATO as a whole was driven to the use of force, in part,
reluctantly. In fact the reluctance increases as you get closer
to the region. So England and US are quite enthusiastic, others
quite reluctant, and some in between.

     MB: Why was the US so eager to use force?

NC: The reason is obvious. When involved in a confrontation, you
use your strong card and try to shift the confrontation to the
arena in which you are most powerful. And the strong card of the
United States is the use of force. That's perhaps the only realm
of international relations where the US has a near monopoly. The
consequences of using force in Yugoslavia were more or less
anticipated. The NATO Commanding General Wesley Clark stated that
it was entirely predictable that the bombing would sharply
increase the level of atrocities and expulsion. As indeed it did.
The NATO leadership could not have failed to know that the
bombing would destroy the quite courageous and promising
democracy movement in Serbia -- as indeed it did; and cause all
sorts of turmoil in surrounding countries -- as indeed it has,
though still not at the same level of crisis as Turkey or other
places.
Nevertheless, it was necessary, as the Clinton foreign policy
team kept stressing, to preserve the credibility of NATO. Now
when they talk about credibility, they are not talking about the
credibility of Denmark or France. The Clinton Administration
doesn't care about those countries' credibility. What they care
about is the credibility of the United States. Credibility means
fear: what they are concerned with is maintaining fear of the
global enforcer, namely, the US. And that's much more important
than the fate of hundreds of thousands of Kosovars, or whatever
other consequences are incurred. So the US and NATO have helped
to create a humanitarian catastrophe by knowingly escalating an
already serious crisis to catastrophic proportions.

MB: Some people say that unless American soldiers start    
being shipped home in body bags, there will not be a serious
anti-war effort in this country. What is your assessment of
that?

NC: I don't agree with that at all. I mean, look at the history:
During the 1980's there was overwhelming opposition to US
atrocities in Central America. As a matter of fact, opposition
was so strong that the Reagan Administration had to back off and
resort to using international terrorist networks like the Contras
to carry out its policies. And there were no Americans in body
bags then. Today there's strong opposition to US support for
Indonesian slaughter in East Timor, and there are no American
body bags. If you look at the opposition to the Vietnam War,
Americans were of course being killed, but that was by no means
the decisive factor. I think that the notion that only dead
American soldiers will inspire a peace movement -- in other
words, that people are motivated only by self-interest -- is US
propaganda. It's intolerable for the propaganda system to concede
that people might act on moral instinct, which is in fact what
they do.

     MB: How do you reconcile that view with the fact that,
     according to polls at least, the majority of Americans would
     support an escalation of the war, for example, through the
     deployment of NATO ground troops?

NC: You have to keep in mind what these people are hearing. The
public is getting its marching orders from Washington. And these
orders are to disregard all other atrocities, even ones much
worse than Kosovo, especially in places where the US is involved.
Focus your attention only on this disaster and pretend to
yourself that the crisis is all about one evil man who is
carrying out genocide. This is what we are being told by our
media day and night. It's effective. Most people accept the
marching orders. Then they say we've got to do something, like
send ground troops.
The Pentagon and the European forces are strongly against it,
mainly for technical reasons. I mean it would be a catastrophe.
Sounds easy to send ground troops, but think about it. First of
all, it would not be easy to get them in, and would most probably
take months to get them ready. It would mean facing a major
guerilla war that would probably level the whole region. That's
what happens when you send in ground troops and cause greater
catastrophes. It would simply escalate the atrocities.

     MB: What steps do you think people who oppose this war
     should take now?

NC: There is no question that people of conscience must take
action against this. What can we do to end this war? Same thing
as always, there's no magical trick. It requires education,
explanation, organizing, demonstrating, exerting pressure... all
things that we know. And this is very hard to do; it's not like
flipping on a light switch. It takes work.

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Der folgende Artikel, in sarkastischem bis zynischem Tonfall gehalten, beschäftigt sich mit ähnlichen Themen wie das Chomsky-Interview.

 

FROM VIETNAM TO SERBIA

Strange are the ways of men! It feels like only yesterday
that the New York Times was denouncing President Bill as a moral
midget, deserving of the harshest reprobation for fondling Monica
Lewinsky's breasts. And today here's the New York Times doling
out measured praise to the same president for blowing little
children in pieces. The Times last Thursday had pictures of those
dead refugees on its cover, bombed by one of NATO's aviators.
Editorial page editor Howell Raines staked out the Times official
view that "For now, NATO must sustain and intensify the bombing."
What a weird guy Raines must be. Kiss Monica's tits and he goes
crazy. Bomb peasants and he shouts for more.
 
     Maybe some corner of Clinton's brain reckons that bombs on
Serbia will extinguish Monica Lewinksy from popular memory. But
what man of mature judgment and compassion would not prefer to be
remembered by the Starr report than by bomb craters and dead
bodies? Many people thought Clinton would be the first president
who would somehow prefer Starr's volume as his epitaph, however
embarrassing. But no. Like all the others he wants craters and
corpses as his requiem.
 
     Being a peacenik is definitely passe. Liberals are learning
once again -- did they every truly forget -- that it's fun to be
a warmonger and cheer the high explosive as it falls. After
suffering indigestion towards the end of the Vietnam affair, they
got the taste for war again in the mid-1990s, with Bosnia. They
became the "laptop bombardiers," an apt phrase coined by Simon
Jenkins in The Spectator in 1995.
 
     Back then, there wasn't a week, for months on end, that
Anthony Lewis didn't call for the bombardment of Serbia. The
Serbs became demons, monsters, and Milosevic the most demonic
monster of all. Last week I ran across an interesting piece by an
Indian, Lt General Satish Nambiar who had been First Force
Commissioner and Head of Mission of the United Nations force
deployed in the former Yugoslavia from March 1992 to March 1993.
He was writing in an Indian journal. "Portraying the Serbs as
evil and everybody else as good was not only counterproductive
but dishonest," the general writes. "According to my experience
all sides were guilty but only the Serbs would admit that they
were no angels while the others would insist that they were."
 
     Nambiar says accurately that there were plenty of chances of
agreement on a Bosnian settlement in the mid-1990s but the
Americans always nixed them. There was the Lisbon plan and then
the Vance-Owen plan, both not so different from the final Dayton
plan. But the trouble was that the US, amid the furious screams
of the liberals, refused to admit the Serbs had legitimate
grievances and rights.
 
     In Britain there was a coalition running from Margaret
Thatcher to the Laborite New Statesman in favor of bombing the
Serbs. Ken Livingston, the pinko firebrand of London, bellowed
for bombs. So did the Thinking Woman's Crumpet (my
sister-in-law's wry description of him), Michael Ignatieff. In
this country the laptop bombardiers crossed from the Wall Street
Journal editorial page, which likes to bomb anything, (though
most of all, Little Rock) to William Safire, to Anthony Lewis, to
the Democratic Socialists of America.
 
     The worst offender was the press, which carefully ignored
detailed accounts of how the Bosnian Muslims were manipulating
western opinion most notoriously by almost certainly lobbing a
missile in to a marketplace filled with their own people. When
the Croats ethnically cleansed the Krajina of hundreds of
thousands of Serbs -- the biggest such cleansing in the Balkans
since World War II -- with direction from US military and CIA
officer, reporters and commentators mostly looked the other way
or actually cheered. "The Serbs Asked For It," exulted the
headline on a piece in the Los Angeles Times by pundit William
Pfaff. Monitors for the European Union prepared a report on the
Croat atrocities, and though it was confidential, Robert Fisk of
the London Independent was able to get a copy. "Evidence of
atrocities; an average of six corpses a day, continue to
emerge...the corpses -- some fresh, some decomposed -- are mainly
of old men. Many have been shot in the back of the head or had
throats slit, others have been mutilated...Serbian homes and
lands continue to be looted. The crimes have been perpetrated by
the HV (Croatian Army) the CR (Croatian Police) and CR civilians.
There have been no observed attempts to stop it and the
indications point to a scorched earth policy."
 
     If American journalists had bothered to report this, then
perhaps public opinion would have been prepared for the notion
that there are no innocent political players in the Balkans. The
better informed the people are the harder it is to demagogue them
with the idea that the best way forward now is -- to get back to
Howell Raines and that New York Times editorial to "sustain and
intensify the bombing."
 
     But Bosnia, back in the middle 1990s, rode on a hysteria
that was never properly confronted and now the price is being
paid, with contemptible opportunists like Senator John McCain
shouting for "lights out in Belgrade" (why doesn't McCain have
the guts to emulate John Glenn, get assigned to a bombing crew
and go strafe refugees in Kosovo.) But McCain is more than
matched by Democrats like Senator Carl Levin, or by that
brass-lunged fraud from Vermont, Bernard Sanders, "socialist
progressive," who has endorsed Clinton's bombs.
 
     Well over two-thirds of the Democrats in the House are
cheering the bombs, and senatorial liberals like Barbara Boxer
are discovering the joys of war. "I never believed I'd go back
and vote on air strikes," she marveled in an article in the
Boston Globe for March 31.
 
     These days, to get a dose of common sense, you have to go
over the Republican side of the aisle and listen to people like
Rep Curt Weldon of Pennsylvania who made a terrific speech in
Congress on April 12, reporting on his contacts with members of
the Russian Duma (where Weldon has many friends), endorsing their
idea that Russia should pledge that Milosevic will abide by the
Rambouillet accords on condition that an international peace-
keeping force moves into Kosovo, devoid of any personnel from
nations now bombing Serbia.
 
     Follow this carefully, because the exact nature of such a
force is what's causing bombs to fall on civilians in Belgrade
and Kosovo. Remember that Milosevic agreed to virtually
everything on the table at the Rambouillet meeting, with two
exceptions. For him the status of Kosovo as part of Serbia was
non-negotiable, and he wouldn't agree to the stationing of NATO
forces on Yugoslav soil, which does after all include Kosovo. But
it's clear enough that a solution could have been found. As
Stephen Erlanger reported in the New York Times on April 8, the
Serbian Parliament, before the bombing started, accepted the idea
of a UN force to monitor a political settlement there. And it's
clear that the notion of an Albanian autonomous region within
Serbian Kosovo was negotiable. After all, Montenegro, Macedonia,
Greece -- to name only three -- and also the US have pronounced
themselves opposed to the idea of a greater Albania, which is
what an independent Kosovo would presage.
 
     It's plain enough that the US and its NATO subordinates
wanted a confrontation and ultimately forced it. It's also clear
that increasingly vocal and explicit charges by the Russians that
the KLA was supplied by the Germans and the CIA have merit. The
KLA itself was roundly denounced -- before the bombings -- in the
London Times, as a Maoist gang fueled by heroin trafficking.
(This is standard operating procedure for a CIA operation, as any
scrutiny of recent histories of Afghanistan, or south-east Asia
will attest.)
 
     So the NATO bombs began to fall and, exactly as could have
been predicted, the Serbian brutalities in Kosovo escalated and
the tidal wave of refugees began. Everything has gone according
the script. NATO bombs destroying Serbian civilian
infrastructure: power plants, sewage treatment, electricity and
gas and oil supplies. Everything that's hit is hastily described
by NATO spokesmen as "dual purpose," (i.e., possibly also for
Serb military use) unless it's obvious to all that only peasants,
with no conceivable "dual purposes" have been blasted to bits.
Wednesday last saw the mad NATO supreme commander, Wesley Clark,
utter his most deliberate and obvious lie to date, when he said
that "There was a military convoy and a refugee convoy. We struck
the Serb convoy and we have very strong evidence that the Serbs
then retaliated by attacking the column of refugees." By the next
day it became clear that there was no "Serb convoy," no "very
strong evidence" and that an Albanian column of refugees on
tractors had been killed by NATO bombers.
 
     By the end of last week the Germans were surfacing a plan
for international peacekeepers to move in, after a cease-fire
gained by the ending of aggressive Serbian operations in Kosovo.
The transition from this to a negotiated agreement guaranteed by
non-belligerent forces under UN auspices is not too hard, unless
the US refuses to relinquish its overall goal of making NATO the
arbiter of Europe's future. This is what the war and the bombing
are about. On this strategy which presumes a continued refusal to
let Russia have any role in securing a ceasefire or peace
settlement, there can be no trace or suspension of hostilities.
Indeed there can only be a ground war, with NATO troops,
following Hitler's old invasion plans, which Adolf called
"Operation Punishment," because the Serbs overthrew those who
sided with him and refused to knuckle under. Serbia was then
invaded by Germany, with Italian and Hungarian support. Now US
generals are poring over those old Nazi war plans, even while
they carefully deny it's an option.
 
     To date it's been a lovely war from the American point of
view. Only three captives, and one Stealth shot down. (We like
that Serb sign, "Sorry, we didn't know it was invisible.") A
ground war? Those who keep talk about the need to "see this
through" have probably forgotten what a ground war is really
like. People have talked so long about "a new Vietnam" that they
don't recognize it when it finally slouches round the corner. Not
just 70 dead refugees: thousands and thousands of dead civilians.
Thousands of dead soldiers. Serbian villages being flattened. Our
boys being debauched and corrupted by fighting against a people
defending their homeland.
 
     This really does take us back to somewhere round 1962 or so,
when all the Kennedy liberals and all the Eisenhower
"internationalists" thought war in Vietnam was a great and
necessary idea. The Republican isolationists had been put out of
business by then, ever since the Republican senator Vandenberg
signed on to the cold war in the 1940s. But these days there is
no communist threat. The Chinese premier just took America by
storm, without so much as a weapon in his hand, except for the
magic words, "cheap labor" and "big markets." Maybe our only hope
now is that Republican isolationist tradition. Right now main
only confusion is whether to vote for Pat Buchanan or Dan Quayle,
the only presidential candidates to oppose the war. We've always
loved Marilyn Quayle, with those wonderful great teeth, big
enough to chomp an apple through a picket fence. A Vote for
Quayle is a Vote for Peace! The essence of a properly functioning
corporate democracy is that there are no agreeable choices. CP
    

CounterPunch is a project of the Institute for the
Advancement of Journalistic Clarity
Copyright 1999. All rights reserved.

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Ein Artikel aus dem britischen Independent, von Robert Fisk. Er beschäftigt sich mit der ausschließlich humanitären Bombardierung des serbischen Staatsfernsehens durch die NATO, die in kaum noch zu überbietender Dreistigkeit als Teil der Kampagne gegen das jugoslawische Militär verkauft werden soll. Dabei geht es wohlweislich nicht um die Verhinderung von "Feindpropaganda" in das NATO-Gebiet hinein, sondern um die Frage, was die Jugoslawen selbst hören und sehen dürfen. Der strenge Menschenrechtszuchtmeister NATO möchte gern die Lügen der Gegenseite durch seine eigenen ersetzt wissen - selbst auf der Gegenseite.

 

Hanging upside-down from the wreckage was a dead man, in his fifties perhaps, although a benevolent grey dust had covered his face. Not far away, also upside-down - his legs trapped between tons of concrete and steel - was a younger man in a pullover, face grey, blood dribbling from his head on to the rubble beneath.

ROBERT FISK IN BELGRADE

Deep inside the tangle of cement and plastic and iron, in what had once been the make-up room next to the broadcasting studio of Serb Television, was all that was left of a young woman, burnt alive when Nato's missile exploded in the radio control room. Within six hours, the Secretary of State for International Development, Clare Short, declared the place a "legitimate target".

It wasn't an argument worth debating with the wounded - one of them a young technician who could only be extracted from the hundreds of tons ofconcrete in which he was encased by amputating both his legs. Nor with the silent hundreds who gathered in front of the still-smoking ruin at dawn yesterday, lost for words as they stood in the little glade of trees beside St Marko's Cathedral, where Belgrade's red and cream trams turn round. A Belgrade fireman pulled at one of the bodies for all of 30 seconds before he realised that the man, swinging back and forth amid the wreckage, was dead.

By dusk last night, 10 crushed bodies - two of them women - had been tugged from beneath the concrete, another man had died in hospital and 15 other technicians and secretaries still lay buried. A fireman reported hearing a voice from the depths as the heavens opened, turning into mud themuck and dust of a building that Ms Short had declared to be a "propaganda machine".

We had all wondered how long it would be before Nato decided that Radio Televizija Srbija should join the list of "military" targets. Spokesmen had long objected to its crude propaganda - it included a Nato symbol turning into a swastika and a montage of Madeleine Albright growing Dracula teeth in front of a burning building.

It never reported on the tens of thousands of Albanian refugees who spoke of executions and "ethnic cleansing" in Kosovo. It endlessly repeated films that depicted Yugoslav soldiers as idealised heroes defending their country. It carried soporific tapes of President Slobodan Milosevic meeting patriarchs, Cossacks, Russian envoys and the Kosovo Albanian leader Ibrahim Rugova. The channel was showing an American interview with Mr Milosevic when the first cruise missile smashed into the station's control room just after two o'clock yesterday morning.

But did this justify killing the night staff in their studios and taping rooms? Two weeks ago, Nato's spokesmen had been suggesting that RTS would have to carry six hours of Western television a day if it was to survive - CNN's bland, safe coverage of events presumably offering some balance to the rubbish churned out on the RTS news. But once Nato decided this was as preposterous as it was impracticable, its spokesman announced that the station was not on the list of Nato targets. Then, on Monday, CNN's bosses called up from Atlanta to inform the satellite boys in Belgrade that they should pull out of the RTS offices. Against the wishes of other Nato nations, so the word went, General Wesley Clark had decided to bomb Serb television. CNN withdrew from the building in Takovska Street. And that night, we were all invited to have coffee and orange juice in the studios.

The building was likely to be a target of the "Nato aggressor", according to Goran Matic, a Yugoslav federal minister, as he walked us through the ground floor of the doomed building. Yet, oddly, we did not take him seriously. Even when the air-raid siren sounded, I stayed for another coffee.

Surely Nato wouldn't waste its bombs on this tiresome station with its third-rate propaganda and old movies, let alone kill its staff.

Yesterday morning, the moment I heard the cruise missile scream over my hotel roof, I knew I was wrong. There was a thunderous explosion and a mile-high cloud of dust as four storeys collapsed to the ground, sandwiching offices, machines, transmitters and people into a pile of rubble only 15 feet high.

Yet, within six hours, Serb television was back on the air, beaming its programmes from secret transmitters, the female anchorwoman reading the news from pieces of pink paper between pre-recorded films of Serbian folk-songs and ancient Orthodox churches. All along, the Serbs had been ready for just such an attack. We had not believed Nato capable of such ferocity. The Serbs had.

The crowds still stood in the park as darkness fell, watching the men with drills punching their way through the concrete for more survivors. By that time, explanations were flowing from Nato's birthday celebrations in Washington. Serbia's "propaganda machine" had been prolonging the war. I wonder. I seem to recall Croatian television spreading hatred a-plenty when it was ethnically cleansing 170,000 Serbs from Croatia in 1995. But we didn't bomb Zagreb. And when President Franjo Tudjman's lads were massacring Serbs and Muslims alike in Bosnia, we didn't bomb his residence. Was Serbian television's real sin its broadcast of film of the Nato massacre of Kosovo Albanian refugees last week, killings that Nato was forced to admit had been a mistake?

Yes, Serbian television could be hateful, biased, bad. It was owned by the government. But once you kill people because you don't like what they say, you have changed the rules of war. And that's what Nato did in Belgrade in the early hours of yesterday morning.

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Es ist wahr, der folgende Artikel von Robert Fisk riecht nach Euronationalismus. Es gibt nicht den geringsten Grund anzunehmen, die USA hätten diesen Krieg allein gewollt, ganz im Gegenteil, die deutsche und die britische Regierung hatten ein durchaus ernstzunehmendes Interesse daran, daß er zustande kam. Und wer glaubt, daß ein eigenständiger Euroimperialismus weniger brutal als der US-amerikanische sein wird, der sollte sich vielleicht daran erinnern, welche Massaker der europäische (auch der deutsche) Kolonialismus in der Vergangenheit anzurichten bereit war, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber was Robert Fisk über Wesley Clark und die Bombardierung der chinesischen Botschaft zu erzählen bzw. zu mutmaßen hat, ist einfach lesenswert.

 

What is the point of NATO?

Robert Fisk


An Atlantic alliance that has brought us to this catastrophe should be wound up


HOW MUCH longer do we have to endure the folly of Nato's war in the Balkans? In just 50 days, the Atlantic alliance has failed in everything it set out to do. It has failed to protect the Kosovo Albanians from Serbian war crimes. It has failed to cow Slobodan Milosevic. It has failed to force the withdrawal of Serb troops from Kosovo. It has broken international law in attacking a sovereign state without seeking a UN mandate. It has killed hundeeds of Innocent Seeb civilans - in our name, of course - while being too cowardly to risk a single Nato life in defence of the poor and the weak for whom it meretriciously claimed to be fighting. Nato's war cannot even be regarded as a mistake - it is a criminal act.

It is, of course, now part of the mantra of all criticism of Nato that we must mention Serb wickedness in Kosovo. So here we go. Yes, dreadful, wicked deeds - atrocities would not be a strong enough word for it - have gone on in Kosovo: mass executions, rape, dispossession, "ethnic cleansing", the murder of intellectuals. Some of Nato's propaganda programme has done more to cover up such villainy than disclose it.


And, as we all know, the dozens of Kosovo Albanians massacred on the road to Prirren were slaughtered by Nato - not by the Serbs as Nato orignally claimed. But I have seen with my own eyes - travelling under the Nato bombardment - the house-burning in Kosovo and the hundreds of Albanians awaiting dispossession in their villages.
But back to the subject - and perhaps my first question should be put a little more boldly. Not: "How much longer do we have to endure this stupid, hopeless, cowardly war?" but: "How much longer do we have to endure Nato? How soon can this vicious American-run organisation be deconstructed and politically 'degraded', its pontificating generals put back in their boxes with their mortuary language of 'in-theatre assets' and 'collateral damage"'?

And how soon will our own compassionate, socialist liberal leaders realise that they are not fighting replay of the Second World War now striking a blow for a new value-rich millennium? In Middle East wars I've always known when a side was lsoing - it came when its leaders started to complain that journalists were not being fair to their titanic struggle for freedom / democracy / human rights / sovereignty / soul. And on Monday, Toni Balir started the whining. After 50 days of television coverage soaked in Nato propaganda, after weeks od Nato officials being questioned by sheep-like journalists, our Prime Minister announces the press is ignoring the plight of the Kosovo Albanians.

The fact that this is a lie is not important. It is the nature of the lie. Anyone it seems, who doesn't subscribe to Europe's denunciations of Fascism or who raises an eyebrow when - in an acht of utter folly - the Prime Minister makes unguaranteed promises that the Kosovo Albanians will all go home, is now off-side, biased - or worthy of one of Downing Street's preposterous "health warnings" because they allegedly spend more time weeping for dead Serbs than the numerically greater number of dead Albanians. (the assumption also being, of course, that it is less physically painful to be torn apart by a Nato cluster bomb than by a Awerb rocket-propelled grenade).

President Clinton - who will in due course pull the rug from under Mr. Blair - tells the Kosovo Albanians that "they have the right to return". Not the Palestinian refugees of Lebanon, of course. The do not have such a right. Nor the Kurds dispossessed by our Nato ally, Turkey. Nor the Armenians driven from their land by the Turks in the world's first holocaust (there being only one holocaust which Messers Clinton and Blair are interested in invoking just now).

Mr. Blair's childish response to this argument ist important. Just because wrongs have been done in the past doesn't mean we have to stand idly by now. But the terrible corollary of this dangerous argument is this: that the Palestinians, the Armenians, the Rwandans or anyone else cannot expect our compassion. They are the past. They atre finished.

But what is all this nonsense about Nato standing for democracy? It happily allowed Greece to remain a member when its ruhtless colonels staged a coup d'état which imprisoned and murdered intellectuals. Nato had no objection to the oppression of Salazar and Caetano - who where at the same time busy annihilating "liberation" movements almost identical to the Kosovo Liberation Army. Indeed, the only time when Nato proposed to suspend Portugal's membership - I was there at the time and remember this vividly - was when the country staged a revolution and declared itself a democracy.

Is it therefore so surprising that Nato now turns out to be so brutal? It attacks television stations and kills Serb journalists - part of Milosevic's propaganda machine a "legitimate target", shrieks Clare Short.

And what about the Chinese embassy? Did the CIA really use an old map? Or did the CIA believe that - because Mira Markovic (the wife of the Yugoslav President) had such close relations with the Chinese government that both she and President Slobodan Milosevic might be sleeping in the Chinese embassy? Nato, remember, hat already targeted the Milosevic residence in an attempt to assassinate him. It had already - according to one disturbing report - tried to lure the Serb minister of information to the Serb television headquarters just before it was destroyed.

So why not the Chinese embassy? Would Nato do anything so desperate? Well, Nato is desperate. It is losing the war, it is destroying itself.

As for General Wesley Clark, the man who thought he could change history by winning a war without ground troops, we have only to recall his infantile statement of last month about President Milosevic. "We are winning and he is losing - and he knows it," General Clark told us.

He did not explain why Mr, Milosevic would need to be told such a thing if he knew it. Nor did he recall that he had once accepted from General Ratko Mladic - the Bosnian Serb military leader whose men where destroying the Muslims of Sarajevo - a gift of an engraved pistol. Nor, of course, did General Clark remind us that General Mladic and his colleague Radovan Karadjic remain free in Bosnia - which is under the firm control of Nato troops.

Nor are we going to be given the good news which this war portends for General Clark's most loyal allies, the arms manufacturers of our proud democracies. Boeing hit a 52-week high last week with stock trading at just under $44 (£ 27) British Aerospace share prices have gained a 43 per cent increase since Nato's bombardment commenced. The British government said on Tuesday that "military operations" were costing £37m "excluding munitions". Now why, I wonder, did this figure exclude munitions?

All of which makes me wonder too, if this disastrous war is going to be the end of Nato. I hope so. As a citizen of a new, modern Europe, I don't want my continent led by the third-rate generals and two-bit under-secretaries who have been ranting on our television screens for the past 50 days. I don't want Europe to be "protected" any longer by the US. If that means the end of the Atlantic alliance, so be it.

Because an Atlantic alliance that has brought us to this catastrophe should be wound up. Until it is, Europe will never - ever - take responsibility for itself or for the dictators who threaten our society. Until then, Europe will never lay its own lives on the line for its own people- which is what the Kosovo Albanians need. Until Nato is dead, there will never be a real European defence force. And until Nato is dead, there will be no need to seek the international mandate from the United Nations which "hummufantarian action" needs.

And the UN, ultimately, is the only institution the poor and the sick and the raped and the dispossessed can rely on. Nato troops are not going to die for Kosovo. So what is the point of Nato?

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Das International Action Center mobilisiert für die am 5.Juni in Washington stattfindende Antikriegsdemonstration, die sich auf das Pentagon konzentrieren und unter den Überschriften "Schluss mit der Bombardierung Jugoslawiens" und "Mehr Geld für Arbeitsplätze und Erziehung statt für den Krieg" stehen soll. Der Aufruf warnt vor der Möglichkeit eines baldigen Bodenkriegs und mutmaßt, es könnten künstlich "serbische Massaker" geschaffen werden, wenn die Volksmeinung für einen Bodenkrieg gewonnen werden muß.


International Action Center
39 West 14 Street, #206
New York, NY 10011
(212) 633-6646 fax: (212) 633-2889
http://www.iacenter.org email: iacenter@iacenter.org

May 18, 1999 Anti-War Bulletin from the International Action Center
At the Crossroads -- an urgent message to the anti-war movement

By Brian Becker, Co-Director, International Action Center

Is the U.S./NATO leadership planning a ground war?

Is the United States administration and the Pentagon now preparing
for a ground war; that is, an invasion and occupation of Yugoslavia?
There are conflicting signals and deep divisions within the U.S.
political establishment about the direction of the war. But the
anti-war movement needs to be made urgently aware of the very real
prospect of a dramatic escalation.

On its face, the ground war scenario may seem unlikely. Clinton
could not even muster a majority in Congress to support the bombing
campaign, which is designed to make sure that all the bleeding is
done by Yugoslavs. Public opinion polls indicate deep skepticism and
widespread opposition to the war effort. There are daily "hints"
about a possible diplomatic resolution in the big business-dominated
media like the New York Times and Washington Post.

In a report released on May 17, Agence France Press reports that
Germany will not back moves to send NATO ground troops into Kosovo
without the consent of the Yugoslav government. The AFP story quotes
German Foreign Minister Joschka Fisher as stating "There will be
no majority in the Bundestag for sending ground troops." A photo
of Fisher being splattered with red paint by angry members of the
pacifist wing of the Green Party appeared on the front page of the
New York Times and other dailies around the world on May 14.

The massive demonstrations that almost turned into rebellions against
U.S. government facilities throughout China, following the NATO
bombing of the Chinese Embassy in Belgrade, were a powerful signal
of the opposition that exists in China against a further escalation.
And anti-war protests continue to gather steam around the world.

These are certainly deterrents to an escalation of the war into a
ground war. But there are other indications that the maniacs in the
Pentagon want all-out victory.

On Sunday, May 16 the BBC radio reported that the Joint Chiefs of
Staff had sent a letter to Defense Secretary William Cohen urging
the preparation for a ground war. Newsweek magazine, on May 16,
confirms the letter from the Joint Chiefs of Staff. Newsweek quotes
the Pentagon leaders as "saying that only ground troops would
guarantee fulfillment of the administration's political objectives."

Is the U.S. preparing a new Gulf of Tonkin "incident?"

"You furnish the pictures and I'll furnish the war," is what
newspaper magnate William Randolph Hearst told his frustrated
photographer Fredric Remington, who had wired him from Cuba in 1898
that he could not find the war that he had been sent to cover.
Hearst was an advocate of U.S. expansionism. He had wanted the war
against Spain in 1898 so that the U.S. could grab Cuba, Puerto
Rico and the Philippines from the then failing Spanish empire. The
purpose of sending a photographer was to publish heart-rending
pictures of Cubans suffering under the boot of Spanish domination.
Hearst was not a friend of Cuban freedom. He was an advocate of U.S.
colonial expansion.

The William Randolph Hearst story is not news. We all learn about it
in grade school. It's safe to talk about such brazen manipulation
of an event that is a century old. But it's important to remember
how the wars of the past evolved, especially as we ponder the
endless video footage of the horrific scenes of refugees fleeing
Kosovo in recent weeks. And we should be on guard for new levels of
manipulation if the Pentagon planners opt for a an expansion of the
war with ground troops.

It would be naïve to believe that public opinion could not be
momentarily manipulated in order to win at least temporary approval
for an invasion. At such moments the corporate-owned media normally
fall in line, inundating the public with war propaganda.

The war makers have always been able to create or utilize a major
incident or "outrage" as a pretext to win a temporary support or
acquiescence for a war. Often times, these "incidents" are complete
fabrications created by the war makers themselves.

The mysterious explosion of the battleship USS Maine in Havana harbor
in 1898 was turned into the war slogan "Remember the Maine" and the
anti-war sentiment that existed then was drowned out. The "outrage"
over the sinking of the Lusitania by German submarines was used to
overcome opposition to the U.S. entrance into World War I. It was
the "sneak attack" on Pearl Harbor that the U.S. used as a reason
to enter World War II and it was the Gulf of Tonkin "attack" in 1964
by the north Vietnamese against U.S. naval vessels that was used to
escalate the Vietnam War into a major war. In each case, including
the ones that were entirely faked, these incidents provided the
basis for a war hysteria that momentarily silenced the opposition
to escalation.

Demonization and War in Yugoslavia

The United States has specialized in manipulating or even creating
"incidents and allegations" against the Yugoslav government during
the recent civil wars as a means and justification to expand the
U.S. military intervention in the region.

If we go back three-and-a-half years we can remember that the NATO
bombing of Serb positions on Bosnia was preceded by a war hysteria
created around a "Serb atrocity." The world was horrified to learn
of a major bomb explosion on August 28, 1995 at a small, enclosed
market place in Sarajevo, the capital of Bosnia. This event was
seized on by the U.S. and NATO to start bombing Serb positions.

What happened? Thirty-seven people waiting in line to buy food were
blown to bits by what was said to be a Bosnian Serb artillery round.
It appeared to be a genocidal-type bombing aimed at civilians and
was used to indicate the absolute depravity of the Serb side. In
that political climate, 4,000 U.S./NATO air sorties were carried out.

But was it a Serb artillery shell that blew up the marketplace
or was it a cold-blooded provocation by the right wing Bosnian
government forces who were backed by the United States?

New York Times correspondent David Binder reported in the October
2, 1995 issue of The Nation magazine that the bombing came the
day after the Assistant Secretary of State Richard Holbrooke had
threatened more active NATO air strikes. Only a pretext or excuse
was needed. Binder quoted several different military sources who
challenged the assertion that the Bosnian Serb artillery could have
been responsible. A Canadian specialist with long service in Bosnia
had told Binder that the fuse of the mortar shell recovered from
the marketplace crater "had not come from a mortar tube at all."

Two U.S. administration officials in Sarajevo, who spoke to Binder
on the condition of anonymity, told him that based on the trajectory,
the depth of the crater, and other concrete evidence, that the shell
was either fired from a very close range or dropped from a nearby
roof into the crowd. A Russian artillery officer went on TV to
announce that the probability of hitting a street less than 30 feet
wide from Serb military positions one or two miles away was "one in
a million."

Regardless of the veracity of the story about the Serb artillery
shelling of the Sarajevo marketplace in August 1995, it became the
immediate rallying flag for NATO intervention and the subsequent
massive bombing campaign of Serb positions in Bosnia.

An examination of the Balkans Wars since 1991 demonstrates that the
demonization campaign against the Yugoslav government, the Serbian
peoples, and all those who stood for the retention of a unified
Yugoslavia was central to the military, economic, and political
effort to subvert and destroy Yugoslavia.

The ultra-right wing Croatian and Bosnian Muslim separatist movements
not only received the financial and military support of United
States, German, and other Western governments. They actually employed
a U.S. public relations firm Ruder Finn that openly admits that it
pursued a public relations campaign likening Serbs to Nazis. This
demonization campaign was excellently described by Diana Johnstone,
in her article "Seeing Yugoslavia Through a Dark Glass: Politics,
Media, and the Ideology of Globalization." Johnstone was the European
editor of the newspaper "In These Times" from 1979 to 1990, and press
officer of the Green Group in the European Parliament from 1990 to
1996.

The demonization campaign has always preceded the next escalation of
the imperialist effort to destroy and dismember Yugoslavia.

The Role of the Racak "Massacre"

A similar "atrocity" was used as a pretext for the new bombing war
that started March 24, 1999.

On January 15, 1999, in the Kosovo village of Racak, Yugoslav and
Serbian police forces were accused of carrying out a horrible
massacre of civilians. William Walker, a U.S. diplomat in charge of
the international monitoring force in Kosovo, went to the site with
Western reporters and proclaimed that 45 people had been "killed in
the massacre." Pictures of 40 bodies laid out in a village Mosque
were put on the front page of all the major Western newspapers.
Walker called it a "crime against humanity" by the Yugoslav
government led by Slobodon Milosevic. The clamor for U.S. military
intervention took on a new momentum. Waves of condemnation of the
Yugoslav government swept the U.S., British, and Canadian media,
replete with interviews of the sorrowful survivors. No questioning
of the official U.S. story was heard. When the Yugoslav government
attempted to give a contrary explanation, it was cavalierly
dismissed.

The United States and its NATO allies immediately moved significant
military forces into the area in January 1999. More than 400
aircraft were readied for action. An aircraft carrier entered the
Adriatic Sea and NATO officials announced that they would be ready
to intervene in Yugoslavia within 48 hours.

The stage had been set for a war. The massacre story was used to
fully demonize the Yugoslav and Serb government. The U.S. chose to
delay the war for another two months because it wanted to present
itself as seeking a "diplomatic solution" before the resort to arms.
It organized the completely fraudulent Rambouillet peace process in
early March, presenting the Yugoslav government with a so-called
peace accord that it knew no sovereign government would sign. The
Rambouillet Accord would have allowed NATO troops to occupy Kosovo,
and enjoy unfettered control over the entire Federal Republic of
Yugoslavia. It insisted that no NATO personnel could be arrested,
put on trial or held liable for any crime or offense committed
during the occupation of the country.

The Role of William Walker

William Walker was presented as the consummate neutral peace keeper.
Why question his word? In fact, no major U.S. media outlet did
question his account. William Walker, however, is not a neutral
peace keeper. He is a war criminal and a professional liar.. As a
special assistant to Lt. Col. Oliver North and Assistant Secretary
of State Eliot Abrams, Walker was a key operator in Reagan's White
House operation to overthrow the Nicaraguan government in the 1980s.

According to charges filed in U.S. district court by independent
council Lawrence Walsh, Walker was responsible for setting up a
phony humanitarian operation at an airbase in Ilopango, El Salvador.
That "humanitarian" air base was used to run guns, ammunitions, and
supplies to the fascist Contra mercenaries attacking the Nicaraguan
Revolution. Walker was also the U.S. Ambassador to El Salvador
from 1988 to 1992 when military death squads murdered thousands
of progressive workers, peasants, and young people. Many of the
Salvadoran death squad leaders were trained at the U.S. military's
School of the Americas at Fort Benning, in Georgia.

While the U.S. media accepted Walker's massacre story and used it
to create the war hysteria that permitted the current NATO bombing
war, many of the European press challenged Walker's and the KLA's
account. The French newspapers Le Monde, Le Figario, and Liberation
all ran stories pointing out major inconsistencies in the "massacre"
report. There was considerable evidence, in fact, that the corpses
were not civilians at all, but KLA soldiers who, after having been
killed in a battle, had been dressed in civilian garb and placed in
the mosque.

Is a New "Massacre" in the Works?

The question now for anti-war forces is this: Are the United States
military and CIA actively preparing for a new "massacre," a new
"horror story" of Serb atrocities to serve as a pretext for an
expansion of the war? Why would they do this? Because the air war,
while it has been successful in inflicting great suffering on the
people of Yugoslavia, has not broken the resistance of the people
or of the government. Do they need to create a new momentum of
demonization? Yes. As things stand now, the announcement for an
escalation into a ground war would be met by considerable opposition.

There is no reason to be overly speculative, but there is every
reason to be on guard. At the minimum, we want to share information
with anti-war activists as we learn of it here at the International
Action Center.

There are reports from Croatian sources of another planned massacre.
They report that American and German pilots have been training with
Yugoslav-made planes left for the Croatian Air Force after Croatia
seceded from the Federal Republic of Yugoslavia. These planes will
reportedly be painted so that they appear to be part of the Yugoslav
Air Force and then used to bomb refugees in Albania.

We, of course, have no way to verify that this scenario would
actually be enacted. But if there is to be a ground war, we will
most certainly be treated to the initiation of a war hysteria around
some similar type "atrocity" that can be laid at the doorstep of the
Yugoslav government.

Is an expansion of the war into a ground war imminent? Certainly
the Clinton Administration is conducting its own internal debate
on this subject just as the Kennedy Administration was holding a
similar debate about Vietnam in the months before Kennedy's murder.

The Consequences of a Ground War

The stakes in a U.S./NATO expansion are high. The people in
Yugoslavia have a long and proud tradition of resistance to foreign
occupation. More than one million Serbs, along with many of their
Croatian, Slovenian, Montenegrin, Albanian, and Macedonian comrades
in the Partisan struggle, gave their lives while defeating the
Nazi occupation forces. The people of Yugoslavia defeated Hitler's
divisions. Unlike the other countries of central and eastern Europe,
this remarkable achievement took place without the immediate
intervention of the Soviet Red Army.

Judged by the unity that has been demonstrated in Yugoslavia during
the past seven weeks, there is every reason to believe that a
U.S./NATO occupying army would meet with fierce resistance, including
guerrilla war. U.S. and other NATO troops will certainly suffer many
casualties.

Even though a ground war will lead to immense suffering, even greater
than that inflicted by the air war, that is no reason to believe that
the Pentagon establishment will not select the ground war invasion
option as a way to overcome the steadfastness demonstrated so far in
Yugoslavia.

The Times of London on May 16 ran a story quoting an anonymous
British Defense official who stated that NATO troops could be ready
to go into Kosovo by July or August. To meet this deadline would
require prepartion to send the troops would have to begin very soon.

Jane's Defense Weekly, in a very significant story in the May 10
issue, reports that the current leader of the Kosovo Liberation Army
is a Croatian general, Agim Ceku. He was in charge of Operation
`Storm,' the bloodiest and most brutal military campaign - until the
current NATO bombing--carried out in the Balkans since the invasion
of the Nazis during World War II. In August 1995, the Operation
`Storm' offensive against the Serbian population in the Krajina
region in Croatio that drove hundreds of thousands of Serbs from the
region that they have inhabited for centuries.

Ceku is a U.S.-trained military officer who is closely tied to the
Pentagon's Military Professional Resources, Inc. (MPRI). The MPRI
is a semi-official Pentagon contractor, headed by retired U.S.
military officers. It specializes in sending mercenary armies under
Pentagon contract into unofficial wars. The MPRI was contracted
by the Pentagon to organize and train the Croatian Army for its
Operation Storm against Serbs in Krajina. This massive ground
offensive against hundreds of thousands of civilians was seen as
the decisive military event that forced the Milosevic government in
Yugoslavia to sign the U.S.-brokered Dayton Accord for Bosnia.

Many see the public identification of Ceku as the leader of the KLA
as an ominous sign that a ground war is being prepared.

June 5th Demonstration & the Key Role of the Anti-War Movement

The anti-war movement finds itself in a pivotal position. The ruling
classes in the various imperialist NATO countries are divided about
the war effort. Of course, they are all equally culpable for the
criminal bombing. But some are clearly fearful that this war drive
will backfire. Moreover, the imperialist allies in NATO are also
rivals. Each wants to dominate its own sphere. Germany and the U.S.,
the two most powerful imperialists in NATO, have deeper antagonisms
over the domination of Europe generally. The same inter-imperialist
rivalries that led earlier to World War I and World War II are
re-emerging in the wake of the collapse of the USSR and the
socialist bloc in Eastern Europe.

Classically, it is in the environment of deep divisions within the
ruling class(es) that a popular movement can achieve a decisive
influence.

The broad mobilization of a conscious and angry mass anti-war
movement can become a major factor in the outcome of this struggle.

Our analysis of the war situation is not academic. We assess the
possible variant directions in the war situation to chart a course of
action. The U.S. and NATO may try to achieve an early settlement of
the war. They want the Yugoslav people and the government to surrender
to the demands of creating an imperialist protectorate in Kosovo.
They are as yet unsure about the viability of a ground invasion to
accomplish this objective. But unless a settlement is arrived at soon
there will be greater and greater pressure by the extreme militarists
to expand and widen the war.

We urge all those who oppose the war and who oppose the expansion
of U.S./NATO imperialism to join the growing ranks of organizers to
make the June 5 March on the Pentagon a truly massive event. The
demonstration is organized around very clear demands: "Stop the
Bombing of Yugoslavia" and "Money for Jobs and Education Not War."

The mobilization of a peoples movement in every city, on every
campus, every high school, in the neighborhoods, office buildings
and factories can assume a great and historic role. The power is
in the people. We must all energetically work to make this latent
power become the decisive factor in this struggle.

Sources:

1) NATO and the Balkans, by Ramsey Clark and others, published by
the International Action Center
2) Croation General Heads KLA, by Gary Wilson, Workers World,
May 27, 1999
3) Kosovo massacre was faked, by G. Dunkel, Workers World News
Service, Feb. 4, 1999
4) Seeing Yugoslavia Through a Dark Glass, by Diana Johnstone
5) Agence France Press dispatch, May 17, 1999
6) The Rambouillet Accord, Declaration of War Disguised as a Peace
Agreement, by Richard Becker, published by International Action
Center

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Cathrin Schütz, Belgrad
 
Beweisnot in Den Haag
 
UN-Tribunal will dubiose Dokumente nutzen, um Vorwürfe gegen Milosevic aufrechtzuerhalten
 
Am UN-Tribunal in Den Haag ist am Montag die Sommerpause zu Ende gegangen. Im Prozeß gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic soll in den kommenden Monaten schwerpunktmäßig das »Massaker von Srebrenica« im Juli 1995 verhandelt werden. Im Fall des Bürgerkriegs in Bosnien-Herzegowina wirft Chefanklägerin Carla del Ponte dem Angeklagten »Völkermord« vor. Ursprünglich war dieser Tatvorwurf auch Teil des Kosovo-Komplexes. Mangels Beweisen mußte dies allerdings fallengelassen werden. Dabei war der Völkermordvorwurf Hintergrund der Anklage und der illegalen Auslieferung Milosevics. Auch im Fall Srebrenica bewegt sich del Ponte auf dünnem Eis. Noch vor der Sommerpause hatte der ehemalige jugoslawische Präsident Zoran Lilic vor Gericht Milosevic bescheinigt, nicht in das Massaker in der ehemaligen UN-Schutzzone verwickelt gewesen zu sein.

Das »Institute for War and Peace Reporting« (IWPR) in London spielte der Anklageseite in Den Haag indes ein belastendes Papier zu, bei dem es sich um einen vom damaligen bosnisch-serbischen Innenminister Tomislav Kovac unterzeichneten Befehl zur Truppenverlegung serbischer Polizeieinheiten von Sarajevo nach Srebrenica handeln soll. Stacey Sullivan, Mitarbeiterin von IWPR, erklärte, das Dokument belege erstmalig, daß Polizei aus Serbien an der Operation in Srebrenica teilnahm. Dem entgegen hob die Washingtoner »Koalition für internationale Gerechtigkeit« hervor, daß dies durch das Dokument keineswegs bewiesen sei. Daß weiterhin unbekannt sei, was Milosevic selbst von den Vorgängen wußte, mußte jedoch auch Sullivan zugeben.

Die New York Times, die sich sonst in der Vorverurteilung des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten übt, berichtete bereits im Juni, daß bekannt sei, daß gegen Milosevic im Falle Srebrenica keine Beweise vorliegen: »Sogar im Prozeß gegen General Radislav Krstic, einem der Kommandierenden in Srebrenica, der zu 46 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, lag den Anklägern kein Dokument vor, das Belgrad mit den Verbrechen in Verbindung bringt.« Es scheint sich auch bei dem neuen Papier nicht um einen Beweis gegen Milosevic zu handeln. Die Sprecherin der Anklageseite bezeichnete das Dokument denn auch nur als »ein Element«. Vermutlich wird das Dokument genutzt, um Lilics Aussage über Milosevics Unschuld aus den Medien zu verdrängen. IWPR gibt an, das Papier bislang »übersehen zu haben«.

Wenn man die Kooperationspartner des IWPR betrachtet, verstärkt sich der Verdacht, daß das Institut den Anklägern in die Hände spielt. Zu diesen Partnern gehören das »Open Society Institute« des US-amerikanischen Multimillionärs George Soros, der auch das Tribunal selbst mitfinanziert. Über »US AID« erhält das Institut Mittel der US-Regierung. Weitere stammen von der US-amerikanischen Organisa-
tion »IREX«, die eigenen Angaben zufolge direkte Unterstützung vom Außenministerium in Washington erhält. IREX finanziert auch Journalisten aus dem ehemaligen Jugoslawien, die von Den Haag aus über den Milosevic-Prozeß berichten.

Ein Assistent von Milosevic kommentierte gegenüber jW: »Carla del Ponte prahlte kürzlich gegenüber der Presse, sie habe alle Anklagepunkte beweisen können, nur der Völkermord sei schwerer nachzuweisen, aber sie werde das in den kommenden Monaten tun. Das war ihr Versuch, der Öffentlichkeit ihren fehlenden Erfolg zu verheimlichen, da ihre Position als Chefanklägerin derzeit gefährdet ist. Milosevics Schuld kann nicht nachgewiesen werden, weil es sie nicht gibt. Jeder weiß, daß er Extremismus und Verbrechen öffentlich verurteilte, auch wenn sie von serbischer Seite kamen. Er hat angekündigt, daß er versuchen werde, die Komplizenschaft der westlichen Geheimdienste bei den schlimmsten Verbrechen in Bosnien und Kroatien nachzuweisen.«

Dieses Unternehmen dürfte sich als erfolgreicher erweisen als der Versuch der Anklage, Beweise für eine Verbindung Milosevics zum Massaker von Srebrenica zu erbringen. Schon die Kommission unter Cees Wiebes vom Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation
(NIOD), die den wohl umfangreichsten Bericht über den Krieg in Bosnien erstellte, brachte eben dies zutage. Wiebes hatte ungehinderten Zugang zu niederländischen Geheimdienstdokumenten und recherchierte bei Geheimdiensten westlicher Staaten und in Bosnien. Während es in der Presse hieß, es gebe »keine Hinweise auf eine direkte Verbindung Milosevics und der serbischen Behörden in Belgrad« in den Überfall auf Srebrenica, brachte die Untersuchung die direkte Verwicklung ausländischer Kräfte ans Licht: »Die USA benutzen Islamisten, um die bosnischen Muslime zu bewaffnen; der Srebrenica-Bericht enttarnt die Rolle des Pentagons in einem schmutzigen Krieg. Die offizielle niederländische Untersuchung des Srebrenica-Massakers von 1995 enthält einen der sensationellsten Berichte über westliche Geheimdienste, die je veröffentlicht wurden«, so der britische Guardian.
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Der Schriftsteller Peter Handke, die öffentliche Meinung und der Krieg in Jugoslawien

Von Bernd Reinhardt
22. Juli 1999

Während viele deutschsprachige Künstler während des Kosovo-Kriegs die Deckung suchten, hat der österreichische Schriftsteller Peter Handke von Beginn an die NATO-Aktionen scharf als Verbrechen verurteilt. "Moral ist ein neues Wort für Willkür", entgegnet er schließlich am 15. Mai in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung all denjenigen, die wie die Schriftsteller Günter Grass, Stefan Heym, Hans Magnus Enzensberger, die Kabarettistin Ellen Tiedtke oder der Sänger der bekannten Kölner Rockgruppe BAP Wolfgang Niedekken die Bombardierung des Kosovo aus Gründen der Moral unterstützten, schwiegen oder für ein Eingreifen der UNO eintraten.

"Mit Bildern und Worten kann man am meisten schwindeln und am meisten verdienen", hält er an anderer Stelle den offiziellen Medienberichten über die "Massenabschlachtungen" der Serben vor: "Niemand weiß, was im Kosovo passiert, denn niemand kann hinein... Die Flüchtlinge sagen doch alle das gleiche. Muß das deshalb glaubhaft sein?" (1) Handke drehte den Spieß der offiziellen Rechtfertigungen für die Bombenangriffe um, indem er erklärte, die NATO hätte kein neuesAuschwitz verhindert, sondern ein neues Auschwitz geschaffen. "Damals waren es Gashähne und Genickschußkammern; heute sind es Computer-Killer aus 5000 Meter Höhe." (2)

Handke trat bereits zwei Tage nach den ersten Bomben mit einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit, in dem von "grüne(n) Schlächter(n)" die Rede ist (3) und fordert schließlich "den deutschen Tötungsminister" (Scharping), der ihm noch vor Monaten zum Geburtstag gratuliert hatte, auf, "er möge mir meine Bücher zurückschicken". (4) Handke greift den Soziologen und Philosophen Jürgen Habermas für dessen moralische Unterstützung des Krieges an, unternimmt mehrere kurze Reisen nach Serbien und gibt den 1973 an ihn verliehenen Büchnerpreis, die höchste Auszeichnung für deutschsprachige Schriftsteller zurück.

Die Medien überschütten ihn mit Schmähungen. Nicht nur deutschsprachige Schriftstellerkollegen wenden sich von ihm ab. "Es gibt Intellektuelle, die sich nach seinen Äußerungen über den Jugoslawienkrieg geschworen haben, nie wieder ein Buch von ihm in die Hand zu nehmen", meldet Susan Sonntag aus New York, während der französische Philosoph Alain Finkielkraut in Handke ein "ideologisches Monster" sieht, aus dem das "germanische schlechte Gewissen" spreche und die "Überzeugung, ein unangreifbares Genie zu sein".

Einen Höhepunkt erreicht die Kampagne, als sich Mitte Mai die Schauspielerin Marie Colbin mit einem Offenen Brief zu Wort meldet, in dem sie private, scheinbar auch handgreifliche Auseinandersetzungen in ihrem früheren Zusammenleben mit Handke hervorkramt, um ihn als gewaltverherrlichenden, machthungrigen Menschen und "eitlen Schreiber,... der sich sonnt in der Rolle des ‚einsamen Rufers‘" der Öffentlichkeit zu repräsentieren, und ihr Fazit zu ziehen: "Du bist ein Ideologe des modernen Balkanfaschismus." (5)

Die Berliner Zeitung unterstreicht die Abgehobenheit und Weltfremdheit Handkes, kritisiert das literarische Werk des international anerkannten Autors als "narzißtisch versponnen", als Versuch, an einem "poetischen Paralleluniversum" zu arbeiten, "das er in den vergangenen Jahren zunehmend zur Trutzburg gegen die wirkliche Welt ausgebaut hat". (6) Der Schweizer Schriftsteller Laederach bezeichnet Handkes jüngste Äußerungen zum Kosovo-Krieg als Fall "fortschreitender geistiger Umnebelung", während das Deutsch-Schweizer PEN-Zentrum, in ihm einen "verblendeten Elfenbeinbewohner" sieht, aus dessen "proserbischen Entgleisungen", wie laut BZ ihr Generalsekretär in Zürich hinzufügt, ein "besonders unerträglicher Zynismus" spreche. (7)

Nichts aus Handkes öffentlichen Äußerungen läßt indes darauf schließen, daß er ein Anhänger des serbischen Nationalisten Milosewic und seiner Politik ist. Wer seine Veröffentlichungen der letzten Jahre verfolgt hat, kann sich davon überzeugen. In dem neuen, von Claus Peymann im Juni am Wiener Burgtheater uraufgeführten Handke-Stück über den Jugoslawienkrieg Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg ist ebenfalls keine Spur von Serbenverherrlichung zu entdecken.

Handke hatte zunächst gegenüber dem österreichischen Magazin News erklärt, Milosewic sei "der gewählte Präsident des Landes" und habe "das Territorium seines Landes zu verteidigen". "Jeder an seiner Stelle in den letzten zehn Jahren hätte genauso handeln müssen wie er. Ihm blieb keine Wahl." (8) In dem bereits oben zitierten Interview der SZ sagt er eindeutig: "Ich bin mit dem serbischen Volk, nicht mit Milosewic. Wer nicht prononciert antiserbisch ist, der hat als ‚Pro-Serbe‘ verschmäht zu werden. Wer bei ‚Milosewic‘ nicht unverzüglich hinzufügt: ‚Schlächter‘, ‚Hitler des Balkan‘, ‚Gottseibeiuns‘, der ergreift Partei für ‚Milosewic‘...", und fügte in diesem Zusammenhang polemisierend hinzu: "Pro-Serbe ist für mich heute ein Ehrentitel."

Schon vor einigen Jahren trat Handke öffentlich gegen die einseitige Verteufelung der Serben im Bosnien-Krieg auf und reiste im Herbst 1995 "in das Land der allgemein so genannten Aggressoren", weil, wie er erklärte, die vielen Berichte und Artikel bei ihm den Drang auslösten "hinter den Spiegel" zu blicken, denn: "Was weiß der, der statt der Sache einzig deren Bild zu Gesicht bekommt... ?" (9) Als die SZ seinen Reisebericht Gerechtigkeit für Serbien im Januar 1996 veröffentlichte, wurde er von den Medien heftig attackiert und ihm eine "proserbische" Haltung vorgeworfen.

Doch im Gegenteil. Dem aufmerksamen Leser dieses Textes konnte nicht entgehen, daß Handke selbst, in Auseinandersetzung mit dem jungen französischen Schriftsteller Patrick Besson, seine Bedenken äußerte, auf die pauschale Aburteilung aller Serben durch die Medien mit dem entgegengesetzten Extrem, einer ebenso pauschalen "Serbenverteidigung" zu reagieren, denn: "... es könnte die Gefahr solcher Gegenläufigkeiten sein, daß in ihnen sich etwas äußere, was vergleichbar wäre mit den Glorifizierungen einst des Sowjetsystems durch manche Westreisende der dreißiger Jahre." (10)

Ein Grund für die haltlosen Anschuldigungen gegen Handke liegt auf der Hand. Das Eingreifen der NATO mit den Verbrechen der Nazis zu vergleichen, stellt eine Provokation und vernichtende Kritik gegenüber der antifaschistischen 68er Nachkriegsgeneration dar, die seit Jahrzehnten in unzähligen moralischen Appellen betont hatte, von deutschem Boden dürfe nie wieder ein Krieg ausgehen. Nun, wo sie selbst zum Krieg aufgerufen haben, braucht es schon einen zweiten Hitler zu ihrer Rechtfertigung.

Wichtiger scheint aber folgende Überlegung zu sein: Wird Handke als "Pro-Serbe" abgestempelt, weil er im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung in Europa, insbesondere in Deutschland, die unter dem Deckmantel von Selbstbestimmungsrecht und Demokratie betriebene Kleinstaaterei auf dem Balkan als unsinnig ablehnt, oder sogar als "absolut kindisch", wie eine burgenländische Online-Zeitung entrüstet Handkes Auffassung zu den "Befreiungsversuche(n) der Kosovo-Albaner" zitiert? (11)

Denn - wurde nicht schon zu Titos Zeiten die Politik vor allem in Belgrad gemacht?

Offenbar sieht Handke in der Aufsplitterung des Balkan keine positive Entwicklung. 1991 spricht er sich in seinem Buch Abschied des Träumers vom neunten Land gegen die Lostrennung Sloweniens von Jugoslawien aus.

In Handkes Reisebeschreibung Gerechtigkeit für Serbien, auf die seine Kritiker immer wieder zurückkommen, ist Trauer über das Auseinanderbrechen Jugoslawiens spürbar, und Handke äußert in der SZ sein Bedauern darüber, daß, was er selbst als "Reformkommunismus" bezeichnet, in Jugoslawien "tragisch gescheitert" sei. (12) Sein Reisebericht endet mit einer Textstelle aus dem Abschiedsbrief eines ehemaligen Tito-Partisanen, der 1992 aus Verzweiflung Selbstmord beging. "Der Verrat, der Zerfall und das Chaos unseres Landes, die schwere Situation, in die unser Volk geworfen ist, der Krieg... in Bosnien-Herzegowina, das Ausrotten des serbischen Volkes und meine eigene Krankheit haben mein weiteres Leben sinnlos gemacht..." (13) Über seine Frau, bei der Handke zu Gast ist, schreibt dieser: "Und sie würde bis an ihr Lebensende eine durchdrungene - nicht serbische, sondern jugoslawische Kommunistin sein;... - auch heute noch galt ihr das als die einzige, die einzig vernünftige Möglichkeit für die südslawischen Völker: vor dem deutschen Einfall 1941 habe es, in dem Königreich, einige wenige gegeben, welchen fast alles gehörte und neben ihnen nichts als himmelschreiende Armut, und jetzt, in diesem serbischen Sonderstaat - dessen Machthaber, wie in den anderen Neustaaten, ‚Verräter‘ - wiederhole sich das mit den paar allesraffenden Kriegsgewinnlern und dem frierenden Habenichtsvolk." (14)

Gerechtigkeit für Serbien richtet sich, wie Handke uns am Schluß mitteilt, nicht nur an den deutschsprachigen Leser, sondern sei "genauso dem und jenem in Slowenien, Kroatien, Serbien zugedacht..." (15) Handke will die Völker des ehemaligen Jugoslawien daran erinnern, daß sie eine gemeinsame Vergangenheit haben. Er begibt sich dazu nicht an die aktuellen Kriegsschauplätze. Er ruft unspektakuläre, unscheinbare, alltägliche Begebenheiten der Gemeinsamkeit, über die man früher nicht nachgedacht hat wieder ins Bewußtsein, wenn er beispielsweise in Erinnerung ruft, wie die Schwimmer früher im Sommer zwischen bosnischem und serbischem Ufer hin und her schwammen, daß man muslimische Freunde hatte, daß Kosmetik aus Slowenien in Serbien beliebt war, auch das Obst aus Bosnien, welches über die Drina geschifft wurde, daß die Busse von Bajina Basta einmal nach Tuzla und Srebrenica fuhren und es nichts besonderes war, im Gegensatz zu heute, in Slowenien ein Auto aus Skopje/Mazedonien parken zu sehen.

Der Leser erhält einen Eindruck davon, mit welcher Selbstverständlichkeit die verschiedenen Sprachen und Dialekte auf dem Balkan nebeneinander existierten, sich unbewußt im Alltag durchdringend - bis heute. Als Sladko, Handkes serbischer Reisebegleiter aus Deutschland, die Eltern in seinem Dorf besucht, "verstand ich trotz angestrengten Zuhörens rein gar nichts mehr - war das überhaupt noch Serbisch? Nein, die Familie war unwillkürlich übergegangen in das Rumänische, die Unterhaltungs- oder Vertraulichkeitssprache der meisten Dorfbewohner; als eine solche Sprachinsel war Porodin auch bekannt. Aber ob sie dann überhaupt sich als Serben fühlten? ‚Natürlich - was denn sonst?‘" (16)

"Warum solch ein Tausendfachabschlachten?" fragt Handke. "Wer also war der Aggressor ? War derjenige, der einen Krieg provozierte, derselbe, wie der, der ihn anfing? Und was hieß ‚anfangen‘?" (17)

Er kann, im Gegensatz zu den offiziellen Medienberichten Westeuropas und der USA, eine "serbische Paranoia" nicht entdecken und gibt zu verstehen, daß nicht dort, auf dem Territorium, wo "drei Völkerschaften... kunterbunt, nicht bloß in der meinetwegen multikulturellen Hauptstadt, sondern von Dorf zu Dorf, und in den Dörfern selber von Haus zu Hütte, neben- und durcheinanderlebten", "Legendensandkörner... vergrößert wurden zu Anstoßsteinen" des Krieges, sondern in "unseren Dunkel-kammern".(18)

"Wie verhält sich das wirklich mit jenem Gewalttraum von ‚Großserbien‘?" fragt er.

"Hat sich... am Ende nicht eher ein ‚Groß-Kroatien‘ als etwas ungleich Wirklicheres oder Wirksameres oder Massiveres, Ent- und Beschlosseneres erwiesen, als die legendengespeisten, sich nie und nirgends zu einer einheitlichen Machtidee und -politik ballenden serbischen Traumkörnchen?" (19)

Er schreibt in bissigem Ton über die neue staatliche Unabhängigkeit Sloweniens: "Jetzt... traf ich das bewährte Hotel ‚Zlatorog‘... hinten am Talschluß vollends ausgerichtet auf die Deutschsprachigkeit, und am Eingang waren die gerahmten Photos vom einstigen Besuch Titos entfernt worden - nicht gerade schade darum - und ersetzt durch entsprechende Willy Brandts... Und im staatlichen Fernsehen - sonst fast nur deutsche und österreichische Kanäle - wird dann wieder und wieder eine ausländische Handels- oder Wirtschaftsdelegation von strikt einheimischer Folklore angesungen, mit Hinzutritt schließlich des slowenischen Staatspräsidenten, eines einstmals doch tüchtigen und stolzen Funktionärs?, der jetzt aber in der Haltung eines Kellners, fast Lakaien, den Ausländern sein Land andient, so, als wollte es tüpfchengenau jener Aussage eines deutschen Unternehmers und Auftraggebers entsprechen, die Slowenen seien nicht dies und das, vielmehr ‚ein fleißiges und arbeitswilliges Alpenvolk‘." Die erste Frage eines Kunden, die Handke im neuen Supermarkt vernimmt, lautet: "Ist Bild schon da?" (20)

Auf seiner Reise im April diesen Jahres geißelt Handke "die fette deutsche, höfisch-verlogene französische und Raum... verdrängende amerikanische" Sprache der Verhandlungen, die er durch das Fernsehen im Hotel verfolgt, und die Angriffslogik der NATO, "wonach auch ein Maisfeld und ein Hühnerstall bombardiert werden können, weil Mais, Hühnerfleisch und Eier als Proviant für die feindliche Soldateska dienen..." "Selber schuld? Der Schuldige, die Schuldigen, das sind doch die Leute hier im Land... Was sagt das Land? - Das Land sagt gar nichts, es liegt nur noch stummer, weit stummer, und so sagt es zwar nichts, aber - was nachhaltiger ist - es bedeutet; Nein, nicht selber schuld." (21)

Im vergangenen Jahr hielt die österreichische Kulturjournalistin Sigrid Löffler einen Vortrag am Goethe-Institut in Montevideo unter der Überschrift: Peter Handke und die Kontroverse um seine Streitschrift ‚Gerechtigkeit für Serbien‘. Sie stellt sich hinter Handke und führt die Ursache für die anhaltenden, gehässigen Angriffe der Presse auf eine grundsätzliche Frage zurück, die durch Handke provoziert worden sei: "Wer wird dem Krieg in Jugoslawien wirklich gerecht?"

"Der Sturm der Entrüstung, der sich nach der Veröffentlichung von Gerechtigkeit für Serbien in den Medien erhob,... ist nur zu begreifen, wenn man sich vor Augen hält, welche tollkühne Provokation der Dichter hier unternimmt, durch nichts legitimiert als durch die schiere Eigenmächtigkeit des Künstlers. Der Dichter will nicht nur die herrschende Medienpraxis kritisieren und grundsätzlich in Frage stellen. Er will vielmehr seine poetische Erfahrung, seinen Dichterblick, dem Bild entgegensetzen, das die Medien weltweit von den Serben entworfen haben. Er will gegen die Übermacht der Medienmeinung über diesen Krieg sein dichterisches Sprechen in Stellung bringen. Gegen die gesamte Weltpresse tritt ein einzelner an: Der Dichter an und für sich. Und der erdreistet sich zudem, die Frage, welche Seite Schuld trage an den jugoslawischen Sezessionskriegen, neu zu stellen." (22)

Handke bescheinigt dem Gros der Kriegsberichterstattern, daß sie "ihren Schreiberberuf mit dem eines Richters oder gar mit der Rolle eines Demagogen verwechseln und... auf ihre Weise genauso arge Kriegshunde sind wie jene im Kampfgebiet." Ihre Reden seien "von einer im voraus gespannten Schnüffelleine" diktiert, statt Ausforschung der Ursachen zähle nur "der nackte, geile, marktbestimmte Fakten- und Scheinfakten-Verkauf". (23)

Die Wahrheit über den Krieg verläuft für Handke nicht gradlinig und eindimensional, wie die Medien glauben machen wollen. "Das Problem - nur meines? - ist verwickelter, verwickelt mit mehreren Realitätsgeraden oder -stufen, und ich ziele, indem ich es klären will, auf etwas durchaus ganz Wirkliches, worin alle die durcheinanderwirbelnden Realitätsweisen etwas wie einen Zusammenhang ahnen ließen." (24)

Die beiden Filmregisseure aus Handkes Theaterstück Fahrt im Einbaum müssen das ebenfalls erfahren. Letztlich geben sie ihr gemeinsames Filmprojekt über den Jugoslawienkrieg auf. Zu verwirrend und befremdlich stellt sich ihnen das Geschehen vor Ort dar, als daß sie in der Lage wären, daraus eine nach bewährtem Muster einfachgestrickte, publikumswirksame Story zu produzieren, wo alles "schön der Reihe nach" abläuft, wie sie das eigentlich vorhatten.

Einst besetzten Studenten in Berlin, bevor sie später Schriftsteller, Rechtsanwälte und Politiker wurden, aus Protest gegen eine "totale Manipulierung" die Zentrale des Medienkonzerns Axel Springer, des Herausgebers des Boulevardblattes Bild. Das war 1968. Heute üben sie in der Regel Nachsicht mit sich, betrachten zwar noch mit etwas Nostalgie, aber zunehmender Verständnislosigkeit ihren damaligen Kampf gegen die "Macht der Medien".

Handke gehört offensichtlich nicht dazu, geht seinen eigenen Weg, kritisch und unbeeindruckt von der vorherrschenden Meinung. Dem hohen Anspruch sich als "Reisender in Sachen Wahrheit" zu verstehen, wie ein Redakteur der Berliner Zeitung herablassend bemerkte, und dafür seine ganze internationale Autorität als Künstler in die Waagschale zu werfen, gebührt Hochachtung.

Daß er zur Zeit dabei das Bild eines isolierten Einzelkämpfers abgibt, unterstreicht die rasante Rechtsentwicklung des intellektuellen und politischen Milieus, aus dem Handke selbst stammt und das in vergangenen Zeiten einmal kritische Geister hervorbrachte, wie Habermas, Heym oder Grass. Der Vorwurf an Handke, er werfe sich eitel und geltungssüchtig in die Rolle des "einsamen Rufers", ist nur deshalb überhaupt möglich, weil der Schriftsteller tatsächlich auf einsamem Posten steht.

Anmerkungen:

(1) Burgenland-Online, http://www.burgenland.com/Tmh/Zrlokal/Kultur/news-17380.asp
(2) SZ 15. Mai 99, Interview
(3) Online-Archiv Munzinger, Peter Handke S. 5
(4) SZ 15. Mai 99, Interview
(5) Tiroler Tageszeitung Online 21. Mai 1999, http://www.tirol.com/tt/Welt/Politik/article_34300.html
(6) Berliner Zeitung, 03. April 99
(7) Berliner Zeitung; 31. März 99
(8) Vienna Online, http://www.vienna.at/pubs/news/lokalviol/1999_05_11_14_16_wwn_33.asp
(9) "Gerechtigkeit für Serbien" (Teil 1), SZ 05. Januar 96, Kulturbeil. S 1- 2
(10) Ebenda, S. 3
(11) Burgenland-Online, siehe (1)
(12) SZ 15. Mai 99, Interview
(13) "Gerechtigkeit für Serbien" (Teil 2), SZ 13. Januar 96, Kulturbeil. S. 4
(14) Ebenda S.3
(15) Ebenda S.4
(16) Ebenda S.1
(17) "Gerechtigkeit für Serbien" (Teil 1), S. 2
(18) Ebenda, S. 3-4
(19) Ebenda, S.4
(20) "Gerechtigkeit für Serbien" (Teil 2), S. 3
(21) "Der Krieg ist das Gebiet des Zufalls", SZ 05. Juni 1999
(22) Sigrid Löffler "Peter Handke und die Kontroverse um seine Streitschrift ‚Gerechtigkeit für Serbien‘", unter http://www.goethe.de/hs/mot/vortra//loef-1d.htm
(23) "Gerechtigkeit für Serbien" (Teil 2) S. 4; (Teil 1) S. 2
(24) "Gerechtigkeit für Serbien" (Teil 1) S. 2


 

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Massaker auf Bestellung

Der Titel dieses Beitrags deutet bereits auf eine kritische Auseinandersetzung mit den offiziellen Nachrichten hin. Denn auch für einen Krieg gegen Jugoslawien musste die Zivilbevölkerung der Nato-Länder dazu gebracht werden, den Wunsch nach einer Kriegsbeteiligung zu hegen und den Einsatz von Truppen einzufordern. Hierzu diente u.a. das sogenannte "Brotschlangenmassaker" vom 27. Mai 1992, bei dem angeblich serbisches Artilleriefeuer mindestens 20 Menschen auf einem Markt in Sarajevo tötete. Drei Tage später beschloss der UNO-Sicherheitsrat ein Embargo gegen Jugoslawien. Anschließend auftauchende Zweifel bezüglich der Täter, nämlich die zufällige?! Anwesenheit eines bosnischen Fernsehteams, die Tatsache, dass es sich bei den Toten überwiegend um Serben handelte, nicht vorhandene Granateinschläge usw. änderten nichts an der internationalen Isolation Jugoslawiens.

Auch der erste Kriegseinsatz der Nato seit ihrer Gründung sowie der erste Kampfeinsatz von US-Truppen auf europäischem Boden seit 1945 hatten ein Massaker als Auslöser: Am 5. Februar 1994 wurden 68 Menschen durch eine Mörsergranate in Sarajevo getötet und ca. 200 verletzt. TV-Sarajevo und CNN meldeten übereinstimmend sofort, dass es sich um eine serbische Granate gehandelt habe, und für Clinton lag es bereits zwei Tage später "auf der Hand, dass mit größter Wahrscheinlichkeit die Serben verantwortlich sind" (1). Eine unabhängige Untersuchung der Tathergänge fand nicht statt. Während die nichtdeutsche Presse offen die Beteiligung bosnischer Serben an dem Attentat aufgrund verschiedener Hinweise bezweifelte, begann hier die totale Kriegspropaganda. So titulierte die FAZ "Wann, wenn nicht jetzt?", "Rufe nach Schlägen gegen die serbischen Belagerer", und die FR fragte "Wie lange noch?" Während die taz intellektuell verbrämt konstatierte: "Luftangriffe auf serbische Stellungen machen vor allem psychologisch Sinn", brachte es die BILD für einfachere Gemüter auf den Nenner: "Bombt die Mörder nieder!".

Ein weiteres Attentat in Sarajevo am 28. August 1995 führte zwei Tage später zur Erfüllung des von Cohn-Bendit im Frühjahr desselben Jahres gehegten Wunsches "Zuerst wird Pale bombadiert und dann..." (2): Nato-Geschwader bombardierten tagelang die "Republika Srpska". Auch, dass u.a. zwei Republikaner des US-Senats die Anschuldigung gegen serbische Täter öffentlich zurückwiesen, hatte keinerlei Auswirkungen mehr auf die geschickt herbeigeführte Kriegsbereitschaft der Deutschen.

Nun zum Fall Srebenica, der aktuell wieder Schlagzeilen macht, denn seit dem 13.3.00 steht Radislav Krstic vor dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal. Der bosnisch-serbische General wird wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Vertreibung angeklagt, da er als Stabschef des "Drina-Korps" entscheidend an dem Vorgehen in Srebenica am 13. Juli 1995 mitgewirkt haben soll. Vielleicht klären sich jetzt die Widersprüche zwischen angeblich 6 bis 8.000 Toten, die die moslemische Regierung bzw. das Tribunal beklagt, und den holländischen Blauhelm-Soldaten, die keinerlei Gräueltaten beobachtet hatten bzw. dem IKRK (Internationales Rotes Kreuz), das in seinem Memorandum feststellt: "Mehrere 1.000 der vermissten Soldaten erreichten Zentralbosnien" (3).

Obwohl zahlreiche Materialien ernstzunehmender Quellen existieren, die die Horrorversion von Srebrenica deutlich in Frage stellen, ist es schwierig, eine eindeutige Aussage bezüglich des tatsächlichen Ablaufs zu machen. Jedoch sollte bei der Einschätzung der offiziell aufgetischten Daten und Infos folgendes berücksichtigt werden:

  1. Zu den Vorgänge in Srebenica und Umgebung haben seit Frühjahr 1992 mehrere Journalisten die Vorgeschichte Srebenicas recherchiert. So soll das serbische Siedlungsgebiet um Srebenica und Bratunac seit April ´92 durch moslemische Truppen blockiert worden sein, um einen moslemisch dominierten Staat innerhalb Bosniens zu schaffen. Bei der anschließenden moslemischen Großoffensive sollen 50 serbische Dörfer dem Erdboden gleich gemacht worden sein. Über die mehr als 1200 massakrierten serbischen Zivilisten und 3000 Verletzten wird in der westlichen Presse jedoch erst ab 1995 berichtet (BBC, Misha Glenny; Joan Hoey; The Times; etc.).

  2. Louise Arbour, die oberste Strafverfolgerin des Den Haager Kriegsverbrechertribunals, gab Ende ´98 in einem Spiegel-Interview zu, dass noch immer keine eindeutigen Beweise vorlägen, um die serbische Seite zu belasten.

  3. "Das Massaker von Srebenica beeinflusste die Haltung der internationalen Gemeinschaft zu Serbien. Mit Nato-Hilfe kam es einen Monat später zu Gegenangriffen der kroatischen Truppen in Kroatien und im September zusammen mit bosnischen Truppen in Bosnien-Herzegowina. Die serbischen Armeen büßten große Gebiete ein, die Belgrader Führung stimmte schließlich im November 1995 dem Dayton-Abkommen zu, das den Krieg in Bosnien-Herzegowina beendete." (4) Diese klaren Erkenntnisse bezüglich des engen Zusammenhangs von Massakern und dem Kriegsverlauf stammen von dem als "Serbenfreund" unverdächtigen Erich Rathfelder von der taz.

Racak

Nun zu den Ereignissen von Racak, die u.a. als Rechtfertigung für die Auslösung des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien dienten.

(Massaker) Im folgenden werden die Racak-Version der OSZE-Newsletter (5) vom Januar ´99 und die im nachhinein auftauchenden Varianten und Zweifel gegenübergestellt: "Der ernsthafteste Zwischenfall im Januar seit der Feuerpause im Oktober ´98 geschah am 15. Januar im Dorf Racak. Das Massaker von Racak wird lange als ein Schlüsselereignis im Kosovokonflikt erinnert werden; es war sicherlich ein entscheidender Moment für die Beobachterkommission der OSZE. Am 16. Januar gingen Beobachter-Teams zum Dorf Racak in der Nähe von Stimlje." Als sie in Racak ankamen, entdeckten sie 36 Körper (später wurden 45 bestätigt), wovon 23 in einem Graben lagen. Nach der Stellungnahme von Kommissionsleiter Walker, der den Ort besichtigte, waren "viele der Opfer ältere Menschen, viele aus nächster Nähe erschossen, die meisten von hinten oder vorn in den Kopf." Walker erzählte bei einer Nachrichtenkonferenz: "Ich habe nicht die Worte, um meine persönliche Abscheu zu beschreiben, oder all derjenigen, die bei mir waren, angesichts dessen, was man nur als unaussprechliche Grausamkeiten beschreiben kann... Obwohl ich kein Jurist bin, nachdem, was ich persönlich sah, zögere ich nicht, dieses Ereignis als ein Massaker, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beschreiben. Noch zögere ich, die Sicherheitskräfte der Regierung ihrer Verantwortung zu beschuldigen." Walker forderte eine Untersuchung durch das Den Haager Kriegsverbrechertribunal. Am 18.Januar wurde Walker durch den Außenminister der Republik Jugoslawien Jovanovi zur persona non grata erklärt und sollte das Land innerhalb von 48 Stunden verlassen. Am 20.Januar erklärte die OSZE-Troika (die Außenminister Vollebaek aus Norwegen, Wolfgang Schüssel, Österreich und Bronislaw Geremek, Polen), dass die Entscheidung, Walker auszuweisen, "völlig inakzeptabel" sei und dass "Jugoslawiens Autoritäten ihre Entscheidung, Walker auszuweisen, zurücknehmen und voll mit der OSZE kooperieren müssen". Sie fügten hinzu, "die Morde in Racak und der Unwille der jugoslawischen Führung, mit der OSZE zusammenzuarbeiten, stellt einen ernsten Fall von Nichterfüllung der UN-Resolution und der Abmachungen, die zwischen Minister Geremek und Minister Lovanovic unterschrieben wurden, dar."

Diesem OSZE-Newsletter-Bericht stehen nun folgende Beobachtungen gegenüber:

  1. Die New York Times beruft sich auf einen anonymen Repräsentanten der US-Regierung, wenn sie darauf verweist, dass die Außenministerin Albright bereits einen Tag vor den Ereignissen in Racak Informationen darüber besaß. Sie erklärte, dass das Abkommen vom Oktober ´98 über die Beruhigung der Lage in Kosmet (Kosovo-Metohien) "jeden Moment" gebrochen werden könne.

  2. Le Figaro hinterfragt am 20.1. in seinem Leitartikel die Darstellung Walkers, da zu der serbischen Polizeiaktion gegen die Hochburg der UCK in Racak ein Fernsehteam von AP-TV und OSZE-Beobachter eingeladen wurden, von denen nicht über ein Massaker, sondern über Kämpfe berichtet wurde. Die Filmaufnahmen zeigen ein fast leeres Dorf, einen starken Schusswechsel, den Ausbruchsversuch der eingekesselten UCK-Kämpfer und intensive Kämpfe auf den Hügeln oberhalb des Dorfes.

  3. Die am folgenden Tag eintreffenden Journalisten wurden von den UCKlern, die bereits am Morgen das Dorf zurückerobert hatten, direkt zum Graben mit den 40 Leichen in Zivilkleidung geführt. Wieso war dieser Graben den Bewohnern, den OSZE-Beobachtern und dem Fernsehteam am Tag zuvor entgangen? Wieso fanden die Journalisten kaum Patronen und wenig Blut beim Schauplatz, wo doch angeblich 23 Personen mit Kopfschüssen getötet wurden?

  4. Untersuchungen, die Licht in die Vorgänge bringen würden, werden geheimgehalten, denn, wie die Herald Tribune schreibt: "Ein westlicher Regierungsbeamter sagte, dass die deutsche Regierung das finnische Team angewiesen habe, die Zusammenfassung ihrer Untersuchung nicht zu veröffentlichen." Helen Ranta, die Leiterin des finnischen Untersuchungsteams: "Es gab Druck von verschiedenen Seiten." "Grundsätzlich habe ich in der Racak-Zeit meine Instruktionen vom deutschen Außenministerium bekommen. Botschafter Christian Pauls hat mich kurz vor der Pressekonferenz instruiert." (6)

  5. Und wer ist dieser Walker? 1985 wurde er stellvertretender Staatssekretär für Zentralamerika. Unter Reagan war er für die Operation zum Sturz der Sandinistas in Nicaragua verantwortlich (Stichworte: Oliver North, Waffenlieferungen über Ilopango in El Salvador für die Contras etc.). Von 1988-92 war er US-Botschafter in El Salvador, wo er von Jesuiten im Zusammenhang mit einem Überfall von Todesschwadronen auf eine Universität und mit der Ermordung von sechs Priestern erwähnt wurde. Während seiner Botschafterzeit sprach Walker von 50 Militärberatern in El Salvador, jedoch bezeugte die Washington Post ´96, dass er einer Feier von 5.000 geheimen US-Kämpfern aus El Salvador beiwohnte. Für einen unabhängigen Beobachter nicht gerade sehr vertrauensvoll ... (7)

Einige bürgerliche Medien und weite Kreise des öffentlichen Lebens äußern ein Jahr nach den Bombenangriffen ihre Kritik an der Darstellung bzw. Benutzung der Vorgänge in Racak durch die Bundesregierung und insbesondere die Minister Fischer und Scharping harsche Kritik. Dagegen tun sich die AnhängerInnen der These, dass das Wesentliche der Krieg in Jugoslawien sei (was die Kriegslegitimation indirekt bestätigt), noch immer schwer damit, das Racak-Massaker als nützliche Propaganda zu enttarnen und somit ihre These zu hinterfragen. So ist z.B. die Hauptthese des im November 1999 im ak erschienenen Artikels "Racak- Mutation eines Massakers" (8), dass ZweiflerInnen an der offiziellen Racak-Version "Linke Verschwörungstheorien" bzw. "serbische Propaganda" verbreiten würden.

Abgesehen von diesen "Massakern", bei denen ein direkter Zusammenhang mit konkreten Krisenverschärfungen zu sehen ist, wurde während des gesamten Krieges immer wieder auf die systematische und massenhafte Vernichtung von kosovo-albanischen Zivilisten durch jugoslawische Sicherheitskräfte hingewiesen. Bis dann endlich am 22.3.99 der britische Premier Tony Blair vor dem Unterhaus sagen konnte: "Wir müssen handeln, um Tausende von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern vor der humanitären Katastrophe zu retten, vor dem Tod, vor der Barbarei und vor der ethnischen Säuberung durch eine brutale Diktatur."

Jedoch bereits vier Monate nach Beginn des Krieges stellte der private amerikanische Nachrichtendienst Stratfor Intelligence einen Zwischenbericht vor, der den zehntausendfachen Massenmord in Frage stellte. Hierfür wandte er eine ungewöhnlich scheinende Methode an: Stratfor Intelligence verglich die Zahl der tatsächlich gefundenen Leichen mit der Zahl der behaupteten Toten. Systematisch werden Berichte von Flüchtlingen oder Mitgliedern der KFOR-Truppen aufgenommen und von ICTY (Internationales Tribunal für Kriegsverbrechen in der ehemaligen Republik Jugoslawien) an Ort und Stelle überprüft. Auch wenn die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, besteht der Zwischenbericht darauf, dass die angeblich 10.000 Ermordeten wohl kaum jemals gefunden werden. Z. B. hat ein spanisches Team, das auf 2.000 Autopsien vorbereitet war, lediglich 187 Leichen in Einzelgräbern gefunden. (9)

Auch an der von der taz entworfene "Topographie des Schreckens" (erschreckende Parallelität!) mit ihren behaupteten Massakern sind arge Zweifel aufkommen, da selbst bei den dort genannten Zahlen nur gut 10% der behaupteten Toten bislang gefunden wurden. (10)

27. Mai 1992 Brotschlangenmassaker, Sarajevo
30. Mai 1992 Embargo durch UNO-Sicherheitsrat
05. Febr. 1994 Marktplatz in Sarajevo
28. Febr. 1994 1. NATO-Kriegseinsatz
28. Aug. 1995 Marktplatz in Sarajevo
30. Aug. 1995 NATO bombardiert Srpska
13. Juli 1995 Srebenica
21. Nov. 1995 Abkommen von Dayton
16. Jan. 1999 Racak
24. März 1999 NATO-Krieg gegen Jugoslawien
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auf jedes Massaker stets Verschärfungen in Hinblick auf einen Nato-Angriffskrieg erfolgen. Wird jedoch die Arbeit der PR-Agenturen und der Medien allgemein berücksichtigt, so können diese Pfeile auch umgedreht werden, d.h. wenn die NATO-Länder bestimmte Ziele verfolgen -auf die in den folgenden Beiträgen eingegangen wird- und dazu ein Krieg in Jugoslawien dienlich ist, dann werden die entsprechenden Bedingungen geschaffen, indem vorhandene Konflikte verschärft bzw. sogar neu kreiert werden.

      Quellen:

      (1) Neue Staaten, neue Kriege, H. Hofbauer, in: Balkankrieg, Hannes Hofbauer (Hg.), Wien, 1999. [back]

      (2) Leichen auf Bestellung, H. Pankow, in: Konkret 8/99 [back]

      (3) In unseren Himmeln kreuzt der Fremde Gott, Alexander Dorin (Hg.), Juni 1999. [back]

      (4) General wegen Morden von Srebenica vor Gericht, Erich Rathfelder, in: taz v. 13.3.00. [back]

      (5) nach: Walker:"KVM is Making a Difference" in: OSCE Newsletter, Vol.6 no.1, January 1999, von der Autorin übersetzt. [back]

      (6) "Fragen Sie mich das nicht", Interview mit H. Ranta in: Jungle World vom 18.8.99. [back]

      (7) vgl.: Wie Dr. Fischer lernte, die Bombe zu lieben, Klaus Bittermann, Thomas Deichmann (Hg.).
      Geheim, Nr. 1/1999, "Massaker von Racak":
      Durchsichtige Manipulation, bestellte Provokation, Klaus Hartmann; jw vom 18.3.00.
      Massaker oder Manöver, in jw vom 27.1.99.
      Virtuelle Massengräber, Rainer Rupp, in: jw vom 6.7.99 [back]

      (8) Racak - Mutation eines Massakers, Peter Wuttke, in: ak 432 v. 18.11.1999. [back]

      (9) vgl.: jw, 28.10.99, "Wo sind die Todesfelder im Kosovo" [back]

      (10) vgl.: jw, 29.10.99, "Weit unter den Erwartungen";
      taz, 17.6.99, Eine Topographie des Schreckens. [back]

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Anklageschrift von Ramsey Clark


Von Ramsey Clark, früherer US-Justizminister, stammte die Anregung öffentliche Tribunale über die NATO wegen ihres Krieges gegen Jugoslawien überall in der Welt zu veranstalten. In den USA haben enstprechende Ermittlungen und Anhörungen ebenso stattgefunden wie in Europa. Im Jahr 2000 wird es wahrscheinlich zu - mindestens - zwei abschließenden Tribunals-Veranstaltungen kommen, in denen die Vorwürfe gegenüber der NATO substantiiert und öffentlich verhandelt werden sollen. Eine förmliche Anklage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag ist auch eingereicht worden. Deren Erfolgsaussichten sind aber eher gering. Im Folgenden dokumentieren wir die Anklageschrift der US-Tribunalsbewegung. Sie wurde von Ramsey Clark verfasst und dem 6. Friedensratschlag im Dezember 1999 zur Verfügung gestellt.

Anklageschrift der Unabhängigen Untersuchungskommission zur Erforschung der Kriegsverbrechen der USA und der NATO gegen das Volk von Jugoslawien.

Diese Anklage wird erhoben, um die Geißel des Krieges zu bannen, künftige Verletzungen fundamentaler Menschenrechte zu verhüten, internationale und nationale Organisationen, Regierungen und Einrichtungen zu schützen und diejenigen, die der behaupteten Vergehen für schuldig erklärt werden, für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Die hierin genannten Regierungen, Organisationen und Personen werden angeklagt: wegen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit und anderer Verletzungen der Prinzipien des Nürnberger Tribunals, der Haager Abkommen, der Genfer Abkommen und anderer Normen des Völkerrechts und nationaler Gesetze, wegen schwerer Verletzungen der Charta der Vereinten Nationen, des NATO-Vertrags und anderer internationaler Verträge, des Völkerrechts, der Bundesverfassung und der Gesetze der USA, der Grundgesetze anderer Länder einschließlich des Vereinten Königreichs, der Bundesrepublik Deutschland, der Türkei, der Niederlande, Ungarns, Italiens, Spaniens und anderer Regierungen von NATO-Mitgliedstaaten und der Bundesrepublik Jugoslawien, wegen schwerer Verletzungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords und anderer internationaler Verträge, Konventionen, Verträge, Deklarationen und der hierin angeführten Landesgesetze

A Angeklagte

  1. Präsident William J. Clinton, Außenministerin Madeleine Albright, Verteidigungsminister William Cohen und die kommandierenden Generäle, Admiräle, an der Zielplanung unmittelbar beteiligtes US-Personal, Besatzungen und Bodenpersonal der Bomber und Jagdflugzeuge der Streitkräfte der USA, an der Zielplanung, Bereitstellung und dem Einsatz von Raketen gegen Jugoslawien unmittelbar beteiligtes US-Personal, Bedienstete der US-Regierung, die Gewaltanwendung in Jugoslawien vor oder während der NATO-Besetzung verursacht, hingenommen oder bei ihrer Verhinderung versagt haben, sowie andere zu Benennende.
  2. Im Vereinigten Königreich: Premierminister Tony Blair, der Außenminister, der Verteidigungsminister und die kommandierenden Generäle, Admiräle, an der Zielplanung unmittelbar beteiligtes britisches Personal, Besatzungen und Bodenpersonal von Bombern und Jagdflugzeugen der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs, an der Zielplanung, Bereitstellung und dem Einsatz von Raketen gegen Jugoslawien unmittelbar beteiligtes britisches Militärpersonal, Bedienstete der britischen Regierung, die Gewaltanwendung in Jugoslawien vor oder während der NATO-Besetzung verursacht, hingenommen oder bei ihrer Verhinderung versagt haben, sowie andere zu Benennende.
  3. In der Bundesrepublik Deutschland: Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Außenminister, der Verteidigungsminister und die kommandierenden Generäle, Admiräle, an der Zielplanung unmittelbar beteiligtes deutsches Personal, Besatzungen und Bodenpersonal von Bombern und Jagdflugzeugen der Streitkräfte Deutschlands, an der Zielplanung, Bereitstellung und dem Einsatz von Raketen gegen Jugoslawien unmittelbar beteiligtes deutsches Militärpersonal, Bedienstete der deutschen Regierung, die Gewaltanwendung in Jugoslawien vor oder während der NATO-Besetzung verursacht, hingenommen oder bei ihrer Verhinderung versagt haben, sowie andere zu Benennende.
  4. Die Regierung jedes NATO-Landes, das an den Angriffen auf Jugoslawien mit Flugzeugen, Raketen oder Personal unmittelbar beteiligt war, die kommandierenden Generäle, Admiräle, an der Zielplanung unmittelbar beteiligtes NATO-Personal, Besatzungen und Bodenpersonal von Bombern und Jagdflugzeugen der NATO-Streitkräfte, an der Zielplanung, Bereitstellung und dem Einsatz von Raketen gegen Jugoslawien unmittelbar beteiligtes NATO-Militärpersonal, Bedienstete, die Gewaltanwendung in Jugoslawien vor oder während der NATO-Besetzung verursacht, hingenommen oder bei ihrer Verhinderung versagt haben, sowie andere zu Benennende.
  5. Die Regierungen der Türkei, Ungarns, Italiens und andere, die die Nutzung von Luftwaffenstützpunkten auf ihrem Staatsgebiet durch die USA oder durch andere Militärflugzeuge und Raketen zum unmittelbaren Angriff auf Jugoslawien gestatteten.
  6. Die NATO: Generalsekretär Javier Solana, Oberbefehlshaber General Wesley K. Clark.
  7. Zur Verurteilung: Jeder NATO-Mitgliedsstaat, der seine Stimme für die Genehmigung militärischer Angriffe auf Jugoslawien abgegeben hat.


      B Anklagepunkte

      (1) PLANUNG UND DURCHFÜHRUNG DER ZERSTÜCKELUNG, DER ETHNISCHEN SPALTUNG UND DER VERARMUNG JUGOSLAWIENS.
      Die USA, Deutschland, die NATO und andere Angeklagte haben spätestens seit 1991 darauf hingearbeitet die Bundesrepublik Jugoslawien in viele Teile zu zerbrechen, verschiedene ethnische, religiöse und andere Gruppen von einander zu trennen, erneut zwischen ihnen balkanisierte Grenzen zu errichten und die slawischen, serbischen, moslemischen und andere Bevölkerungsgruppen zu schwächen. Dabei haben sie innere Gewaltanwendung verursacht und anhaltend gefördert sowie auch direkte Anschläge durch die Vereinigten Staaten und bestimmte NATO-Mitgliedstaaten verübt. Die Folge davon ist, dass Jugoslawien, das vorher 25 Millionen Menschen in einer integrierten Gesellschaft und Wirtschaft vereinigte, inzwischen aus vielen kleinen Nationen besteht, von denen Serbien die größte ist. Die Angeklagten beabsichtigen Jugoslawien so weit aufzuteilen, dass alle Teile Jugoslawiens jeweils weniger als 5 Millionen umfassen, von denen jeder Teil mehrheitlich aus einer einzigen ethnischen und religiösen Gruppe bestehen und eine stark beeinträchtigte, weitgehend von ausländischen Interessen dominierte Wirtschaft haben soll. In diesen Teilgebieten leiden zwei Gruppen, die christlich-orthodoxen Serben und die Moslems, unter den stärksten Verlusten an Menschenleben, den schwersten Schäden am Eigentum, einer gewaltigen Verminderung der inzwischen um drei Viertel und mehr reduzierten Produktionskraft sowie der Verelendung einer ganzen Generation.
      VN-Charta; Deklaration über die Unzulässigkeit der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten und den Schutz ihrer Unabhängigkeit und Souveränität (Nichteinmischungs-Deklaration), 1965 VNGV-Res. 2131

      (2) ZUFÜGUNG, ANSTACHELUNG UND FÖRDERUNG VON GEWALT ZWISCHEN MOSLEMS UND SLAWEN SOWIE INNERHALB DIESER GRUPPEN.
      Die USA und andere Angeklagte haben spätestens seit 1991 darauf hingearbeitet, Moslems und christlich-orthodoxe Slawen in brudermörderische Gewalthandlungen und in Zermürbungskriege zu stürzen, ähnlich den Konflikten in Afghanistan und Tschetschenien zwischen Moslems und russischen Slawen. Dies führte in Bosnien, Kosovo und anderwärts zu Tod, Zerstörung und Zwietracht zwischen den Gruppen sowie auch in anderen Regionen zu gefährlichen Spannungen und Feindschaft zwischen den beiden Hauptgegnern der USA, den slawischen Völkern und den Moslems, wodurch beide geschwächt wurden. Das taktische Vorgehen schloß dabei ein, einzelne Moslemgruppen von Fall zu Fall sowohl mit Waffen zum Angriff auf andere oder in Bosnien zur ausreichenden Selbstverteidigung zu versorgen als auch ihnen diese vorzuenthalten, die UCK zum Angriff auf serbische Polizei und jugoslawisches Militär zu motivieren, auszubilden und auszurüsten, um im Kosovo unter NATO-Besatzung die Kontrolle zu übernehmen und Serben und andere anzugreifen, Bemühungen von außen zur Verhütung und Kontrolle der Gewalt zu verhindern, Gewalthandlungen gegen Personen, die durch die Bombardierungen der USA und der NATO, durch die UCK und die jugoslawische Polizei sowie durch militärische Bodenkämpfe vertrieben wurden, auszuüben, zu verursachen und zu billigen, Zusammenstöße zwischen jugoslawischem Militär, Polizei und zivilen Gruppen einerseits und UCK, kosovo-albanischen paramilitärischen Gruppen und zivilen Gruppen andererseits auszulösen und zu fördern, Angriffe auf vertriebene, zurückkehrende sowie im Kosovo verbliebene Personen vor wie nach der Besetzung des Kosovo durch NATO und USA billigend in Kauf zu nehmen und nicht zu verhindern. Im Jahre 1999 verursachten die USA die meisten Todesopfer, Verletzungen und Zerstörungen durch Luftwaffen- und Raketenangriffe gegen alle Teile der Bevölkerung und ihr Versorgungssystem.
      VN-Charta, Art 2; Nicht-Interventionsdeklaration; Resolution über die Definition von Aggression, 1997, VNGV-Res. 3314

      (3) VERHINDERUNG UND ABBRUCH VON BEMÜHUNGEN ZUR ERHALTUNG VON EINHEIT, FRIEDEN UND STABILITÄT IN JUGOSLAWIEN.
      Seit Beginn ihrer Anstrengungen zur Durchsetzung der Pläne für die Zerstückelung und Zerstörung Jugoslawiens haben die USA alles unternommen, um jede Einmischung, Verhandlung oder andere Bemühungen innerhalb Jugoslawiens oder durch andere Länder, Führer oder Einzelpersonen, die der Durchsetzung ihrer Absichten im Wege standen, zu verhindern. Diese Technik umfasste politische, militärische und ökonomische Drohungen sowie die Kontrolle über publizistisch hochgespielte Friedensverhandlungen in der Art wie jene in Dayton/Ohio während der Bosnien-Kämpfe und in Rambouillet/Frankreich, welche den Eindruck ernsthafter Friedensverhandlungen erweckten, aber Jugoslawien nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten ließen, nämlich der Zustimmung zu fremder Besatzung oder der Hinnahme eines verheerenden militärischen Angriffs.
      UN-Charta; Nicht-Interventionserklärung; Resolution über Aggression; Vertrag über die Ächtung des Krieges (Briand-Kellog-Pakt) von Paris 1928, Art 1 und 2

      (4) ZERSTÖRUNG DER FRIEDENSICHERNDEN ROLLE DER VEREINTEN NATION
      Die USA blockierten in Verletzung der VN-Charta durch ihre Handlungsweise die Vereinten Nationen bei der Erfüllung ihrer der VN-Charta gemäßen Aufgaben der Verhütung von Konflikten, der Verhinderung von Gewalt und der Aufrechterhaltung des Friedens in Jugoslawien und zwangen andere Länder, ebenso zu handeln. Damit bedrohten sie die Lebensfähigkeit der VN als internationale Institution der Friedensicherung und Kriegsverhütung.
      VN-Charta; Nicht-Interventionserklärung; Resolution über Aggression; Vertrag über die Ächtung des Krieges (Briand-Kellog-Pakt) von Paris 1928, Art 1 und 2I

      (5) NUTZUNG DER NATO ZU MILITÄRISCHER AGGRESSION GEGEN NICHT-WILLFÄHRIGE ARME LÄNDER UND IHRE BESETZUNG
      Die USA wirkten in Verletzung der VN-Charta und des NATO-Vertrages darauf hin und zwangen andere Länder, darauf hinzuwirken, dass die NATO die Ermächtigung zu einem direkten Angriff auf Jugoslawien erteilte, der sich überwiegend auf das Waffenarsenal und die Militärtechnologie der USA stützte. Sie veranlassten ferner die NATO-Mitgliedstaaten den überwiegenden Teil der Streitkräfte zur Besetzung des Kosovo zu stellen und zu finanzieren. Damit nutzten sie den Wohlstand und die Macht der reichen ehemaligen Kolonialmächte Europas zum Einsatz gegen das arme, wehrlose Volk von Jugoslawien.
      VN-Charta; NATO-Vertrag 1949, Art 1

      (6) TÖTUNG UND VERWUNDUNG WEHRLOSER MENSCHEN IN GANZ JUGOSLAWIEN.
      Spätestens mit dem 24. März 1999 begannen die USA ohne Kriegserklärung durch den US-Kongreß mit Unterstützung und Beihilfe bestimmter NATO-Mitgliedstaaten einschließlich des Vereinigten Königreichs, Deutschlands, der Türkei, Spaniens und der Niederlande, sowie Ungarns, Kroatiens, Italiens und anderer einen in der Zielplanung oft nicht differenzierenden Krieg mit Raketen und Bombenangriffen gegen die Bevölkerung Jugoslawiens. Dadurch töteten und verwundeten sie heimtückisch und vorsätzlich Tausende Serben, Kosovo-Albaner, Roma, Moslems, Christlich-Orthodoxe, Katholiken und ausländische Staatsbürger in ganz Jugoslawien.
      Haager Abkommen, Art. 22 und 23; IV. Genfer Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten 1949, Art 19; Statut des Nürnberger Tribunals, Grundsatz VI a, b und c; US-Verfassung Art I Abs. 8 Zif. 2.

      (7) PLANUNG, ANKÜNDIGUNG UND AUSFÜHRUNG VON ANGRIFFEN ZUR ERMORDUNG DER REGIERUNGSSPITZE, ANDERER REGIERUNGSMITGLIEDER UND AUSGEWÄHLTER ZIVILPERSONEN.
      Die USA planten, verkündeten und unternahmen Raketen- und Bombenangriffe mit der Absicht, den Regierungschef von Jugoslawien, Mitglieder seiner Familie, andere Regierungsmitglieder und ausgewählte Zivilpersonen zu ermorden, um die bestehende Führung auszuschalten und sie und ihre engsten Mitarbeiter bis zur Unterwerfung zu terrorisieren.
      VN-Charta Art. 2; Konvention über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten, 1973; US Army Field Manual 27-10; US Presidential Executive Order 12333; Genfer Zusatzprotokoll 1977, Art. 48, 51.

      (8) ZERSTÖRUNG UND BESCHÄDIGUNG VON WIRTSCHAFTLICHEN, SOZIALEN, KULTURELLEN, MEDIZINISCHEN, DIPLOMATISCHEN UND RELIGIÖSEN RESSOURCEN, VERMÖGENSWERTEN UND EINRICHTUNGEN IN GANZ JUGOSLAWIEN.
      Spätestens seit dem 24. März 1999 begannen die Vereinigten Staaten mit Unterstützung und Beihilfe bestimmter NATO-Mitglieder einschließlich des Vereinigte Königreichs, Deutschlands, der Türkei, Spaniens, der Niederlande sowie Kroatiens, Ungarns und Italiens einen systematischen Raketen- und Bombenangriff auf Ressourcen, Eigentum und wirtschaftliche, kulturelle, medizinische, diplomatische, und religiöse Einrichtungen. Dabei zerstörten sie diese in ganz Jugoslawien mit Absicht, um die produktive, ökonomische, soziale, kulturelle, diplomatische und religiöse Lebensfähigkeit der ganzen Gesellschaft zu treffen.
      Haager Abkommen, Art. 22 und 23; Genfer Abkommen, Art. 19; Genfer Zusatzprotokoll 1977, Art. 48, 51, 52, 53; VN-Charta, Art. 2; Geschützte Personen-Konvention; US Army Field Manual 27-10; Exec. Order 12333; ICESCR.

      (9) ANGRIFFE AUF FÜR DIE JUGOSLAWISCHE BEVÖLKERUNG LEBENSNOTWENDIGE OBJEKTE
      Spätestens seit dem 24. März 1999 begannen die USA mit Unterstützung und Beihilfe anderer und in der spezifischen Absicht, die Bevölkerung Jugoslawiens von Lebensmitteln, Wasser, elektrischer Energie, Nahrungsmittelproduktion, Medikamenten, medizinischer Versorgung und anderen lebenswichtigen Dingen abzuschneiden, durch Raketenbeschuss und Bombardements aus der Luft die systematische Zerstörung und Beschädigung von Einrichtungen der Nahrungsmittelproduktion und -lagerung, Wasserwerken und landwirtschaftlichen Bewässerungsanlagen, Fabriken für Düngemittel und Pflanzenschutz, pharmazeutischen Betrieben, Krankenhäusern und Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie sonstigen für das menschliche Überleben notwendigen Objekten.
      Haager Abkommen 1907, Art. 22 und 23; IV. Genfer Abkommen 1949, Art. 19; Nürnberger Grundsätze, V a, b und c; Genfer Zusatzprotokoll 1977, Art. 48, 54

      (10) ANGRIFFE AUF GEFÄHRLICHE SUBSTANZEN UND ENERGIEN BERGENDE EINRICHTUNGEN
      Die USA unternahmen Angriffe gegen chemische Fabriken und Lagereinrichtungen, Raffinerien, Verarbeitungseinrichtungen und Lager für Erdöl und Erdgas, Düngemittelfabriken und sonstige Einrichtungen und Orte in der spezifischen Absicht, toxische, radioaktive und andere gefährliche Substanzen und Energien in die Atmosphäre, den Boden, das Grundwasser und die Nahrungskette weiträumig zu entlassen, um die Umwelt zu vergiften und die Bevölkerung zu schädigen.
      Nürnberger Grundsätze, VI; Haager Abkommen, Art. 22 und 23; Genfer Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege von 1925; Genfer Zusatzprotokoll 1977, Art. 48, 51, 56

      (11) EINSATZ VON ABGEREICHERTEM URAN, SPLITTERBOMBEN UND ANDEREN VERBOTENEN WAFFEN
      Die USA brachten gegen die Bevölkerung von Jugoslawien verbotene Waffen zum Einsatz, die geeignet sind massenhafte Zerstörungen anzurichten und unterschiedslos Tod und Leiden zu verbreiten. Entgegen Erkenntnissen über ihre langzeitlich tödlichen Wirkungen und trotz Warnungen des U.S. Nuclear Regulatory Committee griffen die Vereinigten Staaten Jugoslawien mit Raketen, Bomben und Geschossen an, die abgereichertes Uran enthalten und radioaktive Substanzen in der Atmosphäre, im Boden, Grundwasser, in der Nahrungskette sowie in festen Objekten verbreiten, die von uranhaltigen Raketen, Bomben und Geschossen getroffen wurden. Dadurch setzten sie die jugoslawische Bevölkerung für Generationen der Gefahr von Tod, genetischen Schäden, Krebs, Tumorerkrankungen, Leukämie und anderen gesundheitlichen Schäden aus. Ferner wurden in großem Umfang Splitterbomben eingesetzt, die weiträumig messerscharfe Metallstücke gegen Krankenhäuser, Kirchen, Moscheen, Schulen, Wohnanlagen und andere dicht besiedelte Plätze versprengten und damit Tod, Verletzungen und Sachschäden bewirkten. Der Einsatz weiterer verbotener Waffen wird noch untersucht.
      Haager Abkommen, Art. 22 und 23; Genfer Zusatzprotokoll 1977, Art. 48, 51, 54, 55; POONA-Anklage wegen Untergrabung der Wissenschaft und Technologie 1978

      (12) KRIEGFÜHRUNG GEGEN DIE UMWELT
      Die Luft- und Raketenangriffe der USA erzeugten vorsätzlich eine weiträumige, anhaltende und schwere Umweltkatastrophe in Jugoslawien. Die Belastung der Luft allein durch Überflüge erhöhte die Verschmutzung der Atmosphäre um ein Vielfaches. Tausende von Tonnen von Sprengstoff setzten enorme Mengen von Chemikalien in der Luft frei, ließen Wolken von Staub und Trümmern der Einschlagsorte aufsteigen und lösten Feuersbrünste aus, die oft Tage lang wüteten. Chemie-, Petrochemie-, Öl- und Gas-Verarbeitungsanlagen, -Lager und -Transporteinrichtungen, die in der Nähe von Belgrad, Novi Sad, Nis und anderen größeren Städten vorsätzlich als Zielobjekte getroffen wurden, setzten weite Teile der Bevölkerung gefährlichen Umweltgiften aus. Abgereichertes Uran, das über Kosovo und das übrige Serbien verstreut wurde, wird das Leben für Generationen bedrohen.
      Haager Abkommen, Art. 22. Und 23; Genfer Zusatzprotokoll 1977, Art. 48, 51, 54, 55; Stockholmer Deklaration über die Umwelt des Menschen 1972; Grundsätze 1 und 2 (VN-Umweltkonferenz) et al.

      (13) DURCHSETZUNG VON VN-SANKTIONEN ZUR VERARMUNG UND SCHWÄCHUNG DES JUGOSLAWISCHEN VOLKS, DIE EIN VÖLKERMÖRDERISCHES VERBRECHEN GEGEN DIE MENSCHHEIT DARSTELLEN
      Die USA begannen bereits vor 1989 ihren ökonomischen Angriff auf Jugoslawien mit dem Ziel der politischen Zerschlagung und des erzwungenen wirtschaftlichen Niedergangs. Sie veranlassten den Internationalen Währungsfonds seine schärfste Schocktherapie anzuwenden, um die jugoslawische Produktivität anzugreifen, die Auslandsschulden des Landes zu erhöhen und sein Vermögen ausländischem Kapital zugänglich zu machen, und zwar durch die Beseitigung von Handelsschranken und die Privatisierung lebenswichtiger öffentlicher Industrien sowie Handels- und Versorgungsunternehmen und -einrichtungen. Im Mai 1991 stoppte Außenminister Baker jede Hilfe der USA an alle sechs jugoslawischen Teilrepubliken und legte gegen künftige Kredite des IWF sein Veto ein. Damit wurde ein gewaltiger ökonomischer Anreiz und ein starkes politisches Argument der gegen Belgrad gerichteten Opposition für die Abtrennung anderer Teilrepubliken von Serbien geschaffen. Die USA setzten VN-Sanktionen gegen Jugoslawien durch, aber entlasteten von diesen Sanktionen diejenigen Teilrepubliken, die von Jugoslawien abfielen. Die Sanktionen vernichteten die gesamte Wirtschaft Jugoslawiens in einem Grad, dass eine normale Wachstumsrate unter Bedingungen ohne US-Zwangsmaßnahmen 30 Jahre erfordern würde, um Jugoslawien wieder auf das Produktivitätsniveau von 1989 zu bringen. Der Produktionswert für alle sechs Teilrepubliken Jugoslawiens war 1989 pro Kopf 6.220 US-Dollar. Heute beträgt er für Serbien und Montenegro, die verbliebenen Teilrepubliken Jugoslawiens, 1.510 US-Dollar. Vor der Zerschlagung wurden 90 Prozent des Handels zwischen den sechs Teilrepubliken abgewickelt. Alle ehemaligen Teilrepubliken haben wirtschaftlich gelitten, aber Jugoslawien mit kaum 40 Prozent seiner Bevölkerung von 1990, einschließlich des Kosovo, verzeichnete einen weitaus größeren wirtschaftlichen Niedergang als die begünstigten nördlichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien, die heute in noch größerem Maße mehrheitlich römisch-katholisch sind als vor der Sezession. Die Sanktionen gegen Jugoslawien dauern an und Serbien, mit Ausnahme des Kosovo, ist von geplanten Reparationen und Hilfen für den Wiederaufbau zur Überwindung der Bombenschäden und wirtschaftlichen Zerrüttungen ausgeschlossen. Die Sanktionen hatten einen bei weitem schädlicheren Effekt für Leben, Gesundheit, Wirtschaft und Lebensqualität in Jugoslawien als der militärische Angriff. Sie bewirkten, dass die Todesrate stieg, die Lebenserwartung sank, die Lebensmittelversorgung und die medizinische Versorgung reduziert wurden und die Produktion heruntergefahren wurde. Wie im Irak und anderswo sind die Sanktionen ein wirtschaftliches Verbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschheit und Völkermord.
      Nürnberger Tribunal, Grundsatz V c, Verbrechen gegen die Menschheit; Völkermordkonvention; Genfer Zusatzprotokoll 1977, Art. 48, 54, 55.

      (14) EINSETZUNG EINES ILLEGALEN AD-HOC-STRAFTRIBUNALS ZUR ZERSTÖRUNG UND DÄMONISIERUNG DER SERBISCHEN FÜHRUNG
      Die USA, vertreten durch die Angeklagte Madeleine Albright, zwangen den VN-Sicherheitsrat, in Verletzung der VN-Charta Ad-hoc-Straftribunale für Jugoslawien und Ruanda zu schaffen, um die ihnen feindlichen Führer in diesen beiden Ländern niederzumachen und zu dämonisieren und ein drohendes Signal gegen Führer anderswo zu setzen. Die VN-Charta ermächtigt nicht zur Schaffung von Straftribunalen. Die USA widersetzten sich nachdrücklich dem Vertrag über die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs, der im Juli 1998 in Rom von 120 Staaten gebilligt wurde und gegenwärtig im Stadium des Ratifikationsverfahrens durch die Unterzeichnerstaaten ist; denn sie sind nicht willens, ihre Führer oder ihr militärisches Personal der Jurisdiktion eines unabhängigen Internationalen Gerichtshofs und der Geltung des internationalen Rechts zu unterwerfen. Durch das gezielte Vorgehen mit Ad-hoc-Tribunalen und der Anklage wegen Völkermord gegen einzelne Gegner erreichen sie deren internationale Isolierung, üben auf deren eigene Länder Druck aus sie von der Macht zu entfernen, korrumpieren und politisieren die Justiz und benutzen den Anschein des neutralen internationalen Rechts, um Gegner als Kriegsverbrecher zu verurteilen und zu bestrafen und selbst als Vorkämpfer des Rechts dazustehen.
      VN-Charta; Statut des Internationalen Gerichtshofs; UDHR; ICCPR.

      (15) BENUTZUNG VON KONTROLLIERTEN INTERNATIONALEN MEDIEN ZUR SCHAFFUNG UND AUFRECHTERHALTUNG DER UNTERSTÜTZUNG FÜR BELIEBIGE ANSCHLÄGE DER USA UND ZUR DÄMONISIERUNG JUGOSLAWIENS, DER SLAWEN, SERBEN UND MOSLEMS ALS VÖLKERMÖRDER
      Die für die USA Angeklagten haben die Presse- und Medienberichterstattung über Jugoslawien sowie über die Angriffe der USA gegen das Land systematisch kontrolliert, angeleitet, manipuliert, falsch informiert und Beschränkungen unterworfen, um eine öffentliche Unterstützung für die massiven Bombardierungen des wehrlosen Jugoslawien, einschließlich des Kosovo, zu erreichen, wie schon bei Libyen, Irak, Afghanistan, dem Sudan und anderswo. Die internationalen Medien haben die politischen Ziele der weiteren Fragmentierung Jugoslawiens und anderer Regionen unterstützt und begeistert befürwortet; dabei haben sie jede Region unter dem Gesichtspunkt der inneren Spaltung behandelt, selektierte Vertreter von Regierungen, sonstige politische Führer, Generäle, Offiziere und Soldaten als des Völkermords schuldige Täter dämonisiert. Auf diese Weise kontrollieren sie andere Nationen mit der Drohung öffentlich befürworteter Raketen- und Bombenangriffe und vernichtender Wirtschaftssanktionen, erzeugen in der Öffentlichkeit der USA Akzeptanz und Unterstützung für künftige Aktionen gegen andere Länder und für die Erhöhung der Militärhaushalte, um eine expandierende globale Rolle der militärischen Präsenz und Kontrolle der USA zu unterstützen.

      (16) EINRICHTUNG EINER LANGFRISTIGEN MILITÄRISCHEN BESATZUNG DURCH NATO-KRÄFTE IN STRATEGISCHEN TEILEN JUGOSLAWIENS.
      Die USA haben wie schon in Bosnien die angeklagten NATO-Mitgliedstaaten und andere gezwungen militärische Besatzungstruppen zur Besetzung des Kosovo zur Verfügung zu stellen und zu unterstützen, um wichtige Teile Jugoslawiens physisch zu kontrollieren und damit eine andauernde Abtrennung und innere Aufspaltung von Staaten und Völkern durchzusetzen, die Bevölkerungen weiter zu schädigen, gegen die Einwanderung aus Kleinasien, den arabischen Staaten des Mittleren Ostens und Nordafrikas und den ehemaligen Republiken der Sowjetunion und von anderswo her Schranken zu errichten; Sie beabsichtigen damit auch eine Pufferzone zwischen Europa und den genannten Regionen zu schaffen, indem sie das Staatsgebiet getrennter, innerlich gespaltener und verelendeter Bevölkerungsgruppen von Slawen, Serben, Christlich-Orthodoxen, Kosovo-Albanern und anderen kontrollieren. Schließlich wollen sie damit die NATO-Mitgliedsstaaten für die weitere Beteiligung an Aktionen gegen andere Nationen vorbereiten und konditionieren.
      VN-Charta; NATO-Vertrag, Art. 1, Nicht-Einmischungsdeklaration.

      (17) VERSUCH DER ZERSTÖRUNG DER SOUVERÄNITÄT, DES SELBSTBESTIMMUNGSRECHTS, DER DEMOKRATIE UND KULTUR DER SLAWISCHEN UND ANDERER VÖLKER JUGOSLAWIENS.
      Die USA haben versucht, die Souveränität Jugoslawiens, das Selbstbestimmungsrecht seiner Völker, die von ihm entwickelten demokratischen Institutionen sowie seine das Erbe, die Werte und Traditionen prägende Kultur zu zerstören. Die USA stürzten 1953 die demokratisch gewählte Regierung Mossadegh im Iran, die sie durch den Schah des Iran ersetzten, der 25 Jahre absolut herrschte; die demokratisch gewählte Regierung Abentz in Guatemala, auf die vierzig Jahre brutaler Regierungen folgten; die demokratisch gewählte Regierung Lumumba im Kongo im Jahre 1962, was bis heute gewalttätige Diktatoren nach sich zog; die demokratisch gewählte Regierung Allende in Chile, die Gesundheit und Erziehung sowie soziale und ökonomische Gerechtigkeit versprach; sie wurde ersetzt durch eine Herrschaft von Terror und Diktatur unter General Pinochet, der nun von Spanien und anderen Nationen wegen Menschenrechtsverletzungen gesucht wird; Ferner wurden vom Volk gewählte Führer in Vietnam, Pakistan, den Philippinen, Panama, Haiti und anderswo durch US-Surrogate ersetzt. Die USA haben seit vierzig Jahren Kuba und sein ganzes Volk angefeindet, angegriffen und blockiert. Die VN-Generalversammlung verurteilte im Dezember 1998 die USA wegen ihrer Blockade gegen Kuba mit 155 gegen 2 Stimmen. In zu vielen hier nicht zu nennenden Ländern auf fünf Kontinenten haben die USA repressive Regierungen unterhalten; immer ging es um die Zerstörung der Kulturen, die das Volk, seine Geschichte, seinen Charakter, seine Werte, seine Kunst, Literatur und Musik bestimmen, mit kommerziell verwertbaren Produkten ohne substantiellen Wert, mit dem alles bestimmenden Zweck des Profits, der aus Armen herausgeholt wird. Ein Ziel der US-Politik ist die Verankerung des Glaubens, dass nur ein einziges System funktioniert, der Kapitalismus, dass nur eine einzige Kultur Wert hat, die der USA und Westeuropas, und dass die Geschichte mit der Globalisierung der US-Kultur endet.
      UDHR, ICCPR, ICESCR

      (18) ZIEL DER USA: BEHERRSCHUNG, KONTROLLE UND AUSBEUTUNG JUGOSLAWIENS, SEINER BEVÖLKERUNG UND SEINER RESSOURCEN
      Das langfristige Ziel aller den Gegenstand dieser Anklage bildenden Handlungen besteht darin, die armen Nationen dieser Welt und die armen Leute der USA und anderer reicher Länder zu beherrschen, zu kontrollieren und auszubeuten, um die Konzentrationen des Reichtums noch reicher und mächtiger zu machen und die Massen armer, überwiegend dunkelhäutiger Menschen durch Angst, Machtlosigkeit, Armut sowie mit Brot und Spielen ruhig zu stellen.

      (19) MITTEL DER USA: MILITÄRISCHE GEWALT UND ÖKONOMISCHER ZWANG.
      Die USA, die beinahe ein Monopol an Atomwaffen, Militärflugzeugen, Raketen, modernen Panzerfahrzeugen, Feuerkraft, Ausrüstungen und höchst entwickelter Technologie besitzen, erweitern kontinuierlich ihre Zerstörungskraft. Für ihre Militärmacht geben sie mehr aus als die übrigen Mitglieder des Sicherheitsrats zusammen genommen. In diesem Jahr werden sich die US-Militärausgaben auf nahezu 300 Milliarden Dollar belaufen. Die dämonisierte Volksrepublik China wird 34 Milliarden Dollar ausgeben, wobei sie für jeden Dollar weitaus weniger Zerstörungskraft erwirbt. Die USA verkaufen mehr zerstörerische Waffen an andere Regierungen sowie an Gruppen, die Regierungen stürzen wollen, als die übrigen waffenexportierenden Länder zusammen genommen. Oft besteht die Absicht darin, dass die Empfänger sich gegenseitig umbringen, ein bevorzugtes Mittel, Vorherrschaft zu erlangen. Die USA verkaufen keine Waffen, die sie nicht ohne eigene bedeutende Verluste zerstören können. Die USA nutzen ihre enorme wirtschaftliche Macht ausländische Regierungen zu zwingen, ihren Wünschen ohne Rücksicht auf die Interessen der eigenen Bevölkerung willfährig zu sein. Allein die Androhung wirtschaftlicher Sanktionen zwingt Länder, Forderungen der USA gegen ihre Souveränität und ihr Eigeninteresse zu erfüllen.

      C Angestrebte Ziele des Rechtsbehelfs

      1. Freiheit für alle Völker des Balkans, in eigener Entscheidung eine Föderation zu bilden, um politische, zivile, soziale, ökonomische und kulturelle Unabhängigkeit für alle Völker der Region schaffen.
      2. Umfassende Anstrengungen zur Förderung der gegenseitigen Achtung, der gemeinsamen Interessen und der freundschaftlichen Bande zwischen Moslems, Slawen und allen ethnischen und religiösen Gruppen des Balkans.
      3. Striktes Verbot aller Formen der ausländischen Einmischung oder der Vereitelung von Anstrengungen zur Herstellung der Einheit, des Friedens und der Stabilität auf dem Balkan.
      4. Wiederherstellung der friedenssichernden Funktionen der VN und Reformen der VN, die sie effektiv machen.
      5. Abschaffung der NATO
      6. Volle Rechenschaft von Einzelpersonen und Regierungen für verbrecherische und andere widerrechtlich begangene militärische Anschläge und ökonomische Ungerechtigkeiten, einschließlich Sanktionen, gegen das Volk von Jugoslawien, sein Leben, seine Ressourcen, seine Umwelt, unter Einschluß von Strafverfolgungen und Reparationsleistungen, die ausreichen, die ganze Bevölkerung in einen Zustand zu versetzen, in dem sie sich befunden hätte, hätte sie nicht unter den gegen sie begangenen Unrechtshandlungen zu leiden, sowie von Hilfsmitteln zur Gestaltung einer besseren, der Entscheidung des Volkes entsprechenden Zukunft.
      7. Abschaffung des illegalen Ad-hoc-Straftribunals für Jugoslawien und Gestaltung eines rechtmäßigen internationalen Tribunals, das mit weltweiter, nicht diskriminierender Zuständigkeit in der Lage ist, eine gleichmäßige und gesetzeskonforme Rechtsprechung auszuüben.
      8. Schaffung eines angemessenen Zugangs zu den Medien, um die Welt über die Destruktivität des Einsatzes von Hochtechnologie-Waffen der USA gegen arme, wehrlose Bevölkerungen und die Praxis des Völkermords durch Sanktionen zu informieren.
      9. Rückzug aller ausländischen Truppen vom Balkan zum frühest möglichen Zeitpunkt sowie sofortiger Rückzug der Streitkräfte der USA aus den NATO-Ländern und von anderswo.


      D Umfang der Ermittlungen

      Die Untersuchungskommission wird sich wegen der dominierenden Rolle der USA bei den militärischen und anderen rechtswidrigen Aktionen gegen Jugoslawien schwerpunktmäßig mit dem kriminellen Verhalten der USA befassen, das von der NATO unterstützt und gefördert wurde. Die USA erlitten nicht ein einziges Todesopfer, während sie Tausende von Toten in Jugoslawien zu verantworten haben. Die USA bilden den Schwerpunkt auch wegen der Gefahr fortgesetzter US-Aktionen für das Volk von Jugoslawien und des Risikos von Luft- und Raketenschlägen gegen andere Nationen, und dies im Hinblick auf die Rückfälligkeitsbilanz der USA. Die Untersuchungskommission wird Beweismaterial über kriminelle Handlungen von allen in den Konflikt einbezogenen Personen und Regierungen erbitten und entgegen nehmen, weil sie meint, dass internationales Recht gleichmäßig anzuwenden ist. Sie ist davon überzeugt, dass "Siegerjustiz" nicht Recht ist sondern die Verlängerung des Krieges durch Gewalt der vorherrschenden Partei. Die Propaganda und internationale Medienberichterstattung der USA dämonisierten Jugoslawien, seine Führung, Serben und Moslems ihren Zwecken entsprechend, aber nahmen nur selten Notiz von den verbrecherischen Zerstörungen Jugoslawiens durch Aktionen der USA, wie in dieser Anklage dargelegt. Es sind umfassende Anstrengungen zu unternehmen, um Beweise zu sammeln und auszuwerten, um jedes Verhalten, das ein Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit darstellt, objektiv zu beurteilen und um die ermittelten Fakten der Weltöffentlichkeit als oberster Instanz zur Beurteilung vorzulegen. Dabei muß sich jede ernsthafte Bemühung schwerpunktmäßig mit den USA befassen. Nach Meinung der Untersuchungskommission ist die Konzentration auf die kriminellen Handlungen der USA wichtig, der Sache angemessen und der einzige Weg, um die volle Wahrheit sowie eine ausgewogene Sichtweise und die in der Anwendung juristischer Prozeduren notwendige Unvoreingenommenheit angesichts dieser großen menschlichen Tragödie zum Tragen zu bringen.

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    Bosnien, Kosovo, Irak: Der rote Faden

    Das Gemeinsame im Verschiedenen


    Den folgenden Text haben wir der Wochenzeitung "Freitag" entnommen.


    Von Marina Achenbach

    Schauen Sie sich doch mal Bosnien an. Da war es notwendig, dass die USA die Führung übernehmen, weil niemand anderes dazu in der Lage war. Man hatte die europäische Führung ausprobiert, und Hunderttausende unschuldiger Menschen mussten sterben. Und die UNO hat alles nur noch schlimmer gemacht, weil die Bosnier wegen ihres Waffenembargos wehrlos waren.« So verteidigt Richard Perle, bis vor Wochenfrist Chef des Beraterteams der US-Regierung, den amerikanischen Alleingang von damals und heute.

    Fast täglich kommt Bosnien, kommt vor allem Kosovo als Argument für den Irak-Krieg ins Spiel, oft nur nebenbei, aber als feststehende Wahrheit, die anzuzweifeln niemandem in den Sinn kommen könne. Sogar Gegner des Irak-Krieges sichern sich gern gegen den Vorwurf des Pazifismus ab, indem sie betonen, dass sie den NATO-Krieg gegen Jugoslawien ja für richtig hielten - schließlich hätte im Kosovo ein Genozid gedroht, so SPD-Generalsekretär Olaf Scholz.

    Richard Perle gehört zu einer Gruppe, die sich »Projekt für das amerikanische Jahrhundert« nennt und schon 2000, also vor dem 11. September 2001, der angeblich an allem Schuld ist, eine Denkschrift verfasste, in der steht, wie die USA ihre Rolle als einzig verbliebene Supermacht besser nutzen und ausbauen müssten: Mit militärischen Mitteln und ohne Rücksichten auf Verbündete. Aus dieser Gruppe kommt Bushs heutiger Stab - Vizepräsident Cheney, Donald Rumsfeld, dessen Stellvertreter Wolfowitz, der oft zitierte Historiker Kagan. Das sei hier erwähnt als ein Indiz dafür, dass der Irak-Krieg Teil einer langfristig angelegten Planung ist, nicht einfach Reaktion auf terroristische Ereignisse von außen.

    Die große Demontage der UNO

    Die jugoslawischen Kriege haben Europa wieder an Krieg als »Normalität« gewöhnt - ihr größtes, unabweisliches Ergebnis. Es war ein schleichender Prozess, die Völker Europas brauchten lange, bis sie für den Kriegsgedanken wieder reif waren, vor allem die Deutschen. Und diese Zeit sollten sie bekommen: Wenn sich während der Kämpfe Verhandlungslösungen abzeichneten, wurden sie garantiert von irgendeiner Seite torpediert, nicht nur von den kämpfenden Parteien. Der Bosnien-Krieg wurde immer wieder verlängert. Ich erinnere mich an bohrende Fragen: Wer hat daran ein Interesse? War es nur der Waffenhandel?

    In Bosnien wurde auch die UNO systematisch als hilflos vorgeführt, geradezu lächerlich gemacht, sie sah sich zur Position des bewaffneten Beobachters verdammt, indem ihr die Großmächte nie ein klares Mandat erteilten. Die große Demontage der Weltorganisation setzte hier ein. Die europäischen Staaten und die USA verfolgten ihre Sonderinteressen, die mehr mit Dominanz und Profilierung untereinander zu tun hatten als mit der Lage in einem vom Krieg gestraften Land. Auf der Bühne des zerbrechenden Jugoslawiens wird ein fremdes Stück gespielt, nannte den Vorgang Horst Grabert, früher Botschafter in Belgrad.

    In jener Zeit ließ sich die Öffentlichkeit darauf dressieren, Bomben als besseres Mittel für Konfliktlösungen anzusehen als Verhandlungen. Nach drei Jahren Bosnien-Krieg wurde die NATO geradezu angefleht, endlich ihre Flugzeuge loszuschicken. Das taten dann erst einmal die Amerikaner allein, im Sommer 1995, als der Krieg schon verebbte, ein Waffenstillstand dem anderen folgte und die Situation längst reif für ein Friedensabkommen war. Die USA setzten damit jene Legende in die Welt: nur sie hätten die Energie, Autorität, Klarheit - und Technik für einen harten chirurgischen Schlag besessen.

    Als Außenministerin Madeleine Albright ab 1998 immer offener drängte, wegen des Kosovo in die militärische Offensive gegen »Rest-Jugoslawien« zu gehen, wollten diesmal die anderen Staaten nicht ausgeschlossen bleiben. Für den großen Auftritt der NATO gab es bald keine Vorbehalte mehr, ihre Mitglieder beteiligten sich am drei Monate währenden Bombardement des Kosovo, Belgrads, der Brücken von Novi Sad, der Fabriken, Straßen und Kasernen in Serbien, teilweise in Montenegro. An den straflosen Bruch des Völkerrechts wurde die Weltöffentlichkeit schon hier gewöhnt.

    Wieder kapituliert der Gegner nicht sofort

    Wieder sitzen wir vor dem Fernsehgerät, blättern die Zeitungen durch, erstarren vor manchen Fotos, schildern uns gegenseitig die eindrücklichsten Bilder. Zu den Ähnlichkeiten dieser Kriege gehört unsere Rolle als Zuschauer: es ist das unerträgliche Missverhältnis von innerer Anteilnahme und Handlungsunfähigkeit. Eine alte Dame höre ich zermürbt sagen: Man erfährt heute ja alles, was die Militärs planen, im Voraus, das ist nicht auszuhalten. Viele versuchen sich durch Wegschauen zu schützen, aber das entlastet sie nicht. Die Nachrichten dringen trotzdem durch Ritzen der Abschottung, sie wandern durch die Psyche, so wie Bombensplitter durch Körper, die sie immer wieder neu an unerwarteten Stellen verletzen.

    Wieder läuft ein Krieg nicht so wie erwartet.

    Wieder kapituliert der Gegner nicht sofort.

    Wieder fällt das Regime nicht in sich zusammen, weicht nicht zurück ohne »Blutvergießen« wie 1989/90 das ganze kommunistische System. Seither gibt es keine Wiederholung mehr dieses »Wunders«.

    Während des NATO-Angriffs 1999 sammelten sich die Serben um Milos?evic´, ganz unabhängig davon, wie sehr sie ihn die Jahre vorher gehasst haben mochten. 20.000 junge Männer waren aus Serbien vor der Einberufung geflohen, manche gingen 1999 zurück, um zu kämpfen, so wie jetzt Iraker aus Jordanien zurückkehren. Die Serben wussten über Milos?evic´ gut Bescheid, auch über die Verwicklung von Politik und Kriminalität. Aber der Angriff auf das unterlegene Land veränderte die Konstellationen im Inneren völlig. Als der Krieg beendet war, saß Milos?evic´ anfangs sicherer auf seinem Stuhl als vorher, trotz seines Rückzugs aus dem Kosovo. Gestürzt wurde er über ein Jahr später - unter anderem, weil sich die Oppositionskräfte wieder sammelten und massive Hilfe von außen erhielten, die vorher nur halbherzig und voller Skepsis geleistet wurde.

    Beide Symbolfiguren des Bösen, Milos?evic´ und Saddam, erhielten eine Übergröße - das Bild setzt sich hier wie da aus wirklicher Schuld und ausgedachten Verbrechen zusammen. Ihnen wird die Verantwortung für alles zugeschoben, was auch immer passiert -Verfolgte, Flüchtlinge, Oppositionelle aus dem eigenen Land sind Kronzeugen, aber nur, wenn ihr angesammelter Hass passt. Ansonsten fragt man sie nichts.

    Eine weitere Ähnlichkeit: Milos?evic´ und Saddam werden beide von ihren Opponenten immer wieder verdächtigt, Schachfiguren oder gar zeitweilig Mitspieler der westlichen Mächte zu sein. Beide waren mindestens einmal, wenn nicht mehrfach mit ihrer Macht am Ende, aber ihre Gegner wurden nicht dabei unterstützt, sondern gehindert, sie zu stürzen. Um es zu verstehen, musste man die verpönte Frage stellen: cui bono? Wem nutzte es, dass die Kosovo-Frage so lange ungelöst blieb? Dass mit der Zerstörung Jugoslawiens auch Serbien und damit das größte Volk der Region geschwächt wurde, verarmt durch acht Jahre Embargo und zum Paria erklärt? Milos?evic´ hat es dem Land eingebrockt oder - wie manche aus anderer Perspektive sagen würden - er hat es möglich gemacht.

    Dass die Existenz eines Saddam den USA seit 1991 außerordentlich nützlich war, liegt auf der Hand: ihre Militärbasen in Saudi-Arabien und Kuwait, ihre ständige Präsenz in der Region, an der Grenze des Iran, die ungeheuren Waffenverkäufe an die Ölstaaten - alles ist dem »Schurken« zu verdanken. Es ist seltsam mit diesem »Nutzen« - ist er ein Ergebnis der Schwäche solcher Diktatoren? Lief Saddam mit seiner Kuwait-Invasion 1990 in eine Falle, die man ihm möglicherweise stellte? Und sind nun die USA an der Reihe, mit ihrem Krieg das Gegenteil vom Gewollten zu bewirken?

    US-Air-Base Bondsteel im Kosovo

    Im Krieg gegen Jugoslawien debattierte die NATO drei Monate lang öffentlich, ob Bodentruppen eingesetzt werden müssten. Das Wort »Bodentruppen« bekam einen magischen Klang. Die NATO wollte ihren Einsatz und damit die schwarzen Leichensäcke nach Möglichkeit vermeiden. Dafür wurde die UÇK im Eilverfahren aufgerüstet. In Deutschland wurden junge Kosovo-Albaner von der UÇK rekrutiert und nach kürzester Ausbildung, aber angefüllt mit Hoffnung auf eine Zukunft unter westlicher Ägide, mit Bussen an ihre Kampfgebiete herangefahren.

    Nun sind Bodentruppen im Irak auf Befehl eines Präsidenten, der für seine Person wusste, wie er sich einst vor ähnlichen Gefahren drücken konnte. Dass sich die irakischen Truppen auch mit den Guerilla-Methoden der Schwächeren wehren, wird sofort als schmutzig, hinterhältig und grausam bezeichnet. Während des Kosovo-Krieges überschlug sich Verteidigungsminister Scharping mit Phantasien von serbischen Gräueltaten. Diesmal geht es um mehr als die Dämonisierung eines Feindes, der sich mühsam tief unten am Boden bewegt, von den Flugzeugen aus kaum sichtbar. Der Irak-Krieg hat eine schrecklichere Dimension, er fährt tief in die internationalen Strukturen hinein.

    Als Sarajevo auf einen Militärschlag der NATO hoffte, der es von der Belagerung erlösen sollte, war manchmal der sarkastische Satz zu hören: Würden sie unter unserem Boden Öl vermuten, wären sie längst da! Ich fragte: Meinst du, dann wäre es besser? - Ja, natürlich, dann wäre hier schnell Frieden, dann würde man uns nicht allein lassen. Wahrscheinlich ist dieser Spruch angesichts der Kriegsmaschinerie, die gegen den Irak aufgezogen ist, vergessen, wie viele andere Selbsttäuschungen auch.

    Sie waren nie allein, die Bosnier, Kroaten, Serben oder Kosovo-Albaner. Sie wurden beobachtet von allen Seiten, ihre Kämpfe für Kriegspropaganda genutzt, für die Rückkehr des ethnischen Arguments, für die Demontage des Völkerrechts, das Erproben von Waffen und Strategien, besonders im NATO-Krieg gegen Jugoslawien.

    Im Kosovo haben inzwischen die Amerikaner eine ihrer größten europäischen Luftbasen errichtet, Bondsteel ihr Name. Wie ein eigener Staat im Protektorat - eine geschlossene amerikanische Welt mitten unter den Albanern. Es gibt dort zwar keine Ölquellen, dafür aber liegt Bondsteel direkt an der Öl-Trasse, die vom Kaspischen Meer zur Adria führen wird.

    Aus: Freitag: Die Ost-West-Wochenzeitung 15, 04.04.2003

    Jugoslawien ist tot – ein Nachruf

    Die nächste Beerdigung steht schon fest


    Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einem Artikel, der in der Schweizer Wochenzeitung WoZ erschien. Er befasst sich mit dem formalen Ende des Vielvölkerstaats Jugoslawien, ein Ende, das freilich vorauszusehen war.


    Von Jean-Arnault Dérens, Belgrad

    (...) Nach dem Ersten Weltkrieg gehörten zum Reich der serbischen Könige Regionen, die früher türkisch waren (Mazedonien und Kosovo) oder österreichisch (Slowenien, Kroatien und Bosnien); zudem annektierte es das kleine Königreich von Montenegro. Dieses neue Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen erstreckte sich von Italien bis Griechenland, von der Donau bis zur Adria. Im Jahr 1929 erhielt es den Namen Jugoslawien: «slawische Länder des Südens».

    Jugoslawien zum ersten

    Die Idee einer Vereinigung aller Slawen des Südens wurde schon im 19. Jahrhundert ein erstes Mal entwickelt, und zwar von kroatischen Intellektuellen wie Ljudevit Gaj oder dem Bischof von Djakovo, Josip Strosmajer. Die Vereinigungsidee schwankte immer zwischen zwei Modellen: jenem eines freien Zusammenschlusses von durchaus verschiedenen Völkern oder jenem der nationalen Vereinigung rund um das Fürstentum Serbien, das seit 1830 autonom und seit 1878 ein unabhängiges Königreich war. Die Verfechter des letzteren Modells bezogen sich gerne auf die Rolle, die das Königreich Piemont bei der Vereinigung Italiens gespielt hatte.

    Die Monarchie Jugoslawien, diktatorisch und korrupt wie sie war, zog rasch die Opposition aller Nichtserben auf sich, vor allem der NationalistInnen von Montenegro, Mazedonien, Albanien und schliesslich Kroatien. Soziale und politische Auseinandersetzungen wurden bald mit zunehmender Härte geführt, wobei die kroatische Bauernpartei eine führende Rolle einnahm. Deren Führer Stjepan Radic wurde 1928 im Parlament von einem montenegrinischen Abgeordneten ermordet. Die kommunistische Partei, im Jahr 1921 in den Untergrund abgetaucht, folgte den Direktiven der Kommunistischen Internationalen (Komintern) und prangerte Jugoslawien als «Gefängnis der Völker» an. Während sich in Europa der Faschismus ausbreitete, machte die serbische Dynastie dem parlamentarischen System ein Ende. Im Januar 1929 hob König Alexander die Verfassung auf und rief seine persönliche Diktatur aus. Zwei Jahre danach führte er die Verfassung wieder ein. Doch 1934 wurde er von den kroatischen Nationalisten, den Ustaschi, ermordet, die sich zu diesem Zweck mit den mazedonischen Nationalisten verbündet hatten.

    Das zentralistische Modell, das sich nach 1918 durchgesetzt hat, stiess vor allem die KroatInnen vor den Kopf, die sich der Besonderheit ihrer Kultur und ihrer von der langen österreichisch-ungarischen Herrschaft geprägten Geschichte besonders bewusst waren. Es lief auch den Ansprüchen anderer Völkerschaften im neuen Jugoslawien zuwider – wie jenen der AlbanerInnen, die sich umso weniger im jugoslawischen Staat wiedererkennen konnten, als sie gar keine Slawen sind. Dieses erste Jugoslawien, von Anbeginn von politischen und nationalistischen Widersprüchen durchsetzt, klappte im Frühling 1941 innert weniger Tage zusammen wie ein Kartenhaus unter den ersten deutschen militärischen Vorstössen.

    Jugoslawien zum zweiten …

    Während des Zweiten Weltkriegs wurde Jugoslawien in Einzelteile zerlegt. Die kommunistischen Widerstandskämpfer unter Josip Broz Tito beschlossen, das Land auf einer bundesstaatlichen Basis wieder zu gründen. Damit stellten sie sich gegen die Tschetniks, die serbischen Widerstandskämpfer, und auch gegen die kroatischen Ustaschi. Diese Nazi- Kollaborateure erhielten vom Dritten Reich einen eigenen, formell unabhängigen Staat zugestanden, zu dem auch Landesteile von Kroatien und Bosnien gehörten.

    Am 29. November 1943 wurde am zweiten Kongress des Widerstandsrates in der bosnischen Kleinstadt Jajce die Sozialistische Bundesrepublik Jugoslawien ausgerufen. Dieses zweite Jugoslawien sollte in seiner Geschichte Ruhmesstunden erleben – vor allem nachdem die jugoslawischen KommunistInnen sich zum Bruch mit ihren sowjetischen Mentoren entschlossen hatten. Zu jener Zeit führte das Land die Bewegung der Blockfreien Staaten an und versuchte, einen «anderen» Sozialismus zu verwirklichen, einen offeneren als das stalinistische Modell.

    Der dem sowjetischen Vorbild nachgebildete jugoslawische Föderalismus war zu Beginn sehr theoretisch. Doch nach 1960 gingen Massnahmen zur ökonomischen Öffnung einher mit grösseren Kompetenzen für die einzelnen Republiken. Demokratie gehörte allerdings immer noch nicht zum Programm, doch versuchten alle sechs Teilrepubliken (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien) sowie die beiden autonomen Provinzen (Kosovo und Wojwodina) ihre eigenen Interessen zu fördern. Die Verfassung von 1974 verpflichtete das Land zum Prinzip des Föderalismus. Mangels eines echten Pluralismus wurde das politische Leben im sozialistischen Jugoslawien jedoch vom Gegeneinander der verschiedenen kommunistischen Bürokratien in jeder der Teilrepubliken geprägt. (...)

    Drei wichtige Institutionen sollten dabei den gemeinsamen Staat jederzeit garantieren: die Armee, die Partei und Tito. Die Nationale Volksarmee Jugoslawiens blieb tatsächlich eine einheitliche Kraft – daher wurde sie in den achtziger Jahren von Slowenien und Kroatien infrage gestellt. Nach dem Bruch mit Stalin hatte die Liga der jugoslawischen Kommunisten die Tendenz, sich entlang nationaler Unterschiede zu spalten. Durch wirtschaftliche und institutionelle Reformen hingen die Privilegien der lokalen Bürokratien immer mehr von den Beiträgen ihrer jeweiligen Teilrepublik ans Staatsganze ab. Marschall Tito – er erhielt 1974 den Präsidententitel auf Lebenszeit – blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1980 eine Art Schiedsrichter in den immer zahlreicheren sozialen und nationalen Konflikten. Er nahm diese sicher ernst und bezog sie in seine verschiedenen Reformen ein, unterdrückte jedoch «Exzesse» wie 1971 die Demonstrationen von Zagreb, die unter dem Namen «Kroatischer Frühling» bekannt wurden.

    Nach dem Tod von Tito spitzten sich die Spannungen zu, umso mehr als die sozialistische Politik es nicht schaffte, die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Teilstaaten auszugleichen. Die «reichen» Republiken wie Slowenien und Kroatien wollten sich von den armen Regionen trennen und kritisierten die Misswirtschaft der nationalen Verwaltung. Slobodan Milosevic, ein zweitrangiger Bürokrat, übernahm die Kontrolle der Kommunistischen Partei Serbiens und liess den serbischen Nationalismus auferstehen. Als Reaktion darauf erklärten Slowenien und Kroatien 1991 ihre Unabhängigkeit. Die jugoslawische Krise hat tatsächlich die Wiedergeburt des kroatischen Nationalismus begünstigt, der unter der Führung des ehemaligen Widerstandskämpfers Franjo Tudjman ein zwiespältiges Andenken an die Ustaschi-Kollaborateure des Zweiten Weltkriegs pflegt. Der Unabhängigkeitserklärung der beiden ersten Republiken folgten bald jene von Mazedonien und Bosnien-Herzegowina.

    Die letzten Versuche zu demokratischen Reformen in der Gesamtrepublik, die der Kroate Ante Markovic, letzter Premierminister des Bundesstaates (1990 bis 1991), unternommen hat, scheiterten am Sperrfeuer der serbischen und kroatischen Nationalisten, aber auch an der Gleichgültigkeit Europas, das nicht begriff, dass dies die letzte Chance zur Rettung Jugoslawiens war.

    Allerdings entsprechen die Territorien und Grenzen der neuen unabhängigen Republiken nicht jenen der Ethnien, und alle neuen Staaten umfassen beträchtliche nationale Minderheiten. Die Bundesarmee intervenierte ab Sommer 1991 in Kroatien, offiziell zum Schutz der serbischen Minderheiten im Land. Gleichermassen folgte auf die Unabhängigkeit Bosniens ein blutiger Krieg (200 000 Tote zwischen 1992 und 1995). Er wurde von den serbischen Nationalisten in diesem Land herbeigeführt, die ihrem «Mutterland», der Republik Serbien, verbunden bleiben wollten.

    Jugoslawien zum dritten … und letzten

    Im April 1992 schafften Serbien und Montenegro ein drittes Jugoslawien, das Anfang Februar aufgehört hat zu existieren. Dieses Rumpf-Jugoslawien hatte hauptsächlich zum Zweck, dass sich das Regime in Belgrad weiterhin als Erbe des «grossen» Jugoslawiens ausgeben konnte, vor allem gegenüber einem immer noch grossen Teil der Bevölkerung von Serbien und Montenegro, der immer noch der jugoslawischen Idee anhing. Doch das Zusammenleben von Serbien und seinen zehn Millionen EinwohnerInnen mit Montenegro, das nur 650 000 EinwohnerInnen zählt, war nur möglich, solange die montenegrinischen Führer brav der politischen Linie von Belgrad folgten. Der Aufstand von Milo Djukanovic nach 1996 zeigte sehr rasch, dass die «Bundes»-Institutionen dieses «dritten» Jugoslawiens eine Illusion waren.

    Trotz des Sturzes von Slobodan Milosevic am 5. Oktober 2000 ertrug das kleine Montenegro das Gewicht von Serbien immer schlechter und träumte von Unabhängigkeit – ein von Europa strikt zurückgewiesener Wunsch: Europa will keine weitere Aufsplitterung in der Region. Die neue Union Serbien-Montenegro ist allerdings ein Staat auf Zusehen hin, denn nach drei Jahren können die beiden Republiken entscheiden, ob sie das gemeinsame Abenteuer fortsetzen oder aber über eine Unabhängigkeit abstimmen wollen.

    Aus europäischer Sicht hat die neuste Wandlung in Jugoslawien vor allem den Zweck, eine Unabhängigkeit des Kosovo zu verhindern. Wird der föderale Rahmen zwischen Serbien und Montenegro gesprengt, scheint eine Unabhängigkeit des Kosovo tatsächlich unausweichlich. Der Vertrag zur Gründung der Union Serbien-Montenegro überschreibt die jugoslawischen Rechte auf Kosovo ausdrücklich an Serbien.

    Die albanischen Führer im Kosovo haben entsprechend negativ auf die Verhandlungen über die neue Union reagiert – von denen sie übrigens gänzlich fern gehalten wurden, für die sie sich aber auch nicht interessieren mochten. Die Logik der westlichen Diplomaten ist allerdings unwiderlegbar. Laut der Uno-Resolution 1244 ist der Kosovo immer noch Teil der Bundesrepublik Jugoslawien, deren legale Erbin die Union Serbien-Montenegro ist. Da der Kosovo ganz klar kein Teil von Montenegro ist, muss seine Zugehörigkeit zu Serbien noch bestätigt werden. Falls die Union auseinander bricht, ist ausdrücklich vorgesehen, dass der Kosovo unter die Hoheit Serbiens gestellt wird.

    Die neue Union Serbien-Montenegro friert die Frage einer Unabhängigkeit Montenegros für drei Jahre ein. Aber kaum jemand wettet auf die Lebensfähigkeit dieses Staates. Er wird sicherlich eine gemeinsame Armee haben und gemeinsame Aussenpolitik – hingegen auch zwei Zollsysteme und sogar zwei verschiedene Währungen, hat Montenegro doch den Euro zur offiziellen Währung erklärt, während Serbien seinem Dinar treu bleibt.

    In Serbien selber können die liberalen Reformer den neuen Staat mit seinen unklaren Kompetenzen nicht scharf genug verurteilen. Ihr Führer Miroljub Labus, der an den Präsidentschaftswahlen vom letzten Herbst glücklos geblieben ist, fürchtet, dass die institutionelle Unordnung die seit Milosevics Fall blockierte Reformpolitik noch mehr verzögern wird und zudem ausländische Investoren davon abhalten wird, sich für das Land zu interessieren.

    Die MontenegrinerInnen ihrerseits sind fest entschlossen, in der dreijährigen Probezeit ihre eigene Unabhängigkeit vorzubereiten. Die albanischen Nationalisten werden nicht zögern, den neuen Staat zu kritisieren. Im vergangenen Herbst drohte Bajram Rexhepi, Premierminister von Kosovo, einseitig die Unabhängigkeit zu erklären, falls die neue Union gegründet werden sollte. Der Konflikt zwischen den Kosovo-AlbanerInnen und der Staatengemeinschaft wird durch den neuen Staat also noch verschärft werden – und seinen Niedergang beschleunigen. (...)

    Aus: WoZ, 20. Februar 2003

    "Komisches Gefühl"

    Drei Jahre nach den NATO-Bomben beginnt in Pancevo das langsame Sterben


    Von Boris Kanzleiter

    "Immer mehr Leute in der Stadt sterben an Krebs", sagt Ivan Zafirovic fast beiläufig. Der schlacksige junge Mann sitzt in seinem Büro im zweiten Stock des Rathauses von Pancevo und wippt in einem Plastikledersessel. Als einziger Abgeordneter der Grünen Partei im Stadtparlament ist er zuständig für den Umweltschutz. Zafirovic blickt hilflos auf Unterlagen, die sich vor ihm auf dem Tisch stapeln. Es sind Berichte über die ökologischen Folgen der NATO-Bombardements vor drei Jahren. "Heute sterben viel mehr Leute als vor den Bombardements 1999. Aber es ist ein Tabu darüber zu reden", wiederholt er sich.

    An 17 Tagen und Nächten trafen im Frühjahr vor drei Jahren Marschflugkörper und Bomben Ziele in der knapp 100.000 EinwohnerInnen zählenden Stadt. Was Zehntausenden Arbeit und bescheidenen Wohlstand einbrachte, wurde zum Fluch für die BewohnerInnen. Pancevo ist einer der wichtigsten Industriestandorte in Jugoslawien. Hier, nur zwanzig Kilometer die Donau entlang flussabwärts hinter der Zwei-Millionen-Metropole Belgrad, konzentriert sich die petrochemische Industrie des Landes. Benzin, Düngemittel, Kunststoffe, Lacke und Öle stellen die ArbeiterInnen im Industrierevier her. "Am 24. März 1999 um 20:40 Uhr schlugen die ersten Bomben ein", erinnert sich Ivan Zafirovic. Der 24. März war der erste Tag des Krieges, fünf Tage zuvor waren die Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung im Kosovo-Konflikt im Schloss Rambouillet bei Paris gescheitert. "Zuerst trafen die Bomben die Fabrik Lola Utva, dort wurden Kleinflugzeuge für die Landwirtschaft montiert", sagt Zafirovic. Dann, in den folgenden Wochen, trafen die Bomben die Raffinerie, die Düngemittelfabrik Azotara und die Kunststofffabrik Petrohjemija. Immer wieder bis zum letzten Tag des Kriegs am 8. Juni, als ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurde und sich die jugoslawische Armee aus dem Kosovo zurückzog.

    "Es ist ein Tabu darüber zu reden"

    Die Bombenangriffe auf Pancevo wurden akribisch dokumentiert. Schon im Oktober 1999, nur vier Monate nach Ende des Krieges, veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) einen ausführlichen Bericht über die ökologischen Konsequenzen der Bombardements. Die ExpertInnen der Genfer Behörde hatten in den Wochen nach dem Abschluss der Waffenstillstandsvereinbarung Recherchereisen durch Jugoslawien unternommen und mit WissenschaftlerInnen und AugenzeugInnen vor Ort versucht, eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Pancevo identifizierten sie neben der Industriestadt Kragujevac als "am schlimmsten" betroffen.

    "Es war ein Albtraum", sagt Zafirovic und versucht zu lächeln, denn schließlich ist das alles schon so lange her. "Die Bomben haben große Teile der Tanks getroffen, in denen die Grundstoffe für die Produktion gelagert waren." Insbesondere in der Woche zwischen dem 13. und dem 20. April geriet die Bevölkerung in Panik. In jeder Nacht rasten die Cruise Missiles in das Industriegebiet, das direkt an ein Wohnviertel anschließt. Flammen loderten in den Nachthimmel. Tagsüber blieb es dunkel, weil sich eine gewaltige Rauchwolke über die Stadt wölbte. Erst als es anfing zu regnen, lichtete sich der Himmel. "Auf den Autos, auf den Straßen, überall klebte ein schwarzer schmieriger Schleim", erinnert sich der junge Abgeordnete. "Viele Menschen sind damals aus Pancevo zu Freunden oder Verwandten nach Belgrad oder in andere Städte geflüchtet", erzählt er. "Die Menschen hatten Angst. Viele schwangere Frauen haben abgetrieben, weil sie sich vergiftet vorkamen." Dazu hatten ihnen die Ärzte in den Krankenhäusern geraten.

    Die Katastrophe kam unerwartet über die Stadt. Pancevo liegt in der Vojvodina-Region, die Grenze zu Ungarn und Rumänien ist viel näher als Pristina. Von den Auseinandersetzungen im Süden lasen die Menschen nur in der Zeitung. Dass die Fabriken in der Nachbarschaft gefährlich waren, wussten sie allerdings genau. "Die Chemieindustrie war schon immer eine Bedrohung", sagt Zafirovic. "Die Arbeiter hier sterben jung." Beim Aufbau der jugoslawischen Chemieindustrie in den 60er und 70er Jahren spielten Umweltbestimmungen keine wichtige Rolle. Als "Pancevo-Krebs" bezeichneten die Ärzte eine Krankheit, unter der insbesondere die Arbeiter der PVC-Fabrik Petrohjemija litten, ein Krebs, der die Leber befällt. Verantwortlich dafür machten sie hauptsächlich die Chemikalien Ethylen-Dichlorid (EDC) und Vinyl-Chlorid-Monomer (VCM), die Grundstoffe der PVC-Produktion. Der "Pancevo-Krebs" greift nun weiter um sich, denn es sind gerade diese Chemikalien, die durch die NATO-Bomben in großem Umfang freigesetzt wurden.

    Das Umweltlexikon beschreibt die Wirkung von Ethylen-Dichlorid: "Hautreizend, narkotisierend, mutagen und karzinogen" ist der Stoff. Die Vergiftungssymptome bestehen aus "Kopfschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen, blutigen Durchfällen, Koliken, tiefer Narkose". Langzeitbelastung verursacht "Depressionen und Magenbeschwerden mit Erbrechen". Es drohen "starke Organschädigungen (Leber, Niere, Blut). Erhöhung der Frühgeburts- und Totgeburtenrate". Auch Vinylchlorid wird als "eindeutig Krebs erzeugender Stoff" ausgewiesen. "Es kann kein medizinisch unbedenklicher Grenzwert festgelegt werden, da jede noch so geringe Konzentration schädigend wirkt", heißt es. Für Arbeitsplätze gilt in Deutschland die Überschreitung einer Konzentration von 3 ppm (ml/m3) als nicht mehr tolerierbar. In Jugoslawien liegt der Grenzwert bei 5 ppm (ml/m3).

    Die Messteams des Institutes für Gesundheitsschutz in Pancevo haben am 18. April 1999, die Fabriken brannten lichterloh, an verschiedenen Punkten der Stadt eine VCM-Konzentration gemessen, die den jugoslawischen Grenzwert um das 7.200- bis 10.600fache überschritt. Der Berichte der UNEP nennt weitere Zahlen. In der Plastikfabrik Petrohjemija flossen 2.100 Tonnen des giftigen Ethylen-Dichlorid (EDC) aus. 460 Tonnen Vinyl-Chlorid-Monomer (VCM) verbrannten.

    Auch andere toxische Substanzen wirbelten mit den Flammen durch die Luft, versickerten im Boden oder flossen in die Donau. Acht Tonnen Quecksilber wurden in Petrohjemija freigesetzt, ein Schwermetall, das sich in der Nahrungskette anreichert. Und in der neben der Plastikfabrik liegenden Raffinerie verbrannten nach Angaben der Genfer ExpertInnen mindestens 80.000 Tonnen Rohöl und Ölprodukte. Dabei entstanden ebenfalls Krebs erregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH).

    "Gesundheitssystem ist pleite"

    Nicht alle Substanzen wurden unmittelbar durch die Bombardierungen freigesetzt. Zwei Tage nachdem am 13. April die massive Angriffswelle eingesetzt hatte, entschlossen sich die Geschäftsführer der Kunstdüngerfabrik Azotara, 250 Tonnen flüssiges Ammoniak in einen offenen Kanal zu leiten, der in die Donau führt. Dort setzte anschließend ein Fischsterben ein, aber die Azotara-Manager hatten Schlimmeres befürchtet, wären Bomben in die vollen Tanks gefallen. Tatsächlich wurden die entleerten Tanks einen Tag später getroffen.

    "Es war gut, dass die UNEP-Experten so schnell vor Ort waren", meint Ivan Zafirovic. "Wir wissen nun, was damals geschah." Aber seitdem sei so gut wie nichts passiert, um die Bevölkerung zu schützen. Zwar könne man die Vergiftung nicht mehr rückgängig machen, aber heute würden die Bauern auf den Feldern Gemüse produzieren, über die damals der schwarze Regen niederging. Noch nicht einmal verlässliche Statistiken über die Todesfälle gibt es, erklärt Zafirovic. "Das Gesundheitssystem ist pleite und es gibt auch keine Vergleichswerte zu früher."

    Roeland Kortas ist Chef des Clean-Up-Programms der UNEP. Mit seinen zehn Mitarbeitern sitzt er in einem Büro im Belgrader Stadtviertel Zemun, dort wo Sava und Donau zusammenfließen, um vereint in Richtung Schwarzes Meer zu fließen. Clean Up ist eigentlich das falsche Wort für Kortas' Arbeit. "Bisher wurden keine Maßnahmen ergriffen, um Wasser und Böden in Pancevo zu entgiften", sagt er. "Wir können uns nur auf die dringendsten Aufgaben konzentrieren." Und diese bestehen momentan beispielsweise darin, einen Abwasserkanal zu sichern, der vom bombardierten Pancevoer Industriegebiet in die Donau führt. In diesem Kanal landeten Tonnen gefährlicher Substanzen, die sich weiter zu verbreiten drohen. "Bei der Bombardierung ist die Kläranlage zerstört worden", erläutert Kortas. An anderen Orten versucht die UNEP ausgelaufene Chemikalien einzusammeln, die Verbreitung von kontaminiertem Grundwasser einzudämmen oder hochgradig vergiftete Böden abzutragen. Es geht darum zu verhindern, dass die Schäden nicht noch größer werden, könnte man den Ansatz der UNEP zusammenfassen.

    "Die UNEP hat nach dem Krieg in Jugoslawien 26 Projekte identifiziert, die dringend durchgeführt werden müssten, um das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung zu reduzieren. Für die Umsetzung benötigen wir 20 Millionen Dollar", sagt Kortas. Bis jetzt seien bei Sammelaktionen in den europäischen Hauptstädten aber nur 11 Millionen zusammengekommen. Deutschland ist mit 870.000 Dollar dabei. Während die NATO-Staaten in den drei Kriegsmonaten etwa 12 Milliarden Dollar ausgaben, um den Angriff auf Jugoslawien zu führen, scheint nun kein Geld mehr in den Kassen zu sein, um dem Land beim Wiederaufbau zu helfen. "Um wirklich Clean Up durchzuführen, würden wir hunderte von Millionen Dollar benötigen", sagt Kortas. "Aber Umweltschutz ist keine Top-Priorität."

    Im Stadtkern von Pancevo sitzen Jugendliche in den Cafes. Straßenverkäuferinnen versuchen eine Zeitung loszuwerden. Lieferwagen biegen um die Ecke. Die Menschen kaufen ein, gehen zur Arbeit oder fahren ins nahe Belgrad, um ins Kino zu gehen. Drei Jahre nach dem Bombardement simulieren die Menschen Normalität. "Die Leute hier versuchen alles zu vergessen", meint Alexandar Weisner. Er ist Mitglied einer Friedensgruppe und hat mit seinen FreundInnen in den vergangenen zehn Jahren den oft aussichtslos scheinenden Kampf gegen Nationalismus und Krieg geführt. Heute versucht er die Menschen auf die Umweltkatastrophe aufmerksam zu machen. Aber die Bevölkerung ist wie gelähmt. "Die Leute haben andere Probleme. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Löhne liegen bei 150 Euro im Monat. Alle versuchen irgendwie zu überleben", sagt er.

    Niemand scheint ein Interesse zu haben, über die Folgen der Bombardements zu reden. "Die Regierung käme doch unter den Druck der Bevölkerung etwas zu tun", meint Weisner. "Aber es gibt kein Geld", sagt er. Nach Angaben des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic haben die NATO-Bombardements Schäden in Höhe von fünf Milliarden Dollar verursacht. Von den versprochenen großzügigen Hilfeleistungen nach dem Sturz Slobodan Milosevic' sind bisher gerade 500 Millionen Dollar überwiesen worden. Überall ist dringender Investitionsbedarf. Krankenhäuser und Schulen sind in einem erbärmlichen Zustand, die ohnehin niedrigen Löhne können oft nicht ausgezahlt werden.

    "Fast jeder kennt jemanden, der krank ist

    Auch die internationale Gemeinschaft schweigt lieber. Käme die Zerstörung der Fabriken von Pancevo zur Sprache, müssten viele Fragen beantwortet werden, die man in Brüssel, Berlin oder Washington lieber nicht hören möchte. Warum wurden die Fabriken von Pancevo bombardiert, obwohl dort gar keine Waffen hergestellt wurden? Ging es den NATO-Zielplanern also um die Zerstörung eines wichtigen Industriekomplexes, um die Wirtschaftskraft des Landes zu schwächen? Oder wollten sie nur die Raffinerie zerstören, die immerhin die größte in Jugoslawien war und Treibstoffe herstellte? Warum wurden aber dann die Kunststofffabrik und die Düngemittelfabrik an mehreren aufeinander folgenden Tagen bombardiert? In den Zusatzprotokollen zu den Genfer Konventionen steht, dass "Kriegführung, die ausgedehnte, lang anhaltende oder schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursacht", verboten ist. Warum hat das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag selbst Ermittlungen gegen die NATO-Planer abgelehnt?

    Alexandar Weisner weiß es nicht. Doch er weiß etwas anderes: "Fast jeder hier kennt jemanden, der krank ist. Das ist ein komisches Gefühl."

    Der Beitrag erschien im Juni-Heft der Zeitschrift analyse & kritik (www.akweb.de):
    ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 463 / 21.06.2002



    Weitere Beiträge zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien

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    Jugoslawien: Das andere Gesicht der "Revolution"

    Tage der Demokratie - Tage der Putschisten


    Die demokratische Wahl in Jugoslawien, die das Ende des Milosevic-Regimes bedeutete, war das eine, sozusagen die Visitenkarte der neuen Machthaber gegenüber dem Westen und der Weltöffentlichkeit. Es gab noch eine andere Seite, die weniger schön war und über die kaum oder nur verschämt gesprochen wird: die mediengerechte Inszenierung der "Revolution". Diana Johnston hat darüber in ihrer gewohnt kritischen Art geschrieben (vgl. Wendezeit in Jugoslawien). Am 3. November erschien im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (ja, immer wieder das Feuilleton, in dem sich die hintergründigsten Erzählungen zur Zeitgeschichte finden) ein Bericht, der, wenig distanziert, aber aus sich heraus sehr kritisch die Ereignisse des Sturms auf das Belgrader Parlament schildert. Ein hochinteressanter Blick auf die beteiligten Akteure, ihre Motive und ihre Vergangenheit. Der Westen, so scheint uns, täte gut daran, mit seiner Verehrung für die "Helden der Revolution" zurückhaltender zu sein.

    Nichts war unmöglich

    Zivan Markovic - ein ganz normaler Held der Revolution / Von Timothy Garton Ash

    Ich stelle vor: Zivan Markovic, Held der serbischen Revolution. Markovic ist ein untersetzter, muskulöser Mann mit glatt rasiertem Kopf, olivfarbenem Teint und stechendem Blick. Am Morgen des 5. Oktober, einem Donnerstag, war er mit einem großen Pkw- und Lkw-Konvoi in der von der Opposition kontrollierten serbischen Provinzstadt Cacak losgefahren, um das Parlament und den staatlichen Fernsehsender in Belgrad zu stürmen.

    Sie hatten Pistolen unter den Jacken. Auf den Lastwagen hatten sie Steine und Gewehre. Sie hatten Gasmasken gegen Tränengas, einen eigenen Stromgenerator in ihrem Lautsprecherwagen, einen Bulldozer und eine Erdbewegungsmaschine, um Straßensperren der Polizei zu durchbrechen. Sie hatten sogar elektrische Sägen, um sich einen Weg durch den Wald zu bahnen, falls es misslang, die Straße zu räumen. Das Ganze war geplant, wie eine militärische Operation. Die Nachhut bildete ein bunter, aber zu allem entschlossener Haufen von Lastwagenfahrern, Bodybuildern, ehemaligen Polizisten und ehemaligen Soldaten. Vor der Abfahrt ermutigte sie der oppositionelle Bürgermeister von Cacak, Velimir Ilic: "Heute werden wir frei sein - oder sterben!"

    Die Männer von Cacak räumten wirklich mit ihrem Bulldozer geparkte Polizeiautos und Busse beiseite, die die Straße nach Belgrad versperrten. Sie waren bald beim Parlament und gehörten zu den Ersten, die das Gebäude stürmten. Nachdem sie - so Markovic' Darstellung - die Polizisten im Parlament entwaffnet "und kurz verprügelt" hatten, übernahmen sie zusammen mit anderen die Zentrale des staatlichen Fernsehsenders - "TV Bastille", wie er seit langem genannt wurde. Sie stürmten die Bastille. Schließlich halfen sie mit, die Sendezentrale in einen Belgrader Vorort zu verlegen. Als ich Markovic frage, was diese Operation bezweckte, antwortet er militärisch knapp, wie ein Soldat, der den Befehl seines Offiziers wiederholt: "Dass Kostunica (der gewählte Präsident) abends um halb acht im Fernsehen kommt." Und er setzt hinzu: "Für uns war es ein klassischer Putsch."

    Der schönste Tag des Lebens

    War es der schönste Tag seines Lebens? "Nein, der schönste Tag war der Freitag" - als sie nach Hause kamen und von den Bürgern Cacaks als Helden begrüßt wurden. Und als er mit seiner Frau telefonieren konnte, die er vorsorglich in einem Versteck untergebracht hatte. Der Erfolg hat viele Väter, und es gibt viele widersprüchliche Berichte darüber, wer all die Heldentaten geplant und ausgeführt hat, die dank CNN und BBC um die Erde gingen. Aber praktisch alle stimmen darin überein, dass die treibende Kraft die harten Männer von Cacak waren. Auch Zivan Markovic.

    Was hat er früher gemacht? Er war Fallschirmjäger beim renommierten 63. Fallschirmjäger-Regiment der jugoslawischen Armee. Mit 20 Jahren war er als regulärer Wehrpflichtiger zur Armee gekommen und zurzeit des Ersten jugoslawischen Erbfolgekriegs - gegen Slovenien - gerade den Fallschirmjägern zugeteilt worden. Er war stolz auf seine Einheit und seine Kameraden: "Für uns war nichts unmöglich." Und sie hatten "an allen kritischen Punkten" gekämpft, von Slowenien bis nach Srebrenica.

    Teile der weiblichen Anatomie

    Srebrenica? Jawohl. Sie hätten zu den Elitetruppen gehört, die 1993 Srebrenica zu nehmen versuchten. Es sei ein großer Schlamassel gewesen, weil sie nie gewusst hätten, ob ihre Befehle vom bosnischen Serbengeneral Mladic oder vom Oberkommando in Belgrad kamen. Sie hätten sich Srebrenica bis auf 400 Meter genähert, aber "Philippe Morillon hat uns gestoppt". (Der französische General Morillon hatte den Auftrag, die UN-"Sicherheitszone" Srebrenica zu halten.) Kurz danach verließ Markovic das Regiment und kehrte zu "privaten Geschäften" nach Cacak zurück.

    Für uns im Westen ist Srebrenica ein Synonym für Horror, erkläre ich ihm. "Da, wo das passiert ist, war ich nicht." Und wirklich verabscheuten die Fallschirmjäger die paramilitärischen Einheiten, die nach ihnen kamen. Sie selbst ließen einen toten Gegner zurück; dann kamen die Paramilitärischen und schnitten ihm die Ohren oder andere Körperteile ab. "Wir waren in einer Stimmung, wo wir die am liebsten umgebracht hätten" - er meint die Paramilitärischen. Was denkt er über seine Gegner von damals? Die Kroaten respektiert er. Das waren ehrliche, aufrechte Kämpfer. Und die Muslime? Pah. Die Muslime sind - hier musste die Dolmetscherin schlucken und sagte: "Sie wissen schon, ein Teil der weiblichen Anatomie". Der Muslim, erläutert Markovic, setzt sich zu dir, trinkt Brüderschaft mit dir, legt dir den Arm um die Schulter - und stößt dir das Messer in den Rücken. Die Welt soll wissen, sagt Zivan Markovic, dass die Serben keine Wilden sind, sondern dass die Geschichte sie an eine Weggabelung zwischen Ost und West gestellt hat und dass sie dreimal die Muslime gehindert haben, in Europa einzudringen. "Ich bin ein Nationalist, kein Chauvinist", fügt er hilfreich hinzu. Er ist sich sicher, dass die verschiedenen Nationalitäten des früheren Jugoslawiens friedlich zusammenleben könnten, solange sie Geld hätten. "Wenn wir reich sind, können wir zusammenleben." Solche Begegnungen im nachrevolutionären Serbien hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack. Sie veranschaulichen, wie schwierig es für Serbien sein wird, sich dem Problem seiner Vergangenheit zu stellen. Dieses Problem wird nicht einfach dadurch gelöst, dass man Milosevic nach Den Haag bringt oder, was den meisten Serben lieber wäre, für das, was er ihnen angetan hat, in Serbien vor Gericht stellt.

    Es trifft nicht zu (was einige im Westen glauben, die Serbien durch die Brille Bosniens und des Kosovo sehen), dass die Luft in Serbien geschwängert wäre von einem nationalistischen Triumphalismus. Im Gegenteil finde ich hier die sehr nüchterne Einsicht, dass Serbiens Zukunft die eines kleinen Nationalstaats sein wird, mit vielleicht nur 7,5 Millionen Menschen und im ärmsten Winkel Europas. Ohne Bosnien. Praktisch auch ohne den Kosovo. Und sehr wahrscheinlich ohne Montenegro.

    Die Sache mit der weißen Weste

    Im Übrigen kann man nicht oft genug sagen, dass es immer, auch in den dunkelsten Tagen, ein anderes Serbien gegeben hat. Es gibt Menschen hier, die von Anfang an gegen Milosevic gekämpft und unter Einsatz ihres Lebens liberale Werte verteidigt haben. Wie können wir es wagen, sie alle als "Nationalisten" abzutun? Freilich gibt es auch viele, die sich erst sehr spät von Milosevic abwandten und selbst keine weiße Weste haben. So ist einer der Oppositionsführer der frühere Armee-Stabschef Momcilo Perisic, der seine Leidenschaft für die Demokratie erst entdeckte (oder jedenfalls offenbarte), nachdem ihn Milosevic 1998 entlassen hatte. Perisic war tief in den Krieg in Kroatien und in Bosnien verstrickt. Einige glauben sogar, dass ihn in Den Haag eine bisher zurückgehaltene Anklage wegen Kriegsverbrechen erwarten könnte. Gerade unter den Männern, die der Revolution vom 5. Oktober den entscheidenden Anstoß gaben, sind manche, die in der Vergangenheit wer weiß was getan haben. Männer wie Zivan Markovic. Damals haben sie Srebrenica belagert. Heute belagern sie das Parlament. Aber immer kämpfen sie für Serbien.
    Deutsch von Olga Anders

    Aus: Süddeutsche Zeitung, 3. November 2000
     

    Neue Zweifel an der NATO-Version vom "Racak-Massaker"

    Wichtigste Legitimation für den NATO-Krieg erschüttert


    Schon vor einem Jahr meldete die Berliner Zeitung ernste Zweifel an der NATO-Version vom Racak-"Massaker" an. Nach Einsicht in die Unterlagen der an der Obduktion von 40 Leichen beteiligten finnischen Gerichtsmediziner waren keine Hinweise zu finden gewesen, die auf ein serbisches Massaker an albanischen Zivilisten schließen ließen. Am 17. Januar 2001 war es wiederum die Berliner Zeitung, die "Neues in der Verschlusssache Racak" zu berichten wusste. Diesmal beriefen sich die Journalisten auf den Abschlussbericht der unabhängigen Kommission, der in Kürze in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Forensiv Science International" erscheinen soll. Die Autoren sind Juha Rainio, Kaisa Lalu und Antti Penttilä.

    Gerichtsmedizinische Befunde

    Die wichtigsten Befunde aus dem Bericht können dahingehend zusammengefasst werden:
    • Der Leiter der OSZE-Mission im Kosovo, William Walker, hatte am 16. Januar 1999 erklärt, man habe Beweise für "Tötungen und Verstümmelungen unbewaffneter Zivilisten" gefunden, "viele aus extremer Nahdistanz erschossen". Das angebliche serbische Massaker von Racak diente vielen Politikern auch in Deutschland als Begründung für ihre Zustimmung zum Nato-Angriffskrieg gegen Jugoslawien. In einem Brief an Jugoslawiens Präsident Milosevic schrieb der deutsche Außenminister Joseph Fischer am 20. Januar, jedwede Entschuldigung Belgrads würde "auf keinen Fall die Hinrichtung von 45 unbewaffneten Personen, darunter Frauen und Kinder, durch die Sicherheitskräfte rechtfertigen". Später sagte Fischer, Racak sei für ihn "der Wendepunkt" gewesen.
    • Die Gerichtsmediziner Rainio, Lalu und Penttilä gehören zu einem finnischen Experten-Team unter Leitung von Frau Helena Ranta, das im Frühjahr 1999 von der Europäischen Union mit der Untersuchung des Geschehens von Racak beauftragt worden war. Die Untersuchungen wurden gemeinsam mit serbischen und belorussischen Fachkräften vorgenommen. Die Aufgabe bestand darin, vier Fragenkomplexe zu beantworten: Identifikation der Opfer, Ursache, Art und Zeit des Todes, Umstände des Todes und schließlich die Frage nach eventuellen Verstümmelungen. Im finnischen Abschlussbericht heißt es: Das Team "konnte nicht feststellen, dass die Opfer aus Racak stammten". Auch die "Ereignisse" bis zur Autopsie konnten "nicht festgestellt werden", und schließlich sei nicht einmal die "Lage der Opfer am Ort des Zwischenfalls" zweifelsfrei zu rekonstruieren.
    • Zweifelsfrei konnten die drei Experten aber feststellen, dass es "keine Anzeichen von nachträglichen Verstümmelungen" durch Menschen gab. Im Bericht wird im Einzelnen aufgelistet, dass an den 40 untersuchten Leichen zwischen einer und 20 Schusswunden entdeckt wurden. Doch nur in einem Fall fanden die Gerichtsmediziner Pulverspuren, die auf eine Exekution hinweisen könnten.
    • Der Expertenbericht für die Fachzeitschrift "Forensic Science International" kommt zum Ergebnis: Die seinerzeit von der OSZE und vielen westlichen Politikern behaupteten Beweise für eine Massenhinrichtung albanischer Zivilisten durch serbische Sicherheitskräfte gibt es nicht. Völlig ausgeblendet wurde die Frage, ob es sich nicht zumindest bei einem Teil der in Racak gefundenen Toten um Kämpfer der albanischen UCK handelte, die im Zuge von Gefechtshandlungen mit jugoslawischen Einheiten fielen.
    • Für "aufschlussreich" hält die Berliner Zeitung in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass auf politischer Ebene bis zum heutigen Tag eine Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse "verhindert wurde". Die Leiterin des finnischen Experten-Teams, Frau Helena Ranta, hatte am 17. März 1999 auf einer Pressekonferenz ihre "persönliche Meinung" zu Racak abgegeben. Dieses Statement enthielt "Widersprüche und Halbwahrheiten", die im Sinne der Kriegsbefürworter interpretiert werden konnten. Das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stützte sich in seiner Anklage gegen Belgrad im Wesentlichen auf das Racak-"Massaker". Nach Kriegsende stellte Frau Ranta im EU-Auftrag erneut Nachforschungen zu Racak an. Am 21. Juni 2000 lieferte sie einen Bericht beim Jugoslawien-Tribunal ab. Offenbar passte er nicht in das Bild, das sich die Anklagebehörde vom Massaker und vom kriegsverbrecherischen Regime Milosevic gemacht hatte. Der Bericht wurde zur Verschlusssache erklärt und geheim gehalten. Auch ein Referat, das Frau Ranta einen Tag später in einer nicht öffentlichen Sitzung vor Beamten der EU-Staaten über ihre Erkenntnisse hielt, wurde nicht veröffentlicht. Sogar Mitgliedern des Europa-Parlaments wurde der Zugang zu den Fakten verwehrt. Die Berliner Zeitung hierzu: "Vielleicht hängt das damit zusammen, dass Frau Ranta auch vor den EU-Beamten wiederholte, was sie einer mit der 'Berliner Zeitung' kooperierenden kanadischen Journalistin - weit weg von der interessierten europäischen Öffentlichkeit - mitteilte: Dass ihre Recherche die offizielle Version einer Massenhinrichtung nicht untermauert; dass sie nicht wisse, was in Racak wirklich passiert sei."

    Massaker hin oder her: Krieg musste dennoch sein!

    Die Kommentatoren großer Zeitungen fechten solche Erkenntnisse bis heute aber kaum an. Ihre Zustimmung zum NATO-Krieg im Frühjahr 1999 wird auch heute noch gerechtfertigt, Racak hin oder her. Interessant ist die Argumentation. Denn wer vor zwei Jahren mit den NATO-Wölfen geheult und den Scharping-Lügen geglaubt hatte, müsste heute im Lichte neuer Erkenntnisse den Krieg doch mit anderen Augen sehen, zumal man, wie es am 18. 01. 2001 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hieß, offenbar "geleimt" worden war. Doch Konsequenzen daraus will kaum jemand ziehen. In der Süddeutschen Zeitung vom 19.01.2001 schreibt Peter Münch u.a.: "Doch was ist neu? Das Härteste, was gegen die Massaker-Theorie ins Feld geführt wird, ist, dass eine Massenhinrichtung nicht belegt werden konnte. Doch auch das Gegenteil – also kein Massaker – ist nicht zu beweisen." Nur: rechtfertigt dies einen Krieg? Was würden wir von einem Richter halten, der einen Angeklagten mit folgenden Worten verurteilt: "Beweisen können wir dir nichts, aber ins Gefängnis musst du trotzdem!"?

    Rolf Paasch kapituliert in seinem Kommentar in der Frankfurter Rundschau (19.01.01) vor den "Gesetzen" des Krieges, wenn er schreibt: "Krieg und Kriegsverbrechen lassen sich einfach nicht sauber trennen. Auch nicht in Racak."

    Genauso gut hätte er schreiben können: Lüge und Wahrheit lassen sich angesichts des Krieges nicht sauber trennen. Deshalb glauben wir am besten gar nichts mehr und entscheiden uns trotzdem für den Krieg.
    Pst


    Die Kollateralschäden klagen an

    Opfer von Varvarin verlangen Schadenersatz von der Bundesregierung - NATO-Krieg gegen Jugoslawien auf der Anklagebank


    Über Varvarin haben wir bereits mehrfach informiert, vgl: Im Folgenden wollen wir einen Ausschnitt aus dem doch sehr breiten Medienecho darstellen, das der Prozessbeginn vor dem Bonner Landgericht am 15. Oktober 2003 bewirkt hat.
    Wir beginnen mit einer Presseerklärung von amnesty international, das die Klage der Opfer voll unterstützt. Im Anschluss daran eine kleine Auswahl von Presseausschnitten.



    amnesty international Deutschland

    PRESSEMITTEILUNGEN

    KOSOVO-EINSATZ DER NATO 1999 / "BRÜCKE VON VARVARIN"


    ai: NATO-Mitglied Deutschland ist für Aufklärung möglicher Völkerrechtsverletzungen mitverantwortlich

    Opfer von Kriegsverbrechen müssen entschädigt werden / ai begrüßt Verhandlung vor Bonner Landgericht als wichtigen Schritt für den Menschenrechtsschutz / Staaten, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren, dürfen keine Immunität genießen

    Berlin, 10. Oktober 2003 - Das NATO-Mitglied Deutschland ist für die Aufklärung eines möglicherweise völkerrechtswidrigen Einsatzes der NATO im Kosovo mitverantwortlich und muss im Falle einer Beteiligung am Einsatz Schadensersatz leisten. Am 30. Mai 1999 hatten NATO-Flugzeuge die Brücke von Varvarin in Serbien bombardiert und dabei zahlreiche Zivilpersonen getötet und verletzt. "Die Brücke war offenbar kein legitimes militärisches Ziel. Es muss festgestellt werden, ob die beteiligten Streitkräfte das Nötige getan haben, um zivile Opfer zu vermeiden, wie es die Genfer Konventionen vorschreiben", sagte Nils Geißler, Völkerrechtsexperte von amnesty international (ai). Bei dem Angriff Verletzte und Angehörige getöteter Opfer klagen vor dem Landgericht Bonn gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz. Am 15. Oktober findet die mündliche Verhandlung statt.

    ai begrüßt, dass deutsche Zivilgerichte Verletzungen des humanitären Völkerrechtes aufarbeiten. "Deutsche Gerichte müssen die neuen Entwicklungen des Völkerrechtes beachten, wonach bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord auch ein individueller Schadensersatzanspruch des Opfers gegen Staaten besteht", sagte Nils Geißler. "Es darf keine staatliche Immunität bei möglichen schwerwiegenden Verstößen gegen das Völkerrecht geben."

    Der Angriff auf die Brücke von Varvarin wurde zur Mittagszeit an einem geschäftigen Markttag geflogen. Es folgte sogar ein zweiter Angriff, obwohl erkennbar gewesen sein musste, dass dies eine große Anzahl ziviler Opfer fordern würde. Bislang konnten unabhängige Organisationen wie ai derartige Luftangriffe aufgrund der restriktiven Informationspolitik der NATO nicht überprüfen. Zudem ist noch nicht klar, ob deutsche Piloten am Einsatz beteiligt waren. Eine gerichtliche Untersuchung der Vorfälle kann daher zur Aufklärung beitragen.

    Neben einer strafrechtlichen ist die zivilgerichtliche Aufarbeitung von Völkerrechtsverstößen ein wichtiger Schritt, um den Schutz der Menschenrechte weltweit zu gewährleisten. Zivilgerichtliche Verfahren auf Schadensersatz erfüllen die Forderung von ai, den Opfern von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine angemessene Entschädigung zu gewähren. Im zivilrechtliche Verfahren haben die Opfer zudem die Möglichkeit, in der aktiven Rolle des Klägers aufzutreten. "Das Verfahren ist daher sehr gut geeignet, den Rechten der Opfer angemessen Rechnung zu tragen", so Geißler.


    Presseschau

    Raimund Neuss schrieb in der Kölnischen Rundschau/Bonner Rundschau zum Prozessbeginn u.a.:

    (...)
    Die Leute von Varvarin hatten sich sicher gefühlt, weit entfernt von Belgrad und vom Kosovo. Die Milenkovics hatten ihre Tochter vom Gymnasium in Belgrad zurück nach Hause geholt. Zwar kreisten am 30. Mai schon um 10 Uhr Flugzeuge über der Stadt, aber das kam oft vor. Bomben waren noch nie gefallen. Es gab keine Soldaten in der Stadt, und die alte Stahlbrücke über die Große Morava hielt nur acht Tonnen Last aus - zu wenig für Militärkonvois. Es war Sonntag und einer der höchsten orthodoxen Festtage. Sanja ging mit zwei Freundinnen in die Kirche und dann auf den Sonntagsmarkt. Die Mädchen wollten nach Hause ans andere Flussufer, als um 13 Uhr die ersten Raketen einschlugen.
    Warum nur diese Brücke? Die Nato sprach noch in einer Dokumentation vom 31. Oktober 1999 von einer "Highway Bridge", also der Brücke einer Fernstraße. So eine Brücke gebe es 15 Kilometer entfernt, sagt Wallow; über sie führe die Straße ins Kosovo. Eine Verwechslung? Oder ein Angriff, um die Bevölkerung einzuschüchtern? Das meint Harald Kampffmeyer, der mit Freunden 110 000 Euro gesammelt und den Prozess damit möglich gemacht hat. Haben die Piloten oder Waffensystemoffiziere nicht gesehen, dass Tausende in der Stadt waren? Der alte Luftwaffensoldat Wallow erinnert an das übliche Zielverfahren: Luftaufnahmen, gefertigt meist vom deutschen Aufklärungsgeschwader "Immelmann", wurden in satellitengestützte Steuerungssysteme eingespeichert; anhand dieser Fotos - nicht aktueller Videoaufnahmen - peilten die Besatzungen ihre Ziele an.
    Das mag den ersten Angriff um 13 Uhr erklären, der drei Menschen tötete, aber nicht das, was danach passierte. Spätestens jetzt, das sagt auch Hans Wallow, hätten die Soldaten die Situation erfassen müssen: Die Brücke war zerstört, ein Auto mit zwei Insassen lag im Fluss, die Ufer waren voller Menschen. Sanja lebte noch und hockte auf einem Trümmerteil dicht über der Wasseroberfläche. Aus der Stadt kam der alte Tola Apostolovic gelaufen, den sie wegen seiner Herkunft den "Griechen" nannten, und wollte den Leuten im Wasser helfen. Auch Vojkan Stankovic wollte helfen, von dem seine Witwe Gordana immer wieder erzählt, dass er ihrer Tochter der beste Vater der Welt war. Um 13.06 Uhr kam die zweite Angriffswelle. Sieben Menschen starben, darunter Tola und Vojkan. Sanja konnte man noch ins Krankenhaus bringen, aber nicht mehr retten. Tolas Witwe, die Krankenschwester Jasmina Zivkovic, kann sich an kein vergleichbares Blutbad erinnern. Dass ihr Mann unter den Toten war, erfuhr sie erst später.
    Kein Vertreter eines Nato-Staats hat sich jemals in Varvarin gemeldet. Bürgermeister Milenkovic wirbt heute dafür, dass sich Serbien und Montenegro der EU anschließen. Er gehörte zur Opposition gegen den serbischen Staatschef Milosevic. Seine Familie sieht er "stellvertretend für Milosevic bestraft". Und er möchte wissen, warum.
    Aus: Kölnische Rundschau/Bonner Rundschau, 15.10.2003

    ***

    Beim "Stern" berichtete in der Online-Ausgabe (www.stern.de) am Vorabend des Prozesses Erich Reimann:

    Im Bonner Landgericht wird am Mittwoch Justizgeschichte geschrieben: Erstmals wird die Bundesrepublik Deutschland wegen eines Kriegseinsatzes im Rahmen der NATO auf Schadensersatz verklagt. 35 jugoslawische Staatsbürger verlangen von Berlin wegen eines Luftsangriffs des westlichen Bündnisses im Kosovo-Krieg Schadensersatz in Millionenhöhe. Damals wurden zehn Menschen getötet und über 30 verletzt. "Es ist ein Musterprozess", sagt der Sprecher des Bonner Landgerichts Daniel Radke.
    Es geht um den 30. Mai 1999. Damals herrschte lebhaftes Treiben in dem serbischen 4.000-Einwohner-Städtchen Varvarin. In der Kirche wurde die Messe zum orthodoxen Dreifaltigkeitsfest zelebriert, auf dem benachbarten Wochenmarkt gefeilscht und gelacht. Vom Kosovo-Krieg war in dem entlegenen Dorf kaum etwas zu spüren.
    Bis kurz nach 13 Uhr zwei F-16-Kampfjets der NATO die Brücke neben dem Ort mit vier lasergesteuerten 2000-Pfund-Bomben angriffen. Was dann geschah, beschreibt die Klageschrift in grausigen Details. (...)
    Die NATO verteidigte den Angriff dagegen entschieden. Die Brücke habe eine wichtige Verbindungslinie für die serbische Armee dargestellt. Damit habe es sich um ein legitimes Ziel gehandelt. Zivilisten würden niemals mit Absicht angegriffen. Wahrheit oder Kriegspropaganda?
    Dreieinhalb Jahre nach den blutigen Ereignissen wird nun die 1. Zivilkammer des Bonner Landgerichts nach Gerechtigkeit suchen müssen in dem blutigen Drama. Die Hamburger Rechtsanwältin Gül Pinar wirft der Bundesregierung, stellvertretend für die ganze NATO, in ihrer Klageschrift vor, eklatant gegen die Vorschriften des Genfer Protokolls zum Schutz von Zivilpersonen verstoßen zu haben: mit einem ohne Warnung durchgeführte Angriff auf eine militärisch unbedeutende Brücke ausgerechnet an einem kirchlichen Feiertag und Markttag. (...)
    (...) An dem Angriff auf die Brücke von Varvarin seien weder deutsche Soldaten noch Flugzeuge der Bundeswehr beteiligt gewesen, hieß es in einer Erwiderung des Verteidigungsministeriums an die Kläger. Schon deshalb lasse sich das Verhalten der Piloten bei der Zerstörung der Brücke nicht Deutschland zurechnen. Außerdem hätten nach den Regeln des Völkerrechts im Krieg Zivilpersonen grundsätzlich keinen individuellen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Kriegsgegner. Nun haben die Richter das Wort.
    Aus: www.stern.de, 14.10.2003

    ***

    Jürgen Elsässer beschreibt in der "jungen Welt" noch einmal den Hintergrund der Klage und die Haltung der Beschuldigten:

    Am heutigen Mittwoch beginnt vor dem Landgericht Bonn ein Prozeß, der Rechtsgeschichte machen könnte: Zum ersten Mal wird nicht über Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland, sondern der Bundesrepublik verhandelt. Serbische Bürger klagen gegenüber der Bundesregierung auf Schadensersatz, weil bei einem NATO-Bombardement ihres Heimatortes Varvarin am 30. Mai 1999 zehn Menschen getötet und 30 zum Teil schwer verletzt wurden, allesamt Zivilisten. Die Schröder-Regierung hat die Opfer "aufrichtig bedauert", im übrigen aber über ihre Anwälte mitteilen lassen, daß die 14 kriegsbeteiligten Tornados der Bundesluftwaffe genau jenen Angriff nicht mitgeflogen haben. Die Bundesregierung sei somit nicht haftbar zu machen, auch nicht "gesamtschuldnerisch" als NATO-Mitglied für das Bündnis insgesamt, wie die Kläger behaupten. Diese wiederum verweisen auf die Verantwortung, die die deutsche Führung bei der Auswahl des Zieles Varvarin trug.
    Der Ort hatte keinerlei militärische Bedeutung, das Bombardement fand zum Zeitpunkt und in unmittelbarer Nähe eines großen Kirchenfestes statt. Trotzdem sprach die NATO von einem "legitimen Angriff auf eine Hauptnachschublinie der serbischen Armee". NATO-Pressesprecher Jamie Shea nannte Varvarin "ein ausgewähltes und gerechtfertigtes Ziel". Oberstleutnant Michael Kämmerer, in der Öffentlichkeitszentrale des NATO-Oberkommandos Europa im südbelgischen Mons für die deutsche Presse zuständig, räumte allerdings ein, daß Varvarin lediglich ein "Sekundärziel" gewesen ist. Mit anderen Worten: Das eigentlich ausgewählte Angriffsobjekt war schon zerstört gewesen, deshalb hat man einen Ersatz gesucht.
    Wer hat Varvarin als Bombenziel ausgewählt? Die NATO weigerte sich gegenüber Reiner Luyken von der Zeit, die Namen der Piloten zu nennen, selbst ihre Nationalität wurde verschwiegen. Wer gab den Piloten die Befehle? Die Ziele für jeden Einsatz wurden vom Deskofficer des Combined Allied Operations Command im italienischen Vicenca zusammengestellt. Grundlagen waren Ziellisten, die - so die Washington Post - ein NATO-Planungsstab angefertigt hatte und die von den politischen Spitzen der NATO-Staaten - Clinton, Blair, Jospin und auch Schröder - abgesegnet worden waren. Bekannt ist, daß die französische Regierung in einigen Fällen erfolgreich ihr Veto gegen die Bombardierung ziviler Ziele, etwa von Donaubrücken, eingelegt hatte.
    Sekundärziele, so Oberstleutnant Kämmerer, wurden allerdings ohne politische Gegenkontrolle festgelegt. Nach Meinung von Paul Beaver von der Fachzeitschrift Jane's Defense Weekly wurden die Koordinaten dieser Ausweichziele den Piloten von den Awacs-Flugzeugen mitgeteilt, also den fliegenden NATO-Kommandozentralen. An Bord waren auch deutsche Spezialisten und Offiziere. Die Bundesregierung hat sich über ihre Anwälte gegen die Behauptung verwahrt, die NATO habe 1999 "einen gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Angriffskrieg geführt". "Der Umstand, daß es nur in 0,4 bis 0,9 Prozent der Einsatzfälle zu zivilen Opfer kam", wird als Beleg angeführt. Diese Statistik verschweigt das Verhältnis zwischen militärischen Treffern und den sogenannten Kollateralschäden: In 78 Tagen Bombenkrieg zerstörte die NATO nur 14 jugoslawische Panzer, aber 48 Krankenhäuser, 74 TV-Stationen und 422 Schulen. 20000 Splitterbomben liegen noch heute als Blindgänger in der Erde und können jederzeit explodieren. Über 2000 jugoslawische Zivilisten wurden getötet, ein Drittel davon Kinder. Dem stehen 1000 gefallene Polizei- und Armeeangehörige gegenüber.
    Wenn das Bonner Landgericht die Klage nicht gleich zu Beginn abweist, müßte in einer umfangreichen Beweisaufnahme geklärt werden, welche Rolle deutsche Stellen bei der Auswahl der Bombenziele trugen. Generäle, Verteidigungsminister und Kanzler im Zeugenstand, womöglich im Kreuzverhör, schließlich auf der Anklagebank - das hätte die Republik noch nicht gesehen.
    Aus: junge Welt, 15.10.2003

    ***

    Die Berliner Zeitung berichtet über den Prozess unter der Überschrift: "Kosovo-Krieg - Kriegsverbrechen oder nicht?" In dem Artikel heißt es u.a.:

    (...) Bis heute hält die Nato geheim, aus welchem Land die am Angriff beteiligten Kampfjets stammten. Aus Sicht der Klägeranwälte ist dies für die Schadenersatzklage aber auch unerheblich. Da Bundestag und Bundesregierung die Mitwirkung Deutschlands am Kosovo-Krieg beschlossen hätten, trüge Deutschland auch die völkerrechtliche Verantwortung für die Verletzung des Kriegsrechts mit und sei für eingetretene Schäden haftbar, argumentieren sie.
    Die Bundesregierung weist diese Argumentation zurück. Es bestehe keine Verbindung zwischen dem politischen Beschluss zum Angriff auf Jugoslawien und der Militäraktion gegen die Brücke von Varvarin, begründen die Anwälte ihre Position. Außerdem verweisen sie auf die Staatenimmunität, wonach einzelne Bürger nicht gegen Staaten klagen dürfen.
    Aus: Berliner Zeitung, 15.10.2003

    ***

    Die Süddeutsche Zeitung bringt die entscheidende Frage, um die es im Prozess geht, auf den Punkt:

    (...) Dabei geht es weniger um die Frage, ob der Kosovo-Krieg insgesamt völkerrechtswidrig war. Entscheidend ist der konkrete Angriff auf die Brücke von Varvarin. Laut der Nato war sie ein "legitimes militärisches Ziel". Die zivilen Opfer waren demnach unvermeidliche "Kollateralschäden".
    In der Klageschrift heißt es dagegen: "Der gesamte Angriff war darauf ausgerichtet, Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten." Die Brücke sei in keiner Weise militärisch genutzt worden. Die Angreifer hätten daher gegen das Völkerrecht zum Schutz von Zivilisten verstoßen, wie es in den Haager und Genfer Konventionen festgesetzt ist. Als Folge hafte Deutschland den Opfern.
    Aus: Süddeutsche Zeitung, 15.10.2003




    KOSOVO

    Unter den Augen der KFOR:

    Massenvertreibung  der Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter aus dem Kosovo

    Report von Tilman Zülch und Paul Polansky
    mit einem Appell von Günther Grass

    5. ergänzte Auflage

    Auszüge aus Teil I [Fact-Finding Mission von Tilman Zülch, 04.08. - 18.08.1999] - überarbeitet am 05.04.2000

    Roma-Familie steht vor den truemmern ihrer Existenz; Foto: T.Zuelch

     

     
    INHALT

    Solidaritätsadresse von Günther Grass - Literaturnobelpreisträger 1999

    AufgabenstellungAuch die Albaner waren Opfer "Ethnische Säuberung" an Roma und Aschkali

    Roma und Aschkali im Kosovo     Zerstörte Roma Siedlungen     Tote und Verschwundene

    Rechtfertigungen der Albaner     UCK-Führung ist mitverantwortlich     Kampagne und Empfehlungen der GfbV 
     

    Ich habe mich über alle meine großen Bedenken hinweggesetzt und mich für eine Intervention der NATO im Kosovo ausgesprochen, damit die Verbrechen an den Albanern beendet wurden und die Vertriebenen zurückkehren konnten. 
    Jetzt müssen wir neue Vertreibungen erleben, werden Zeuge, wie sich der Haß fortsetzt, heute gegen die Roma. Deshalb appelliere ich an Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping, die ebenfalls diese großen Bedenken gegen eine Intervention überwinden mußten, und die nun mit den neuen Verfolgungen der Roma wie der Serben konfrontiert sind, erneut zu handeln.
    Auch im Namen der von mir für Roma und Sinti ins Leben gerufenen Stiftung zugunsten des Romavolkes unterstütze ich die Forderungen der Gesellschaft für bedrohte Völker.

    Günter Grass
    am 3. September 1999

    Letzte Erinnerung: angesengte Familienfotos  von Roma im Kosovo im August 1999; Foto: Tilman Zuelch



     
     
     
     
     

          TO TOP   Zum Inhalt

    Menschen mit dunkler Hautfarbe, Angehörige der Roma- und Aschkali-Minderheiten, können ohne Gefahr für Leib und Leben in den Städten des Kosovo heute Straßen und öffentliche Plätze nicht mehr betreten. Große Teile der kosovo-albanischen Bevölkerung, ein Jahrzehnt lang Opfer der Apartheid-Politik Serbiens, unterstützen, befürworten oder entschuldigen eine Politik der strikten "Rassen"-Trennung. Innerhalb von nur drei Monaten wurde der größte Teil der Minderheiten indischer Abstammung, seit Jahrhunderten im Kosovo ansässig, aus ihren Heimatorten vertrieben und aus dem Lande gejagt. Die meisten ihrer Häuser, Dörfer und Stadtteil-Siedlungen wurden zerstört. Etwa drei Viertel der Roma und Aschkali müssen heute in Flüchtlingslagern oder Elendsquartieren in den Nachbarländern Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien oder Albanien leben. Tausende wagen die gefährliche Flucht in überfüllten, zerbrechlichen Schiffen und Booten nach Italien. Nicht wenige von ihnen sind in der Adria ertrunken. Viele der im Kosovo gebliebenen Roma und Aschkali leben in Lagern des UNHCR für "displaced persons". Sie sind Flüchtlinge im eigenen Land.

    AUFGABENSTELLUNG


    Als Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) war Tilman Zülch vom 4. bis 18. August 1999 im Kosovo. Dort sprach er mit Roma- und Aschkali-Flüchtlingen in einem vom UNHCR betreuten Lager für diese Minderheiten, hielt Zeugenaussagen und Erfahrungsberichte fest, überprüfte Angaben über Plünderungen und Zerstörungen von Roma- und Aschkali-Siedlungen und –Stadtvierteln vor Ort durch die dort verbliebene oder zurückgekehrte albanische Bevölkerung. Die Ergebnisse dieser Recherche sind im ersten Teil des Reports festgehalten.

    AUCH DIE ALBANER IM KOSOVO WAREN OPFER


    Bevor die Roma- und Aschkali-Minderheiten der Vertreibung durch Kosovo-Albaner ausgesetzt wurden, war die albanische Bevölkerung seit März 1998 Opfer furchtbarster Verbrechen der serbischen Armee, Polizei und Milizen geworden. Wird die Zahl der Vermissten einbezogen, muss heute realistischer Weise davon ausgegangen werden, dass bis zu 20.000 Menschen von serbischen Truppen ermordet wurden. Weitere 20.000 Albaner – Alte, Kranke, Verwundete, Behinderte, Kleinkinder und Säuglinge werden die Vertreibung in die Nachbarstaaten und die Flucht in die Berge und Wälder des Kosovo nicht überlebt haben. Diese Menschen werden höchstwahrscheinlich auch im Kosovo von keiner Statistik erfasst, aber auch sie sind Opfer von Völkermord. Rür ihren Tod ist ebenfalls das Milosevic-Regime verantwortlich. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hatte bereits in den ersten Juni-Tagen 1999, noch vor dem Einmarsch der KFOR-Truppen im Kosovo, in der umfangreichen Dokumentation (liegt auch in englischer Sprache vor) nachgewiesen, daß die serbische Armee, Sonderpolizei und Paramilitärs Völkermord an der albanischen Bevölkerung verübt und somit die Konvention der Vereinten Nationen zur Verhütung und Bestrafung des Genozids verletzt haben.

    Die jahrzehntelange Unterdrückung des Kosovo seit der Einverleibung der Provinz in das serbische Königreich nach den Balkan-Kriegen 1912/1913 hat ein starkes Gemeinschaftsgefühl unter den Albanern Jugoslawiens geschaffen und erklärt vielleicht den aggressiven Nationalismus, der nach der Befreiung des Kosovo durch NATO-Truppen unter weiten Teilen der Bevölkerung vorherrscht.

    Alle Strukturen albanischer staatlicher Autonomie wurden seit 1989 von der Regierung Milosevic schrittweise liquidiert. Seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen hat sich der aufgezwungene serbische Staatsapparat im Lande innerhalb weniger Tage aufgelöst. So herrschte in den Wochen und Monaten seit Kriegsende Juni 1999 bis heute weitgehende Anarchie im Land, die nur teilweise durch die Intervention der KFOR-Truppen zurückgedrängt wurde. Vandalenakte aller Art, Racheaktionen albanischer Zivilisten, gezielte Übergriffe von Seiten bewaffneter UCK-Verbände und Aktionen einer sich formierenden, teilweise aus Albanien zugereisten Mafia nutzen das Fehlen von Polizei, Gerichten und Behörden.

    Dennoch ist es nicht zu entschuldigen, dass sich größere Teile der albanischen Bevölkerung mit barbarischen Akten gegen unbeliebte Minderheiten wenden. Die serbische Bevölkerung im Land wurde zu Unrecht kollektiv für den Genozid und die Massenvertreibung verantwortlich gemacht. Die Verbrechen an Roma und Aschkali können nicht mit angeblichen Plünderungen und Kriegsverbrechen einzelner Angehöriger dieser Minderheiten entschuldigt werden.

    "ETHNISCHE SÄUBERUNG" AN ROMA UND ASCHKALI


    Säuberung" an den Volksgruppen der Roma und Aschkali begangen. Bei dieser "ethnischen Säuberung" wurde kein Genozid nach serbischem Vorbild begangen, sondern demonstriert, dass eine Massenflucht allein durch Drohung, Einschüchterung, durch einzelne Misshandlungen, Vergewaltigungen, Entführungen und Morde zu erreichen ist. Ob der Vertreibung ein Massensterben in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer folgt, ist noch nicht abzusehen. Nach Artikel II, Absatz c) der UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords vom 09.12.1948 könnte ein solches Massensterben dazu führen, dass gegen die für die Massenvertreibung der Roma und Aschkali verantwortlichen Albaner der Vorwurf des Genozids erhoben werden kann.

    Die albanische Bevölkerung des Kosovo und ihre politische Bewegung, die unter Rugova ein Jahrzehnt lang gewaltlosen Widerstand geübt hat, ist dabei, ihren guten Ruf zu verlieren. Hunderttausende Albaner müssen Zeuge der Vertreibungen der "kosovarischen "Zigeuner" geworden sein, haben täglich die von ihren Landsleuten zerstörten Roma-Viertel vor Augen. Doch große Teile der Bevölkerung entschuldigen die Misshandlungen und Vertreibungen. Bisher regte sich wenig Widerstand bei albanischen Journalisten, Intellektuellen, Parteien und der bewaffneten Widerstandsbewegung UCK, die vielfach an dem Pogrom beteiligt war. Zwei Drittel der Siedlungen und Häuser der Roma und Aschkali wurden niedergebrannt. Täglich werden Zerstörungen und Vertreibungen fortgesetzt.

    Es muss für jeden Europäer unerträglich sein, dass eine Minderheit, mit deren Ausrottung Hitler begonnen hatte, dass ein Volk, das seit einem Jahrtausend auf unserem Kontinent ansässig ist, kollektiv verfolgt wird, in einer europäischen Region, die durch die Anstrengungen europäischer Regierungen ihre Freiheit erhielt und dessen vertriebene Bevölkerung zurückkehren konnte. Weil unter den Nationalsozialisten von Deutschland und Österreich schon einmal ein Völkermord an Sinti und Roma ausging, muss es vor allem für diese beiden Länder unerträglich sein hinzunehmen, dass europäische Landsleute, nur weil die meisten von ihnen eine dunklere Hautfarbe haben als die anderen Einwohner des Kosovo, verfolgt und vertrieben werden. Die GfbV beklagt auch, dass die Truppen der KFOR ihre Aufgabe vielfach so ungenügend wahrnimmt, vor allem jene zu schützen, denen heute die Vertreibung droht. Es ist unverständlich, dass man einige der noch bewohnten, aber ständig bedrohten Siedlungen der Roma und Aschkali nicht rund um die Uhr zu schützen bereit ist.

    ROMA UND ASCHKALI IM KOSOVO

    Im Kosovo waren vor der Vertreibung etwa 150.000 Roma und Aschkali ansässig, von denen allerdings etwa 30.000 in den Jahren vor Kriegsausbruch als politische Flüchtlinge nach Westeuropa emigriert waren. Von diesen dürften sich etwa 20.000 in Deutschland aufhalten.

    Nach der NATO-Intervention wandten sich albanische Extremisten, zurückkehrende albanische Flüchtlinge, häufig auch albanische Nachbarn der Roma und Aschkali und vielfach uniformierte und bewaffnete UCK-Mitglieder überall im Kosovo gegen die Minderheiten. Sie bedrohten Kinder, Frauen und Männer vielfach mit dem Tode, schüchterten sie ein und forderten sie – nicht selten mit vorgehaltener Waffe - ultimativ auf, ihre Häuser und Wohnorte zu verlassen. Oft setzten sie ihnen eine Frist von wenigen Minuten oder Stunden. Viele Roma und Aschkali konnten nur mit der Kleidung, die sie auf dem Leibe trugen, entkommen.

    In der Regel wurden die Häuser geplündert, Einrichtungsgegenstände, Fernseh- und Videogeräte, Autos und in Einzelfällen auch Traktoren gestohlen. Ironisch sagten uns Aschkali-Familien, die als einzige in ihren Stadtteilen zurückgeblieben waren, die albanische Art zu plündern sei gründlicher als die serbische, weil auch Ziegelsteine und Dachziegel mitgenommen würden. Häufig wurden Wagen der Minderheitenangehörigen angehalten und konfisziert.

    In der Mehrheit der Fälle wurden dann die Häuser in Brand gesetzt oder mit anderen Mitteln zerstört, in nicht wenigen Fällen aber auch von Nachbarn oder von albanischen Rückkehrern, deren Häuser von serbischen Truppen zerstört worden waren, in Besitz genommen. Nach unseren groben Schätzungen könnten zwei Drittel der Häuser der beiden Minderheitengruppen zerstört worden sein.

    Aus folgenden Städten, Dörfern und Stadtteilen liegen uns Informationen über die vollständige oder teilweise Zerstörung von Roma- und Aschkali-Vierteln vor:


     
    Berrnice (albanisch)/Velika Brnica (serbisch)Breko (a./s.)
    Brest/Bresje
    Brestovc/Brestovica
    Dobratin/ Mala/ Velika Dobraja
    Doran/Doranja
    Doshevac/Dosevac
    Fushe Kosova/Kosovo Polje
    Golesh/Goles
    Han i Elezit/Ðeneral Jankovic
    Kolubar/Kulobarska
    Landovic/Landovica bei Prizren
    Lipljan/Ljipljane
    Magure/Magura
    Malisheva/Malisevo
    Medvegje/Medvec
    Mitrovica/Kosovska Mitrovica
    Ruine, vom Rauch geschwaerzt; Foto: T. Zuelch
    Obiliq/Obilic
    Plementin/Plementina
    Podujeva/ Podujevo
    Pomazatin/ Pomazatina
    Pristina
    Qungur/Cungur bei Peja/Pec
    Rahovec/Orahovac
    Rasadnik bei Mitrovice/Kosovska Mitrovica
    Skenderaj/Srbica
    Subotic (Variante: Sobotic)/Subotica
    Uji Kuq/Crvene Vodica
    Vitomira bei Peja/Pec
    Vranidolle/Vranidol
    Vushtrri/Vucitern

     

    TOTE UND VERSCHWUNDENE


    Angehörige der Minderheiten wurden bei den Vertreibungen nicht nur bedroht. Es kam auch häufiger zu Misshandlungen, Entführungen, verbunden mit Folter, zu einzelnen Vergewaltigungen und zu Morden. Vielfach sind Menschen verschwunden oder gelten als vermisst. Mindestens in einem Fall wurde ein Rom, ein behinderter Mann, in seinem Haus verbrannt. Die Zahl der Ermordeten oder bei der Vertreibung Umgekommenen ist derzeit schwer zu beziffern. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die albanischen Zeugen zur Zeit in ihrer großen Mehrheit weder der KFOR noch Vertretern des Haager Tribunals oder westlichen Journalisten Informationen über derartige Verbrechen geben. Die Mehrheit der Roma- und Aschkali-Augenzeugen befindet sich inzwischen außerhalb des Kosovo. Wir müssen zur Zeit annehmen, dass die Zahl der Morde an Angehörigen dieser Minderheit noch unter 50 liegt und dass andererseits wahrscheinlich mehrere hundert Roma und Aschkali "verschwunden" sind. Weitere Tausende haben seit Beginn der Vertreibungen keinen Kontakt mehr zu Familienangehörigen.

    In verschiedenen Fällen versuchten albanische Nachbarn - zum Teil mit Erfolg - , sich für die von der Vertreibung bedrohten Roma und Aschkali einzusetzen. Meistens setzten sich aber albanische Extremisten, feindliche Nachbarn oder UCK-Leute durch. In einigen Orten wie z. B. in Podujevo verhinderte die Bevölkerung die Vertreibung der Minderheiten. So durften in Podujeva/ Podujevo über 1.500 Aschkali bleiben. Mancherorts versuchten auch UCK-Leute, Vertreibungen zu verhindern. ie Minderheiten-Angehörigen und -Gemeinschaften gaben fast überall den Drohungen nach und verließen in panischer Angst ihre Heimatorte. Es scheint, dass da, wo Roma- oder Aschkali-Gruppen sich dem Druck nicht beugten, nicht immer massive Gewalt gegen sie ausgeübt wurde.

    Wo Roma- oder Aschkali-Gemeinschaften in ihren Dörfern oder Stadtteilen geblieben sind, müssen sie dennoch mit Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen rechnen, wenn sie ihre Siedlung oder das Stadtgebiet verlassen. In Podujeva/ Podujevo etwa klagen die Angehörigen der Aschkali, dass sie außerhalb der Stadt ihrer Arbeit nicht nachgehen können und massiv bedroht werden. Eine 16-köpfige Aschkali-Familie, die einer albanischen Familie in Pristina während der Kriegsmonate das Leben rettete, kann z.B. ihren winzigen Hof nicht verlassen. Sie werden bei jedem Versuch, auch nur einzukaufen, massiv eingeschüchtert und sogar angegriffen. Wer sich heute mit dunkler Haut auf Plätze und Strassen des Kosovo wagt, muss damit rechnen, dass er beleidigt, verunglimpft, angerempelt oder sogar misshandelt wird.

    RECHTFERTIGUNGEN


    Große Teile der albanischen Bevölkerung, auch wenn sie nicht an den Übergriffen beteiligt sind, entschuldigt, erklärt oder legitimiert dennoch die kollektive Verfolgung dieser Minderheitengruppen mit der angeblichen Beteiligung von Roma oder Aschkali an Plünderungen, der Beerdigung oder Beseitigung von getöteten Albanern oder die Teilnahme an Kriegsverbrechen. Nur zweimal allerdings konnten Albaner, die derartige kollektive Anschuldigungen erhoben, gegenüber der Gesellschaft für bedrohte Völker bestätigen, dass sie Augenzeugen solcher Akte gewesen waren.

    Die überwiegend feindliche Haltung der albanischen Bevölkerung gegenüber den Minderheiten ermöglicht die kollektive Massenvertreibung. Diese wird weiter durch das monatelange Fehlen von lokaler Polizei, Justiz und Verwaltung begünstigt. Die KFOR hat in vielen Fällen die Minderheitenangehörigen unzureichend geschützt, in ihren Siedlungen keine kontinuierliche militärische Präsenz gezeigt, bei Verfolgung von Roma- und Aschkali-Angehörigen häufiger nicht interveniert oder "Auseinandersetzungen" nur angehalten, ohne das Recht auf Wohnung und Gesundheit der Bedrohten durchzusetzen, und hat diese vielfach in die Nachbarländer eskortiert und somit die Vertreibung begünstigt.

    Der extremistische Teil der albanischen Bevölkerung hat offensichtlich mit Unterstützung oder Duldung von großen Teilen der UCK eine Politik der "ethnischen Säuberung" der beiden alteingesessenen Minderheiten der Roma und Aschkali durchgeführt und weitgehend abgeschlossen. "Ethnische Säuberung" verstehen wir hier als Massenvertreibung einer Volksgruppe, ohne den genozidalen Charakter, den die Politik der "ethnischen Säuberung" in Ostslawonien (1991-1992), Bosnien-Herzegowina (1992-1995), der kroatischen Krajina (1995) und im Kosovo (1998-1999) angenommen hatte. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Massenvertreibung der Roma und Aschkali systematischen Charakter hat und von der UCK-Führung gesteuert oder wenigstens toleriert worden ist.

    UCK-FÜHRUNG MITVERANTWORTLICH


    Zwar wurde die Massenflucht und -vertreibung der Roma und Aschkali in den Monaten seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen Mitte Juni 1999 von einzelnen einzelnen Verbrechen wie Folterungen, Entführungen, Vergewaltigungen und  Morden begleitet. Doch kann hier noch nicht von planmäßigem Genozid gesprochen werden. Allerdings müssen die Täter, darunter weite Teile der UCK und wahrscheinlich auch deren Führung, durch Handeln oder Unterlassen die Verantwortung nicht nur für die Massenvertreibung, sondern auch für den Tod von einzelnen, Säuglingen, Kleinkindern, Alten, Kranken, Behinderten und Verwundeten übernehmen, die an den Folgen von Flucht und Vertreibung gestorben sind oder sterben werden. Dazu gehören auch jene, die während der Flucht nach Italien in der Adria ertrunken sind. Die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern, vor allem in Serbien und Montenegro, lassen befürchten, dass hier im Herbst und Winter ein Massensterben einsetzen könnte. Erste Fälle von Hepatitis sind bereits aufgetreten.

    Schuldzuweisungen an Roma und Aschkali, diese hätten kollektiv Menschenrechtsverletzungen an der albanischen Bevölkerung begangen, müssen zurückgewiesen werden. Täter sind immer Einzelpersonen. Es gibt Zeugenaussagen, nach denen sich einzelne Roma oder Aschkali an Plünderungen albanischen Eigentums, an Misshandlungen oder Morden der serbischen Truppen beteiligt haben sollen. Andererseits belegen Zeugenaussagen, dass nicht wenige Angehörige der albanischen Mehrheit Eigentum von Roma und Aschkali geplündert und zerstört haben. Auch diejenigen Roma und Aschkali wurden nicht verschont, die von serbischen Truppen verfolgt wurden, durch Morde serbischer Einheiten Verwandte verloren haben, vor serbischen Truppen in die Nachbarländer oder in andere Teile des Kosovo geflüchtet waren und nach der NATO-Intervention zurückgekehrt waren.

    GfbV  BEGINNT KAMPAGNE


    Die GfbV konnte schon einmal in ihrer Geschichte eine Wende für eine Gruppe der Roma, nämlich die deutschen Sinti und Roma, herbeiführen. Damals gelang es, weltweite Publizität für diese Minderheit zu mobilisieren und eine Änderung deutschen Sinti-Roma-Politik herbei zu führen.

    Daran müssen wir jetzt anknüpfen. Diese Dokumentation, die in deutscher, englischer und albanischer Sprache erscheint, soll dazu beitragen, dass es zu einer Rettungsaktion für die Roma und Aschkali des Kosovo kommt. Gleichzeitig wird die GfbV eine gezielte Menschenrechtskampagne für die Roma und Aschkali starten.
     

    EMPFEHLUNGEN der Gesellschaft für bedrohte Völker


    1. Die Vertreter von NATO, UN, EU, der USA und die europäischen Regierungen müssen mit einer öffentlichen Erklärung die Politik der "ethnischen Säuberung", d.h. der Massenvertreibung der ethnischen Gemeinschaften der Roma und Aschkali, und dem bestürzenden Rassismus von größeren Teilen der kosovo-albanischen Bevölkerung Einhalt gebieten.
    2. Die Fortsetzung der Wirtschaftshilfe für den Kosovo muss vom Wohlverhalten der albanischen Bevölkerung gegenüber den Minderheiten abhängig gemacht werden.
    3. Die führenden kosovo-albanischen Parteien und Institutionen werden aufgefordert, umgehend die Verbrechen an den Volksgruppen der Roma und Aschkali zu verurteilen, öffentlich ihren Schutz zu proklamieren und ihre Mitglieder zu mobilisieren, um in Städten und Dörfern gegen jegliche Diskriminierung und Angriffe gegen diese Minderheiten einzuschreiten. Sie müssen sich für die Versöhnung zwischen der albanischen und der Roma- und Aschkali-Bevölkerung einsetzen.
    4. Die UCK muss die Täter innerhalb und außerhalb ihrer Reihen ermitteln und ihre Namen an die internationalen Institutionen weitergeben. Von der UCK wird außerdem verlangt, die Repatriierung der geflüchteten und vertriebenen Roma und Aschkali mit konkreten Maßnahmen zu unterstützen.
    5. Die KFOR soll gemeinsam mit der internationalen Polizei wirksame Maßnahmen zum Schutz der Roma und Aschkali-Siedlungen treffen und in der kosovarischen Öffentlichkeit durchsetzen, dass sich Roma und Aschkali ungehindert in den Städten und Dörfern des Kosovo bewegen können. In allen Roma- und Aschkali-Siedlungen müssen Tag und Nacht KFOR und Polizei zum Schutz der bedrohten Bevölkerung präsent sein.
    6. Roma und Aschkali müssen - ihrem prozentualen Anteil an der Bevölkerung entsprechend - in das entstehende Polizeikorps des Kosovo aufgenommen werden. In den Roma- und Aschkali-Siedlungen müssen gemischte Polizeikräfte eingesetzt werden, in denen immer Angehörige der beiden Minderheiten mit mindestens 50 Prozent vertreten sind.
    7. Roma und Aschkali müssen - ihrem prozentualen Anteil an der Bevölkerung entsprechend - bei der Einstellung von Arbeitskräften in den Betrieben berücksichtigt werden. Bis zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung muss die UN-Verwaltung auf die angemessene Beteiligung der ethnischen nicht-albanischen Minderheiten des Kosovo bei der Stellenverteilung achten.
    8. Die UN-Administration muss umgehend öffentlich erklären, dass das Eigentum der geflüchteten und vertriebenen Roma- und Aschkali-Bevölkerung unantastbar ist und dass jede Besetzung von Häusern, Grund und Boden, Betrieben und sonstigem Eigentum der Minderheiten als krimineller Akt betrachtet wird.
    9. Die UN-Administration muss sofort mit dem Wiederaufbau der zerstörten Siedlungen der Roma und Aschkali beginnen. Dieser Wiederaufbau muss voll aus dem Wiederaufbaufond für den Kosovo bestritten werden. Die albanischen Extremisten müssen spüren, dass sie mit der Zerstörung des Eigentums der Minderheiten auch die Wiederaufbaumittel der albanischen Mehrheit beeinträchtigen.
    10. UNO und NATO werden aufgefordert, parallel zu dem beginnenden Wiederaufbau mit der Repatriierung der seit dem März 1998 (URSPRÜNGLICH 99)bzw. seit Mitte Juni 1999 in die Nachbarstaaten Serbien, Montenegro, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina sowie nach Italien oder in andere westeuropäische Staaten geflüchteten Roma und Aschkali zu beginnen.
    11. Der UNHCR wird aufgefordert, vernünftige, akzeptable Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern für Binnenvertriebene ("displaced persons") im Kosovo herzustellen z.B. in Obiliq/Obilic, Zvecan bei Mitrovica und Gjakove/Djakovica.


    12. Der UNHCR wird aufgefordert, die Roma- und Aschkali-Flüchtlinge in Serbien und Montenegro als "displaced
    persons" anzuerkennen, zu registrieren und sie zu versorgen. Auch die nach Mazedonien, Italien und andere Länder Westeuropas Geflüchteten müssen als Flüchtlinge mit UNHCR-Status registriert und versorgt werden.
    13. UNHCR und IKRK müssen einen Suchdienst für vertriebene Roma einrichten und ihnen die Kontaktaufnahme mit ihren Verwandten in Europa ermöglichen.
    14. Die Regierungen der europäischen Staaten werden aufgefordert, die Vertriebenen aus dem Kosovo aufzunehmen und sie so lange zu versorgen, bis eine Repatriierung möglich und verantwortbar ist.
    15. Die europäischen Regierungen werden aufgefordert, die kosovarischen Flüchtlinge der Minderheitengruppen der Roma und Aschkali, die vor Kriegsbeginn im Kosovo bereits als Flüchtlinge in ihren Ländern anerkannt oder geduldet wurden, sowie jene, die während der Kriegsmonate aufgenommen wurden, bis zur Lösung der Nationalitätenfrage nicht in den Kosovo abzuschieben. Ihnen droht dort Gefahr für Leib und Leben.
    16. Da ein größerer Teil der Flüchtlinge und Vertriebenen nach den Verfolgungen jede Rückkehr ablehnt, appellieren wir an die Regierungen Europas, Nordamerikas und Australiens, einen Teil der Vertriebenen als Kontingentflüchtlinge aufzunehmen.
    17. Die internationale Gemeinschaft muß alle seit März 1998 bis heute im Kosovo begangenen Kriegsverbrechen, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit der Opfer bzw. Täter, sorgfältig dokumentieren. Nur so können kollektive Schuldzuweisungen korrigiert werden.
    18. Wir appellieren insbesondere an die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Österreich, eingedenk der Verfolgung von Sinti und Roma im Dritten Reich, sich in den europäischen und internationalen Institutionen für Roma und Aschkali einzusetzen. Deutschland muss seinen Einfluss im Kosovo für das Wohl dieser bedrohten Minderheiten nutzen.
    19. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat den von Adem Demaci gegründeten kosovarischen Rat zur Verteidigung der Menschenrechte und Freiheiten (Council for the Defence of Human Rights and Freedoms CDHRF) in einem Gespräch in Pristina gebeten, sich jetzt konsequent und vordringlich für die Rechte der Minderheiten der Serben, Roma und Aschkali einzusetzen. Der Rat wird insbesondere gebeten, sein weit verzweigtes Mitarbeiternetz für die Sicherheit der Roma und Aschkali einzusetzen, öffentlich in Städten und Gemeinden für sie einzutreten, ihre Siedlungen regelmäßig aufzusuchen, Menschenrechtsverletzungen an ihnen zu dokumentieren und ihre Rückkehr aktiv zu unterstützen. Außerdem appelliert die GfbV an den Rat,  Angehörige von Minderheiten zur aktiven Mitwirkung einzuladen.
     
     
     


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    PATRICIA SCHLESINGER:
    Guten Abend und willkommen zu einer neuen Ausgabe von PANORAMA.
    Wer eine Wahl gewinnen will, muss Stärke beweisen. Ein amerikanischer Präsident erfindet einen Krieg, einen Angriff auf ein kleines Balkanland. Medienwirksam und rührend emotional wird die fingierte Attacke von seinen Soldaten niedergeschlagen. Dafür rennt in einem Filmstudio eine Schauspielerin als Flüchtling verkleidet durch die Kulisse eines zerstörten Dorfes. Das ist Hollywood, Szenen aus einem Kinofilm, "Wag the Dog" heißt er. In der Realität, erst recht bei uns, ist das natürlich undenkbar. Wenn sich Deutschland an einem Krieg beteiligt, muss das moralisch gerechtfertigt, die Notwendigkeit politisch begründet werden. Dass der Verteidigungsminister bei der Legitimation für den Kosovo-Krieg übertrieben hat, dass moralischer Eifer und erhöhter Legitimationsdruck der rot-grünen Regierung dabei eine Rolle spielten, das haben wir alle gewusst. Aber nun redet erstmals ein General vor der Kamera und spricht von einer größeren Manipulationskampagne. Demnach hat Rudolf Scharping Fakten bewusst falsch wiedergegeben und Drohkulissen entworfen, die nicht der realen Gefahr entsprachen, nur um die mediale Heimatfront ruhigzustellen. Bis vor kurzem hätte ich das auch noch für Hollywood-Klamauk gehalten.

    Mathis Feldhoff und Volker Steinhoff über den ganz bewussten Umgang mit der Wahrheit.
    KOMMENTAR:
    Früher galt er als langweilig. Im Kosovo-Krieg bewies er Statur: Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Sein immer wieder beschworenes Kriegsargument für die pazifistische Basis: die Abwendung einer humanitären Katastrophe. Inzwischen hat Scharping sein Tagebuch aus den Kriegstagen veröffentlicht.
    Originaltext Rudolf Scharping:
    "7. April. Es ist abscheulich. Diese Lumpen und Verbrecher bringen wahllos Menschen um, rauben ihre Opfer aus, vertreiben sie oder vergewaltigen die Frauen. Umso unverantwortlicher, dass einige öffentlich immer wieder einen Stopp oder eine Pause der Luftangriffe fordern."
    KOMMENTAR:
    Für Scharping ist von Anfang an alles klar: im Kosovo droht die humanitäre Katastrophe. Und Scharping hat dafür Beweise, angeblich jedenfalls. Seine Behauptung vor Kriegsbeginn: Das "Massaker" von Rugovo. Ende Januar 1999, knapp zwei Monate vor Kriegsbeginn, gehen diese Leichenbilder um die Welt. Allgemeines Entsetzen. 23 Tote Albaner, nebeneinander. Für Scharping ist damit klar: ein Massaker der Serben. Im Tagebuch notiert er:
    Originaltext Rudolf Scharping:
    "Auf dem Flug zum NATO-Gipfel in Washington hatten mir Mitarbeiter die Bilder von getöteten Kosovo-Albanern gezeigt. Beim Anschauen der Fotos Übelkeit. Ist Entsetzen steigerbar? Später bitte ich meine Mitarbeiter, die Bilder für eine der Pressekonferenzen vorzubereiten."
    KOMMENTAR:
    Dort präsentiert der Minister dann seine Beweise. Und tatsächlich: Viele Leichen nebeneinander, wie nach einem Massaker. Scharping ist sich anhand seiner Bilder ganz sicher, was am 29. Januar in dem kleinen Örtchen Rugovo passiert ist.
    0-Ton RUDOLF SCHARPING:
    "Wir haben sehr gut recherchiert und uns Bildmaterial besorgt, das OSZE-Mitarbeiter am Morgen gemacht haben zwischen sieben und acht Uhr."
    KOMMENTAR:
    Fernsehbilder von genau diesem Morgen. Tatsächlich: ein OSZE-Mann, mit grüner Jacke, Henning Hensch, ein deutscher Polizeibeamter, erster internationaler Ermittler vor Ort.
    0-Ton HENNING HENSCH (OSZE-Ermittler):
    "Es war nicht so. Die Leichen haben da zwar gelegen, aber sie sind dort hingebracht worden von den serbischen Sicherheitsbehörden, nachdem die eigentliche Tatortaufnahme - und das hängt wieder zusammen mit diesem Ermittlungsrichter - abgeschlossen war, nachdem beschlossen war: wir bringen die Leichen jetzt weg."
    KOMMENTAR:
    Der Beweis durch Fernsehbilder: Zuerst liegen die Leichen verteilt im Ort, wie nach einem Gefecht. Keine Zivilisten, sondern UCK-Kämpfer. Nach diesen Aufnahmen dann werden die Leichen zusammengetragen und fotografiert. Und genau diese Fotos hält Minister Scharping für Beweise eines Massakers. Tatsachen, die dem Experten für Sicherheitspolitik, Professor Lutz, genau bekannt sind. Und er kennt die Bedeutung der Massaker für die damalige Diskussion.
    0-Ton PROF. DIETER LUTZ (Inst. F. Friedensforschung und Sicherheitspolitik):
    "Die Massaker waren, wenn Sie so wollen, der berühmte Tropfen, die Wende zum Krieg, der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. In der damals moralisierenden Argumentation sehr verständlich. In der Folgezeit sind dann auch nicht zufälligerweise die Massaker immer gleichgesetzt worden mit Auschwitz."
    KOMMENTAR:
    Die Behauptung zum Kriegsbeginn: Die humanitäre Katastrophe.
    Am 24. März beginnt die NATO DEN Krieg gegen die Serben. Scharping liefert die Begründung. 0-Ton RUDOLF SCHARPING (25.3.1999):
    "Meine Damen und Herren, ich will zunächst einmal zwei Punkte unterstreichen: 1. Die militärischen Aktivitäten der NATO dienen einem politischen Ziel, nämlich die Abwendung einer humanitären Katastrophe bzw. die Verhinderung ihres weiteren Anwachsens."
    KOMMENTAR: Eine humanitäre Katastrophe? Jetzt kommt heraus, wie die Lage wirklich war kurz vor Kriegsbeginn.
    0-Ton PROF. DIETER LUTZ:
    "Also es gibt insbesondere zwei Lageanalysen, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden müssen. Das eine ist der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. März, also fünf Tage vor Kriegsbeginn. Und das Zweite ist die Lageanalyse des Bundesverteidigungsministeriums vom 23. März, also unmittelbar ein Tag vor Kriegsbeginn. Und beide Lageanalysen gehen davon aus, dass keine humanitäre Katastrophe unmittelbar bevorsteht."
    KOMMENTAR:
    PANORAMA liegen diese Dokumente vor. In dem Lagebericht des Verteidigungsministeriums heißt es am Tag vor dem Kriegsbeginn: Die Serben seien zwar in einer großangelegten Operation noch gar nicht fähig. Bisher gebe es nur örtlich und zeitlich begrenzte Operationen gegen die UCK. Und nach dem internen Bericht des Auswärtigen Amtes hätten die Serben die Zivilbevölkerung vor ihren Angriffen gewarnt. Nach Abzug der serbischen Sicherheitskräfte kehre die Bevölkerung dann meist in die Ortschaften zurück. Es gebe keine Massenflucht in die Wälder, auch keine Vorsorgungskatastrophe.
    0-Ton PROF. DIETER LUTZ:
    "Äußerst bestürzt ist man sogar, wenn man liest, dass einzelne UCK-Kommandeure sogar die eigene Bevölkerung am Verlassen der Dörfer hindert, damit es Opfer gibt, damit die NATO mit Luftschlägen eingreift. Dieses alles finden Sie in den Lageanalysen."
    KOMMENTAR:
    Die "humanitäre Katastrophe", der Grund für die deutsche Beteiligung am Krieg, findet sich also in den internen Berichten der deutschen Regierung nicht wieder. Dennoch: das Bombardement beginnt.

    Nach Kriegsbeginn: Der Hufeisenplan als Rechtfertigung.
    Kurz nach Kriegsbeginn ist sie dann wirklich da, die Katastrophe: Riesige Flüchtlingsströme, Folter und Mord. Und zu allem Überfluss: Milosevic gibt nicht auf. Langsam wächst die öffentliche Kritik: Wären Verhandlungen nicht doch besser als Krieg?
    Scharping steht politisch mit dem Rücken an der Wand. Da scheint die Rettung zu kommen:
    Originaltext Rudolf Scharping:
    "31. März. Mich elektrisiert ein Hinweis, dass offenbar Beweise dafür vorliegen, dass das jugoslawische Vorgehen einem seit langem feststehenden Operationsplan folgt."
    KOMMENTAR:
    Ein Hinweis, wenn auch aus dubiosen Quellen. Keine zwei Wochen später präsentiert Scharping stolz einen kompletten Plan: den Hufeisenplan. Milosevic wollte demnach die Albaner von Anfang an vertreiben. Das offene Ende des Hufeisens ist links unten, nach Albanien gerichtet: einziger Fluchtweg für die Bevölkerung. Für Scharping der Beweis: Die Serben planten schon immer die ethnische Säuberung, die deutsche Kriegsbeteiligung also gerechtfertigt. Stolz notiert er in seinem Tagebuch:
    Originaltext Rudolf Scharping:
    "7. April. Die Auswertung des Operationsplanes ‚Hufeisen' liegt vor. Endlich haben wir den Beweis dafür, dass schon im Dezember 1998 eine systematische Säuberung des Kosovo und die Vertreibung der Kosovo-Albaner geplant worden war, mit allen Einzelheiten und unter Nennung aller dafür einzusetzenden jugoslawischen Einheiten."
    KOMMENTAR:
    Gab es diesen Hufeisenplan tatsächlich?
    Wien, Sitz der OSZE. Von hier wurde die Beobachtung des Kosovo geleitet. Zuständig für die militärische Beratung damals: General a.D. Heinz Loquai aus Deutschland. Heute sein erstes Fernsehinterview:
    0-Ton HEINZ LOQUAI (General a.D.):
    "Man hat mir im Verteidigungsministerium bei einem ausführlichen Gespräch über den Hufeisenplan gesagt, es lag kein Plan vor, sondern was vorlag, war eine Beschreibung der Operationen der serbischen Polizei und des serbischen Militärs in einem Bürgerkrieg."
    INTERVIEWER:
    "Wo ist diese Grafik entstanden?"
    HEINZ LOQUAI:
    "Diese Grafiken sind entstanden im deutschen Verteidigungsministerium, das hat man mir jedenfalls gesagt."

    KOMMENTAR:
    Der schlimme Verdacht: Der Hufeisenplan wurde gar nicht in Belgrad, sondern in Bonn geschrieben. Und für diesen Verdacht spricht ein weiteres Dokument, das PANORAMA vorliegt. Es stammt aus dem Verteidigungsministerium: das Ausgangspapier des angeblich genau bekannten Hufeisenplans. Doch dort heißt es ausdrücklich, der Plan sei "in seinen Details nicht bekannt". Das Fazit des Generals ist vernichtend.
    0-Ton HEINZ LOQUAI:
    "Ich kann nur sagen, dass der Verteidigungsminister bei dem, was er über den Hufeisenplan sagt, nicht die Wahrheit sagt."
    KOMMENTAR:
    Doch Scharping bleibt dabei, behauptet immer wieder, dass es diesen Hufeisenplan tatsächlich gebe.
    0-Ton RUDOLF SCHARPING (5.4.2000):
    "Ich habe gesagt, es gibt diesen Plan, und es gibt eine Fülle von Kenntnissen darüber, dass dieser Plan existiert. Und diese Kenntnisse sind alle durch die Realität bewiesen."
    KOMMENTAR:
    Aber vorlegen kann er ihn bis heute nicht. Dennoch: die Kritiker seien "böswillig und ahnungslos".
    0-Ton HEINZ LOQUAI:
    "Ahnungslos war ich nicht. Ich habe sehr viele Berichte des Verteidigungsministeriums eingesehen. Ich habe alle OSZE-Berichte gehabt, und ich habe dieses sehr, sehr ausführliche und offene Gespräch im Verteidigungsministerium über den Hufeisenplan gehabt. Also ahnungslos war ich nicht."
    KOMMENTAR:
    Der General hat inzwischen eine Studie verfasst. Gern hätte er aus all diesen internen Berichten zitiert, etwa denen der deutschen Botschaft in Belgrad.
    0-Ton HEINZ LOQUAI:
    "Ich hatte gebeten, für meine Studie die Berichte der Botschaft in Belgrad verwenden zu können, sie zitieren zu dürfen. Dieser Bitte wurde nicht entsprochen, weil, wie man sagte, diese Berichte politisch zur Zeit zu sensitiv sind. Wenn man die Berichte der Experten zum Beispiel dem Bundestag präsentiert hätte, hätte der Bundestag ein anderes Bild gehabt, als er es tatsächlich hatte zur Zeit des Kriegsbeginns. Und ich weiß nicht, ob dann die Abstimmungen so eindeutig verlaufen wären."
    KOMMENTAR:
    Trotz allem: sicher ist eines: Die Serben haben zahllose Verbrechen im Kosovo begangen. Umso drängender die Frage: Warum reichten Scharping die Fakten nicht aus? Die Antwort nicht nur auf diese Frage wollte er PANORAMA nicht geben.
    0-Ton PROF. DIETER LUTZ (Inst. f. Friedensforschung und Sicherheitspolitik):
    "Sieht man das Geschehen und auch die Aussagen von Scharping in der Gesamtschau, so muss man festhalten, dass er immer übertrieben hat, immer auch am Rande dessen war, was die Wahrheit ist, bis hin zu Falschaussagen, wenn wir den Hufeisenplan nehmen. Und ich glaube, es lässt sich damit erklären, dass er versucht hat, durch diese Übertreibungen und Überhöhungen sich selber unantastbar zu machen."

    Abmoderation PATRICIA SCHLESINGER:
    Die Pressestelle des Verteidigungsministers war heute schwer beschäftigt. Mit einem Pauschal-Dementi versuchte sie , die Vorwürfe, die in unserem Film erhoben werden, zu entkräften. Sie seien schlichtweg falsch und widersprächen den Tatsachen, hieß es in einer Presseerklärung. Wer so tönt, muss sich die Frage gefallen lassen: Warum wollten Sie unsere Fragen nicht vor der Kamera beantworten, Herr Scharping?

    Quelle: "Panorama"; ARD 18.05.2000

    Hier geht es zu weiteren aktuellen Hintergrundberichten und interessanten Analysen zum NATO-Krieg:

    Beiträge über Kosovo, Jugoslawien und NATO-Krieg

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    Es begann mit einer Lüge

    Wie die Nato im Krieg um Kosovo Tatsachen verfälschte und Fakten erfand


    Ein Film von Jo Angerer und Mathias Werth
    WDR - Ausgestrahlt im Ersten Deutschen Fernsehen am 8. Februar 2001.

    - Das vollständige Manuskript -

    (Zwischenüberschriften wurden von uns eingefügt, Pst)

    Gerhard Schröder (24. März 1999):
    "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die Nato mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosevic führt dort einen erbarmungslosen Krieg. Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen."

    Dieser Film zeigt, wie schon vom ersten Tag des Kosovo-Krieges an die Bevölkerung getäuscht wurde. Dieser Film zeigt auch, wie Tatsachen verfälscht und Fakten erfunden, wie manipuliert und auch gelogen wurde. Dieser Film zeigt, weshalb Bomben auf Belgrad fielen.

    Drohte eine "humanitäre Katastrophe"?

    Die Nato sagt, sie habe die Bomben geworfen, um das Leben der Kosovo-Albaner zu schützen - vor den Serben. Doch als die ersten Bomben einschlugen, waren es diese Bilder, die man sah. Man sah Serben, die voller Angst in ihre Keller und in die wenigen Bunker der Stadt flohen.

    Originalton im serbischen Radio:
    "Eine große Gruppe feindlicher Flugzeuge nähert sich Belgrad. Wir bitten alle Bürger ihre Lichter auszumachen. Nachdem Sie die Räume verdunkelt haben, appellieren wir an Sie den Strom abzuschalten. Achtung, eine große Gruppe feindlicher Flugzeuge in Richtung Belgrad. Bürger, bleibt in euren Schutzräumen und wartet auf die Empfehlungen aus dem Informationszentrum. Ende der Durchsage."

    Man sah serbische Kinder voller Furcht ihr Leben könne enden, noch bevor es richtig begonnen hatte. Bilder des jugoslawischen Fernshens zwar, aber sie waren zu "echt", um als serbische Propaganda druch zu gehen. Angst vor Krieg ist unteilbar - wie die Menschenrechte, um deret Willen er geführt wurde. Entscheidend aber ist das Bild, das der Krieg bietet. Welche Macht den Bildern zukommt, wusste der oberste Nato-Sprecher damals sofort.

    Jamie Shea, Nato-Sprecher:
    "Das Wichtigste ist, dass der Feind nicht das Monopol auf die Bilder haben darf, denn das rückt die Taktik der Nato in das Licht der Öffentlichkeit und nicht die bewusste Brutalität von Milosevic: Etwa ob wir eine perfekte Organisation sind, oder ob wir einen perfekten Luftkrieg führen und so weiter. Viele Journalisten sagten: Milosevic hat die Bilder - und Jamie Shea hat nur Worte. Wem sollen wir glauben? Den Bildern oder den Worten?
    Beim nächsten Mal, wenn die ARD, CNN oder die BBC ein Bild von einem zerschossenen Flüchtlingstreck zeigen, dann will ich sagen können: Ja, das stimmt. Ich entschuldige mich, ich kann das erklären. Aber sehen Sie hier: Ein Massengrab, Leute, die absichtlich umgebracht und in dieses Grab geworfen wurden! Auf welcher Seite stehen Sie also?"

    Aber Bilder von Massengräbern zum Beispiel standen der Nato nicht zur Verfügung. Nur diese von fliehenden Kosovo-Albanern. Ihre Gesichter zeigen - wie die der Serben im Bunker - Angst, Schmerz, Todesfurcht. Doch was sagen diese Bilder? Helfen sie der NATO, sind sie nicht wie ein Appell an die NATO: Rettet uns? Ist das Leid der Menschen nicht Verpflichtung - und Chance - zum militärischen Eingriff? Menschenrechte für die Kosovo-Albaner - Rechtfertigung oder Vorwand? Verteidigungsminister Rudolf Scharping erklärte 1999, weshalb er deutsche Soldaten in den Kosovo-Krieg geschickt hat.

    Rudolf Scharping (27. 03. 1999):
    "Wir wären ja auch niemals zu militärischen Maßnahmen geschritten, wenn es nicht diese humanitäre Katastrophe im Kosovo gäbe mit 250.000 Flüchtlingen innerhalb des Kosovo, weit über 400.000 Flüchtlingen insgesamt, und einer zurzeit nicht zählbaren Zahl von Toten."

    Nicht zählbare Tote schon vor Beginn der Nato-Bombardierung? Die OSZE, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, müsste davon doch gewusst haben. Denn ihre Beobachter hatten penibel die Vorkommnisse im Kosovo gemeldet. Ihr Fazit für den März 1999: 39 Tote im gesamten Kosovo - bevor die Nato-Bomber kamen. Drohte also eine "humanitäre Katastrophe"?

    Der damals leitende deutsche General bei der OSZE und eine amerikanische Diplomatin, die damals im Kosovo war, erinnern sich.

    Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:
    "Die Legitimationsgrundlage für die deutsche Beteiligung war die so genannte humanitäre Katastrophe, eine solche humanitäre Katastrophe als völkerrechtliche Kategorie, die einen Kriegseintritt rechtfertigte, lag vor Kriegsbeginn im Kosovo nicht vor."

    Norma Brown, US-Diplomatin im Kosovo:
    "Bis zum Beginn der Nato-Luftangriffe gab es keine humanitäre Krise. Sicher, es gab humanitäre Probleme, und es gab viele Vertriebene durch den Bürgerkrieg. Aber das spielte sich so ab: Die Leute verließen ihre Dörfer, wenn die Serben eine Aktion gegen die UCK durchführten - und kamen danach wieder zurück. Tatsache ist: Jeder wusste, dass es erst zu einer humanitären Krise kommen würde, wenn die Nato bombardiert. Das wurde diskutiert: In der Nato, der OSZE, bei uns vor Ort und in der Bevölkerung."

    Ein eindeutiges Urteil! Gewalt im Kosovo - in keinem einzigen Bericht der OSZE findet sich auch nur ein Indiz für eine drohende humanitäre Katastrophe. Was die internationalen Fachleute beobachteten, waren Situationen wie diese: Rebellen der so genannten Kosovo-Befreiungsarmee UCK kämpften gegen reguläre jugoslawische Truppen. Ein Bürgerkrieg - so die OSZE. Vor diesen Kämpfen flohen die Dorfbewohner. Später kehrten sie dann meist in ihre völlig zerstörten Häuser zurück.

    Die Nato in Brüssel kannte die Berichte der OSZE. Sie deckten sich mit ihren eigenen Beobachtungen, bleiben aber intern. Diese Erkenntnisse wurden damals nicht auf einer der vielen Nato-Pressekonferenzen veröffentlicht. Mehr noch: Auf der letzten Tagung des Nato-Rates vor Kriegsbeginn, am 14. März 1999, wurde berichtet: Die Gewalt gehe eher von terroristischen Aktionen der UCK aus, die Serben übten dann allerdings mit unverhältnismäßiger Härte Vergeltung. Dennoch drohte die Lage im Kosovo zu der Zeit nicht außer Kontrolle zu geraten. Denn die Nato-Führung bereitete sich längst auf einen Angriff gegen Jugoslawien vor.

    Zur gleichen Zeit im deutschen Verteidigungsministerium: Auch dort war keine Rede von einer drohenden humanitären Katastrophe: In den Unterlagen des Bundesministers für Verteidigung zur Lage im Kosovo stand nämlich etwas ganz anderes als Rudolf Scharping in der Öffentlichkeit verkündet hatte. Zitat aus den geheimen Lageberichten des Verteidigungsministeriums: "In den vergangenen Tagen kam es zu keinen größeren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen serbisch-jugoslawischen Kräften und der UCK ... Die serbischen Sicherheitskräfte beschränken ihre Aktionen in jüngster Zeit auf Routineeinsätze wie Kontrollen, Streifentätigkeit, Suche nach Waffenlagern und Überwachung wichtiger Verbindungsstraßen."

    Der Kampf um die öffentliche Meinung

    Dennoch: Hinter dieser Tür, dem mehrfach gesicherten Eingang zur militärischen Organisationszentrale, liefen die Vorbereitungen für den Angriff weiter. Als dann jedoch die ersten Bomben fielen, sank in den Nato-Ländern die Unterstützung für den Krieg. Die Stimmung in der Bevölkerung drohte sogar zu kippen.

    Jamie Shea, Nato-Sprecher:
    "Die politischen Führer spielten nun die entscheidende Rolle für die öffentliche Meinung. Sie sind die demokratisch gewählten Vertreter. Sie wussten, welche Nachricht jeweils für die öffentliche Meinung in ihrem Land wichtig war. Rudolf Scharping machte wirklich einen guten Job. Es ist ja auch nicht leicht, speziell in Deutschland, das 50 Jahre lang Verteidigung nur als Schutz des eigenen Landes gekannt hatte, statt seine Soldaten weit weg zu schicken. Psychologisch ist diese neue Definition von Sicherheitspolitik nicht einfach. Nicht nur Minister Scharping, auch Kanzler Schröder und Minister Fischer waren ein großartiges Beispiel für politische Führer, die nicht der öffentlichen Meinung hinterherrennen, sondern diese zu formen verstehen. Es stimmt mich optimistisch, dass die Deutschen das verstanden haben. Und jenseits der sehr unerfreulichen Begleiterscheinungen, der Kollateralschäden, der langen Dauer der Luftangriffe, hielten sie Kurs. Wenn wir die öffentliche Meinung in Deutschland verloren hätten, dann hätten wir sie im ganzen Bündnis verloren."

    Der Kampf um die öffentliche Meinung war härter geworden. Und die Gangart auch. Schlichte Meinungsmache, Kriegspropaganda für den Hausgebrauch - das reichte jetzt nicht mehr.

    Die Lüge vom serbischen KZ

    Pristina, die Hauptstadt des Kosovo, war Schauplatz einer perfiden Propagandageschichte: Im Mittelpunkt stand das Fußballstadion. Rund um das Stadion sind die Zerstörungen bis heute zu sehen, und oben auf den Tribünen verwittert der Beton. Doch der Rasenplatz unten wird gehegt und gepflegt, und die Jugendmannschaft trainiert hier wie eh und je. Doch damals, vor zwei Jahren, sollen die Serben hier ein KZ für Kosovo-Albaner betrieben haben - ganz nach Nazi-Manier. Mit dieser Behauptung ging Rudolf Scharping im April 1999 an die Öffentlichkeit.

    Rudolf Scharping (28. 03 1999):
    "Viel wichtiger ist die Frage, was geschieht jetzt im Kosovo: Wenn ich höre, dass im Norden von Pristina ein Konzentrationslager eingerichtet wird, wenn ich höre, dass man die Eltern und die Lehrer von Kindern zusammentreibt und die Lehrer vor den Augen der Kinder erschießt, wenn ich höre, dass man in Pristina die serbische Bevölkerung auffordert, ein großes ‚S' auf die Türen zu malen, damit sie bei den Säuberungen nicht betroffen sind, dann ist da etwas im Gange, wo kein zivilisierter Europäer mehr die Augen zumachen darf, außer er wollte in die Fratze der eigenen Geschichte schauen."

    Das "S" zum Schutz der Serben hat in Pristina auf keiner einzigen Tür geprangt. Auch nicht in den Katakomben unter den Stadiontribünen, wo Serben das KZ betrieben haben sollen. Hierher hat sich höchstens mal ein Weitschuss der Fußballjugend verirrt. Vielleicht rauchten die Jungs nach dem Spiel hier unten ihre erste Zigarette, tranken heimlich Cola und Schnaps. Aber Rudolf Scharping berichtet sogar noch in seinem späteren Kriegstagebuch über den Nato-Einsatz im Kosovo von mehreren tausend Leuten, die hier interniert gewesen seien. Und der deutsche Außenminister Joschka Fischer bemühte sogar mehrfach den Vergleich zwischen Serben und Nazis und rief zum Krieg mit den Worten: "Nie wieder Auschwitz!" Bis heute bleiben Joschka Fischer und Rudolf Scharping bei ihrer Darstellung.

    Rudolf Scharping:
    "Ich habe mich so geäußert, dass der Verdacht besteht, dass im Stadion von Pristina Menschen festgehalten werden. Das beruhte auf Zeugenaussagen, die sich bezogen auf entsprechende Internierung in den Gängen des Stadions, in den Geschäften, die unterhalb der Tribünen waren. Wir haben versucht, das aufzuklären. Bilder davon konnten wir nicht gewinnen. Aber die Zeugenaussagen standen."

    Zeugen aus Pristina also. Wenn einer aber etwas mitbekommen hat, dann müsste es Shaban Kelmendi gewesen sein, kosovarischer Politiker. Sein Haus liegt direkt am Stadion und während des Krieges hat er Pristina keinen Tag verlassen. Shaban Kelmendi, Augenzeuge: "Wie Sie sich selbst überzeugen können, blickt man von hier aus genau auf das Stadion. Man kann alles sehen. Es hat damals dort keinen einzigen Gefangenen oder eine Geisel gegeben. Das Stadion hat immer nur als Landeplatz für Helikopter gedient."

    Und während er noch spricht, nähert sich von weitem ein Helikopter der KFOR, der internationalen Schutztruppe für das Kosovo, dem Stadion.

    Sheban Kelmendi, Augenzeuge:
    "Sie sehen ja, da landen immer nur Helikopter. Wie damals. Das haben wir alle hier sehen können. Die Helikopter landeten dort, und die Leute stiegen ein, Soldaten halt."

    Das Fußballstadion von Pristina - ein Konzentrationslager, wie Rudolf Scharping es vollmundig verkündet hatte? Im besten Fall gutgläubig weitergetragene Propaganda, wahrscheinlich aber schlicht eine frei erfundene Gräuelgeschichte.

    Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:
    "Hier muss ich mich wirklich beherrschen, weil der Vergleich mit Auschwitz und der Situation im Kosovo eine ungeheuerliche Behauptung ist. Man muss sich als Deutscher schämen, dass deutsche Minister so etwas getan haben, denn ein normaler Mensch, ein normaler Deutscher, wird vor Gericht zitiert, wenn er in derartigem Ausmaße Auschwitz verharmlost. Und dass ein deutscher Minister von KZs im Kosovo sprach, ist auf der gleichen Linie, denn KZs sind Einrichtungen einer bestimmten historischen Situation, nämlich der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland. Und ich finde es im Grunde genommen ungeheuerlich, dass gerade Deutsche diese Vergleiche gewählt haben."

    Die Lüge vom Massaker in Rugovo

    Nicht die einzige Kriegslüge, die man in die Welt setzte, um die Unterstützung der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten. Beispiel: Rugovo, ein kleines Bauerndorf im südlichen Kosovo. Im Krieg blieb der Ort weitgehend unzerstört. Jetzt zwei Jahre danach, wird die Ernte wieder eingebracht, normaler Bauern-Alltag. Und doch hat Rugovo für den Kosovo-Krieg eine besondere Bedeutung. Begonnen hatte die Geschichte auf dem Bauernhof von Shefget Berisha. Eine Geschichte, die später im fernen Deutschland Schlagzeilen machte. Es war der 29. Januar 1999, zwei Monate vor Beginn der Nato-Luftangriffe. Plötzlich hörten die Nachbarn von Shefget Berisha Schüsse. Was war passiert?

    Remzi Shala, Augenzeuge:
    "Damals am 29. Januar ist folgendes passiert: Es war ein Freitag. Morgens kurz nach fünf ging es drüben im Haus meines Nachbarn Shefget Berisha los. Es waren Schüsse aus Maschinengewehren, drei oder vier Stunden lang. Wir waren wach geworden und hörten das alles, ja, erst nach drei oder vier Stunden hörte die Schießerei auf. So gegen zehn Uhr kam eine Gruppe Polizisten aus dieser Richtung dort auf uns zu. Mein Vater und ich haben sie gesehen. Als sie dann so ungefähr bis auf fünfzig, sechzig Meter an mich herangekommen waren, blieb mir nur noch wegzulaufen. Ich lief weg in die andere Richtung."

    Dieser zerschossene rote Kleinbus erinnert noch heute an jenen Tag. Doch was war genau in Rugovo geschehen? Ein Massaker der Serben an unschuldigen Zivilisten, sagte Rudolf Scharping. Zwei Monate später, am 27. April 1999, präsentierte der Verteidigungsminister seine Beweise.

    Rudolf Scharping (27. April 1999):
    "Was wir Ihnen hier zeigen, ich hatte ja schon gesagt, man braucht starke Nerven, um solch grauenhafte Bilder überhaupt ertragen zu können, sie machen aber deutlich, mit welcher Brutalität das damals begonnen wurde und seither weitergegangen ist. Wenn Sie sich mal solche Fotos anschauen, dann werden Sie auch sehr, sehr unschwer erkennen können, dass das in einem gewissen Umfang auch beweissichernd sein kann. Die Uniformen, die Sie da sehen, dass sind Uniformen der serbischen Spezialpolizei. Das macht auch deutlich, dass Armeekräfte und Spezialpolizei, später dann auch im Fortgang nicht nur diese, sondern auch regelrechte Banden freigelassener Strafgefangener und anderer, an solchen Mordtaten beteiligt sind. Es sind erschütternde Bilder. Und ich muss mir große Mühe geben, das in einer Tonlage zu schildern, die nicht gewissermaßen zur Explosion führt."

    "Deshalb führen wir Krieg", titelte auch die Presse und veröffentlichte die Bilder Scharpings. Doch seine eigenen Experten wussten es schon damals besser: Dies war kein Massaker an Zivilisten! Aus dem geheimen Lagebericht:
    "Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch. Am 29. Januar '99 wurden in Rugovo bei einem Gefecht 24 Kosovo-Albaner und ein serbischer Polizist getötet."

    Also ein Gefecht unter Soldaten - kein Massaker an Zivilisten, wie der Verteidigungsminister behauptet? Diese Fernsehbilder, aufgenommen von einem westlichen Kamerateam unmittelbar nach den Ereignissen in Rugovo, liefern Hinweise, wie es tatsächlich war: Gewehre neben toten Albanern, die angeblich Zivilisten waren. Die Toten tragen Militärstiefel. Sie haben Mitgliedsausweise der UCK und tragen deren Rangabzeichen. Doch wurden diese Bilder vielleicht arrangiert - von den Serben, und vor dem Eintreffen der westlichen Kamerateams?

    Frage: "Bei dem Beispiel Rugovo, auf welche Quellen haben Sie sich dabei berufen?"

    Rudolf Scharping:
    "Auf OSZE-Beobachter, die als Erste am Ort waren."

    Frage: "Waren diese Schilderungen, die damals gemacht worden sind zu den Vorgängen in Rugovo, aus ihrer Sicht heute korrekt und sind nach wie vor so gültig?"

    Rudolf Scharping:
    "Ja, die sind völlig korrekt."

    Der erste OSZE-Beobachter vor Ort, das war dieser Mann, ganz links im Bild. Es ist der deutsche Polizeibeamte Henning Hensch.

    Henning Hensch, OSZE-Beobachter:
    "In jedem Fall ist es richtig, dass der Verteidigungsminister noch am Tage der ersten Veröffentlichung, die ich selber auch gesehen habe in der Deutschen Welle, von mir darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, dass die Darstellung, die da abgelaufen ist, so nicht gewesen ist."

    Sein offizieller Ermittlungsbericht zu Rugovo. Das Ergebnis: Kein Massaker an Zivilisten.

    Henning Hensch, OSZE-Beobachter:
    "Am Tatort fanden wir einen roten Van, zerschossen, mit offenen Scheiben und insgesamt vierzehn Leichen in diesem Fahrzeug, und drei Leichen lagen außerhalb des Fahrzeuges. In der ‚Garage' genannten Stallung auf der Rückseite der Farm befanden sich fünf UCK-Fighter in den typischen Uniformen, den dunkelblauen mit dunkelgrün oder grün eingefärbten Uniformen, die dort im zehn Zentimeter hohen Wasser lagen. Und dann ging es noch etwa 300 Meter weiter zu einem zweiten Tatort, an dem wir wiederum vier Leichen fanden, und darüber hinaus sind die Leichen, die der Verteidigungsminister zeigen ließ, dort von den serbischen Sicherheitsbehörden und von mir und meinen beiden russischen Kollegen abgelegt worden, weil wir sie von den verschiedenen Fundorten oder Tatorten zusammengesammelt hatten."

    So also entstanden diese Bilder einer angeblichen Exekution, die der Minister präsentierte. Bilder, die mit den tatsächlichen Ereignissen nichts zu tun hatten.

    Heinz Loquai, General a.D. - OSZE:
    "Es war auch ganz klar, dass das kein Massaker an der Zivilbevölkerung war, denn nach den OSZE-Berichten haben Kommandeure der UCK ja selbst gesagt, es seien Kämpfer für die große Sache der Albaner dort gestorben. Also zu einem Massaker hat es eigentlich der deutsche Verteidigungsminister dann interpretiert."

    New York, April 1999. Während Scharping von einem Massaker berichtet, das keines war, und von einem KZ, das es nie gab, war der Kosovo-Krieg weiter in vollem Gange. In Deutschland wie in den USA wurde für diesen Krieg Stimmung gemacht. Das war auch notwendig, denn der Krieg war völkerrechtswidrig: Nur die Vereinten Nationen, deren Hauptquartier hier in New York ist, hätten ein Mandat für den Angriff geben dürfen. Doch dieses Mandat hat es nie gegeben. Damals herrschte Hochbetrieb für das Wachpersonal der UNO. Immer neue Regierungsvertreter trafen im Haptquartier der Vereinten Nationen ein, immer heftiger wurden die Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen.

    "Kollateralschäden" - und die Erfindung des "Hufeisen-Plans"

    April 1999: Bei den Vereinten Nationen wird um den Krieg gestritten. Zur gleichen Zeit fliegen Nato-Bomber bereits Angriff um Angriff, 6000-mal - und immer ohne UN-Mandat.

    Ganz überraschend ist das nicht, denn bei den Vereinten Nationen kennt man nicht erst seit heute die amerikanische Regierungspolitik, und deren kaum verhüllte Geringschätzung der Vereinten Nationen. Bereits 1993 hatte US-Präsident Bill Clinton die Grundzüge dieser US-amerikanischen Außenpolitik in einem geheimen Regierungsdokument festgelegt. Der Titel: "Mit den Vereinten Nationen wenn möglich, ohne sie wenn nötig." "Die Nato", heißt es darin, "soll die Entscheidungskriterien für die UN festlegen und nicht umgekehrt." Der Kosovo-Einsatz ohne UN-Mandat - ein klarer Bruch des Völkerrechts. Der deutsche Verteidigungsminister hat ihn mitgetragen.

    Doch warum? Einer der wichtigsten politischen Berater der US-Regierung, Wayne Merry, hatte Zugang zu geheimen Planungsunterlagen der US-Regierung.

    Wayne Merry, Berater der US-Regierung:
    "Manche Regierungsleute aus dem Außenministerium reden davon, dass Kosovo nur der Auftakt ist für zukünftige Kriege der Nato, die noch viel entfernter sein werden. Für Washington ging es nicht um die Demonstration der amerikanischen Führungsrolle in der Nato. Die wurde nie bestritten. Man wollte zeigen, dass die Nato überhaupt noch einen Zweck hat. Und dieser Zweck ist etwas ganz anderes, als die rein defensiven Aufgaben, für die die Nato gegründet wurde."

    In diesen Räumen tagt der NATO-Rat. Soll die NATO der neue Weltpolizist werden? In den USA vielleicht eine selbstverständliche Vorstellung. Doch der deutschen Öffentlichkeit wäre die nur schwer zu vermitteln gewesen. Zumal der Kosovo-Krieg inzwischen immer heftiger kritisiert wurde, vor allem nachdem NATO-Flugzeuge die militärischen Ziele der Serben verfehlten und stattdesse versehentlich Flüchtlingstrecks angriffen. "Kollateralschäden" nennen dies die Militärs. Besonders in Deutschland wurde die Öffentlichkeit gegenüber der Nato-Politik nun spürbar kritischer.

    Anfang April 1999 im Nato-Hauptquartier: Jetzt ist Schadensbegrenzung gefragt.

    Jamie Shea, Nato-Sprecher:
    "Nach dem Angriff auf den Flüchtlingskonvoi bei Djakovica, dem ersten ‚Unfall' des Krieges, fiel die öffentliche Zustimmung in vielen Ländern, auch in Deutschland, um 20 bis 25 Punkte. Wir mussten sechs Wochen hart arbeiten, um die öffentliche Meinung zurückzugewinnen. Milosevic machte den Fehler, die Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Albanien und Mazedonien zu treiben.
    An der Grenze waren Fernsehteams, die das Leiden filmten. Und so stellte sich die öffentliche Meinung wieder hinter die Nato."

    Und das sind die Fernsehbilder, die der Nato-Sprecher Jamie Shea meint, und die den entscheidenden Fehler Milosevics im Propagandakrieg dokumentieren: Bilder albanischer Flüchtlinge an der jugoslawisch-mazedonischen Grenze. Jeden Abend und in jeder Nachrichtensendung ist es nun zu sehen: Leid, Flucht und Vertreibung. Doch in Deutschland haben diese Bilder offenbar nicht ausgereicht. Jetzt hieß es: Von langer Hand hätten die Serben die Vertreibung dieser Menschen und die ethnische Säuberung des Kosovo geplant. Mord und Vertreibung im Kosovo erhielten einen Namen: "Operationsplan Hufeisen".

    Rudolf Scharping (7. 04. 1999):
    "Ich will Ihnen ausdrücklich auch für morgen ankündigen eine genaue Analyse dessen, was sich auf der Grundlage des Operationsplans Hufeisen in den Monaten seit Oktober 1998 im Kosovo vollzogen hat. Er zeigt sehr deutlich, dass in klar erkennbaren Abschnitten die jugoslawische Armee, die jugoslawische Staatspolizei begonnen hat, in der Zeit von Oktober bis zum Beginn der Verhandlungen in Rambouillet, die Vorbereitungen für die Vertreibung der Bevölkerung nicht nur zu treffen, sondern diese Vertreibung auch schon begonnen hat. Er zeigt im Übrigen sehr deutlich das systematische und ebenso brutale wie mörderische Vorgehen, das seit Oktober 1998 geplant und seit Januar 1999 ins Werk gesetzt worden ist."

    Dies sollte der Operationsplan sein. Wie ein Hufeisen umschließen serbische Truppen albanische Zivilisten und treiben sie aus dem Kosovo. Schon seit Januar '99, also vor Beginn der Nato-Angriffe, seien die Serben "planmäßig" vorgegangen, hieß es in der Broschüre des Verteidigungsministeriums. Und zum Beleg dieses Foto. Doch die Datenzeile weckt Zweifel, denn sie zeigt das Aufnahmedatum: April '99, also erst nach Beginn der Nato-Luftangriffe, und schon deshalb ist das, was in Randubrava, dem Dorf auf dem Foto, geschah, kein Beweis für den Hufeisenplan.

    Randubrava heute. An den Krieg erinnert nur noch wenig. Wiederaufbau: Die Dachziegel, mit denen die Bewohne iohre zerstörten Häuser neu decken, hatte ihnen die deutsche Hilfsorganisation "Cap Anamur" gespendet. Aber wurde das Dorf tatsächlich, wie Minister Scharping behauptete, bereits vor den NATO-Luftangriffen von den Serben überfallen und in Brand gesetzt? Und wurde die Zivilbevölkerung wirklich "planmäßig" von hier vertrieben? Dies hätte dann ein Indiz für die Echtheit des Hufeisen-Plans sein können.

    Shaip Rexhepi, Augenzeuge:
    "Die Bewohner haben das Dorf am 25. März nach den Luftangriffen der Nato verlassen. Abends gegen zwanzig Uhr haben wir den Befehl von der UCK erhalten, die Bevölkerung zu evakuieren. Am 26. März hat es keine Dorfbewohner mehr hier gegeben, wir hatten sie alle in das Dorf Mamush gebracht. Dann erst beschossen uns die Serben mit Granaten. Wir waren UCK-Soldaten, wir haben uns verteidigt, aber es war unmöglich. Wir waren den Panzern und Kanonen gegenüber machtlos. Aber wir haben standgehalten so lange wir konnten. Hier aus meinem Dorf waren wir 85 UCK-Soldaten, aber es gab auch noch andere von außerhalb. Insgesamt waren wir hier 120 Soldaten von der vierten Kompanie der 129. Brigade der UCK."

    Mit einer "planmäßigen" Vertreibung der Zivilbevölkerung hat das wenig zu tun. Hatte Verteidigungsminister Scharping in seiner Broschüre die Unwahrheit verbreitet?

    Frage: "Wie haben Sie sich darüber informiert, was in diesem Ort geschehen ist?"

    Rudolf Scharping:
    "Das sind Ergebnisse der Luftaufklärung, das ist ja nicht so schwer, entsprechende Bilder zu bekommen, jedenfalls solange sie keine geschlossene Wolkendecke haben. Im übrigen gibt es Zeugenaussagen, die man heranziehen kann, es gibt Menschen, die geflohen sind, es gibt andere, die zum Teil unter Lebensgefahr berichtet haben. Dazu gehörte in der Zeit vor dem Ausbruch der kriegerischen Maßnahmen auch das sehr vielfältige Informationsangebot, will ich's mal nennen, das über die unbewaffneten Beobachter der OSZE an uns herankam."

    Doch nicht nur das Dorf Randubrava führt Rudolf Scharping in seiner Broschüre als Beweis für den Hufeisen-Plan an. Auch ein Dorf namens Sanhovici soll vor den Nato-Luftangriffen zerstört worden sein. Doch auch dieses Foto entstand später: im April '99, ebenfalls nach Kriegsbeginn.

    Dort hinten liegt das Dorf aus der Aufklärungsbroschüre des Verteidigungsministeriums. Allerdings heißt der Ort nicht Sanhovici, sondern Petershtica. Noch heute sind die Spuren des Krieges zu sehen. Viele Häuser bis auf die Grundmauern niedergebnrannt - es wird noch lange dauern, bis die rund hunert Bewohner ihr Dorf wieder aufgebaut haben. "Dankeschön", rufen Kinder auf deutsch. Auch hier stammt das Baumaterial von deutschen Hilfsorganisationen. In Petershtica wollten die Serben die Heimat dieser Dorfkinder auf eine besonders tückischebArt und Weise für immer zerstören, so steht es in der Broschüre des Verteidigungsministeriums. Zitat:
    "Zunächst stellt man (also die Serben) eine brennende Kerze auf den Dachboden, und dann öffnet man im Keller den Gashahn ..."

    Auf diese Weise also hätten die Serben hier gewütet. Ihre Aktionen - so Scharping - seien keine Reaktion auf die Luftangriffe der Nato gewesen, sondern, so wörtlich, "von vornherein Teil der so genannten Operation Hufeisen", also der planmäßigen Vernichtung vor Beginn der Nato-Bombardierung. Doch in Petershtica erinnert man sich völlig anders.

    Fatmir Zymeri, Augenzeuge:
    "Das war alles schon im Juni 1998 passiert. Damals waren da eine Menge Leute von der jugoslawischen Armee, die dort vom Dorf Zboc aus auf uns zu kamen. Aber wir hatten die Armee zurückgeschlagen. Dann hatten sie angefangen, uns mit schweren Waffen zu beschießen - vier Wochen lang. Es gab so gut wie keine Stelle mehr, wo keine Granate eingeschlagen war. So war es in diesem Ortsteil hier und im gesamten Dorf."

    Die Zerstörungen also stammten bereits vom Juni 1998. Doch laut Scharping hatte Milosevic den so genannten Hufeisenplan erst ein halbes Jahr später, im Dezember 1998, entworfen. Und was war mit den Kerzen auf den Dachböden und dem Gashahn im Keller, von denen Scharping berichtete?

    Fatmir Zymeri, Augenzeuge:
    "Nein, so gerieten die Häuser in unserem Dorf nicht in Brand. Das passierte auf unterschiedliche Art und Weise, aber nicht so. Die wurden anders in Brand gesetzt. Die Häuser hatten durch Granatenbeschuss nFeuer gefangen, diese Fälle gab es. Das geschah, als die Granaten ins Heu einschlugen, auf die Zäune und so. Auf gar keinen Fall aber durch solche eine Methode mit den Kerzen."

    Wieder kein Beleg für den so genannten Hufeisen-Plan. Wohl aber ein weiterer Beweis für Manipulation undb Fälschung im Verteidigungsministerium.

    Frage: "Dieser letzte Ort, da war eine Bildunterschrift drunter, dort stand, die Serben kommen in Dörfer, öffnen die Gashähne in den Kellern und stellen eine brennende Kerze auf den Dachboden. Es gibt Zweifel, dass diese Methode überhaupt funktioniert."

    Rudolf Scharping:
    "Welche Zweifel sind das denn?"

    Frage: "Wenn man in den Kellern den Gashahn aufdreht und oben eine Kerze hinstellt, das funktioniert nicht!"

    Rudolf Scharping:
    "Ja?"

    Frage: "Nein, funktioniert technisch überhaupt nicht, weder chemisch noch physisch noch überhaupt. Das weiß eigentlich jeder Oberbrandmeister. Es muss also eine Information sein, die entweder von den Zeugen, die ihnen zugetragen worden ist, nicht korrekt ist oder nicht geprüft worden ist."

    Rudolf Scharping:
    "Dann würde ich Ihnen raten, diesen Test noch einmal zu machen. Aber nicht mit einem Gashahn im Keller, sondern mit einer Flasche."

    Frage: "Ja, das ist das Gleiche, das funktioniert beides nicht."

    Rudolf Scharping:
    "Ja ...?"

    Gas ist nämlich schwerer als Luft. Auch der Minister hatte offenbar gemerkt, wie leicht solche Manipulationen und Lügen auffallen könnten, denn später finden sich zwar noch die Abbildungen der beiden Dörfer, aber ohne die verräterischen Text- und Datenzeilen. In neiner Neuauflage der Broschüre vom Mai '99 waren sie entfernt worden.

    Mai 1999, schon er zweite Kriegsmonat. Immer häufiger machten sich Tornado-Piloten der Bundeswehr bereit für den Angriff. Längst war bekannt, dass nicht nur militärische Ziele getroffen wurden, sondern auch zivile. Und die NATO setzte sowohl grausame Splitterbomben wie auch umstrittene nUranmunition im Kosovo ein. Trotz des unbeliebten und autoritären Regimes in Belgrad wurden in der deutschen Bevölkerung deshalb die Zweifel immer stärker, ob der Einsatz der Kampfflugzeuge gerechtfertigt war. Der öffentliche Druck auf Rudolf Scharping wurde immer stärker. Denn entgegen seinen eigenen Ankündigungen blieb er stichhaltige Beweise für die Existenz des so genannten Hufeisen-Plans schuldig. Zwei Jahre nach dem Krieg deshalb noch einmal die Frage an Rudolf Scharping: Was war denn nun mit dem Hufeisenplan?

    Rudolf Scharping:
    "Wir hatten geheimdienstliche Informationen, ich erhielt sie Anfang April 1999 über den Außenminister. Ich habe dann unsere Fachleute gebeten, nicht nur diese Informationen auszuwerten, sondern sie zu vergleichen mit den Erkenntnissen aus der elektronischen Aufklärung, also auch dem Abhören von Funkverkehr serbischer Einheiten und Paramilitärs. Das ist geschehen, und erst als dieser Abgleich gezeigt hat, dass die Informationen richtig sind, haben wir sie auch öffentlich verwendet."

    Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:
    "Ich habe dann um ein Gespräch im Verteidigungsministerium nachgesucht, das habe ich bekommen, das war im November, und dort hat man mir gesagt, es habe kein ‚Operationsplan Hufeisen' vorgelegen, sondern was man hatte, war eine Darstellung der Ereignisse, die im Kosovo abgelaufen sind, und diese Darstellung der Ereignisse konnte man auf Grund der OSZE-Berichte und anderer Berichte nachvollziehen. Aber es gab keinen ‚Operationsplan Hufeisen', so jedenfalls die Fachleute im Verteidigungsministerium."

    Geflüchtete Kosovo-Albaner - ein Opfer der Serben. Aber nicht als Folge eines Vertreibungsplans mit Namen "Hufeisen". Der war schlicht eine Erfindung des deutschen Verteidigungsministeriums, Kriegspropaganda wie das angebliche KZ von Pristina oder das angebliche Massaker an Zivilisten in Rugovo. Das Elend der Flüchtlinge aber war auch eine Folge der Nato-Bombardierung. Vor dem politischen Scheitern eines Krieges im Kosovo war früh gewarnt worden - auch aus den Reihen der OSZE und des Militärs. Dennoch wollte die Bundesregierung deutsche Soldaten in diesen Krieg führen. Dafür musste sie die Gunst der Öffentlichkeit gewinnen. Kein Kriegsziel der NATO wurde erreicht. Was aus diesen Menschen wird, ist bis heute ungewiss.

    Heinz Loquai, General a.D.:
    "Man hat in der Vergangenheit oft der deutschen Generalität den Vorwurf gemacht, dass sie dort auch geschwiegen habe, wo sie etwas hätte sagen sollen. Und ich wollte in dieser Situation auch etwas sagen und die Manipulation und Propaganda nicht als solche stehen lassen."

    Doch Lügen und Propaganda in Zeiten des Krieges sind meist stärker. Sie sind Waffen. Sie töten die Wahrheit.

    Weitere Beiträge zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien

    NOVO-Artikel widerlegt Scharpings Lügen


    Die Zeitschrift NOVO bringt in ihrer jüngsten Ausgabe einen Beitrag ihres Chefredakteurs Thomas Deichmann, in dem Aussagen von Scharping mit mittlerweile gesicherten Erkenntnissen konfrontiert werden. Eine detailreiche und gewissenhafte Recherche.

    Scharping-Lügen haben kurze Beine

    Von Thomas Deichmann.

    Ein Resümee von 15 Monaten rot-grüner Regierungsarbeit lautet, dass die Koalition eigentlich nur dann von miserabler Presse und Wahlniederlagen verschont blieb, wenn es anderswo noch gewaltiger als im eigenen Gebälk krachte. So war es zu Beginn der Amtszeit im Frühjahr 1999 den NATO-Bomben gegen Jugoslawien zu verdanken, dass sich das von internen Zerwürfnissen und Strategielosigkeit gebeutelte Regierungsteam kurzzeitig stabilisieren konnte. Wenige Monate später folgte die CDU-Spendenaffäre. Während letztere Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinen Mannen in den Schoß fiel, musste der deutsche Waffengang zuvor noch durch massive Anstrengungen zu einem PR-Erfolg gemacht werden. Maßgeblich dazu bei trug Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der sich als unermüdlicher Primus der deutschen Kriegspropaganda erwies.

    Scharpings seit letztem Herbst vorliegendes Buch Wir dürfen nicht wegsehen. Der Kosovo-Krieg und Europa (Ullstein Verlag Berlin) belegt in befremdlicher Offenheit, wie tief der Minister während der Bombardements in die Lügenkiste gegriffen hatte. Erstaunlich ist, dass er (anscheinend fest davon überzeugt, für die Menschheit Heroisches geleistet zu haben) selbst nach Kriegsende nicht davon abließ, dafür auch die abgedroschensten Geschichten niederzuschreiben, statt sie geflissentlich in Vergessenheit geraten zu lassen. Und offenbar benebelt von missionarischem Eifer verstieg sich der Chef der Bundeswehr sogar dazu, seine Ausführungen mit Zitaten des jugoslawischen Nobelpreisträgers Ivo Andric aus Die Brücke über die Drina zu verzieren - ein peinliches und zugleich schäbiges Vergehen am Werk eines bedeutenden Poeten. So findet sich im 270-seitigen Scharping-Traktat auch folgendes Zitat, das an Äußerungen des einstigen CDU-Aufstrebers und "Serbenfressers" Stefan Schwarz zu Zeiten des Bosnienkriegs erinnert:

    "Sollen all die Schlächtereien, die es dort gibt, übersehen werden? Ist das alles nur Erfindung und Propaganda, was uns Menschen erzählen: dass man die Leichen mit Baseballschlägern zertrümmert, dass man ihnen die Gliedmaßen abtrennt und die Köpfe abschlägt? ...offenbar sind Menschen im Blutrausch zu fast jeder Bestialität fähig, spielen mit abgeschnittenen Köpfen Fußball, zerstückeln Leichen, schneiden getöteten Schwangeren den Fötus aus dem Leib." (S.125f)

    Welch miserable Berater musste der Verteidigungsminister haben? Nun ist dieser hysterische Nonsens schwarz auf weiß in einem Art Tagebuch dokumentiert. Eines steht fest: Ein Mann mit seiner Mentalität, der sein Handeln mit fragwürdigem Halbwissen begründet und moralisch hyperventiliert, sollte Erweckungsprediger werden und die Hände von der Politik lassen. Wir dürfen nicht wegsehen verdeutlicht, dass es ihm und seinen Mitstreitern während der Kriegsmonate vornehmlich darum ging, das Trugbild der ehrenvollen westlichen Streitmacht, der es um die Verhinderung eines "neuen Auschwitz" ging, beständig zu neuem Glanz aufzupolieren. Die serbischen Führungskräfte in Politik und Militär wurden zu diesem Zweck als Nazi-Barbaren gebrandmarkt.

    Dass solche geschichtsträchtigen Vergleiche in besonderem Maße die Verlautbarungen der offiziellen deutschen Politik prägten, hatte seine Gründe. Diese zu vergegenwärtigen ist aufschlußreich, denn der Blick darauf verdeutlicht, aus welch fauligem Holz die "Modernisierer-Koalition" geschnitzt ist. Nach einem Exkurs in die Prä-CDU-Affärenepoche werden Scharping-Äußerungen aus Wir dürfen nicht wegsehen vorgestellt und kommentiert. Genau hinsehen lohnt sich: man erkennt den hohen Grad an Verblendung, die sich hinter der Maske des fürsorglichen Humanitätsritters verbirgt.

    Bewährungsproben

    "Wir haben es diesmal mit einer deutschen Regierung zu tun, die willentlich und mit Überzeugung in diesen Krieg gegangen ist. Und in dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat eine neue Qualität. Ich habe noch keinen Verteidigungsminister erlebt, der wie Herr Scharping mit Fotos vor die Presse gegangen ist und uns aufforderte, genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne. Der in Interviews keine Zwischenfragen mehr zulassen will. Als müsse er sich selbst von dem überzeugen, was er da sagt." (M - Menschen machen Medien, 7/99, S.16ff)

    So schilderte Albrecht Reinhard, Chef der Programmgruppe Ausland beim WDR, das neue Problemverhältnis zwischen Politik und Medien in Deutschland. Für die politische Elite hierzulande war der Krieg gegen Jugoslawien in der Tat ein gravierender Einschnitt, denn die moralische und politische Absage an deutschen Militarismus hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die politische Kultur des Landes maßgeblich geprägt. Vorbehalte gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr wurden in den letzten zehn Jahren zwar mit Hilfe der Menschenrechtsrhetorik weitgehend neutralisiert. Dennoch war die Herstellung von Akzeptanz für den Waffengang noch längst keine Routineangelegenheit zumal er sich gegen ein Land richtete, in dem der deutsche Faschismus brutal gewütet hatte. Verkompliziert wurde die Lage dadurch, dass diese bedeutende Zäsur für die politische Kultur Deutschlands mit einem Bruch des Völkerrechts und der deutschen Verfassung einherging - beides ebenfalls regulative Prinzipien, deren Wurzeln in der Reaktion auf die Gräuel der Nazi-Zeit liegen. Überdies wurde über den ersten scharfen Marschbefehl für deutsche Soldaten seit 1945 ausgerechnet von den Parteien entschieden, die sich stark mit dieser liberalen Tradition der Bundesrepublik identifizierten. So kam dem Sozialdemokraten Scharping und dem grünen Außenminister Joschka Fischer, der sich, noch auf der Oppositionsbank, während des Bosnienkrieges mit Hinweisen auf den Holocaust gegen die Entsendung deutscher Truppen auf den Balkan ausgesprochen hatte, nunmehr die Aufgabe zu, die deutsche Beteiligung an einem solchen Unternehmen zu begründen. Die SPD hatte mit pazifistischem Ballast freilich weniger Probleme. An ihr zeigte sich jedoch ein anderes Manko: Schröder hatte im Wahlkampf 1998 durchaus erfolgreich die "inhaltslose" Politik eines Tony Blair und Bill Clinton kopiert. Man bestellte Wahlkampfstrategen, die Parteikongresse und Schröder-Auftritte zu reinen Medieninszenierungen degradierten. Die SPD traf mit ihrem Wahlkampf zwar den Nerv der Zeit, deutlich wurde aber schon bald nach dem Urnengang, dass derartige Politikinszenierungen in Deutschland noch wenig erprobt waren. Die neue Regierungskoalition leistete sich alsbald eine Blamage nach der anderen, und "Nachbessern" wurde im Frühjahr 1999 zum neuen Unwort. Die Krise von Rot-Grün fand kurz vor Beginn des NATO-Krieges einen dramatischen Höhepunkt, als der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Oskar Lafontaine von seinem Amt zurücktrat.

    Die Regierungskoalition stand zu diesem Zeitpunkt unter enormem Legitimationsdruck, und sie griff in dieser Situation lieber zu den Waffen. Der Kriegseintritt gegen Jugoslawien bot die Chance, die Regierungskrise im eigenen Land vorübergehend hinter sich zu lassen und sich neu zu sortieren und zu profilieren. Zwar wurde sicher keine bewusste Entscheidung mit einer solchen Zielsetzung gefällt. Aber der desolate Zustand der jungen Schröder-Mannschaft dürfte eine bedeutende Rolle gespielt haben, als über das Ja oder Nein des Bundeswehreinsatzes beraten wurde.

    Die Mischung aus Strategieproblemen und ersten Zerfallserscheinungen der neuen Regierung sowie die Notwendigkeit, verbliebene Zweifel an der Berechtigung von Bundeswehreinsätzen auszuräumen, führte dann auch zu Überreaktionen, die mitunter fanatische Züge annahmen. Wie in kaum einem anderen Land wurde in Deutschland von der politischen Elite das Vokabular des Holocaust instrumentalisiert, um den Krieg der NATO und den Einsatz der Bundeswehr moralisch zu legitimieren. Dahinter verbarg sich tiefe Verunsicherung, die nur langsam überwunden wurde, denn man konnte die Bombardements nicht selbstbewusst als Strafaktion gegen Milosevic deklarieren, da dies dem Streben, einen "ehrwürdigen" und versöhnenden Konsens zu etablieren, nicht entsprochen hätte. Eine solche Haltung hätte vielmehr neue Konflikte und Auseinandersetzungen heraufbeschworen.

    Man wollte zeigen, dass man nur schweren Herzens in den Krieg zog. Moralisierende Begründungen des Krieges standen folglich im Mittelpunkt. Die deutsche Kriegsbeteiligung wurde wie eine Messe zelebriert, so als ginge es darum, die Menschheit vom Bösen zu befreien. So ist auch das Motto, das Scharping für sein Buch wählte, von "Moral" durchtränkt:

    "Wenn wir es nicht schaffen, der Moral die politischen Instrumente zu geben und der Politik die Moral, dann haben wir genau jene Teilung, vor der ich persönlich Angst habe. Dann wird nämlich die Reklamation der Moral folgenlos. Dann gerät die Politik zur kalten Technokratie." (S.9)

    Mit dieser Überdosis "Moral" wartete Scharping während der Kriegswochen mit immer neuen Horrorgeschichten und Parallelen zwischen Serbien und dem Dritten Reich auf. Die deutsche Publizistin Cora Stephan hielt unterdessen der Argumentationslinie von Rot-Grün entgegen, Moral sei, "überspitzt gesagt, das Mittel desjenigen, der sonst keine guten Argumente" habe (s. Novo42, 9-10/99). Und der Wiener Philosoph Rudolf Burger kommentierte treffend: "Es dauert nicht mehr lange, dann werden sie sagen, sie führen einen Präventivkrieg. (Rudolf Burger: "Nicht das 'Volk' hat die Ultimaten gestellt", Der Standard, 3.4.99, S.39; http://www.DerStandard.at)

    Lügenmaschine

    Ein Großteil der Meldungen, die Scharping in diesem politischen Kontext präsentierte, hätte schon während der Kriegsmonate einem kritischen Hinterfragen nicht standgehalten. Einige Äußerungen wurden früher oder später als Falschmeldung oder Manipulationsversuch entlarvt - etliche fanden dennoch Einzug in sein Buch Wir dürfen nicht wegsehen. Die westlichen Kriegsführer bedienten sich weitgehend aus dem Informationspool der NATO. Deren Strategen wurden von amerikanischen PR-Firmen und der "International Public Information Group"(IPI) unterstützt - eine von der US-Regierung eigens eingerichtete Arbeitsgruppe aus Militärs, Diplomaten und Geheimdienstleuten mit dem Auftrag, "Emotionen, Motive, objektives Hinterfragen und letztlich das Verhalten ausländischer Regierungen, Organisationen, Gruppen und Individuen zu beeinflussen" (Washington Times, 28.1.99). Möglicherweise war Scharping auch "Opfer" des IPI. Im folgenden werden Behauptungen von ihm aus seinem Buch zitiert und mit gesicherten Erkenntnissen konfrontiert.

    1. Konzentrationslager in Pristina

    "Im Fußballstadion von Pristina sollen nach wie vor Albaner festgehalten werden. Das Stadion sei teilweise unterkellert. Unter den Schrägen der Tribünen waren mehrere kleinere Geschäfte. Diese Räumlichkeiten boten Platz für mehrere tausend Leute. Am 1. April 1999 seien die ersten Albaner ins Stadion gebracht worden." (Eintrag 19.4.99, S.128)

    Gleich zu Beginn des Krieges redet Scharping von "ernst zu nehmenden Hinweisen auf Konzentrationslager im Kosovo" mit dem Zusatz: "Ich sage bewusst KZ". Scharping meint, dass das Fußballstadion von Pristina möglicherweise in ein serbisches Konzentrationslager mit 100.000 Menschen verwandelt worden sei. Diese Propagandameldung wie auch die, einflußreiche kosovo-albanische Intellektuelle würden in Pristina systematisch vom serbischem Militär ermordet, stammen von der UCK. Sie werden dennoch von Scharping verbreitet. Wenige Tage später tauchen zahlreiche Todgeglaubte wieder auf. Und Aufnahmen von deutschen Aufklärungs-Drohnen widerlegen die Behauptung eines Konzentrationslagers im Stadion von Pristina. Angemessene Dementis bleiben aus, KZ-Geschichten machen weiter die Runde.

    2. Operation Hufeisen

    "Erhalte von Joschka aus Geheimdienstquellen ein Papier, das die Vorbereitungen und die Durchführung der 'Operation Hufeisen' der jugoslawischen Armee belegt...Die Auswertung des Operationsplans 'Hufeisen' liegt vor. Endlich haben wir den Beweis dafür, dass schon im Dezember 1998 eine systematische Säuberung des Kosovo und die Vertreibung der Kosovo-Albaner geplant waren..." (Einträge 5.&7.4.99, S.102&107)

    Während andere Politiker bei der Anwendung des Begriffs "Völkermord" auf den Kosovo-Konflikt Zurückhaltung zeigen, wiederholt Scharping beständig seine These, im Kosovo werde ein solcher "nicht nur vorbereitet", sondern sei von langer Hand geplant und "eigentlich schon im Gange" (S.84). Anfang April präsentiert er zur Untermauerung dubiose Dokumente über einen Operationsplan "Hufeisen" (www.bundeswehr.de/kosovo/hufeisen.html). Monate später stellt sich heraus, dass die besagten Papiere vom bulgarischen Geheimdienst stammten und Joschka Fischer über das Außenministerium in Sofia zugespielt wurden (Spiegel, 2/2000). Die bulgarische Regierung wünscht, in die NATO aufgenommen zu werden und versuchte während des Krieges, die Gunst der Westmächte zu gewinnen.

    3. Killing Fields und Leichenberge

    "Die Brutalität eskaliert, die Fliehenden ziehen buchstäblich an Bergen von Leichen vorbei. Mir geht eine alte Angst durch den Kopf: Dieser Verbrecher will einen Waffenstillstand auf dem Friedhof." (Eintrag 29.4.99, S.141)

    Die kriegsführenden Westmächte begründen die anhaltenden Bombardements u.a. damit, sie würden die "ethnischen Säuberungen" im Kosovo stoppen. Während NATO-Sprecher Jamie Shea das Kosovo mit den kambodschanischen "Killing Fields" vergleicht, redet Scharping von "Leichenbergen". Angaben über die von serbischen Milizen angeblich ermordeten und in Massengräbern verscharrten Kosovo-Albaner werden ständig überboten. Anfang April bringt das US State Department zunächst die Zahl 500.000 in Umlauf. Am 18. April meint David Scheffer, US-Botschafter für Kriegsverbrechen, dass möglicherweise bis zu 100.000 Albaner umgebracht worden seien. Tags drauf wiederholt auch US-Sprecher James Rubin diese Spekulation. Einen Monat später mutmaßt US-Verteidigungssekretär William Cohen: "100.000 Männer im militärfähigen Alter werden vermisst. Sie wurden vielleicht ermordet" (Washington Post, 17.5.99). Am Ende des Krieges, Anfang Juni, wird die vermutete Opferzahl drastisch nach unten korrigiert - man spricht fortan von 10.000 getöteten Kosovo-Albanern.

    Unmittelbar nach dem NATO-Einmarsch ins Kosovo reisen etwa 20 Expertenteams aus 15 Ländern ein, um im Auftrag des UN-Kriegsverbrechertribunals Massengräber aufzuspüren - insgesamt etwa 500 Spezialisten, darunter einige Mitarbeiter des FBI. Tatsächlich werden alsbald einige hundert Leichen exhumiert, die das Schreckensbild zu bestätigen scheinen. Doch bald hat es mit den "Erfolgsmeldungen" ein Ende. Das FBI inspiziert im britischen Sektor 30 Orte und stößt insgesamt auf nur 200 Leichen.

    Im Herbst 1999 offenbart schließlich ein Zwischenbericht der Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals, Carla Del Ponte, dass die Angaben der Westmächte horrende Übertreibungen waren. Der Vorwurf, serbische Militärs hätten einen Völkermord vollstreckt, erscheint nunmehr als reine Kriegspropaganda. Experten untersuchen von Juni bis Oktober 195 der insgesamt 529 Orte, wo aufgrund von Zeugenaussagen Massengräber vermutet werden. Sie waren zuvor angewiesen worden, die Arbeit dort zu beginnen, wo die Ermittlungen die größten Erfolge versprechen. Bis Oktober werden jedoch nur 2108 Leichen exhumiert, ein Großteil davon wird in Einzelgräbern gefunden. Die UN-Ermittler machen keinerlei Angaben über Alter, Geschlecht, Nationalität oder voraussichtlichen Todeseintritt der Opfer - unter ihnen werden zahlreiche kosovo-albanische wie auch serbische Kämpfer vermutet, ebenso Zivilisten beider Seiten. Einzelheiten darüber, wie viele der Opfer den NATO-Bomben zuzurechnen sind, werden ebenfalls nicht genannt. George Friedmann, Direktor des Stratfor-Instituts in den USA, schlussfolgert: "Es ist nicht zu einem massenhaften, systematischen Töten gekommen" (taz, 3.12.99). Del Ponte hingegen erklärt, an vielen vermuteten Grabstätten seien Spuren verwischt worden, und sie mutmaßt weiter, dass dennoch mit rund 10.000 Opfern zu rechnen sei. Weitere Untersuchungen im Jahr 2000 sollen das belegen. Kommentatoren weltweit halten das für unwahrscheinlich, einige verweisen auf ähnliche Zahlenspiele und Manipulationen während des Bosnienkriegs.

    4. Massengräber

    "Unsere Befragungsteams hatten erfahren, dass im Dorf Izbica bis zu 200 Personen ermordet und die Leichen verscharrt worden sein sollten... Bald darauf hatten wir Bilder zur Verfügung, die eindeutig frische Grabfelder in Izbica und auch im Nachbarort Krasnika zeigten." (Eintrag 25.5.99, S.182f)

    Scharpings Aussage basiert auf dem am 10. Mai 1999 vom US State Department veröffentlichten Bericht "Die Ausrottung der Geschichte: ethnische Säuberungen im Kosovo" (Erasing History: Ethnic Cleansing in History) (www.state.gov). Bei seiner Präsentation sagt US-Außenministerin Madeleine Albright, der Bericht bestätige "ohne jeden Zweifel" die Existenz "eines schrecklichen Systems von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" einschließlich "systematischer Hinrichtungen" und "organisierter Vergewaltigungen". Es heißt im Bericht, dass geschätzte 90 Prozent der Kosovo-Albaner aus ihren Häusern vertrieben worden seien, was sich später als glatte Lüge herausstellt. Es heißt darin auch, in Izbica seien etwa 150 ethnische Albaner ermordet worden. Satellitenfotos, die Erdbewegungen beweisen sollen, werden präsentiert und ins Internet gestellt. Belgrad dementiert die Vorwürfe und präsentiert im Fernsehen Aufnahmen des Geländes und Interviews der ansässigen Bauern. UN-Ermittler finden nach Kriegsende an der vermuteten Grabstelle bei Izbica keine Leichen (John Laughland: "I was right about Kosovo", The Spectator, 20.11.99). Sie finden jedoch Indizien, die darauf hinweisen sollen, dass die Spuren eines Massengrabes von serbischen Sicherheitskräften beseitigt wurden.

    Während es unklar bleibt, ob sich auf dem Feld bei Izbica jemals ein Massengrab befand, ergeben Ermittlungen an anderer Stelle, dass ähnliche Behauptungen reine Kriegspropaganda waren. Als Ort eines der größten Massengräber im Kosovo nennen NATO-Sprecher unmittelbar nach Kriegsende Ljubenic bei Pec. Die sich zurückziehenden serbischen Streitkräfte hätten dort in aller Eile 350 Leichen vergraben, heißt es. UN-Ermittler inspizieren den Ort und finden sieben Leichen (Peter Worthington: "NATO's reputation a casuality of war", Toronto Sun, 18.11.99). Die UCK berichtet außerdem über ein riesiges Massengrab in der Trepca-Mine. In einem Ofen seien täglich bis zu 100 Menschen verbrannt und die Überreste anschließend in die Minenschächte geworfen worden; etwa 6000 Kosovo-Albaner hätten so ihr Leben verloren, wird verlautbart. Man erwartet, nach Kriegsende in der Mine die Überreste von mindestens 700 Menschen zu finden. Am 11. Oktober verkündet Kelly Moore, Sprecherin des UN-Tribunals, dass die Ermittler dort nicht die Spur eines einzigen Opfers finden konnten. Emilio Perez Pujol, der Leiter eines spanischen Pathologenteams, äußert sich schon im September überaus skeptisch gegenüber El Pais: "Nach meinen Berechnungen wird die Zahl der Toten im Kosovo am Ende bei höchstens 2500 liegen." Das spanische Team sei vorgewarnt worden, dass es in dem von ihm zu untersuchenden "schlimmsten Bezirk im Kosovo", Istok, mindestens 2000 Leichen ausgraben würde. Am Ende der Untersuchungen waren die Pathologen auf 187 Leichen gestoßen - über die Hälfte der Opfer waren zurückzuführen auf den NATO-Raketenangriff auf das Gefängnis in Istok. Die spanischen Pathologen finden keine Massengräber. Pujol sagt weiter: "Ich habe die Zahlen der UN gelesen. Sie haben mit 44.000 Toten angefangen. Dann sind sie auf 22.000 runtergegangen. Jetzt reden sie von 11.000. Ich bin gespannt, was am Ende wirklich dabei rauskommt." (23.9.99)

    5. Systematische Vergewaltigungen

    "Satellitenbilder zeigen Massengräber, Frauen berichten der OSZE von systematischen Vergewaltigungen, das UNHCR erhält Informationen über junge Frauen und Kinder, die man als menschliche Schutzschilde für ein Munitionsdepot in Prizren missbraucht." (Eintrag 27.4.99, S.137)

    Meldungen über Massenvergewaltigungen im Kosovo werden von Scharping und seinen Kollegen immerfort kolportiert. Man zeigt fast täglich Bilder der Flüchtlingstrecks und präsentiert Aussagen von Vertriebenen, um in der Öffentlichkeit moralische Betroffenheit zu erzeugen und eine Diskussion über Sinn und Rechtmäßigkeit des NATO-Krieges zu ertränken. Zweifelsohne werden während des Kriegs Gräueltaten verübt. Doch unbestreitbar ist auch, dass diesbezügliche Informationen und Spekulationen für Propagandazwecke herhalten müssen. So wird auch die Situation in den Flüchtlingslagern nur verzerrt wiedergegeben. Der Chirurg Richard Munz, der im mazedonischen Flüchtlingslager Stenkovac arbeitet, resümiert in einem Interview: "Mit den Flüchtlingen wurden politische Spielchen betrieben."Munz weist darauf hin, dass "in unseren Flüchtlingslagern die Männer im wehrfähigen Alter die Mehrheit der Flüchtlinge stellten". Das widerspricht dem auch von Scharping gezeichneten Bild, überwiegend Kinder, Frauen und Alte seien dort untergebracht gewesen, die wehrfähigen Männer hingegen massenhaft Opfer der serbischen Soldateska. Auf die Frage nach Indizien für Vergewaltigungen sagt er: "Wir hatten in der ganzen Zeit, in der wir hier sind, keinen solchen Fall einer vergewaltigten Frau. Und wir sind insgesamt für 60.000 Flüchtlinge zuständig, für Stenkovac I und II, sowie noch zwei weitere kleine Lager. Auch wir hatten uns zuvor wegen der kursierenden Gerüchte über Vergewaltigungen überlegt, wie wir damit umgehen wollen, aber der Fall ist real nicht eingetreten. Wir haben keine gesehen, was natürlich nicht heißen muss, dass es keine gab." (Die Welt, 18.6.99, s.a. www.welt.de)

    6. Massaker in Rugovo

    "Beim Anschauen der Fotos: Übelkeit... In der täglichen Pressekonferenz kündigte ich an: 'Wir werden Ihnen Fotos präsentieren von einem Massaker, das schon am 29. Januar 1999 stattgefunden hat. (...) Ich rate allerdings dazu, gute Nerven mitzubringen, denn das sind Bilder, die ein OSZE-Beobachter aufgenommen hat... (...) Sie können genau sehen, was da schon seit Januar im Gang ist.'" (Eintrag 25.&26.4.99, S.132&136)

    Als Beweis für Scharpings These, schon im Januar hätten Serben ein Massaker an der kosovo-albanischen Zivilbevölkerung im Dorf Rugovo durchgeführt und mit systematischen Vertreibungen begonnen, präsentiert der Verteidigungsminister am 27. April eine Aufnahme von Leichen. Journalisten erkennen sie: Experten der OSZE hatten sie längst einem Feuergefecht zwischen serbischen Streitkräften und der UCK zugeordnet. Als Scharping in einer ARD-Nachrichtensendung hierauf angesprochen wird, flüchtet er sich in weitere Spekulationen - so seien den Leichen die Schädel mit "Baseballschlägern" zertrümmert worden ("Bericht aus Berlin", ARD, 30.4.99). Er weist jede Kritik an seinem Verhalten empört von sich.

    7. Kollateralschäden

    "Solche tragischen Fehler werden von den serbischen Medien sofort propagandistisch als Belege für die mutwillige Zerstörung und vorsätzliche Angriffe auf die zivile Bevölkerung verbreitet und auch von unseren Medien verbreitet." (Eintrag 6.4.99, S.192)

    So lautet Scharpings Eintrag, als am 5. April eine Rakete in einer Wohngegend im serbischen Aleksinac detoniert und 17 Menschen sterben. "Vorsätzliche Angriffe" gegen Zivilisten offenbaren sich später, beispielsweise beim Angriff auf die RTS-Zentrale, die Chinesische Botschaft oder die Ortschaft Korisa: Am 14. Mai werfen NATO-Flieger 10 Bomben über diesem Dorf im Kosovo ab, wobei mindestens 87 Zivilpersonen getötet werden. NATO-Sprecher James Shea erklärt noch am gleichen Tag gegenüber dem BBC: "Wir haben Berichte, dass es ebenfalls unter Soldaten zu Todesfällen kam, nicht einfach nur unter Zivilpersonen." Bei einer Pressekonferenz am folgenden Tag unterstreicht NATO-General Jerzt, dass Korisa ein legitimes Angriffsziel war, weil sich dort auch militärische Einrichtungen befanden.

    So genannte "Kollateralschäden" werden von westlichen Informationsstrategen auch für eigene Propagandazwecke geschickt manipuliert. Das zeigt sich anlässlich eines Raketenangriffs am 12. April: Ein NATO-Kampfflieger feuert bei zwei unmittelbar nacheinander folgenden Anflügen je eine Rakete auf einen Zug, der gerade eine Eisenbahnbrücke bei Grdelica überquert. Zwei Waggons werden getroffen, mindestens 12 Menschen sterben, etliche werden verletzt. General Wesley Clark, Oberbefehlshaber der NATO in Europa, spricht am 13. April bei einer Pressekonferenz im NATO-Hauptquartier in Brüssel von einem "unglücklichen Zwischenfall". Er präsentiert am Ende der Konferenz das Cockpit-Video des Flugzeugs, um zu unterstreichen, dass der Pilot angeblich keine Wahl hatte: "Schauen Sie angestrengt auf den Zielpunkt, konzentrieren sie sich genau hierauf, und Sie können sehen, wie, falls Sie wie ein Pilot auf Ihren Job fokussiert sind, plötzlich dieser Zug erschien." (Movement for the advancement of International Criminal Law, http://www.joh.cam.ac.uk/~maicl/index.htm)

    Erst Anfang Januar 2000 wird enthüllt, dass NATO-Experten das Video vor dem Abspielen manipulierten, um die Weltöffentlichkeit hinters Licht zu führen: Sie zeigten die Aufnahmen mit einem Beschleunigungsfaktor von knapp 5, um den Eindruck zu bestärken, der Zug sei auf die Brücke zugerast und hätte vom Piloten nicht erkannt werden können (Arnd Festerling: "Zug um Zug eine neue Version", Frankfurter Rundschau, 20.1.00). NATO-Sprecher entschuldigten dies mit einem "technischen Problem".

    8. Raketen auf Flüchtlinge

    "Bei Djakovica wurde ein Konvoi getroffen, viele Menschen wurden getötet. Tagelang blieb unklar, ob es sich um einen zivilen oder einen militärischen Konvoi gehandelt, ob serbisches Militär einen zivilen Konvoi als Schutzschild missbraucht und ob es sich überhaupt um einen Angriff durch NATO-Flugzeuge gehandelt hatte...Dass wahrscheinlich NATO-Piloten einen Flüchtlingstreck aus der Luft tragischerweise mit einem Militärkonvoi verwechselt hatten, war ein weiteres trauriges Beispiel dafür, dass es einen Krieg ohne Opfer in der Zivilbevölkerung nicht gibt." (Eintrag 14.4.99, S.121)

    Der Raketenangriff auf den Flüchtlingstreck bei Djakovica erfolgt am 14. April, mehr als 70 Menschen kommen dabei ums Leben. Scharping und NATO-Sprecher verbreiten tagelang Zweifel an der NATO-Urheberschaft. Später entschuldigt man den Vorfall mit der Flughöhe des Piloten und seiner Verwechslung "traktorähnlicher Fahrzeuge" mit serbischen Militärfahrzeugen. Einige Wochen später veröffentlicht die "International Strategic Studies Association" das angebliche Funkgespräch des Piloten mit seiner Kommandobasis: "Pilot: Ich verlasse jetzt die Wolken. Ich sehe immer noch nichts. Basis: Setzen Sie Ihren Flug fort. Richtung Nord 4280. Pilot: Ich bin unter 3000 Fuß. Unter mir eine Kolonne von Fahrzeugen. Eine Art von Traktoren. Was soll das? Ich verlange Instruktionen. Basis: Wo sind die Panzer? Pilot: Ich sehe Traktoren. Ich nehme nicht an, dass die Roten die Panzer als Traktoren getarnt haben. Basis: Was sind das für komische Geschichten? So ein Ärger! Da stecken sicher die Serben dahinter. Zerstören Sie das Ziel! Pilot: Was soll ich zerstören? Traktoren? Gewöhnliche Fahrzeuge? Ich wiederhole: Ich sehe keine Panzer. Ich verlange weitere Informationen. Basis: Es ist ein militärisches Ziel. Zerstören Sie das Ziel! Ich wiederhole: Zerstören Sie das Ziel!"

    Die Authentizität dieses Funkspruchs bleibt umstritten. Eindeutig dafür, daß auch Zivilisten willentlich ins Visier genommen wurden, spricht hingegen die Aussage eines spanischen F-18-NATO-Piloten nach seiner Rückkehr aus dem Krieg Ende Mai. Er behauptet, dass er und seine Kollegen wiederholt den Befehl erhalten hätten, zivile Einrichtungen zu bombardieren: "Mehrere Male protestierte unser Colonel bei den NATO-Chefs, dass sie Ziele ausgewählt hatten, die keine militärischen waren...Einmal bekamen wir von den US-Militärs den kodierten Befehl, dass wir über den Städten Pristina und Nis Anti-Personen-Bomben abwerfen sollten. Unser Colonel verweigerte den Befehl, und ein paar Tage später wurde er versetzt." (Articulo 20, 14.6.99)

    Die Fakten sprechen für sich: Während des Krieges werden Tausende solcher Anti-Personen-Bomben - so genannte Splitter- oder Kasettenbomben gegen "weiche Ziele" - auf militärische wie zivile Einrichtungen in Serbien abgeworfen. In Nis beispielsweise explodieren am 7. Mai zwei solcher Geschosse, sie zerfetzen 13 Zivilisten, 29 weitere werden zum Teil schwer verletzt.

    9. Bombardierung der RTS-Zentrale

    "Ich bin unzufrieden mit der Informationspolitik der NATO. Die Informationen an sich sind verlässlich, aber sie kommen viel zu spät und lassen zu viel Zeit für Spekulationen und Desinformationen. Wieso kann man nicht schon frühmorgens in Brüssel Informationen verbreiten, um den Bildern des jugoslawischen Fernsehens zu begegnen?" (Eintrag 4.4.99, S.99)

    Offenbar teilen auch NATO-Militärs Scharpings Unzufriedenheit und schreiten zur Tat: Am 23. April wird frühmorgens die Zentrale des serbischen TV-Senders RTS in der Belgrader Innenstadt bombardiert. 16 Journalisten und Techniker werden in Stücke gerissen, zahlreiche werden verletzt. Gleichzeitig werden ab Mitte April verstärkt Antennen und Sender in ganz Serbien unter Beschuss genommen, im Mai wird schließlich auch die Satellitenausstrahlung jugoslawischer Sender in Westeuropa unterbunden. Nach Kriegsende kommt ans Tageslicht, dass der Angriff auf die RTS-Zentrale von langer Hand geplant war. Während der "NewsWorld"-Medienkonferenz in Barcelona im vergangen Oktober erläutert Eason Jordan, Chef von CNN International, dass er über den bevorstehenden Angriff informiert worden war. Er habe dagegen protestiert, weshalb die NATO-Flieger beim ersten Anflug abdrehten (John Simpson: "Parting shots in Kosovo's media war", Daily Telegraph, 7.11.99). Zwei Tage später wird der Luftangriff ausgeführt, zu einem Zeitpunkt, als sich keine ausländischen Journalisten im RTS-Gebäude aufhalten und CNN-Leute ihre Ausrüstung in Sicherheit gebracht haben. Zuvor wird der serbische Informationsminister Aleksandar Vucic für die frühen Morgenstunden zu einem Interview für eine amerikanische TV-Livesendung ins RTS-Studio eingeladen. Seinen Angaben zufolge entgeht er den Raketen nur, weil er sich verspätet (Robert Fisk: "Verdrehen und verschweigen", Le Monde Diplomatique, 13.8.99, s.a. www.taz.de).

    10. Angriffsziel Chinesische Botschaft

    "Was für ein schreckliches Desaster... Das wird politisch ganz schwierig, nicht allein wegen der öffentlichen Meinung und der wachsenden Ungeduld und Unsicherheit; unsere politischen Bemühungen drohen durch diesen schrecklichen Fehler auch ruiniert zu werden." (Eintrag 8.5.99, S.154)

    Scharping zeigt sich besorgt, nachdem am 7. Mai Raketen in der Chinesischen Botschaft im Zentrum Belgrads eingeschlagen waren. Drei chinesische Journalisten sterben, zahlreiche Botschaftsangehörige werden schwer verletzt. Scharping spricht von "unpräziser Zielplanung" und "Mängeln in den nachrichtendienstlichen Informationen". Monate später kommt ans Tageslicht, dass der amerikanische Geheimdienst CIA das Angriffsziel vorgegeben hatte und allem Anschein nach doch keine Verwechslung des Gebäudes vorlag. Es wird vermutet, dass dem serbischen Militär vom Botschaftsgebäude aus taktische Informationen übermittelt wurden und der NATO-Angriff deshalb durchgeführt wurde (Spiegel, 2/2000).

    11. NATO-Erfolgsmeldungen

    "In der heutigen Führungslage erhalte ich Zahlen der NATO: Zerstört oder außer Gefecht gesetzt seien 314 Artilleriegeschütze, 120 Kampfpanzer, 203 Schützenpanzer, 268 größere Fahrzeuge verschiedener Art, 14 Hauptquartiere und Gefechtsstände; die Versorgung der im Kosovo eingesetzten Truppen sei deutlich gestört, der Nachschub zwar nicht vollständig, aber stark unterbunden." (Eintrag 1.6.99, S.188)

    Solche "Erfolgsmeldungen" der westlichen kriegsführenden Allianz werden genauso an den Haaren herbeigezogen wie jene aus Belgrad. Unmittelbar nach Ende der Luftangriffe entpuppen sich Scharpings Zahlen als Unfug: Serbische Streitkräfte ziehen mit dem Großteil ihres unbeschädigten Kriegsgeräts aus dem Kosovo ab. Es stellt sich heraus, dass bei den etwa 34.000 Einsätzen der NATO-Kampfflieger weniger als 20 serbische Panzer, dafür aber zahlreiche aufblasbare Attrappen getroffen worden waren. Fast sämtliche Zerstörungen, die später im Kosovo vorgefunden werden, schieben NATO-Militärs und westliche Politiker dem serbischen Militär in die Schuhe.

    12. Verteidigung der Menschenrechte

    "Endlich treten wir nicht, wie so oft vor 1945, als Aggressor auf, sondern verteidigen Menschenrechte; erstmals handeln die Deutschen gemeinsam mit allen Europäern statt gegen sie; erstmals geht es nicht um Unterwerfung, sondern um menschliche Rechte und deren Durchsetzung." (Eintrag 11.4.99, S.114)

    Scharpings heroische Begründung des deutschen Waffengangs von März bis Juni 1999 verdeutlicht noch einmal den Grad der Kriegsverblendung, die ihn während der Kriegsmonate antrieb. Die heutige Situation im Kosovo ist trotz militärischer Besatzung von Chaos und Gewalt geprägt. Praktisch ist die Region von Serbien und damit von Jugoslawien abgespalten, was allen früheren Zielsetzungen der Westmächte widerspricht. Hunderttausende serbische und andere Zivilisten werden nach dem NATO-Einmarsch vertrieben oder fliehen aus Angst vor Übergriffen. Hunderte von Serben und Roma sowie Zugehörige anderer ethnischer Minderheiten werden zudem getötet, ihre Behausungen und Kulturdenkmäler systematisch zerstört. Die ohnehin schwache und zuvor bereits mit Füßen getretene Grundlage für ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen im Kosovo wird durch den NATO-Krieg auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte zerstört.

    Am Vorabend des 24. März sagt Scharping in den ARD-Tagesthemen, das Ziel der Westmächte sei "unverändert, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und eine humanitäre Katastrophe zu verhindern" (S.12). Wenige Stunden später sind die ersten NATO-Bomber über Serbien im Einsatz. Das Gegenteil von Scharpings Versprechung wird binnen Tagen deutlich. Auch aus Sicht kosovo-albanischer Zivilisten verschärft sich die Situation mit Einsetzen der Bombardements dramatisch. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen stellen fest, dass erst die NATO-Raketen den massenhaften Exodus aus dem Kosovo entfesseln. Im Zuge der Bombardements eskaliert der Konflikt zwischen serbischen Streitkräften und der UCK. Zudem fliehen Tausende von Menschen aller ethnischen Gruppen, weil sie wegen der anhaltenden Luftangriffe um ihr Leben fürchten. Ein am 6. Dezember 1999 von der OSZE im Internet veröffentlichter Bericht zeigt überdies auf, dass zwar Übergriffe auf wehrlose Kosovo-Albaner geschehen, massiv jedoch erst nach dem Beginn des NATO-Krieges. Ein Leitartikel im Spectator kommentiert diesen OSZE-Bericht folgendermaßen: "Das war keine gute Woche für die ethische Außenpolitik... In anderen Worten: eine Politik, die beabsichtigte, Gräueltaten zu stoppen, provozierte solche aktiv." (11.12.99)

    Zum Autor:
    Thomas Deichmann ist freier Journalist und Novo-Chefredakteur.
    Buchveröffentlichungen als Hg.:
    Noch einmal für Jugoslawien: Peter Handke, Frankfurt/M. 1999;
    mit Klaus Bittermann: Wie Dr. Joseph Fischer lernte, die Bombe zu lieben, Berlin 1999.

    Dieser Beitrag erscheint in gekürzter Fassung in Klaus Bittermann (Hg.): Meine Regierung. Vom Elend der Politik und der Politik des Elends. Rot-Grün zwischen Mittelmaß und Wahn, Berlin 2000.

    © Copyright 1999-2000, Alexander Horn Verlag

    "NOVO stellt sich ... gegen Zensur, Verbots- und Ausgrenzungsdenken, Overprotectionism und Verhaltensregulierung. Es steht für den Versuch, in Gesellschaft und Wissenschaft nicht auf die alten Sicherheiten zu setzen, sondern auf das evolutionäre Potential einer freiheitlichen und zivilen Gesellschaftsvision ... >>> Dafür steht NOVO"

    Hier geht es zu weiteren aktuellen Hintergrundberichten und interessanten Analysen zum NATO-Krieg:

    Beiträge über Kosovo, Jugoslawien und NATO-Krieg

     
     
     
    Hochglanzkrieg
    Zum Jahrestag der Belgrad-Bombardierung gibt es Scharpings Kriegstagebücher als aktualisiertes Taschenbuch. Von Carsten Schiefer

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    In diesem Frühjahr erscheint die Rudolf-Scharping-Version von Jüngers Stahlgewittern auch als Taschenbuch. Es deckt den Zeitraum von Herbst 1998, kurz vor der Bundestagswahl, bis zum Spätsommer 1999 ab. Während der Kriegsphase gibt es Eintragungen zu fast jedem Tag. Sie bestehen aus angeblich »nur für Verständlichkeit und Textfluß« bearbeiteten Passagen aus des Autors persönlichen Aufzeichnungen und aus ergänzenden Passagen. Weiterhin finden sich einige Essays, ein Materialteil und einige Seiten Hochglanzfotos: Scharping mit Joseph Fischer, Scharping mit kleinem Mädchen, Scharping bei der starken Truppe. Unser Fotomodell ist schon lange Politprofi und weiß, was es sagt und unter seinem Namen veröffentlichen läßt. Infolgedessen ist davon auszugehen, daß das Werk vor der Veröffentlichung von seinen Beratern und ihm selbst sehr sorgfältig zurechtgefeilt wurde.

    Mit dem Krieg verstießen die Beteiligten gegen das Strafgesetzbuch, in dem die Vorbereitung eines Angriffskrieges als das schwerste Verbrechen überhaupt gilt, gegen das Grundgesetz, gegen den 2+4-Vertrag, gegen die Charta der Vereinten Nationen und sogar gegen den NATO- Vertrag. Da entsteht doch ein gewisser Rechtfertigungsbedarf. Scharping versucht vor allem mit einer Dämonisierung des damaligen jugoslawischen Präsidenten Milosevic, der breiten Darstellung angeblicher Greueltaten jugoslawischer Einheiten, den Krieg der NATO als humanitären und friedenstiftenden Einsatz zu begründen. Da helfen Parallelen zum Faschismus. Zunächst ist natürlich Auschwitz uns Deutschen eine Verpflichtung. Und genau daran will Scharping uns erinnern, wenn er von »brutalen Massendeportationen« schreibt. In der deutschen Sprache ist dieser Begriff mit der Selektionsrampe als Deportationsziel verknüpft, und das mißbraucht er hier gezielt für eine Umdrehung des Täter-Opfer-Verhältnisses. Auch Chile ist uns offenbar eine Verpflichtung. Denn Scharping weiß, daß Tausende Albaner über Wochen im Stadion von Pristina festgehalten wurden. Warum man sie nicht sieht, warum es keine Satellitenbilder gibt? Nun, das Stadion ist unterkellert. Auf die pikante völkerrechtliche Seite, seine verwundbare Flanke in dieser Auseinandersetzung, geht er lieber gar nicht erst ein.

    Bereits die Anzettelung des Bürgerkriegs durch die UCK im Februar 1998 im Kosovo wird nicht erwähnt. Diese wurde deshalb und wegen ihrer angewandten Methoden durch das Außenamt der USA in personam des Bosnien- Sondergesandten bereits im darauffolgenden März treffend als »Terroristen« charakterisiert. Gleichermaßen vergißt er, daß die Massenfluchten und vorgeblichen Vertreibungen, die stets vermengt werden, aus dem Kosovo erst nach Kriegsbeginn die hohen Betroffenenzahlen erreichen. Das weist doch eher auf Flucht vorm Bombenhagel hin.

    Während manche gravierenden militärischen Maßnahmen der NATO Erwähnung finden, fehlen andere von schwieriger Vermittelbarkeit in der Öffentlichkeit. Und diese Lücken sind nicht zufällig offengeblieben. Die Kontaminierung bewohnter Landstriche durch die Bombardierung eines Chemiewerks und Einsatz von Uran-Munition ist eben nicht populär, ebensowenig wie die militärisch sinnlose und zugleich so symbolträchtige Zertrümmerung des Mahnmals von Kragujevac für den Widerstand der Jugoslawen gegen den faschistischen Terror. Die Liste der Beispiele ließe sich über mehrere Seiten fortsetzen.

    Eine aktive Opposition gegen den Krieg in Deutschland scheint es nicht gegeben zu haben. Scharping nennt Umfrageergebnisse mit unterschiedlichen Zustimmungsraten zur Kriegsführung, die über 50 Prozent liegen, aber im Umkehrschluß auch einen hohen Anteil an Kritikern implizieren. Gegenaktivitäten kommen hingegen nur als eine kleine Zahl Störer am Rande einer Mai-Kundgebung vor, während die Manifestationen mit breiterer Beteiligung, insbesondere auch aus der Wählerklientel der Koalition, außen vor bleiben.

    Menschen als Individuen gibt es nur als albanische Opfer. Scharping verwendet im Zusammenhang mit ihnen häufig emotional belegte Begriffe. Jugoslawische Tote werden hingegen als Bedrohung für die deutsche öffentliche Zustimmung abgehandelt. Die Mitarbeiter in den zerbombten Betrieben und Einrichtungen finden keine gesonderte Erwähnung und werden damit zum Zubehör ihrer Arbeitsstelle entmenschlicht. Immer wieder werden die Angegriffenen durch ihre Nicht-Nennung auf ihren Präsidenten, auf Regierung und Militär reduziert und damit als menschliche Gemeinschaft auch verbal ausgelöscht. Dies gewinnt an Zynismus noch im Vergleich mit der Betonung kleinerer Schäden an Belgrader Botschaftsgebäuden und daraus eventuell folgender diplomatischer Unstimmigkeiten. Und andere im Kosovo wohnhafte Bevölkerungsgruppen erscheinen nicht, obwohl sie einen nennenswerten Anteil der Population des Kosovo ausmachten, allein Roma etwa zehn Prozent.

    »Endlich treten wir nicht, wie so oft vor 1945, als Aggressor auf, sondern verteidigen die Menschenrechte; erstmals handeln die Deutschen gemeinsam mit allen Europäern statt gegen sie; erstmals geht es nicht um Unterwerfung, sondern um menschliche Rechte und deren Durchsetzung«. Europa ist Scharping mehr als ein Kontinent, es ist Synonym für die Zivilisation abendländischen Typus' schlechthin. »Europa ist ... ein einzigartiges Beispiel menschlicher Zivilisation ...« Die Bombardierung Jugoslawiens und Jamie Sheas Grinsen waren demzufolge Spitzenleistungen der europäischen Wertegemeinschaft. »Nordamerika und Europa sind bisher die einzig stabilen demokratischen Regionen der Welt.«

    Nun haben ja nicht wirklich alle Deutschen und nicht alle Europäer dem Geschehen zugestimmt. Wer aber gegen den Krieg der NATO aktiv geworden ist, steht deshalb eben außerhalb der Zivilisation. So einfach ist das. Jugoslawien und Rußland sind aus Europa sowieso herausdefiniert, denn die Deutschen handelten ja mit allen Europäern. Haben demnach 1941 bis 1945 Horden slawischer Untermenschen von Stalingrad bis Berlin ein einzigartiges Beispiel europäischer Zivilisation plattgewalzt? Und andere sich bewaffnet als Partisanen gegen ihre deutschen Zivilisationsbringer zur Wehr gesetzt?

    Für die vielen glatten Lügen und unbewiesenen Behauptungen vom Racak-Massaker bis zum Hufeisen-Plan bedürfte es einer neuen jW-Sonderausgabe. Lesetip dazu: http://www.uni-kassel.de/ fb10/frieden/aktuell/ Scharping.html. Wer Mord und Lüge liebt, wird sich an Scharpings Text erfreuen. Alpha-Strahlen lassen sich auch mit anderen Büchern dämmen.

    *** Rudolf Scharping: »Wir dürfen nicht wegsehen - Der Kosovo-Krieg und Europa«, Econ Taschenbuch Verlag, München 2001, 268 S., DM 14,90

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    Vertreibung aus dem Kosovo

    Der deutsche Außenminister und Kriegsverbrecher J.Fischer, der mit der NATO auszog um im Kosovo ein "Zweites Ausschwitz" zu verhindern, hätte besser die Archive in Auschwitz studieren sollen, anstatt uns mit diesem Vergleich seine Variante der Ausschwitzlüge zu servieren.

    Zu den Opfern in Ausschwitz zählten die Roma, und diese hatten dort nach Aussagen anderer Häftlinge die brutalsten Haftbedingungen. So wundert es nicht, dass sowohl PolitikerInnen und Medien während der Auseinandersetzungen im Kosovo die zweitgrößte dort lebende Bevölkerungsgruppe, die Roma, schlicht und einfach ignorierten.

    Uns wurde ein Bevölkerungsverhältnis im Kosovo von 90% AlbanernInnen und 10% SerbenInnen vorgegaukelt. Die dort lebenden anderen 25 Nationalitäten waren nicht erwähnenswert.

    Die deutschen PolitikerInnen, die gerade erklärten, sie hätten mit der grausamen Vergangenheit abgeschlossen, denn diesmal stünde die neue Wehrmacht auf der richtigen Seite, wurden nach dem Einmarsch und der Besetzung des Kosovo von der Geschichte wieder eingeholt.

    Gehen wir zurück zu den Jahren 1941 bis 1945. Die Zahl der damals in Jugoslawien lebenden Roma wird auf ca. 300.000 Menschen geschätzt.

    Nach Abzug der Naziwehrmacht lebten noch ca. 100.000 Roma. Die anderen Roma wurden in KZs oder bei Geiselerschießungen umgebracht. Bei Racheaktionen der deutschen Wehrmacht wurden in erster Linie Juden und Jüdinnen, Roma und KommunistenInnen als Geiseln ermordet.

    Viele Roma schlossen sich den Partisanen Titos an, andere leisteten als kleine autonome Gruppen Widerstand, indem sie Züge zum Entgleisen brachten, Verbindungswege zerstörten oder örtliche faschistische Führer umbrachten. Der Widerstandswille der Roma war so groß, daß Tito nach 1945 plante, den Roma ein autonomes selbstverwaltetes Gebiet in Mazedonien zuzuteilen. Von diesem Vorhaben kam er jedoch ab. Viele Roma überlebten die Verfolgungen durch die Wehrmacht, SS-Verbände und örtliche Faschisten nur deshalb, weil die muslimischen Roma auf Drängen des kroatischen Innenministeriums als "weiße" Moslems eingestuft wurden, die zwar "Zigeuner", aber wegen ihres Glaubens und ihrer Seßhaftigkeit doch "Arier" seien. Diese Maßnahme der faschistischen Ustascha erfolgte in erster Linie mit der Absicht, die albanisch-muslimische Bevölkerung einzubinden und sie nicht in den Widerstand zu treiben. Viele Roma wechselten daraufhin den Glauben, um Deportation und Internierungen zu entgehen.

    Erkenntnisse über die genaue Zahl der von den Nazis insgesamt umgebrachten Roma und Sinti gibt es nicht. Der britische Historiker Kenrick beziffert die Mindestzahl mit 277.000, geschätzt werden 500.000.

    Im Oktober 1945 mußten die deutschen Truppen das Kosovo räumen. Die dort lebenden Roma waren fast vollständig ermordet oder vertrieben. Ebenso erging es der serbischen Bevölkerung. Von ehemals 600.000 SerbenInnen lebten bei der Volkszählung 1948 noch 190.000 im Kosovo. Tito verbot den vertriebenen SerbenInnen die Rückkehr ins Kosovo. Gleichzeitig öffnete er die Grenze zu Albanien, so daß sich zwischen 1945-1948 Menschen aus Albanien (ca. 200.000) im Kosovo ansiedeln konnten. Die jugoslawischen Sozialleistungen waren um ein wesentliches höher als in Albanien, was ein Anreiz war. Das Kosovo hatte nun eine gesicherte albanische Bevölkerungsmehrheit. Die Motivation Titos blieb unbekannt. Es wird vermutet, dass er mit der Verweigerung, den vertriebenen Serben die Rückkehr zu erlauben, Racheaktionen gegen die albanische Bevölkerung verhindern wollte, da ein großer Teil dieser Bevölkerung die Besatzer und die albanischen SS-Verbände unterstützt hatte. Außerdem gab es Pläne für eine balkanische Konförderation mit Bulgarien, Albanien und Griechenland. Andererseits wird Tito unterstellt, er wollte mit der Ansiedlung weiterer albanischer Menschen den serbischen Mythos um das Amselfeld zerschlagen.

    So erklärte die sozialistische Regierung die Landverkäufe im Kosovo, die von der königlichen jugoslawischen Regierung abgesegnet wurden, für ungültig, erkannte aber die unter der Besatzung geänderten Besitzverhältnisse im Kosovo an. Da die unter der Besatzung abgewickelten Landverkäufe zu Lasten der Serben und Roma liefen -sie hatten ähnlichen Charakter wie die "Arisierung" in Deutschland - fühlten die sich von Tito betrogen. Jedoch hatten die Roma in Jugoslawien mehr Rechte als in allen anderen Ländern Europas, wo sie Diskriminierung und Verfolgungen ausgesetzt sind. 1990 lebten in Jugoslawien ca. 1 Million Roma, davon ca. 150-200.000 im Kosovo.

    Genaue Zahlen über die Roma im Kosovo liegen nicht vor, da muslimische Roma von der jugoslawischen Verwaltung als "Ägypter" bezeichnet werden. Andere muslimische Roma haben sich albanische Namen zugelegt, um sich der Verfolgung durch albanische Nationalisten zu entziehen. Auch sie tauchen in den Statistiken nicht als Roma auf. Viel geholfen hat es den Roma nicht. Sie waren schon seit den 80er Jahren bis zur teilweisen Zurücknahme der Autonomie 1998 massiven Pressionen durch kosovo-albanische Nationalisten ausgesetzt, wenn sie in ihren Pässen als "Nationalität" nicht "albanisch" eintragen ließen.

    Besonders heftig waren die Angriffe gegen Roma 1981 bei der Volkszählung. Mißhandlungen, Entführungen, Verhaftungen waren die Folge, wenn Roma sich nicht als AlbanerInnen registrieren lassen wollten.

    Auch von jugoslawischer Seite bekamen die Roma Schwierigkeiten. Da viele Roma sich aus den Auseinandersetzungen raushalten wollten, verweigerten sie den Wehrdienst. Sie wurden jedoch nicht als Roma verfolgt, sondern als Wehrdienstverweigerer. Als die NATO im Juni 1999 das Kosovo besetzte und die Armee sich jetzt KFOR-Schutztruppe nannte, stand an der Spitze der KFOR der Brigade-General Jackson, ein Mann mit viel Erfahrung im Umgang mit Separatisten". So ließ er als Verantwortlicher 1972 eine friedliche Demonstration von katholischen NordirenInnen zusammenschießen ("Bloody-Sunday"). Es gab 14 Tote und unzählige Verletzte. Der richtige Mann am richtigen Ort.

    Für Politik und Medien stand nun das Erklären eines neuen Problems an. Dass "die Kosovaren" nun "die Serben" vertreiben und sich "rächen", war angesichts der Propaganda und Lügen in der Öffentlichkeit leicht zu rechtfertigen. Schwieriger schien es, das Vertreiben der nicht-albanischen Bevölkerung zu legitimieren. Um das Ermorden und Vertreiben der Roma zu rechtfertigen, wurden die alten Klischees herausgekramt: "Romas klauen, brechen ein und betrügen...". Diese seit Jahrhunderten eingeimpften Vorurteile wurden nun wieder herangezogen. Angeblich haben die Roma albanische Häuser geplündert und sich an Vertreibungen beteiligt. Klar sei: "Die Kosovaren" "rächen" sich jetzt an den Roma. So wurde der Öffentlichkeit das Vertreiben der nicht-albanischen Bevölkerung immer wieder mit Verständnis für die Rache "der Kosovaren" verkauft. Verschwiegen wurde weiter, dass es schon während des NATO-Bombardements in den mazedonischen Flüchtlingslagern zu Übergriffen auf Roma gekommen war. Roma bekamen z.B. im Flüchtlingslager in Tetovo von kosovo-albanischen Lagerleitern keine Lebensmittel zugeteilt.

    Wie die Entsorgung deutscher Geschichte mit den infamen Faschismus-, Deportations- und KZ-Betreiber-Vorwürfen gegenüber der jugoslawischen Seit in Bezug auf die wiederholte Vertreibung der Roma aus dem Kosovo nach der Besetzung durch NATO-Truppen begründet wird, bleibt noch offen. Es sind hauptsächlich deutsche Soldaten, die der UCK bei den Vertreibungen den Rücken decken. So wurden UCK-Leute beim Foltern von Roma in Prizren auf frischer Tat gestellt, jedoch nicht festgenommen, sondern wieder freigelassen.

    Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Pristina, Cedda Prlincevic, sagt am 18.11.99 in einem Interview mit "il Manifesto": " ... Die Westmächte sind von Albanien aus ins Land gekommen. Ihr Hauptziel war es, die gesamte nicht-albanische Bevölkerung zum Gehen zu bringen." Diese Aussage beruht auf den Erfahrungen, die er mit der KFOR gemacht hat. Wie soll aber auch die BRD den Schutz der Roma im Kosovo garantieren, wenn sie sich bis heute weigert - als einziges EG-Land - die Resolution der UNO zum "Schutz der Roma" anzuerkennen. (Die Resolution ist vom März 1992). Ein Denkmal, das an die Ermordnung von Roma und Sinti durch die Nazis erinnert, fehlt bis heute. Schutz vor Verfolgung haben Romaflüchtlinge in Deutschland praktisch nicht. Ihre Asylanträge werden mit der Begründung abgelehnt, dass sie in Jugoslawien keiner politischen Verfolgung ausgesetzt seien. Rot/Grüne Politiker wie Beck und Schily äußerten sich im Februar 2000 bei einem Besuch im Kosovo wie folgt: Sie hätten das Projekt eines multikulturellen Kosovo aufgegeben. Was für ein Projekt sie anstelle eines multikulturellen stellen wollen, sagten sie nicht. Bedeutet es für die noch ca. 40.000 im Kosovo lebenden Nicht-Albaner, dass ihre Vertreibung durch das Schüren des Konfliktes z.B. in Mitrovica bevorzustehen scheint? Bei den vielen Lügen, die Rot/Grün serviert hat, gewinnt die Aussage des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, dass der Westen alle Nicht-Albaner zum Gehen veranlassen will, an Bedeutung. Es war ihr Projekt, ein rein albanisches Kosovo als deutsches Protektorat zu errichten.

    Der albanische Widerstand gegen die jugoslawische Zentralregierung und gegen die SerbenInnen hatte von Anfang an eine völkische und großalbanische Zielrichtung.

    Bereits kurz nach der Befreiung 1945 führten Reste der albanischen Ballisten (Faschisten) bewaffnete Aktionen im Kosovo durch. Ihre antikommunistische Stoßrichtung ließ sie aber ohne Unterstützung durch Albanien. Damit standen sie auf verlorenem Posten. 1954 kam es im Kosovo zu Spannungen und zu Festnahmen von moskautreuen Kommunisten und albanischen Nationalisten. Die Regierung Tito warft beiden Gruppierungen vor, ein gemeinsames nationalistische Vorgehen geplant zu haben. Trotz oder wegen der Spannungen trieb Jugoslawien die Wirtschaft, Bildung und Kultur im Kosovo durch ein umfangreiches Investitionsprogramm voran. Auf Drängen Titos wurde 1960 die Universität von Pristina mit der Gründung der philosophischen Fakultät eröffnet. Neun weitere Fakultäten sollten folgen, und mit 30 StudentenInnen auf 1000 EinwohnerInnen hatte das "Armenhaus Europas", das Kosovo, in den 80er Jahren die größte Studentendichte Europas. Für die freien ProfessorenInnenstellen werden 200 ProfessorenInnen aus Albanien eingestellt.

    Parallel zu dieser Entwicklung wurde das Kosovo innerhalb Jugoslawiens politisch aufgewertet. 1963 wurde es von einer autonomen Region zu einer autonomen Provinz mit dem Recht auf ein eigenes Provinzparlament und dem Recht, 5 Vertreter des Kosovo im Rahmen der serbischen Delegation in die Nationalitätenkammer des jugoslawischen Bundesparlaments zu delegieren. Im November 1968 gingen von der Uni Pristina schwere Unruhen aus, die mit massiven Polizeieinsätzen beendet wurden. Die Inhalte der Unruhen hatten am Anfang eine neue Komponente. Tito wurde als Revisionist bezeichnet, der den Kapitalismus wieder einführen will. Die Studenten, die sich an Mao und Enver Hodscha orientierten, forderten eine eigene Republik Kosovo. Ihre kulturrevolutionären Vorstellungen setzten sie in die Praxis um. So wurden im Sinne der atheistischen Politik Hodschas orthodoxe Gottesdienste gestört, Mönche und Nonnen verprügelt und serbische Denkmäler zerstört.

    Aus atheistischer Sichtweise waren das natürlich nicht gerade unerfreuliche Ereignisse, hätten sie nicht eine stark völkische Variante. Gegen muslimische Gotteshäuser blieben die Aktionen aus.

    Aus den Reihen der StudentenInnen bildeten sich die ersten Guerillagruppen im Kosovo. Es kam zu Aktionen gegen Polizeistationen, serbische Bauernhöfe, Klöster u.a.m. Seit dieser Zeit wuchst der Druck auf die nicht-albanische Bevölkerung. Ziel der studentischen Guerilla war eine eigene Republik. Im Westen wird die Guerilla als Vorläufer der UCK betrachtet. Ihr Druck, den sie auf die jugoslawische Regierung ausübte, schien von Erfolg gekrönt zu werden. 1974 erhielt das Kosovo durch Erweiterung des Autonomierechts faktisch den Status einer Teilrepublik, ohne sich jedoch so nennen zu dürfen und ohne das Recht auf Lostrennung von Jugoslawien. Das Kosovo erhielt zehn Sitze im Bundesparlament und einen Sitz im Staatspräsidium, dem kollektiven Staatsoberhaupt. Die albanischen Nationalisten besetzten im Kosovo alle Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Lehrbücher für die Uni, die Hoch- und Grundschulen werden aus Albanien eingeführt, und es wurde eine eigene Polizei aufgebaut. Der albanische Nationalismus hatte einen großen Freiraum. 1980, mit dem Tod Titos, stellten Nationalisten ihre Forderung nach einer "Kosovo"-Republik erneut auf. 1981 kam es nach einer Demo in der Uni von Pristina - wegen schlechten Mensaessens zu Zusammenstößen zwischen StudentenInnen und Miliz, in deren Verlauf die Miliz Schußwaffen einsetzte. Daraufhin entwickelten sich im gesamten Kosovo militante Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach offiziellen Angaben gab es 9 Tote und 257 Verletzte. Die albanische Seite sprach von über 200 Toten. Es handelte sich hier um Einheiten der serbischen Sonderpolizei, die ins Kosovo gebracht wurden. Die albanischen Nationalisten gründeten 1982 die LSRHJ (Bewegung für die albanische Republik Jugoslawiens), die sich am Albanien Enver Hodschas orientierte. Sie verübte Morde und Bombenattentate, verlor aber einen Teil Ihrer Führer durch Verhaftungen und Erschießungen.

    Ein anderer Teil setzt sich ins Schweizer Exil ab, wo er ab 1985 noch Verstärkung aus Albanien erhielt. 1985 starb Enver Hodscha, und ins albanische Machtvakuum stießen schnell die kapitalistische Türkei und die Bundesregierung. Für Enveristen war kaum noch Platz in Albanien.

    (Grabstein) Ab 1981 schickte Serbien starke Sicherheitskräfte ins Kosovo, mit der Begründung, die Vertreibung von SerbenInnen zu stoppen. Das Vertreiben von Serben Innen wird in den hiesigen Medien zwar beschrieben, aber mit dem Unterton, es sei serbische Propaganda. Le Monde und die Neue Züricher Zeitung vermerkten 1987, dass ca. 200.000 SerbInnen und MontenegrinerInnen aus dem Kosovo vertrieben wurden. Am 20. Oktober 88 hielt Helen Benthley vor dem Repräsentantenhaus der USA eine Rede: "In den westlichen Ländern wurden den Problemen der Kosovo-Serben bisher kaum Beachtung geschenkt... Heute gibt es im Kosovo 700 Dörfer und Städte, die ursprünglich hauptsächlich von Serben bewohnt waren, in denen kein einziger Serbe mehr übriggeblieben ist..." Die Reaktionen von serbischer Sonderpolizei und jugoslawischer Armee auf die Vertreibungen richteten sich gegen albanische echte und vermeintliche Nationalisten. Serbische Nationalisten fühlten sich mit der Polizei und Armee im Rücken so stark, dass sie dazu übergingen, albanische Menschen zu vertreiben.

    Am 23. 3. 89 wurde die Verfassung Serbiens geändert. Bekannt geworden ist diese Maßnahme der serbischen Regierung bei uns als das "Streichen der Autonomie für das Kosovo". Medien und Politik schoßen sich auf Serbien ein. Es fiel der Begriff "Apartheid". Selbst Linksradikale wie Karl Heinz Roth übernahmen in ihren Analysen den Begriff. Noch elf Jahre danach wird davon gesprochen, dass den Kosovo-AlbanerInnen das Recht auf Autonomie genommen wurde.

    Wie zäh doch Zeitungsenten sind.

    Mit der Änderung der Verfassung wurde lediglich die Gleichstellung der autonomen Gebiete mit den Republiken beendet. Das Kosovo war wieder autonome Provinz, mit den Rechten, die es vor 1974 gab.

    Dies bedeutete:

    • Eigene Sprache und Kultur können ungehindert ausgeübt werden.

    • Schulen und Universitäten unterrichten in albanischer Sprache.

    • Reisefreiheit ist gewährleistet.

    • Zeitungen dürfen in albanischer Sprache erscheinen.

    Der Konflikt an den Schulen entwickelte sich wegen der Lehrbücher, die wieder staatlich sein sollten. Das betraf auch die Lehrpläne. Vor 1989 stammten Bücher und Pläne aus Albanien.

    Am 26. 6. 90 löste das serbische Parlament Parlament und Regierung von Kosovo auf. Die kosovo-albanischen Abgeordneten erklärten am 2. Juli 1990 ihre Abspaltung von Serbien. Im September 1991 wurde nach einer geheimen Volksabstimmung eine "Republik Kosovo" ausgerufen, die von Albanien anerkannt und von der serbischen Teilrepublik für illegal erklärt wurde. Im Mai 1992 wählten die AlbanerInnen unter Ausschluß aller nicht-albanischen Bevölkerungsteile ein Parlament und den gemäßigten Nationalisten Rugova zum Präsidenten. Sein unterlegener Gegenspieler, der Ultranationalist Demaci, gründete gegen Ende 1992 die UCK, deren Führer er wurde. Die Organisationsstruktur der UCK ist bis heute unklar, auch welche der Strömungen die Oberhand gewann. Es werden drei Hauptströmungen genannt: die national-kommunistische, die faschistische (Ballisten) und die fundamentalistische (Islamisten). Dazu gesellen sich sicher noch lose Gruppen, die ihre eigenen Interessen bis hin zu kriminellen Aktivitäten nachgehen. Alle zusammen vereint die Vorstellung von einem Großalbanien - frei von anderen Völkern. Die UCK beruft sich auf das "Albanertum". Es wird immer unverständlicher, wie die KriegsbefürworterInnen, Medien und Politik diese völkische Gruppierung als "nationale Befreiungsbewegung" hinstellen konnten. Selbst der größte Kritiker, die größte Kritikerin ehemaliger "nationaler Befreiungsbewegungen" dürfte sich nicht zu einem Vergleich hinreißen lassen. Wichtiger ist festzustellen, wer an der Existenz und dem Erstarken der UCK ein Interesse hatte. In ihrem Kampf um ein Großalbanien konnte sich die UCK seit ihrer Gründung auf den albanischen Ex-Präsidenten Sali Berisha verlassen. Im März 1998 hatten 28 albanische Parteien und Organisationen unter der Führung Berishas "Demokratischer Partei" folgenden Aufruf unterzeichnet: "Wir rufen alle Albaner in Albanien, im Kosovo, in Mazedonien, Montenegro und wo immer sie sonst leben, dazu auf, als eine Nation gegen die serbischen Aggressoren im Kosovo vorzugehen."

    Für Berishas politisches Überleben ist die großalbanische Karte vielleicht der letzte Trumpf. Im April 1997 hatte die albanische Bevölkerung den Präsidenten Berisha zum Teufel gejagt. In Albanien herrschte das Chaos, denn die staatlichen Waffenlager wurden geplündert, und Berisha zog sich mit einer starken Hausmacht in den Norden Albaniens zurück.

    Der BND hatte Berisha geholfen, seinen Geheimdienst aufzubauen, teilweise mit Technik aus Stasi und NVA-Beständen. Die Seidel- und Adenauer-Stiftungen waren schon lange an der Seite Berishas zu finden. Beide Stiftungen finanzierten und organisierten seinen Wahlkampf. Der "Ministerpräsident der Übergangsregierung im Kosovo", Bukoshi, hat seinen Sitz immer noch in Bonn und organisiert mit Hilfe der BRD Geldsammlungen und das Rekrutieren von Kämpfern.

    Für die 400.000 in Deutschland lebenden Menschen aus dem Kosovo erhebt Bukoshi 3% Steuern auf ihr Einkommen. Der amerikanische Geheimdienstexperte John Whitley behauptet, dass die verdeckte Unterstützung der UCK wurde als gemeinsame Operation der CIA und des BND geleitet. Die Aufgabe, die UCK zu erschaffen und zu finanzieren, sei ursprünglich Deutschland zugefallen. Der französiche Geheimdienstexperte Roger Raligot äußerte sich in der in Brüssel erscheinenden Zeitschrift "European": "Sowohl der deutsche zivile als auch militärische Geheimdienst (MAD) sind damit befasst, albanische Terroristen auszubilden mit dem Ziel, den deutschen Einfluß auf dem Balkan zu zementieren".

    [UNO?]

    Das Kommando für Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr hat er vergessen zu erwähnen. Dieses Kommando lieferte nicht nur modernste Waffentechnik, es bildete die UCK auch daran aus. Viele der ausgebildeten UCK-Leute kommen nicht aus dem Kosovo, es sind arbeitslose Albaner, der Sold der UCK liegt um vieles höher als ein Durchschnittseinkommen in Albanien.

    Der Streit zwischen Deutschland und den USA um den Einfluß auf dem Balkan griff auch auf die UCK über. Sie schien sich für den stärkeren Partner zu entscheiden. Nach 1998 bezeichneten die USA die UCK als "terroristische Vereinigung", arbeiteten aber mit der UCK ab Anfang 1999 eng zusammen. Genau in diesem Augenblick übernahm der US-freundliche Hasim Thaci die Führung der UCK.

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    Gegen-Informations-Büro

    Das Protektorat

    Nach dem Ende der Bombardierung entdeckten die Medien zusammen mit der Bundeswehr fast täglich "Massengräber", ohne dass hinterfragt wurde, wodurch die Massen zu Tode kamen! Klar war dabei die Unterstellung, die durch diese Formulierung mitgetragen wurde, es handele sich dabei um die Beweise massenhafter serbischer Kriegsverbrechen.
    Scharping und Fischer liesen sich an Grabstätten mit weißen Kittelchen und angestrengt schmerzverzerrten Gesichtern fotografieren, was eine der infamsten und geschmacklosesten Medieninszenierungen des Krieges war.
    Etwa sechs bis acht Wochen später hörte wie meistens bei unserem Meutejournalismus das Interesse völlig auf, und ab dann konnten Nachrichten über das Kosovo in den Medien gesucht werden, was wiederum günstig für die Aktionen und Vorgehensweise der UCK war. Dabei konnten selbst Lynchmorde auf offener Straße mit der verständnisvollen Kommentierung durch die Medien rechnen. Es handele sich dabei "um Rache für erlittenes vorheriges Unrecht durch die Serben". Fotos von vertriebenen Nicht-Albanern gab es -natürlich- nicht. Ganz im Gegensatz dazu erschienen zur Zeit der Bombardierung in jeder Zeitung täglich drei bis acht Fotos "von erschöpften Menschen, die an den Grenzen des Kosovos anlangten", Fotos, die die Moral der durchgängig in Beweis- und Rechtfertigungsnot argumentierenden Fischer und Scharping und ihrer Kientel aufrecht erhielten.
    Trotz der Unterlegenheit und Machtlosigkeit der jugoslawischen Seite gegen den Nato-Bombenterror konnte die jugoslawische Regierung in den Vereinbarungen mit der Nato erreichen, dass, wie es in der UNO Resolution Nr.1244 heißt, der Einsatz der Nato-Truppen im Kosovo dazu dienen soll:
     
    1. "Die Bedingungen für ein friedliches und normales Leben aller Einwohner im Kosovos sicherzustellen"

    2. "Gleiche Rechte für alle Bürger herzustellen"

    3. Zu gewährleisten, "dass das Kosovo Bestandteil der Bundesrepublik Jugoslawien ist und bleibt"

    Die Fakten, die -von den Medien flankiert- unter der Fahne von "Frieden und Gerechtigkeit" geschaffen wurden, sehen bis heute etwa so aus:

    • Schätzungsweise über 300.000 nicht albanisch sprechende BürgerInnen Kosovos (SerbenInnen, Roma, Türken-Innen, GoranerInnen) wurden bis März 2000 vertrieben. (Zahlen: Jugoslawisches Rotes Kreuz [Ende November]: 150.000, Flüchtlingshilfswerk der UNO: 250.000 Menschen, Rat der Jugoslawischen Diaspora in der BRD: 350.000).

    • Das sind an die 90% der bis dahin im Kosovo verbliebenen nicht-albanischsprechenden BürgerInnen, darunter ca. 100.000 Roma, die sich teilweise nach Italien flüchteten oder an den "Grenzen" Kosovos in Flüchtlingslagern sitzen, darunter sämtliche Mitglieder der kleinen jüdischen Gemeinde in Pristina, die dort seit 500 Jahren existieren konnte. Dieses passierte in Anwesenheit von 45.000 hochgerüsteten Soldaten sowie zivilen Mitarbeitern der UNO, mehr als 300 Nicht-Regierungsorganisationen, insgesamt etwa 70.000 Angehörigen ausländischer Gruppen und Organisationen.

    • Es ereigneten sich mehrere tausend gewalttätige Anschläge mit mehreren hundert Toten und Verletzten. 800 Menschen sollen entführt worden sein. 4.200 Anschläge, 900 Tote, 800 Verletzte, 800 Entführte (Zahlen: Rat der Jugoslawischen Diaspora in der BRD).

    • Der Deutsche und der US-Sektor sind besonders "serbenrein" im Gegensatz zu anderen.

    • In der Hauptstadt Pristina leben noch ein paar 100 der vorher 40.000 SerbenInnen.

    • Alle früheren Verantwortlichen in Verwaltungen wie Polizei, Justiz, Krankenhäuser (ÄrzteInnen, LehrerInnen, TechnikerInnen der Wasserwerke usw.) wurden abgesetzt bzw. vertrieben.

    • H.Thaci, Chef der UCK, ernannte sich selbst zum Präsidenten des Kosovo.

    • Die UCK setzte schon vor dem Eintreffen der NATO überall auf regionaler Ebene ihre Mitglieder ein, ohne dass sie von irgend jemandem gewählt wurden und ohne irgendeine Rücksicht auf andere gesellschaftliche Gruppen. So ist der Versuch der Anhänger Rugovas, eine zweite Regierungsstruktur zu bilden, auch durch Mitwirkung der Mitglieder der "Internationalen Gemeinschaft" mittlerweile bedeutungslos geworden.

    • Durch Vertreibung der alten Angehörigen von Gemeinde und Stadtverwaltung sind die von der UNO vorgesehenen, eigentlich verantwortlichen ausländischen Beauftragten ohne grundlegende Einschätzung der Situation und der Stabilität der Lage.

    • Die im staatlichen Besitz Jugoslawiens befindlichen Minen in Trepzac wurden unter UNO-Verwaltung gestellt.

    • Im September 1999 wurde die DM als offizielles Zahlungsmittel im Kosovo eingeführt.

    • UNMIK Chef Kouchner wurde anheimgestellt, Kraftwerke und Wasserwerke aus dem Besitz des jugoslawischen Staates außerhalb Pristinas zu privatisieren.

    • An den "Grenzen" von Kosovo zu Jugoslawien wurden Zollkontrollstellen eingerichtet und Zölle für den Kosovo-Staat eingenommen.

    • Die Grenzen nach Albanien und Mazedonien sind offen bzw.: "Das Kosovo ist der ideale Nährboden der organisierten Kriminalität. Experten schätzen, dass 40% des Heroins für Europa und USA mittlerweile im Kosovo umgeschlagen werden." (Tagespiegel vom 17.3.00). Alle diese vorher genannten Aktivitäten, unterstützt von UNMIK, laufen bei Fortdauern auf die völlige Lostrennung des Kosovos von Jugoslawien hinaus und stehen im krassen Widerspruch zu den Vereinbarungen der UNO-Resolution!

    Die vereinbarte umfassende und konsequente Entwaffnung der UCK fand nicht statt. Im Gegenteil: Die Zuarbeitung durch UNMIK-Chef Kouchner für diese Organisation fand ihren Gipfel in der Behauptung, die 20000 demobilisierten UCK-Mitglieder seien eine Quelle künftiger Instabilität, weil es nicht genügend zivile Beschäftigungsmöglichkeiten gebe. Angesichts der Zerstörungen im Kosovo ist klar, welchen Hohn eine solche Aussage darstellt. Aufgrund dessen wurden die UCK-Verbände in ein sogenanntes Kosovo-Schutz-Korps (KSK oder TMK) umgewandelt, dessen Kommandostruktur größtenteils mit der der vorherigen UCK übereinstimmt. Es hat militärische Rangabzeichen und der Chef nennt sich "General".

    "Es soll eine Art Hilfswerk sein, zuständig für Katastrophenschutz", sagte der deutsche General Ronald Kather, Chef der Multinationalen Brigade Süd. 5ooo Mann sollen übernommen werden!

    "Was machen die anderen ...?" wurde bei einem Besuch von 50 Bundestagsabgeordneten gefragt. "Die rennen in Uniformen rum, tanken auch mal ohne zu bezahlen oder treiben Schutzgelder ein", war die Antwort im Tagesspiegel vom 17.3.00. Es handelt sich also um die Umwandlung in eine offizielle bewaffnete Armee unter dem Schutz der UNO. Die UCK ist eine Gruppierung, die von Anfang an öffentlich erklärte, das Ziel zu verfolgen, ein nur von Albanern bewohntes Kosovo zu erkämpfen, ohne irgendein anderes politisches Ziel zu formulieren.

    So ereignen sich Granatwerfer- und Raketenangriffe auf Ziele von "Nicht-Albanern", angeblich ohne dass die Schuldigen ausfindig gemacht werden können.

    Gegen die Menschen im mehr oder weniger letzten von serbischer Bevölkerung bewohnten Teil des Kosovo, dem nördlichen Abschnitt der Stadt Kosovska Mitrovica, finden gewalttätige Anschläge von albanischer Seite statt. Dabei wurden auch die französischen Truppen angegriffen. Hierzu sagte der Sprecher der französischen Armee, Chanliau, dass es sich "einwandfrei um den Versuch handelt(e), unsere Soldaten zu töten!"

    Offensichtlich kam hier die französische Armee ihrem tatsächlichen Auftrag nach, die BewohnerInnen ihres Sektors zu schützen. Das trug ihr nicht nur den Haß der albanischen Seite ein, sondern führte auch zum Einrücken deutscher und US-amerikanischer Truppen, die dann vorführen wollten, wie "bei den Serben" Razzia gemacht wird. Sie wurden von der Bevölkerung mit Steinen beworfen (wobei die Franzosen untätig zusahen), so dass deutsches und US-Millitär wieder abziehen mußte.

    Unter der demagogischen Parole, "die Einheit des Kosovos" herstellen zu wollen, versuchten albanische Rassisten, mit gewalttätigen Aktionen in den Stadtteil einzudringen mit dem Ziel, die serbische Bevölkerung zu vertreiben.

    Ungeachtet der massiven Gewaltaktionen von albanischer Seite wird in den Medien noch immer vom alleinigen "Drahtzieher Milosevic in Belgrad" halluziniert. Dieser weitere Versuch einer verleumderischen Propaganda zeigte sich z.B. auch, wenn eine Nachrichtensprecherin von ARTE in ruhigem, sachlichen Tonfall dieses Klischee gegen Milosevic vorträgt.

    Im "Niemandsland" zwischen Kosovo und Jugoslawien bildete sich mit Kenntnis der Nato-Miltärs ein UCK-Ableger namens UCPMB. Im Ort Dobrosin treten deren Mitglieder offen mit Waffen und schwarzen Uniformen auf und bilden die "Ortsverwaltung".

    Im März 2000 wurde durch die Gewaltaktionen albanischer Rassisten doch zu offensichtlich, welche Katastrophe die Nato-Politik für die Bevölkerung der Region darstellt. Außerdem sind diese Nachrichten für den US- Wahlkampf Gore´s ungünstig. Ruhe soll herrschen, so dass am 15./16. März Razzien bei der "rein humanitären Organisation" KSK/TMK stattfanden, wobei die US-Armee auf größere Minenfelder und Sprengfallen um die UCK-Lager traf und erhebliche Mengen Waffen fand. Dabei kam es zum ersten Mal zu Schußwechseln zwischen TMK und den "Freunden" aus den USA.

    Für Oktober setzte Kouchner Gemeinderatswahlen fest. Rugovas Albanische Liga erhofft sich eine Wiederbelebung ihrer Partei. Die UCK will den Termin herauszögern, um bis dahin ihre Leute noch mehr zu etablieren.

    Fazit:

    Die offiziellen Erklärungen von US-Seite, dass es eine Einheit des Kosovo mit Albanien nicht geben wird, lassen zwei Möglichkeiten zu: Entweder wird diese Option irgendwann einmal einfach geändert oder die Herren des Prinzips "Teile und herrsche" finden es komfortabler, es bei der Getrenntheit zu belassen. Würden die Nato-Staaten die Unabhängigkeit und den Anschluss des Kosovo an Albanien zulassen, würden sie die albanischen Minderheiten in Mazedonien, Montenegro und Griechenland zu ähnlichem Vorgehen animieren.

    Wie in anderen Regionen der Welt nach dem 2.Weltkrieg ziehen sich imperialistische Machtblöcke reaktionäre und gewaltätige Gruppen oder Personen heran, um mit ihnen, durch sie oder mit dem Einfuß auf, ihre Interessenpolitik in einer Region durchzusetzen:

    Emirate, Saudi-Arabien, Kuweit, Scheichtümer, Südvietnam - Ky, Chile - Pinochet, Nicaragua - Contras, um nur einige Beispiele zu nennen. Die UCK ist eines der aktuellen Beispiele.

    Wie aus anderen Informationen ersichtlich, gab es schon bei Bildung der UCK wechselnden Einfluß von USA - und BRD-Geheimdiensten. Da anzunehmen ist, dass sich diese Konkurrenz erst im Anfangsstadium befindet, wird die Gemeinsamkeit der jeweiligen Kumpanei von USA und BRD mit der UCK diese noch eine Weile am Leben erhalten.

    (Politiker sind Mörder)

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    Das Gegeninformationsbüro entstand vor einem Jahr, als der NATO-Angriff gegen Jugoslawien begann.
    Die Leute, die sich damals spontan zusammengefunden haben, hatten zunächst nur eine Gemeinsamkeit: Das Entsetzen darüber, dass dieses Land sich nach 50 Jahren wieder an einem Angriffskrieg beteiligt. Gegen ein Land, das in diesem Jahrhundert schon zweimal Opfer deutscher Aggression wurde.

    Bei dem Versuch, eine Position gegen diesen Krieg zu artikulieren, stießen wir von Anfang an auf das Problem, dass jahrelange Propaganda gegen "die Serben" und die Undurchsichtigkeit der Ereignisse des 10-jährigen Bürgerkriegs in Jugoslawien bis in die Linke hinein ihre Wirkung nicht verfehlten.

    Wie aber auch sollten wir gegen den NATO-Einsatz Position beziehen? Angesichts der täglichen Meldungen über Massaker, ethnische Säuberungen, Vertreibungen, Apartheidspolitik des serbischen Regimes etc.?

    Die Medien verbreiteten fast ausnahmslos gleichlautend immer schrecklichere Horrormeldungen über das Vorgehen der jugoslawischen Armee und serbischer Banden.

    Nur wenige ausländische Medien meldeten Zweifel an dieser massiven Kriegsrechtfertigungspropaganda an.

    Dabei gab es zahlreiche offensichtliche Widersprüche in den Darstellungen. Von Anfang an war es ein Problem einzuschätzen, was an den Meldungen wahr oder falsch, übertrieben oder verzerrt ist. Es ist und bleibt eine Sisyphus-Arbeit nachzurecherchieren, woher eine Information kommt, was da dran sein kann oder mit welchem Interesse sie verbreitet wird. Im Nachhinein ist manches einfacher, weil hinterher manche Medien, den demokratischen oder objektiven Schein wahrend, Teile ihrer eigenen Propaganda während des Krieges kritisch hinterfragen - allerdings ohne den grundlegenden Tenor dabei zu verändern.

    Trotz unserer intensiven Auseinandersetzung mit den Eckpfeilern der Propaganda haben wir keine endgültige und widerspruchsfreie gemeinsame Position gefunden. Außer der, daß wir diesen Überfall auf Jugoslawien als Verbrechen verurteilen.

    Unsere Auseinandersetzung mit den Geschehnissen in, um und gegen Jugoslawien spiegeln sich in den Referaten wider, aus denen sich ein Gesamtbild ergibt. Sie sollen einen Eindruck von dem vermitteln, wie - unter anderem - Propaganda gemacht wird und wie politische Entscheidungen beeinflusst werden.

    Auch wenn hinterher Meldungen relativiert, Falschmeldungen benannt und Widersprüche aufgedeckt werden, bleibt die Schwierigkeit zu erkennen, was wahr, was falsch und was neuerlich verdreht ist. Das führt dazu, dass ernsthafte Menschen überhaupt ein Problem haben, Positionen zu beziehen, die sie guten Gewissens vertreten können. Wer aber keine Position hat, ist nicht handlungsfähig. Womit ein Ziel der Propaganda so oder so erreicht ist.

    Nicht immer machen PropagandistenInnen ihren eigenen Standpunkt so deutlich wie die TAZ in ihrer Ausgabe vom 25.Juli 1988, als sie die rechtsradikale Parole vom "Vielvölkerkerker Jugoslawien" übernahm.

    Jugoslawien, Mitte der 80er Jahre mit 20 Milliarden Dollar und ständig sinkenden Exporterlösen hoffnungslos überschuldet, wurde für einen in Aussicht gestellten 400-Millionen-Dollar-Kredit vom IWF mit Forderungen nach sogenannten Strukturanpassungsmaßnahmen überzogen.

    Diese beinhalteten nicht nur die Forderungen nach Lohnstop, Aufhebung der Preisbindung, Schließung unrentabler und Privatisierung rentabler Betriebe, sondern auch die Forderung nach Einstellung der innerjugoslawischen Ausgleichszahlungen, insbesondere durch die "reicheren" Republiken Kroatien und Slowenien.

    Gegen diese restriktiven IWF-Auflagen kam es daraufhin in ganz Jugoslawien zu Massenstreiks und Demonstrationen hunderttausender Arbeiterinnen und Arbeiter.

    Unter anderem weil das Lohnniveau in Slowenien und Kroatien um das zweieinhalbfache höher war als in den anderen Republiken, entwickelten sich unterschiedliche Vorstellungen, wie die Wirtschaftskrise bekämpft werden könne.

    Sowohl das Bedürfnis der Menschen in Kroatien und Slowenien, ihren höheren Lebensstandard zu verteidigen, als auch das Gefühl vieler Menschen in den anderen Republiken, zu kurz gekommen zu sein, erweckte in ganz Jugoslawien nationalistische Tendenzen.

    Auch in Serbien, das seit Anfang der 80er Jahre mit dem verstärkten Terror separatistischer albanischer Gruppen zu kämpfen hatte, bekamen nationalistische Propagandisten Zulauf.

    Der Zerfall des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens kam in fast allen Republiken den Nationalisten zugute.

    Nur in Montenegro und Serbien gewann die Sozialistische Partei die Macht, allerdings nicht, ohne auf die dumpfen nationalistischen Gefühle eines Teils der Bevölkerung einzugehen.

    Während sich wie in Kroatien rechtsradikale völkisch-nationalistische Kräfte durchsetzten, schossen sich die Medien hier jedoch von vornherein auf Serbien als Feindbild ein.

    Das hatte auch einen Grund.

    Nach dem Zerfall des alten Jugoslawien gingen Kroatien und Slowenien auf Schmusekurs mit IWF, EU und NATO. Serbien und Montenegro, die heute das Rest-Jugoslawien bilden, widersetzten sich den IWF-Auflagen und der Öffnung für das westliche Finanzkapital von Anfang an.

    Dieser "Nationalismus" durfte nicht ungestraft agieren.

    Und der Öffentlichkeit mußte von vornherein deutlich gemacht werden, wer die Bösen sind.

    Dabei spielten auch hier PR-Agenturen eine Rolle.

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    Propaganda und Krieg

    Der Informationskrieg
    "Es wird nie soviel gelogen wie vor der Wahl,
    während des Krieges und nach der Jagd" (Bismarck)

    Der Krieg gegen Jugoslawien begann mit einer Lüge: "Wir führen keinen Krieg" ließ Bundeskanzler Gerhard Schröder am 24. März 1999 in seiner Regierungserklärung die Nation wissen, vielmehr handele es sich um eine "Militäraktion" oder nach NATO-Jargon um eine "Luftkampagne". Die von Regierungsvertretern, PR-Agenturen und Pressestellen der kriegführenden NATO-Verbündeten zum Zweck der Kriegslegitimierung kreierten und über die Massenmedien gestreuten Begriffe wie der der "humanitären Intervention" gaben ganz nach dem Motto "Wenn sie von Frieden reden, meinen sie Krieg" den deutlichen Hinweis: Es wird Krieg geführt - in diesem Falle gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Zugleich handelte es sich um einen "(Des)Informationskrieg" an der "Heimatfront". Diese Seite des Krieges haben wir als Nachrichtenkonsumenten und Konsumentinnen eindrucksvoll erfahren müssen. Auf nahezu allen Fernsehkanälen die gleichen Bilder, im Radio die gleichen Stimmen und in den Kommentaren der Tagespresse sich wiederholendes Vokabular und auffallend ähnliche Meinungen zur Notwendigkeit der Bombardierungen.

    Eine Verschwörung? Gleichschaltung? Staatliche Zensur? Oder einfach nur die bekannte Ignoranz und Oberflächlichkeit der meinungsbildenden Medienindustrie?

    Die Brutkastenlüge

    Waren es bei der Destabilisierung von missliebigen Regierungen und der Aufstandsbekämpfung in Lateinamerika überwiegend CIA-Agenten, die durch gezielte Falschmeldungen US-Interventionen legitimieren sollten, wurde zur Vorbereitung des Kriegs gegen Irak eine der größten PR-Agentur in den USA unter Vertrag genommen. Ausgestattet mit einem Budget von 10,7 Mio. $ startete die PR-Agentur Hill & Knowlton 1990 einen Propagandafeldzug für die "Befreiung" Kuweits. Höhepunkt der in der Geschichte wohl erfolgreichsten PR-Kampagne war eine gezielte Lüge, die von der Bush-Administration und der kuwaitischen Regierung gestreut wurde. Am 10. Oktober 1990 schilderte vor dem Menschenrechtsausschuß des US-Kongresses die 15-jährige Kuwaiterin Nayirah unter Tränen die Greueltaten irakischer Soldaten. Diese hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus 15 Babys aus Brutkästen gerissen, auf den Boden geworfen und dort sterben lassen. Die Brutkästen seien entwendet worden. Aus anderen Krankenhäusern wurden ähnliche Vorfälle geschildert, so dass u.a. Amnesty International 312 auf diese Weise getötete Babys und gestohlene Brutkästen zählte - ai dementierte diese Angabe später. Präsident Bush griff die Greuelgeschichte in seiner Kriegskampagne immer wieder auf, so dass der zunächst kriegskritische US-Senat der Intervention zustimmte und durch die mediale Aufbereitung der Geschichte auch innerhalb der US-Gesellschaft ein Meinungsumschwung zu verzeichnen war.

    Im Januar 1992 wurde die Identität der jungen Zeugin enthüllt - es handelte sich um die Tochter von Saud Nasir al-Sabah, dem kuwaitischen Botschafter in den USA. Das Mädchen war von Hill & Knowlton professionell als Zeugin aufgebaut worden. Präsident der PR-Agentur war Craig Fuller, Bush-Anhänger und dessen ehemaliger Stabschef. Weitere Untersuchungen ergaben, dass kuwaitische Ärzte offensichtlich gelogen hatten und die vorgeblich entwendeten Brutkästen an ihren Plätzen standen. Des weiteren wurde recherchiert, dass Untersuchungen stattgefunden hatten, mit deren Hilfe ermittelt worden war, welche Meldungen Menschen besonders erregte. Ergebnis war, dass die befragte Bevölkerungsgruppe sehr heftig auf Baby-Greuel reagiert hatte. Die Propagandalüge war 1992 widerlegt, der Krieg aber bereits Vergangenheit. Nach einem Bericht der Zeitschrift "Covert Action Quarterly" (CAQ) vom 26.Februar 1998 bestehen auch zwischen der Clinton-Administration und H&K engste Verbindungen. Die früheren H&K-Köpfe Howard Paster und Lauri Fitz-Pegado arbeiten im Stab von Clinton, und der frühere Mitarbeiter des Weißen Hauses, Thomas Hoog, ist nun Leiter des Washingtoner Büros von H&K. Auch zur CIA pflegt H&K einen regen Austausch. Insbesondere Robert Keith Gray, der das H&K-Büro in Washington aufbaute und über 30 Jahre leitete hatte, verfügt laut "CAQ" über beste Kontakte zur Führungsebene des Geheimdienstes. (1)

    Ruder Finn in Jugoslawien

    Als 1992 die Brutkastenlüge publik wurde und mensch denken mochte, "gebranntes Kind (d.h. in diesem Fall Journalisten und Journalistinnen) scheut das Feuer", war bereits eine andere PR-Agentur damit betraut, das Image Kroatiens, Bosnien-Herzegowinas und der kosovarischen Opposition zu fördern und die serbische Position in Misskredit zu bringen.

    Der Direktor von Ruder Finn Global Public Affairs, James Harff, erklärte in einem Interview, wie seine PR-Agentur diesen Auftrag anging:

    "Das ist ganz einfach. Unser Arbeitsgerät besteht im wesentlichen aus einer Kartei, einem Computer und einem Fax. Die Kartei enthält die Namen von einigen Hundert Journalisten, Politikern, Repräsentanten humanitärer Organisationen und Universitätsangehörigen."

    Als den größten Erfolg ihrer Kampagne beschreibt er:
    "Dass es uns gelungen ist, die Juden auf unsere Seite zu ziehen."

    Vor dem Hintergrund, dass Antisemitismus in Kroatien und Bosnien nicht nur ein historisches Phänomen ist, sondern vertreten durch den ehemaligen Präsidenten Tudjman und Izetbegovic auch im heutigen politischen Diskurs prägend ist, war dies keine leichte Aufgabe.

    "Die jüdischen Intellektuellen und Organisationen hatten daher allen Grund, den Kroaten und Bosniern feindlich gesinnt zu sein. Diese Tatsachenlage umzukehren, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben das meisterhaft geschafft, und zwar zwischen dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker 'Newsday' die Sache mit den Lagern herausbrachte. (...) Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit d en Nazis gleichsetzen."

    Und James Harff fährt fort, dass die Medien von nun an ihren Sprachgebrauch wandelten und emotional stark aufgeladene Begriffe benutzten wie "ethnische Säuberung, Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt." (2)

    Die Aktivitäten Ruder Finn's in der Republik Bosnien-Herzegowina umfaßten unter anderem:

    • die Einrichtung eines "Bosnia Crisis Communication Center" im Büro von Ruder Finn mit Kontakten zu amerikanischen, englischen und französischen Medien,

    • die Ausarbeitung eines in sich stimmigen Paketes von Aussagen und Botschaften, die in Gesprächen angewendet und ständig wiederholt werden sollten,

    • den Aufbau eines Fax-Netzes für internationale Bosnien-Berater. Zu dem Netz von Kontakten, das Ruder Finn gelegt hat, gehörten auch humanitäre Organisationen und wissenschaftliche Einrichtungen,

    • die Formulierung und Platzierung von Leitartikeln in "New York Times", "Washington Post", "USA Today" und "Wall Street Journal".

    Für die Propagandakampagne zur Unterstützung der Separationsbestrebungen des Kosovo konnte Ruder Finn somit auf reichhaltige Erfahrung und Vorarbeit zurückgreifen. Die Agentur organisierte 1995 zwei Delegationen mit US-Kongreßabgeordneten in den Kosovo und vier Reisen Rugovas in die USA, wo er u.a. auf Cristopher, Albright und Al Gore traf. Unterstützt wurde die Kampagne von den albanischen Gemeinden insbesondere in New York, Chicago und dem Mittleren Westen, wo die jeweiligen Kongreßabgeordneten für die albanischen Bestrebungen gewonnen wurden. Über 300 Kongreßabgeordnete, ausländische Politiker und Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Nachrichtenagenturen wurden von Ruder Finn mit Informationen über die Situation im Kosovo und mit Statistiken über Gewalttaten gegen die albanische Bevölkerung versorgt - selbstredend ausschließlich aus der Sicht der Kosovo-Albaner. Als ihren Erfolg verbuchte Ruder Finn, dass bis 1995 in den wichtigsten Publikationen der USA über 250 Artikel erschienen und 43 Interviews im nationalen und internationalen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

    Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass nach einer Untersuchung von Wm. Dorich vom 16. Februar 1999 in den letzten sieben Jahren etwa 8.000 Artikel über Bosnien und Kosovo in der Los Angeles Times veröffentlicht wurden, wovon nicht einer dieser Artikel von einem serbischen Journalisten, Autor oder politischem Führer stammte. Dr. Alex Dragnich, ein serbischer Gelehrter, Autor von acht Büchern über die Geschichte und Politik des Balkan und früherer Kulturattaché der US-amerikanischen Botschaft in Belgrad, reichte seit 1992 zweiundvierzig Artikel bei der "New York Times" ein, nicht einer erschien. Auf der anderen Seite wurden Serben öffentlich als "mörderische Arschlöcher" (Richard Holbrooke), als "ungebildet und degeneriert" (Senator Biden) oder als "Schweine" (Kongreßabgeordneter Obey) bezeichnet.

    Von "faschistischer Propaganda" zu demokratischer "Operativer Information"

    Die Bedeutung der Herrschaft über Informationen - insbesondere in Vorbereitung und Einstimmung auf kriegerische Aktionen - erklärte Adolf Hitler am 10. November 1938, als die Synagogen noch brannten, vor der deutschen Presse:

    "Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, dass im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: Wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muss es mit Gewalt abgestellt werden; so kann es aber auf keinen Fall weitergehen."

    Nun verfügen weder die USA noch die BRD über ein institutionalisiertes Propagandaministerium. Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran, dass der Informationspolitik weiterhin und in zunehmendem Maße Beachtung geschenkt wird. So ist nach Meinung der Medienwissenschaftlerin Elvi Claßen die militärischpolitische Informations-Intervention nie zuvor so vielschichtig und umfassend, so aggressiv und effektiv wie während dieses Krieges gewesen. (3)

    Eine der Lehren des Vietnamkriegs war für die US-Administration und Militärs, dass der freien journalistischen Interpretation von Bildern aus Kriegsgebieten entgegengewirkt werden muss, da die Kriegsbereitschaft der heimischen Bevölkerung dadurch unterwandert werden könne. Neben umfassenden Kontroll- und Zensurmaßnahmen schlug der Public Relations-Spezialist der US-Marine, Arthur A. Humphries, 1983 vor, die Medien gezielter in der Kriegsführung einzuplanen:

    "Die Nachrichtenmedien können in der psychologischen Kriegsführung ein nützliches Werkzeug, ja sogar eine Waffe sein, die den Soldaten den Einsatz ihrer schweren Waffen erspart."

    Sah Humphries die Medien noch als nützliches Werkzeug, so erklärte NATO-Sprecher Jamie Shea Journalisten bereits zu Soldaten:

    "Kosovo war der erste Medienkrieg. (...) Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mussten, warum dieser Krieg wichtig war. Es gehörte zu meinen Aufgaben, sie zu munitionieren, die Lauterkeit unserer Kriegsmotive und unserer Aktionen zu zeigen."(4)

    Kriegsminister Scharping behandelte JournalistInnen ganz im Sinne Sheas wie Soldaten und forderte sie auf Pressekonferenzen auf, zu gezeigten Fotos "genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne. Zwischenfragen wurden nicht geduldet. In dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat der Regierung eine neue Qualität", erläutert Albrecht Reinhardt, Chef der Programmgruppe Ausland des WDR. Diese neue Qualität der Propaganda ist integraler Bestandteil psychologischer Kriegsführung. In der US-Armee heißt die zuständige Einheit Psychological Operations (PSYOPS), in der Bundeswehr "Truppe für Operative Information" (OpInfo). Scharping als Kriegsminister und damit oberster Chef der Truppe handelte ganz nach deren Maxime, die in der Konzeption über die Aufgaben der OpInfo dargestellt ist:

    "Massenkommunikationsmittel können Verlauf und Ausgang von Konflikten entscheidend beeinflussen. Wer über solche Mittel verfügt, wird sie zu seinem Nutzen und zum Schaden des Gegners einsetzen. Propaganda, Desinformation und Manipulation von Meinungen sind Teil des Kampfes um und mit Information. In einem Klima einseitiger Information und eingeschränkter Informationsmöglichkeit kann politische, ethnische, religiöse und anders geartete Ideologisierung bis hin zur Gewaltbereitschaft gedeihen." (5)

    Wie journalistischer Opportunismus an der "Heimatfront" geschaffen wurde und funktionierte, wurde z.B. auf der Pressekonferenz des Bundesministers Scharping am 16. April 1999 vorgeführt:

    "Welche Konsequenzen sind denn aus der Panne von vorgestern gezogen worden?", fragte dort ein Journalist. Mit der "Panne" war die NATO-Bombardierung eines Flüchtlingstrecks gemeint - die Toten fanden in derlei Fallen keinerlei Erwähnung, vielmehr vermutete einer der anwesenden Journalisten hinter den Fernsehbildern ein serbisches Machwerk, als er fragte:

    "Heißt das dann nicht, daß hier von Seiten der Serben Propaganda gemacht wird, Herr Minister?"

    Doch so einfach konnte die Wahrheit in diesem Fall nicht verdreht werden, und auf die Frage, ob die Kriegszustimmung in der Öffentlichkeit durch Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung nicht in Gefahr gerate, antwortete Scharping:

    "Ich würde sie bitten, in einer Frage nicht eine Feststellung zu verstecken, die z.Zt. niemand wirklich genau verifizieren kann. (...) Ich finde, wir sollten da alle etwas vorsichtiger sein und deshalb auch, weil wir es hier mit einer Propagandamaschinerie zu tun haben, die ihre Funktionstüchtigkeit und ihre absolute Unwahrhaftigkeit gleichermaßen schon einige Male unter Beweis gestellt hat. (...) Ich weiß um die Wirksamkeit von solchen Bildern, und vor diesem Hintergrund, so tragisch das Ganze ist, solange es nicht vollständig aufgeklärt ist, denke ich, sollten wir vorsichtig damit umgehen."

    Ein sehr guter Rat des Ministers, den er selbst wenige Minuten zuvor Punkt für Punkt mit wilden Gerüchten über angebliche Greueltaten der Jugoslawischen Armee ad absurdum geführt hatte. Im Zusammenhang mit Aufklärungsfotos schilderte Scharping den versammelten Journalisten und Journalistinnen Vorgänge, "die für einen normalen menschlichen Kopf extrem schwierig auszuhalten sind. Wenn beispielsweise erzählt wird, dass man einer getöteten Schwangeren den Fötus aus dem Leib schneidet, um ihn zu grillen und dann wieder in den aufgeschnittenen Bauch zu legen; wenn man hört, dass systematisch Gliedmaßen und Köpfe abgeschnitten werden; wenn man hört, dass manchmal mit den Köpfen Fußball gespielt wird, dann können sie sich vorstellen, dass sich da einem der Magen umdreht." (6)

    Diese an die Brutkastenlüge erinnernde Geschichte beruhte, wie Scharping selbst betonte, auf ungeprüften Erzählungen. Ebenso ungeprüft wurde insbesondere von Außenminister Fischer das vermeintliche Massaker von Racak am 15. Januar 1999 als Greueltat der Serben in die Öffentlichkeit getragen. Er habe sich schon in vielen Kriegsgebieten aufgehalten und viel gesehen, aber Racak sei "das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen habe", erklärte vor laufenden Kameras William Graham Walker, ehemaliger Chef der OSZE-Mission im Kosovo. Auf einen schlüssigen Bericht der Untersuchungskommission zu Racak wartet die kritische Öffentlichkeit bis heute. Die Tagesthemen vom 23. März 2000 fragten dementsprechend kritisch nach Beweisen für die Ermordung von 45 albanischen Zivilisten. Nach den Informationen der Tagesthemen ließen die Autopsieberichte des finnischen Pathologenteams die Version eines Massakers nicht zu. Währenddessen empfing William Walker Ende letzten Jahres vom UCK-Chef Hashim Thaqi eine goldene Schüssel und unter begeisterten "Walker, Walker"-Rufen die kosovarische Ehrenbürgerschaft. (7)

    Der oben bereits zitierter PR-Profi James Harff erklärt den Sinn von Greuel- und Horrormeldungen:

    "Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. (...) Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen. (...) Wir werden nicht dafür bezahlt, Morallehren zu erteilen. Und selbst wenn es darum ginge, hätten wir ein ruhiges Gewissen. Denn sollten sie beweisen wollen, dass die Serben arme Opfer sind, dann versuchen sie es mal, sie werden damit ziemlich allein stehen."

    Womit Harff vollständig Recht behielt. Nur wenige JournalistInnen hielten es während der regelmäßigen Pressekonferenzen für nötig, nach präziseren Informationen zu fragen. Der antiserbische Mainstream bestimmte das Verhalten, und zuzutrauen ist den Serben ja alles.

    Albrecht Reinhardt vom WDR resümiert:
    "In diesem Klima wurden kritische Fragen nach Quellen und Belegen für Massengräber, Massaker, Massenvergewaltigungen, Deportationen und Konzentrationslagern mit der Rechtfertigung des Kriegsgegners gleichgesetzt (...) die vielleicht gefährlichste Entwicklung für den Journalismus, die aus diesem Krieg auf dem Balkan resultiert." (8)

    Die Wirkung dieser Informationspolitik wurde noch bekräftigt durch die scheinbare publizistische Vielfalt der täglichen Desinformation.

    Die JournalistInnen fungierten in der Propagandamaschinerie primär nicht als die "Fälscher" von Nachrichten, sondern vielmehr als die Verbreiter derselben. Die Prüfung auf den Wahrheitsgehalt von Meldungen, ein im deutschen Pressekodex von 1996 verankerter Grundsatz, wurde regelmäßig unterlassen zu Gunsten eines diskursiven Opportunismus. Protestaktionen, Demonstrationen und Stellungnahmen von KriegsgegnerInnen fanden keinerlei Niederschlag in den Medien, es wurde vielmehr der Abgesang der Friedensbewegung attestiert.

    Über die größte Erfahrung im Bereich psychologischer Kriegsführung verfügen sicherlich die USA. Aber auch in der BRD wird wissenschaftlich an diesem Thema gearbeitet. Die Industrie- und Anlagenberatungsgesellschaft (IABG) in Ottobrunn versteht sich als Think Tank und TÜV für Informations- sowie Waffensysteme. 50% der Aufträge erhält der Betrieb mit seinen 13.000 MitarbeiterInnen von militärischer Seite. In einem Interview im November 1998 beschreibt Wolfgang Haas, Programm-Manager des Bereichs Führung, Information und Kommunikation der IABG, den Zielbereich von Informationspolitik:

    (Angreifer) "Das Ziel ist, dass man überlegene Informationen in Konflikten in allen Bereichen hat, und da spielt natürlich nicht nur die Information, die mit Hilfe der Technik gewonnen wird, eine Rolle, sondern auch die Kenntnis der psychologischen Lage des Kontrahenten und die Einflussnahme auf die Einschätzung der Situation durch die interessierte Öffentlichkeit. Das heißt, Information Warfare ist sehr stark ein Phänomen, das auch auf die psychologische Ebene zielt. Neben den technischen Einwirkungen sind also die Einwirkungen direkt auf die Psyche des Menschen, also das, was man früher als psychologische Kriegsführung und Propaganda bezeichnet hat, bedeutend." (9)

    Dass wir es auch zukünftig mit einer vermutlich noch subtileren Propaganda zu tun haben werden, kündigte General a.D. Klaus Naumann in einem Beitrag in der Ausgabe 11/1999 der "Truppenpraxis" an: "Aber es ist ja wohl richtig, daß wir nach einem solchen Konflikt feststellen: Das machen wir beim nächsten Mal besser. Denn der nächste Konflikt wird kommen."

    Es bleibt festzuhalten:

    • Desinformationspolitik und psychologische Kriegsführung, beim Kriegsgegner Propaganda genannt, ist integraler Bestandteil von Kriegsführung.

    • Sie diente im Krieg gegen Jugoslawien der Kaschierung der tatsächlichen Kriegsinteressen.

    • Das Spektrum der (Des)Informationen reicht von frei erfundenen Lügen bis zu partiellen, d.h. völlig einseitigen Wahrheiten.

    • Diese zielen direkt auf die Bevölkerung. Die Bevölkerung der BRD mußte den Krieg zunächst als unumgänglich akzeptieren oder sogar nachdrücklich fordern, um für den dritten deutschen Waffengang gegen Jugoslawien ein ruhiges Hinterland zu gewährleisten.

    • Ihre Wirkung erzielt Information Warfare insbesondere durch das Wecken von Emotionen.

    • Im Zentrum der deutschen Propaganda standen die infamen Analogien der jugoslawischen Politik mit dem deutschen Faschismus.

        (1) vgl.: Covert Action Quarterly;
        26. 2. 1998 [back]

        (2) Merlino, Jacques:
        Da haben wir voll ins Schwarze getroffen.
        In: Bittermann, Klaus: Serbien muß sterbien,
        Edition Tiamat 1994, S. 153 ff [back]

        (3) vgl.: Claßen, Elvi:
        In ami Nr. 10, 1998 [back]

        (4) "Der Krieg und ein fauler Frieden";
        ARD-Dokumentation 29.10.99
        und "Spiegel" Nr.: 2/2000 [back]

        (5) Europäische Sicherheit;
        Juli '99 [back]

        (6) zit. nach:
        www.bundeswehr.de/kosovo/pk_t_990416.htm [back]

        (7) vgl. Jungle World Nr. 46,
        10. November 1999 [back]

        (8) Menschen machen Medien,
        Zeitschrift der IG Medien;
        Nr. 7 Juli '99 [back]

        (9) zit. nach:
        http://gib.squat.net/infowar/bundeswehr.html [back]

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    Die Instrumentalisierung deutscher Verbrechen

    Die Kriegspropaganda gipfelte in der Demagogie von Außenminister Joseph Fischer:
    "Wir werden kein neues Auschwitz zulassen".
    Hier werden in den Köpfen der Bevölkerung Bilder der Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus auf den Plan gerufen.
    Hieß es bisher:
    "Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz",
    so soll es jetzt heißen:
    Krieg, weil nie wieder Auschwitz.

    Wie konnte geschehen, dass trotz dieser beiden über 50 Jahre untrennbaren Aufrufe:
    "Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz"
    der neue Kriegsappell bei breiten Teilen der Bevölkerung funktionierte?

    Viele Intellektuelle haben die deutsche Geschichte aufgearbeitet, eine Aufarbeitung dahingehend, dass die Verhältnisse, die Krieg und Völkermord verursachten, aufgezeigt wurden. Konsequenzen hieraus erfolgten in der gesellschaftlichen Praxis kaum. Von Staats wegen hingegen wurde die deutsche Geschichte bearbeitet, und diese Bearbeitung, gekennzeichnet von Verschweigen und Lügen, prägte nachhaltig die bundesdeutsche Gesellschaft deutlich. Die Bearbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus erfolgte sofort nach dem Krieg in Form einer Kanalisierung der Geschehnisse:

    Zum einen
    wurden die TäterInnen umgehend von den Westalliierten in die kapitalistische Interessengemeinschaft aufgenommen. Dadurch und durch die Unterstützung der Westalliierten beim Wiederaufbau wurden die "Deutschen" fortan zu Dank verpflichtet.

    Zum anderen
    wurde der Krieg gegen das sozialistische Lager unmittelbar in den Kalten Krieg übergeleitet mit all seinen Erscheinungsformen.
    Die Ostzone wurde von den Westzonen durch die Einführung der DM wirtschaftlich getrennt und Deutschland somit geteilt.
    Im Verhältnis zur Sowjetunion wurden die TäterInnen zunehmend zu Opfern: Volkstrauertage, Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Tage der deutschen Einheit.....
    Die Sowjetunion galt nahtlos als der Hauptfeind.

    Zum dritten
    blieb der Widerstand gegen den deutschen Nationalsozialismus in seiner Bedeutung unerwähnt. Die Tausende ermordete und zwangsinternierte AntifaschistInnen, KommunistenInnen, SozialistenInnen, ChristenInnen, AnarchistenInnen, Wehrmachtsdeserteure und Homosexuelle finden bis heute kein Gedenken. Sie verschwinden hinter der Glorifizierung des Attentäters von Stauffenberg als gefeiertem Widerstandshelden. In der beabsichtigten Fortsetzung der kapitalistischen und damit imperialistischen Politik der BRD ist das eine logische Folge.

    Die "Stauffenbergs" widerstanden nämlich nicht den Expansionskriegen des deutschen Imperialismus, des deutschen Kapitals, nicht der Vernichtung der JüdInnen, der Roma und Sinti, sondern sie wollten mit ihren Generälen den deutschen Sieg herbeiführen, der unter Adolf Hitler in seiner Funktion als oberster Heerführer zum Zeitpunkt des geplanten Attentats in Gefahr zu sein schien. Mit der Ehrung eines Stauffenberg wird deutlich, dass der Überfall auf Polen und der Angriff auf die Sowjetunion durch die deutsche Wehrmacht bis in den heutigen Tag hinein durch Staat und Kapital Verehrung findet. Schließlich setzte der deutsche Imperialismus nahtlos seine Interessen fort. Trotz mehrheitlicher Abstimmung wurde die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien wie Kohle und Stahl vereitelt. Wiederaufrüstung, Aufbau der Bundeswehr, Ausbau zum Atomstaat, Notstandsgesetze, Wehrstrafrecht und Wehrgerichtsbarkeit sind die geschaffenen Grundlagen für die Fort- und Durchsetzung kapitalistischer Interessen. Erklärt wurden diese Installierungen als Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung des Wohlstands und - nach wie vor - zur Verteidigung gegen den Kommunismus.

    (Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt wären (Adorno))

    Ebenso behielt der Staat relativ unbemerkt Erziehung und Bildung unter Kontrolle. Der Nationalsozialismus blieb im BRD-Geschichtsunterricht zunächst ausgeblendet, Kapitalismus und Kommunismus kamen nicht vor, der Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus blieb verschwiegen. Erst später wurde in den Schulen der Nationalsozialismus behandelt. In Filmen begann man, Kindern Leichenberge zu zeigen, aber die fortbestehende Grundlage für Krieg und Faschismus wurde und wird nicht erklärt. Der Entzug von Wissen im staatlichen Bildungsapparat zielt auf die Zurichtung der Menschen zu unmündigen und funktionierenden "Zöglingen" ab. Die KPD wurde verboten. Kritische ErzieherInnen und LehrerInnen bekamen Berufsverbot und wurden gefeuert mit dem Vorwurf der Indoktrination. Mitgliedern der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" wurde die Aufklärung in den Schulen verboten. Vielmehr hielt die Bundeswehr in den 70ern in Westdeutschland im Schulunterricht Einzug, um für Soldatennachwuchs und die sogenannte Verteidigungsbereitschaft zu werben. Dementsprechend wurden Friedensbewegung, Anti-AKW-Bewegung erfasst und kriminalisiert. Totalverweigerer landen im Knast. Erst im letzten Verfassungsschutzbericht wird die Antifa-Bewegung in der BRD zum innerdeutschen Staatsfeind Nr. 1 erklärt.

    Geblieben ist die Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen. Eine Aufarbeitung der politischen Bedeutung des Antisemitismus im Nazideutschland, in der jetzigen BRD und im Zusammenhang des weltweit existierenden Antisemitismus wurde unterbunden.

    Das wirklich persönlich erfahrene Leid der Opfer des Nationalsozialismus verschwindet zunehmend in der Anonymisierung. Bei den "Wiedergutmachungen", "Entschädigungen", den Mahnmalen geht es Politik und Wirtschaft nicht um die Opfer, es geht ihnen auch nicht um Auschwitz, sondern es geht um die Verwirrung von Wissen und Gefühlen durch die propagandistische Umgestaltung realer Geschichte.

    Jetzt geht es wieder um Krieg des deutschen Imperialismus. Diesmal unter dem Motto "Nie wieder Auschwitz" - und wer jetzt nach Beweisen im Bezug auf Jugoslawien verlangt, leugnet auch Auschwitz, und wer dem Krieg nicht zustimmt, der rechtfertigt Auschwitz. So einfach funktioniert das. Schon während des Golfkrieges lief der Angriff auf die Köpfe: Lauthals hiess es: "Deutschland darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen", sprich wer sich verantwortlich zeigen will, muss Kriege führen.

    "Deutschland kann nicht länger eine Sonderrolle in der Völkergemeinschaft einnehmen" bedeutete Schluss zu machen mit der Einmaligkeit deutscher Verbrechen.

    Jetzt formuliere ich eine These, von der ich glaube, dass sie zwar sehr simpel erscheint, aber dennoch im wesentlichen dazu beigetragen hat, dass sich das gesellschaftliche Bewusstsein kaum geändert hat.

    Fast alle haben den Gefühlsspagat gegenüber der Kriegsgeneration, die aus unsere Eltern und Grosseltern besteht, nicht ausgetragen.

    Wir wissen, dass sie lügen, wenn sie sagen, sie wussten nichts, das sich hinter ihrem Schweigen die Verbrechen verbergen.

    Und doch haben wir nicht auf der Wahrheit der persönlichen Geschichte bestanden. Die Person, die dann zum Vorschein gekommen wäre, wäre unerträglich, und was wären die Konsequenzen daraus?

    Faktisch beließen die Nachkriegsgenerationen es dabei, dass es "gewesen" ist, und die Auseinandersetzung mit der Eltern- und Grosselterngeneration versackte in der stillen Hoffnung, dass jene nur ein kleines Rädchen im Getriebe waren.

    Die Mehrheit nimmt nicht zur Kenntnis, dass die soziale Marktwirtschaft mit ihren Verlockungen eine Erscheinung des Kapitalismus ist, mit dem die Planung von Kriegen untrennbar verbunden sind.

    Die Gesichter können sich wandeln. Die Profiteure sponsern nämlich auch Schulen und Altenheime. Die, die bereit sind, dich ggf. zu erschlagen, können auch freundlich mit dir reden, und die Kriegsverbrecher knallen nicht immer die Hacken der Schaftstiefel, sondern führen in grünen und roten Krawatten Reden von der Humanität, wenn sie den Krieg wollen.

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    Massaker auf Bestellung

    Der Titel dieses Beitrags deutet bereits auf eine kritische Auseinandersetzung mit den offiziellen Nachrichten hin. Denn auch für einen Krieg gegen Jugoslawien musste die Zivilbevölkerung der Nato-Länder dazu gebracht werden, den Wunsch nach einer Kriegsbeteiligung zu hegen und den Einsatz von Truppen einzufordern. Hierzu diente u.a. das sogenannte "Brotschlangenmassaker" vom 27. Mai 1992, bei dem angeblich serbisches Artilleriefeuer mindestens 20 Menschen auf einem Markt in Sarajevo tötete. Drei Tage später beschloss der UNO-Sicherheitsrat ein Embargo gegen Jugoslawien. Anschließend auftauchende Zweifel bezüglich der Täter, nämlich die zufällige?! Anwesenheit eines bosnischen Fernsehteams, die Tatsache, dass es sich bei den Toten überwiegend um Serben handelte, nicht vorhandene Granateinschläge usw. änderten nichts an der internationalen Isolation Jugoslawiens.

    Auch der erste Kriegseinsatz der Nato seit ihrer Gründung sowie der erste Kampfeinsatz von US-Truppen auf europäischem Boden seit 1945 hatten ein Massaker als Auslöser: Am 5. Februar 1994 wurden 68 Menschen durch eine Mörsergranate in Sarajevo getötet und ca. 200 verletzt. TV-Sarajevo und CNN meldeten übereinstimmend sofort, dass es sich um eine serbische Granate gehandelt habe, und für Clinton lag es bereits zwei Tage später "auf der Hand, dass mit größter Wahrscheinlichkeit die Serben verantwortlich sind" (1). Eine unabhängige Untersuchung der Tathergänge fand nicht statt. Während die nichtdeutsche Presse offen die Beteiligung bosnischer Serben an dem Attentat aufgrund verschiedener Hinweise bezweifelte, begann hier die totale Kriegspropaganda. So titulierte die FAZ "Wann, wenn nicht jetzt?", "Rufe nach Schlägen gegen die serbischen Belagerer", und die FR fragte "Wie lange noch?" Während die taz intellektuell verbrämt konstatierte: "Luftangriffe auf serbische Stellungen machen vor allem psychologisch Sinn", brachte es die BILD für einfachere Gemüter auf den Nenner: "Bombt die Mörder nieder!".

    Ein weiteres Attentat in Sarajevo am 28. August 1995 führte zwei Tage später zur Erfüllung des von Cohn-Bendit im Frühjahr desselben Jahres gehegten Wunsches "Zuerst wird Pale bombadiert und dann..." (2): Nato-Geschwader bombardierten tagelang die "Republika Srpska". Auch, dass u.a. zwei Republikaner des US-Senats die Anschuldigung gegen serbische Täter öffentlich zurückwiesen, hatte keinerlei Auswirkungen mehr auf die geschickt herbeigeführte Kriegsbereitschaft der Deutschen.

    Nun zum Fall Srebenica, der aktuell wieder Schlagzeilen macht, denn seit dem 13.3.00 steht Radislav Krstic vor dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal. Der bosnisch-serbische General wird wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Vertreibung angeklagt, da er als Stabschef des "Drina-Korps" entscheidend an dem Vorgehen in Srebenica am 13. Juli 1995 mitgewirkt haben soll. Vielleicht klären sich jetzt die Widersprüche zwischen angeblich 6 bis 8.000 Toten, die die moslemische Regierung bzw. das Tribunal beklagt, und den holländischen Blauhelm-Soldaten, die keinerlei Gräueltaten beobachtet hatten bzw. dem IKRK (Internationales Rotes Kreuz), das in seinem Memorandum feststellt: "Mehrere 1.000 der vermissten Soldaten erreichten Zentralbosnien" (3).

    Obwohl zahlreiche Materialien ernstzunehmender Quellen existieren, die die Horrorversion von Srebrenica deutlich in Frage stellen, ist es schwierig, eine eindeutige Aussage bezüglich des tatsächlichen Ablaufs zu machen. Jedoch sollte bei der Einschätzung der offiziell aufgetischten Daten und Infos folgendes berücksichtigt werden:

    1. Zu den Vorgänge in Srebenica und Umgebung haben seit Frühjahr 1992 mehrere Journalisten die Vorgeschichte Srebenicas recherchiert. So soll das serbische Siedlungsgebiet um Srebenica und Bratunac seit April ´92 durch moslemische Truppen blockiert worden sein, um einen moslemisch dominierten Staat innerhalb Bosniens zu schaffen. Bei der anschließenden moslemischen Großoffensive sollen 50 serbische Dörfer dem Erdboden gleich gemacht worden sein. Über die mehr als 1200 massakrierten serbischen Zivilisten und 3000 Verletzten wird in der westlichen Presse jedoch erst ab 1995 berichtet (BBC, Misha Glenny; Joan Hoey; The Times; etc.).

    2. Louise Arbour, die oberste Strafverfolgerin des Den Haager Kriegsverbrechertribunals, gab Ende ´98 in einem Spiegel-Interview zu, dass noch immer keine eindeutigen Beweise vorlägen, um die serbische Seite zu belasten.

    3. "Das Massaker von Srebenica beeinflusste die Haltung der internationalen Gemeinschaft zu Serbien. Mit Nato-Hilfe kam es einen Monat später zu Gegenangriffen der kroatischen Truppen in Kroatien und im September zusammen mit bosnischen Truppen in Bosnien-Herzegowina. Die serbischen Armeen büßten große Gebiete ein, die Belgrader Führung stimmte schließlich im November 1995 dem Dayton-Abkommen zu, das den Krieg in Bosnien-Herzegowina beendete." (4) Diese klaren Erkenntnisse bezüglich des engen Zusammenhangs von Massakern und dem Kriegsverlauf stammen von dem als "Serbenfreund" unverdächtigen Erich Rathfelder von der taz.

    Racak

    Nun zu den Ereignissen von Racak, die u.a. als Rechtfertigung für die Auslösung des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien dienten.

    (Massaker) Im folgenden werden die Racak-Version der OSZE-Newsletter (5) vom Januar ´99 und die im nachhinein auftauchenden Varianten und Zweifel gegenübergestellt: "Der ernsthafteste Zwischenfall im Januar seit der Feuerpause im Oktober ´98 geschah am 15. Januar im Dorf Racak. Das Massaker von Racak wird lange als ein Schlüsselereignis im Kosovokonflikt erinnert werden; es war sicherlich ein entscheidender Moment für die Beobachterkommission der OSZE. Am 16. Januar gingen Beobachter-Teams zum Dorf Racak in der Nähe von Stimlje." Als sie in Racak ankamen, entdeckten sie 36 Körper (später wurden 45 bestätigt), wovon 23 in einem Graben lagen. Nach der Stellungnahme von Kommissionsleiter Walker, der den Ort besichtigte, waren "viele der Opfer ältere Menschen, viele aus nächster Nähe erschossen, die meisten von hinten oder vorn in den Kopf." Walker erzählte bei einer Nachrichtenkonferenz: "Ich habe nicht die Worte, um meine persönliche Abscheu zu beschreiben, oder all derjenigen, die bei mir waren, angesichts dessen, was man nur als unaussprechliche Grausamkeiten beschreiben kann... Obwohl ich kein Jurist bin, nachdem, was ich persönlich sah, zögere ich nicht, dieses Ereignis als ein Massaker, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beschreiben. Noch zögere ich, die Sicherheitskräfte der Regierung ihrer Verantwortung zu beschuldigen." Walker forderte eine Untersuchung durch das Den Haager Kriegsverbrechertribunal. Am 18.Januar wurde Walker durch den Außenminister der Republik Jugoslawien Jovanovi zur persona non grata erklärt und sollte das Land innerhalb von 48 Stunden verlassen. Am 20.Januar erklärte die OSZE-Troika (die Außenminister Vollebaek aus Norwegen, Wolfgang Schüssel, Österreich und Bronislaw Geremek, Polen), dass die Entscheidung, Walker auszuweisen, "völlig inakzeptabel" sei und dass "Jugoslawiens Autoritäten ihre Entscheidung, Walker auszuweisen, zurücknehmen und voll mit der OSZE kooperieren müssen". Sie fügten hinzu, "die Morde in Racak und der Unwille der jugoslawischen Führung, mit der OSZE zusammenzuarbeiten, stellt einen ernsten Fall von Nichterfüllung der UN-Resolution und der Abmachungen, die zwischen Minister Geremek und Minister Lovanovic unterschrieben wurden, dar."

    Diesem OSZE-Newsletter-Bericht stehen nun folgende Beobachtungen gegenüber:

    1. Die New York Times beruft sich auf einen anonymen Repräsentanten der US-Regierung, wenn sie darauf verweist, dass die Außenministerin Albright bereits einen Tag vor den Ereignissen in Racak Informationen darüber besaß. Sie erklärte, dass das Abkommen vom Oktober ´98 über die Beruhigung der Lage in Kosmet (Kosovo-Metohien) "jeden Moment" gebrochen werden könne.

    2. Le Figaro hinterfragt am 20.1. in seinem Leitartikel die Darstellung Walkers, da zu der serbischen Polizeiaktion gegen die Hochburg der UCK in Racak ein Fernsehteam von AP-TV und OSZE-Beobachter eingeladen wurden, von denen nicht über ein Massaker, sondern über Kämpfe berichtet wurde. Die Filmaufnahmen zeigen ein fast leeres Dorf, einen starken Schusswechsel, den Ausbruchsversuch der eingekesselten UCK-Kämpfer und intensive Kämpfe auf den Hügeln oberhalb des Dorfes.

    3. Die am folgenden Tag eintreffenden Journalisten wurden von den UCKlern, die bereits am Morgen das Dorf zurückerobert hatten, direkt zum Graben mit den 40 Leichen in Zivilkleidung geführt. Wieso war dieser Graben den Bewohnern, den OSZE-Beobachtern und dem Fernsehteam am Tag zuvor entgangen? Wieso fanden die Journalisten kaum Patronen und wenig Blut beim Schauplatz, wo doch angeblich 23 Personen mit Kopfschüssen getötet wurden?

    4. Untersuchungen, die Licht in die Vorgänge bringen würden, werden geheimgehalten, denn, wie die Herald Tribune schreibt: "Ein westlicher Regierungsbeamter sagte, dass die deutsche Regierung das finnische Team angewiesen habe, die Zusammenfassung ihrer Untersuchung nicht zu veröffentlichen." Helen Ranta, die Leiterin des finnischen Untersuchungsteams: "Es gab Druck von verschiedenen Seiten." "Grundsätzlich habe ich in der Racak-Zeit meine Instruktionen vom deutschen Außenministerium bekommen. Botschafter Christian Pauls hat mich kurz vor der Pressekonferenz instruiert." (6)

    5. Und wer ist dieser Walker? 1985 wurde er stellvertretender Staatssekretär für Zentralamerika. Unter Reagan war er für die Operation zum Sturz der Sandinistas in Nicaragua verantwortlich (Stichworte: Oliver North, Waffenlieferungen über Ilopango in El Salvador für die Contras etc.). Von 1988-92 war er US-Botschafter in El Salvador, wo er von Jesuiten im Zusammenhang mit einem Überfall von Todesschwadronen auf eine Universität und mit der Ermordung von sechs Priestern erwähnt wurde. Während seiner Botschafterzeit sprach Walker von 50 Militärberatern in El Salvador, jedoch bezeugte die Washington Post ´96, dass er einer Feier von 5.000 geheimen US-Kämpfern aus El Salvador beiwohnte. Für einen unabhängigen Beobachter nicht gerade sehr vertrauensvoll ... (7)

    Einige bürgerliche Medien und weite Kreise des öffentlichen Lebens äußern ein Jahr nach den Bombenangriffen ihre Kritik an der Darstellung bzw. Benutzung der Vorgänge in Racak durch die Bundesregierung und insbesondere die Minister Fischer und Scharping harsche Kritik. Dagegen tun sich die AnhängerInnen der These, dass das Wesentliche der Krieg in Jugoslawien sei (was die Kriegslegitimation indirekt bestätigt), noch immer schwer damit, das Racak-Massaker als nützliche Propaganda zu enttarnen und somit ihre These zu hinterfragen. So ist z.B. die Hauptthese des im November 1999 im ak erschienenen Artikels "Racak- Mutation eines Massakers" (8), dass ZweiflerInnen an der offiziellen Racak-Version "Linke Verschwörungstheorien" bzw. "serbische Propaganda" verbreiten würden.

    Abgesehen von diesen "Massakern", bei denen ein direkter Zusammenhang mit konkreten Krisenverschärfungen zu sehen ist, wurde während des gesamten Krieges immer wieder auf die systematische und massenhafte Vernichtung von kosovo-albanischen Zivilisten durch jugoslawische Sicherheitskräfte hingewiesen. Bis dann endlich am 22.3.99 der britische Premier Tony Blair vor dem Unterhaus sagen konnte: "Wir müssen handeln, um Tausende von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern vor der humanitären Katastrophe zu retten, vor dem Tod, vor der Barbarei und vor der ethnischen Säuberung durch eine brutale Diktatur."

    Jedoch bereits vier Monate nach Beginn des Krieges stellte der private amerikanische Nachrichtendienst Stratfor Intelligence einen Zwischenbericht vor, der den zehntausendfachen Massenmord in Frage stellte. Hierfür wandte er eine ungewöhnlich scheinende Methode an: Stratfor Intelligence verglich die Zahl der tatsächlich gefundenen Leichen mit der Zahl der behaupteten Toten. Systematisch werden Berichte von Flüchtlingen oder Mitgliedern der KFOR-Truppen aufgenommen und von ICTY (Internationales Tribunal für Kriegsverbrechen in der ehemaligen Republik Jugoslawien) an Ort und Stelle überprüft. Auch wenn die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, besteht der Zwischenbericht darauf, dass die angeblich 10.000 Ermordeten wohl kaum jemals gefunden werden. Z. B. hat ein spanisches Team, das auf 2.000 Autopsien vorbereitet war, lediglich 187 Leichen in Einzelgräbern gefunden. (9)

    Auch an der von der taz entworfene "Topographie des Schreckens" (erschreckende Parallelität!) mit ihren behaupteten Massakern sind arge Zweifel aufkommen, da selbst bei den dort genannten Zahlen nur gut 10% der behaupteten Toten bislang gefunden wurden. (10)

    27. Mai 1992 Brotschlangenmassaker, Sarajevo
    30. Mai 1992 Embargo durch UNO-Sicherheitsrat
    05. Febr. 1994 Marktplatz in Sarajevo
    28. Febr. 1994 1. NATO-Kriegseinsatz
    28. Aug. 1995 Marktplatz in Sarajevo
    30. Aug. 1995 NATO bombardiert Srpska
    13. Juli 1995 Srebenica
    21. Nov. 1995 Abkommen von Dayton
    16. Jan. 1999 Racak
    24. März 1999 NATO-Krieg gegen Jugoslawien
    Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auf jedes Massaker stets Verschärfungen in Hinblick auf einen Nato-Angriffskrieg erfolgen. Wird jedoch die Arbeit der PR-Agenturen und der Medien allgemein berücksichtigt, so können diese Pfeile auch umgedreht werden, d.h. wenn die NATO-Länder bestimmte Ziele verfolgen -auf die in den folgenden Beiträgen eingegangen wird- und dazu ein Krieg in Jugoslawien dienlich ist, dann werden die entsprechenden Bedingungen geschaffen, indem vorhandene Konflikte verschärft bzw. sogar neu kreiert werden.

        Quellen:

        (1) Neue Staaten, neue Kriege, H. Hofbauer, in: Balkankrieg, Hannes Hofbauer (Hg.), Wien, 1999. [back]

        (2) Leichen auf Bestellung, H. Pankow, in: Konkret 8/99 [back]

        (3) In unseren Himmeln kreuzt der Fremde Gott, Alexander Dorin (Hg.), Juni 1999. [back]

        (4) General wegen Morden von Srebenica vor Gericht, Erich Rathfelder, in: taz v. 13.3.00. [back]

        (5) nach: Walker:"KVM is Making a Difference" in: OSCE Newsletter, Vol.6 no.1, January 1999, von der Autorin übersetzt. [back]

        (6) "Fragen Sie mich das nicht", Interview mit H. Ranta in: Jungle World vom 18.8.99. [back]

        (7) vgl.: Wie Dr. Fischer lernte, die Bombe zu lieben, Klaus Bittermann, Thomas Deichmann (Hg.).
        Geheim, Nr. 1/1999, "Massaker von Racak":
        Durchsichtige Manipulation, bestellte Provokation, Klaus Hartmann; jw vom 18.3.00.
        Massaker oder Manöver, in jw vom 27.1.99.
        Virtuelle Massengräber, Rainer Rupp, in: jw vom 6.7.99 [back]

        (8) Racak - Mutation eines Massakers, Peter Wuttke, in: ak 432 v. 18.11.1999. [back]

        (9) vgl.: jw, 28.10.99, "Wo sind die Todesfelder im Kosovo" [back]

        (10) vgl.: jw, 29.10.99, "Weit unter den Erwartungen";
        taz, 17.6.99, Eine Topographie des Schreckens. [back]

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    Warum dieser Krieg?

    Weil es "...zu Zeiten notwendig ist, Absatzmärkte zu Schlachtfeldern zu verwandeln, damit aus diesen wieder Absatzgebiete werden." (Karl Kraus)

    Welche Interessen haben diejenigen, die die Kriegsmaschine in Gang gesetzt haben?

    Welches andere Mittel konnte es auf dem Boden des Kapitalismus geben außer dem Krieg, um das Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der Akkumulation des Kapitals einerseits und der Verteilung der Kolonien und der "Einflußsphären" des Finanzkapitals andrerseits zu beseitigen?

    In diesem Krieg ging und geht es darum, sich geographisch und ökonomisch neue Akkumulationsräume zu erschließen. Ganz Osteuropa ist in den letzten Jahren nach und nach in den wirtschaftlichen und militärischen Einflussbereich des Westens integriert worden. Es soll auf Dauer und unumkehrbar frei verfügbare Interessenssphäre kapitalistischer Ausbeutung sein.

    Abweichende und störende Strukturen werden nicht mehr geduldet. Jugoslawien störte. Viele Transportwege führen durch den Balkan: Pipelines, Straßen, die Donau. Die NATO sah Jugoslawien als Riegel. Es hat viele Versuche gegeben, diesen Riegel zu sprengen mit Geld, Nötigung, Erpressung und den verschiedenen Formen zivilgesellschaftlicher Brutalität, aber was man eigentlich wollte, hat nicht geklappt: Die totale ökonomische und militärische Integration. Jugoslawien war störrisch. Deshalb wurde dieser letzte Balkanstaat, der NATO-Interessen im Wege stand, zerstückelt und zerschlagen.

    Die nächstfolgende Abspaltung der Republik Montenegro und die Sezession der Provinz Vojvodina stehen oben auf der Tagesordnung. Die Steigerung von Chaos, Krieg und Krise ist einkalkuliert.

    Die NATO hat an Jugoslawien ein Exempel statuiert: Dass es sich kein Staat leisten kann, einem Diktat der NATO-Staaten zu widersprechen. Der Krieg hat an erster Stelle demonstriert, daß keine Ausnahmen zugelassen werden.

    Gleichzeitig soll die Rolle Russlands geschwächt werden, Russland vom Zugang zum Mittelmeer und zu den Erdölvorkommen der ehemaligen Sowjetunion abgeschnitten werden.

    Die Kriegsziele weisen über den europäischen Raum hinaus. Die ehemaligen Staaten der SU bis hin zur chinesischen Grenze sollen der Kontrolle imperialistischer Macht unterworfen werden. Die Türkei wird dabei zu einem strategischen Dreh- und Angelpunkt zwischen dem Balkan und den im Osten angrenzenden Staaten.

    Generell ist es das Ziel, weitere Einflußsphären zu schaffen und verbesserte Ausgangsbedingungen zu erringen, und zwar in neuer imperialistischer Konkurrenz. Der Zugriff auf die Erdölvorräte unter dem Kaspischen Meer war bereits wichtiges Kriegsziel im 2.Weltkrieg, und auch jetzt stehen sie wieder im Zentrum des Interesses: Zentralasien, mit seinen Erdgas- und Erdölvorkommen, bereit für den, der zuerst kommt.

    Das Gebiet umfaßt den Kaukasus, das Schwarze Meer, die Anliegerstaaten des Kaspischen Meeres bis Pakistan. Im April 1999 wurde die Pipeline vom Kaspischen Meer zum Schwarzen Meer durch Aserbeidschan und Georgien eröffnet. Es fehlt nur noch der ungestörte Transfer durch den Balkan und zum Mittelmeer.

    Noch mehr gibt es in Ostasien zu holen, wo sich gigantische Märkte entwickeln, die es zu erobern gilt.

    Krieg als Mittel ökonomischer Expansion: Auch die deutsche Export- und Rüstungsindustrie kommt voll auf ihre Kosten.

    Man führte zwar diesen Krieg gemeinsam, aber die Alliierten in diesem Krieg sind zugleich Gegner. Die USA versuchen sich als die Macht zu beweisen, die allein die Fähigkeit und die Mittel besitzt, überall - im eigenen Hinterhof wie in dem der Konkurrenz - das letzte Wort zu sprechen.

    Doch das europäische Konzept einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ist das Konzept eines konkurrierenden imperialistischen Zentrums, das versucht, Stück um Stück die amerikanische Dominanz zurückzudrängen, um sich selbst einen größeren Spielraum zu verschaffen für die Durchsetzung eigener Interessen, wenn nötig mit militärischen Mitteln. Allen voran steht Deutschland: "Vor den Augen des staunenden Publikums vollzieht sich in Deutschland eine Konzentration ökonomischer Macht, wie sie der Erdball bisher nicht gesehen hat..." (Pomrehn in Konkret, April 2ooo)

    Der ehemalige amerikanische Sicherheitsberater Brezinski skizziert die US-Interessen so: Der Brückenkopf der USA auf dem euroasiatischen Kontinent müsse so gefestigt werden, dass ein wachsendes Europa ein brauchbares Sprungbrett werden kann, von dem aus sich eine internationale Ordnung nach Eurasien hinein ausbreiten läßt.

    Die amerikanische Denkfabrik Rand Corp. spricht davon, dass sich die direkte amerikanische Militärpräsenz in den kommenden Jahren in Europa weiter reorganisieren wird "entlang den geographischen Grenzen Europas in Richtung Osten und Südosten, und dahinter werden die Vereinigten Staaten dauerhaft präsent sein."

    In der Verfolgung seiner Interessen, im Übergang von "Nie wieder Krieg" zum Krieg, hatte Deutschland ein kleines Problem, nämlich Auschwitz und den NS-Faschismus.

    Deutsche Interessen und der Überfall auf Jugoslawien.

    "...wir wollen hoffen, dass in zukünftigen Fällen, wenn es auf der Erde vielleicht wieder einmal etwas zu verteilen gibt oder wenn es wieder Umwälzungen gibt ... man nicht erst kommt,wenn die Welt bereits verteilt ist... sondern dass man gleich vorgeht und gleich das nimmt, was man kriegen kann..." meinte der Generalsekretär des Centralverbandes deutscher Industrieller H.A. Bueck im Jahr 1898.

    Das erste, was zu kriegen war bei der Aufteilung der Beute, nach der Einverleibung der DDR und dem Ende der sowjetischen Gegenmacht, die den deutschen Imperialismus bis dahin im Zaum hielt, war Kroatien und Slowenien.

    Mit seiner kriegsverschärfenden Anerkennung dieser ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken übernahm Deutschland 1991 eine Vorreiterrolle. Es geht dem deutschen Imperialismus seit 1933, eigentlich seit 1918 darum, die Ergebnisse des 1.Weltkriegs rückgängig zu machen und seine Herrschaft in Europa und darüber hinaus wiederherzustellen, wenn nötig mit Krieg.

    "Die deutsche Außenpolitik war dabei bereit gewesen, gegebenenfalls große Risiken zu übernehmen ... immerhin standen sogar eine Spaltung der EG, die eventuelle Eskalation eines Krieges und die Destabilisierung des gesamten Balkans und Mitteleuropas auf dem Spiel. Trotzdem war Deutschland bereit, im Alleingang seine Einschätzung durchzusetzen," erklärte das Südostinstitut in München 1993.

    (Proteste)

    Der amerikanische Balkan-Vermittler, Cyrus Vance, sprach von "Genscher´s War".

    Die TAZ schrieb in einem Leitartikel 1991: "Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Scheinalternative werden nun, und das ist begrüßenswert, viele regionale Konflikte auf der Welt beigelegt."

    Der damalige Bundesaußenminister Kinkel erklärte 1993: "Nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: Im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potential entspricht... Unsere Bürger haben begriffen, dass die Zeit unseres Ausnahmezustandes vorbei ist."

    Woran sind "wir" denn nach Meinung Kinkels "zweimal zuvor gescheitert"? Daran, dass zwei furchtbare Weltkriege von deutschem Boden ausgingen?

    Der deutsche Imperialismus trat am Ende des 19. Jahrhunderts auf den Plan, als die territoriale Aufteilung der Erde bereits abgeschlossen war. Die Vorbereitung auf den Kampf um die Neuaufteilung der Welt mit Hilfe von Kriegen führte vor 1914 zur forcierten Kriegsrüstung, zu einer besonders abenteuerlichen Außenpolitik, zum hektischen Anwachsen des Militarismus und zum hemmungslosen Chauvinismus.

    Ebenso wie Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts einen Sprung nach vorne machte und an der bestehenden Aufteilung der Welt zu rütteln begann, werden auch heute die globalen Strukturen in Frage gestellt. Ihr Interesse gilt nicht der Stabilisierung, sondern der Veränderung der Grenzen in Osteuropa und auf dem Balkan.

    Der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz äusserte sich 1991 in der Welt:
    "Wenn einzelne Nationen in ungewollten widernatürlichen oder aufgezwungenen staatlichen Organisationen festgehalten werden, so schafft dieses alles andere als wirkliche Stabilität..."

    In einer Besprechung hochrangiger Osteuropa-Experten im Auswärtigen Amt im Dezember 91 war die Rede davon, dass Chaos und Krise die angemessenen Formen der Veränderung und Überwindung seien. Chaos und Krise werden hier als "schöpferische Kraft" angesehen, die die territorialen Strukturen Osteuropas zum Einsturz bringt.

    Unter der Parole vom "Selbstbestimmungsrecht der Völker" wurde die kroatische und slowenische Sezession forciert. Ziel dabei war, die losgelösten Teile als wirtschaftlich und politisch abhängige Gebiete der eigenen Großraumbildung anzugliedern.

    In einem Papier des Auswärtigen Amtes vom April 1999 war die Rede von einer zugespitzten Entscheidungssituation zwischen dem "Selbstbestimmungsrecht der Völker", die dann auch ein Recht auf Sezession haben, und dem Erhalt der Einheit multiethnischer Staaten. Deutsche "Volksgruppenpolitik" ist in Verbindung mit dem "Selbstbestimmungsrecht" genau das Konzept der deutschen Aussenpolitik zur Erweiterung der deutschen Hegemonie. Der Krieg gegen Jugoslawien war nur ein Anfang.

    Prinz Max von Baden, der spätere Reichskanzler, präsentierte im März 1918, kurz vor einer erneuten Offensive die "Denkschrift über den ethischen Imperialismus". Er wolle "zum ersten Mal das ethische Fundament des deutschen Imperialismus" festlegen:

    "Eine so ungeheure Kraft, wie wir sie in diesem Krieg entfaltet haben, muss sich vor der Welt ethisch begründen, will sie ertragen werden. Darum müssen wir allgemeine Menschheitsziele in unseren nationalen Willen aufnehmen... Sie müssen so formuliert werden, dass der Vorwurf der Hinterhältigkeit und Unaufrichtigkeit nicht mehr erhoben werden kann... Wir müssen es deutlich machen, dass wir ehrlich als Rechtsschützer an allen Randvölkern handeln wollen. Untrügliche Beweise sind hier notwendig, dass, wer uns vertraut, nicht missbraucht wird ... Andere Menschheitsziele, die unser Interesse und das Recht in gleicher Weise fordern, müssen formuliert werden: Kolonisieren heißt missionieren. ... Für Deutschland aber heißt es, heute im Lichte der schärfsten Weltkritik die Grundlagen seines Imperialismus erst zu legen ... Besonders in Europa schnürte uns der Panzer ein ... der Panzer ... ist gesprengt. Die Geschicke ganzer Völker sind erneut zur Entscheidung gebracht. Mächtige Länderstrecken an unserer Grenze sind frei geworden. Neu entstandene Staatengebilde bedürfen der Anlehnung und des Schutzes ... Wir sind ihre Nachbarn und ihre Befreier ... Überall regt sich die Lust, an der gemeinsamen Sache mitzuschaffen..."

    Die "Menschheitsziele" definierte er völkisch.

    Franz Neumann schreibt in seinem berühmten Buch "Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus":

    "Das Selbstbestimmungsrecht ist nichts als eine Waffe. Man nutze jede aus dem Minderheitenproblem erwachsene Spannung. Man schüre nationale und rassische Konflikte, wo man kann. Jeder Konflikt wird Deutschland, dem neuen selbsternannten weltweiten Hüter der Ehre, Freiheit und Gleichberechtigung in die Hände spielen."

    In ihrem Buch "Von Krieg zu Krieg" schreiben Minow/ von Goldenbach 1999: "Wir erleben den Durchbruch einer identischen Politik auf dem Balkan." Kinkels und Fischers Staatssekretär Wolfgang Ischinger erklärte die NATO-Intervention im Kosovo als einen "Beschleuniger der Geschichte", als einen "Schritt nach vorn" und "als Verteidigung eines bereits im Aufbau befindlichen europäischen Rechtsraums".

    Der deutsche "Volksgruppenschutz" ist ein Vehikel europäischer Expansion. Mit der Verteidigung individueller Menschenrechte hat er nichts zu tun.

    Menschenrecht, Minderheitenrecht und Selbstbestimmung haben in den letzten Monaten eine bunte Heimatfront deutscher Balkan-Interventen zusammengeführt, von völkischen Ideologen über ehemalige Linke bis hin zu ehemals Friedensbewegten, die sich als Retter bedrohter Völker erbarmungslos und "humanitär" an die Spitze der Kriegstreiber setzten.

    Fischer hat die argumentative Grundlage des "ethischen Imperialismus" erweitert, indem er die Politik der Bundesrepublik Jugoslawien als eine neue Form des Faschismus identifiziert zu haben meinte und eine völkische Denkungsart ausgerechnet der serbischen Seite unterstellte. Auschwitz wurde zur Legitimation für den nächsten Griff Deutschlands nach der Weltmacht. In einem rasanten Tempo erfolgte eine völlige Umwertung nahezu aller fortschrittlichen Kategorien.

    Diese Projektion deutscher Verbrechen ist das Besondere an der deutschen Kriegspropaganda.

    "Systematisch all das mit Auschwitz zu identifizieren, durch dessen Bekämpfung sich Machtzuwachs erreichen lässt, ist zur neuen deutschen Ideologie geworden." (Scheit)

    Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete
    Leiden ist erstaunlich kurz.
    Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden
    ist fast noch geringer.
    Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben,
    ihr äußerster Grad ist der Tod.
    Allzu viele kommen uns heute schon vor
    wie Tote, wie Leute, die schon
    hinter sich haben, was sie noch vor sich haben,
    so wenig tun sie dagegen.
    Und doch wird mich nichts davon überzeugen,
    daß es aussichtslos ist, der Vernunft
    gegen ihre Feinde beizustehen. Laßt uns
    das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
    damit es nicht einmal zuwenig gesagt wurde!
    Laßt uns die Warnungen erneuern, und wenn
    sie schon wie Asche in unserem Mund sind!
    Denn der Menschheit drohen Kriege,
    gegen welche die vergangenen wie armselige
    Versuche sind, und sie werden kommen
    ohne jeden Zweifel, wenn denen,
    die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
    nicht die Hände zerschlagen werden.

    Berthold Brecht
    zum Wiener Kongress für den Frieden 1952

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    Gegen-Informations-Büro
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    Kosovo-Chronologie

    6. April 1941:

    Hitler überfällt ohne Kriegserklärung Jugoslawien. Serbien und der Norden des Kosovo werden unter deutsche Militärverwaltung gestellt. Die Mitte und der Süden des Kosovo kommen zu Albanien, das 1939 nach seiner Eroberung durch das faschistische Italien Mussolinis ein italienisches Protektorat geworden war. So entsteht am 12.8.1941 ein italienisch beherrschtes "Großalbanien". Das mit Deutschland verbündete Bulgarien besetzt die östlichen Gebiete des Kosovo.

    1943:

    Mussolini wird vorübergehend gefangengenommen. Der italienische König erklärt Deutschland den Krieg. "Großalbanien", also Albanien und der größte Teil des Kosovo, wird nun von Deutschland besetzt. Ministerpräsident und Innenminister dieses Nazi-Vasallenstaats werden zwei Politiker aus dem Kosovo.

    April 1941 bis Oktober 1944:

    Faschistische kosovo-albanische Milizen, "Balli Kombetar" oder "Ballisten" ("Nationale Front") genannt, kollaborieren mit der italienischen Besatzungsmacht und kämpfen für ein "völkisches", d.h. "ethnisch reines" Großalbanien.

    Als 1943 die deutsche Besatzung die italienische Besatzung ablöst, unterstellen sie sich der SS. Die Ballisten verfolgen und töten zahlreiche SerbenInnen, MontenegrinerInnen, Juden, Jüdinnen und Roma, die im Kosovo leben. Dadurch wird die Minderheitsposition der Serben im Kosovo verstärkt. (1939 lag der Bevölkerungsanteil der Kosovo-Albaner erst bei 6O% und der der Serben und anderen Minderheiten noch bei 4o%.)

    September bis Oktober 1944:

    Kommunistische Partisanen und die Rote Armee der Sowjetunion zwingen die deutschen Truppen zum Rückzug aus Jugoslawien. Am 22.1O.1944 wird Belgrad befreit, aber deutsche Truppen stehen zu dieser Zeit noch im Kosovo, in Bosnien, in Kroatien und in Slowenien.

    1945:

    Aus dem Partisanenkrieg gegen die Nazi-Besatzer sind zwei kommunistische Partisanenführer hervorgegangen, der Kroate Tito und der Albaner Enver Hodscha. Nach der Niederlage der Deutschen in Jugoslawien im Oktober 1944 übernehmen aber nicht die Tito-Partisanen im Kosovo die Macht, sondern die Ballisten, weil sie einen starken Rückhalt in der Bevölkerung haben. Tito stellt mit militärischer Unterstützung Enver Hodschas das Kosovo im Frühjahr 1945 unter die Militärverwaltung der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee. Erst im Juli 1945 sind die Ballisten besiegt. Die Militärverwaltung wird wieder aufgehoben. Die Ballisten kämpfen aber noch längere Zeit als Partisanen weiter.

    6.3.1945:

    Das "Nationalkomitee der Befreiung Jugoslawiens" beschließt, dass die aus dem Kosovo geflüchteten/vertriebenen Serben nicht dorthin zurückkehren dürfen. Dadurch sollen mögliche Racheakte vermieden werden, die die Idee der "Einheit und Brüderlichkeit" in Jugoslawien gefährden würden. Das Nationalkomitee will aber auch dem inzwischen ebenfalls von den kommunistischen Partisanen eroberten Albanien entgegenkommen, das für eine "Balkanföderation" (s.u.) gewonnen werden soll. Die von den Ballisten erzwungene albanische Mehrheitsposition im Kosovo bleibt also erhalten.

    1946:

    Tito plant eine Balkanföderation mit Albanien, Bulgarien und, wenn möglich, mit Griechenland. Das Hauptmotiv ist, alle ethnischen Konflikte zu entschärfen, speziell die Konfliktherde Kosovo und Mazedonien. Stalin sieht in der Balkanföderation jedoch eine Bedrohung des sowjetischen Führungsanspruchs im Ostblock und lehnt ab.

    30. 1. 1946:

    Verabschiedung der Verfassung Jugoslawiens. Sie teilt das Land in sechs Republiken (Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzogowina, Montenegro, Mazedonien) und zwei zur Republik Serbien gehörende autonome Gebiete (Vojvodina, Kosovo) ein.

    1946-1990:

    Albanien bleibt unter Enver Hodscha zunächst der Sowjetunion unter Stalin eng verbunden. Hodscha wirft Tito folgendes vor: a) Revisionismus, d.h. Verrat am Marxismus b) den Plan, Albanien mit Hilfe der Balkanföderation dominieren zu wollen. Umgekehrt hat Hodscha eine starke nationalistische Komponente, d.h. den Anspruch, alle Albaner, auch die des Kosovo, zu Albanien zu bringen. Später, nach Stalins Tod 1953, bezeichnet er auch dessen Nachfolger Chruschtschow als Revisionisten und wirft ihm vor, Albanien innerhalb des Ostblocks zum "Zitronenland" machen zu wollen, d.h. ohne Entwicklung der Industrie. Enver Hodscha schließt deshalb Albanien nach dem Abbruch der Beziehungen zur Sowjetunion (1961) an Mao Tse Tungs China der "Kulturrevolution" an. Als sich die chinesische Außenpolitik gegenüber den USA öffnet, und als nach Maos Tod (1976) seine innerparteilichen Gegenspieler an die Macht kommen, die (bis heute) in China den Kapitalismus restaurieren, zerbricht auch diese Verbindung. China zieht - wie zuvor die Sowjetunion - sofort seine Techniker aus Albanien ab. Eine erneute Wirtschaftskrise und die vollkommene außenpolitische Isolation Albaniens ist die Folge.

    1948:

    Jugoslawien wird aus dem Kominform ausgeschlossen. Tito versucht, das Kosovo-Problem mit wirtschaftlichen Mitteln zu lösen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es in Jugoslawien noch aus der Zeit vor 1918 ein starkes wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle gibt. In der Habsburger Zeit wurden Slowenien und Kroatien teilindustrialisiert. Im Süden Jugoslawiens herrscht dagegen die agrarische Subsistenzwirtschaft vor. Deshalb werden anfangs die Investitionen stark auf den Süden konzentriert.

    1949:

    Wegen der Wirtschaftblockade des Ostblocks schließt Tito mehrere Handelsabkommen mit westlichen Ländern ab.

    1950:

    Einführung des "Selbstverwaltungssozialismus" (ArbeiterInnenräte wählen u.a. die Betriebsleitung).

    1952:

    US-Finanz-und Militär-"hilfe" für Jugoslawien

    1953:

    Zehnjahresplan für die Landwirtschaft. U.a. wird die begonnene Kollektivierung der Landwirtschaft rückgängig gemacht.

    Im Kosovo liegt der Bevölkerungsanteil der Kosovo-Albaner jetzt bei 65%, der der Serben bei 24% . Andere Minderheiten machen 11% aus. 35% der Bevölkerung sind also keine Albaner.

    1954:

    Spannungen mit Albanien wegen des Kosovo.

    1956:

    Beginn der Politik der "Blockfreiheit" zusammen mit Ägypten (Nasser) und Indien (Nehru).

    1962:

    US-Kredite für Jugoslawien

    60er Jahre:

    65% des Geldes aus dem "Bundesentwicklungsfonds" Jugoslawiens, in den die wirtschaftlich stärkeren Republiken Slowenien und Kroatien einen Teil ihrer Einnahmen zur Förderung der unterentwickelten Gebiete einzahlen, fließen in das Kosovo.

    6oer und 7oer Jahre:

    Jugoslawien nimmt zwecks Industrialisierung zunehmend Kredite aus dem Westen auf. Das meiste Geld fließt nach Slowenien und Kroatien.

    Mitte 6oer Jahre:

    Wirtschaftskrise. Erste separatistische Kundgebungen in Kroatien und im Kosovo. Die Zusammenstöße zwischen Kosovo-Albanern und Serben im Kosovo nehmen zu.

    7oer Jahre:

    Steigender Lebensstandard durch weitere Aufnahme westlicher Kredite.

    1974:

    Eine neue Verfassung gibt allen sechs jugoslawischen Republiken größere politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit auf Kosten der Föderation und erweitert den Autonomiestatus der beiden autonomen Gebiete Serbiens (Kosovo und Vojvodina). Diese werden weitgehend gleichgestellt mit den Republiken, d.h. sie entsenden ihre Vertreter nicht mehr in das serbische Parlament, sondern in das gesamtjugoslawische Parlament. Sie erhalten weiterhin je einen Vertreter im neu eingerichteten Staatspräsidium, das dementsprechend acht Mitglieder hat, und ebenfalls je einen Vertreter in der Führung des BdKJ ("Bund der Kommunisten Jugoslawiens"), der einzigen zugelassenen Partei. Allerdings erhalten sie - im Unterschied zu den Republiken - nicht das Recht auf Lostrennung. Die Erweiterung der Autonomie beseitigt aber nicht die nationalistischen Tendenzen, die es im "Bund der Kommunisten des Kosovo" ebenso gibt wie in den Parteien der Republiken, sondern heizt sie an.

    Seit 1974:

    Kosovo-Albaner beginnen, massiven Druck auf Roma auszuüben (Drohungen, Zerstörungen, Prügel, Mordanschläge), damit sie sich zur kosovo-albanischen Seite bekennen.

    4. 5. 1980:

    Tod Titos. Ab jetzt regiert das (schon seit 1974 bestehende) Staatspräsidium, das aus je einem Vertreter der Republiken und der beiden autonomen Gebiete Serbiens besteht, und dessen Vorsitz jährlich wechselt. Beginn einer schweren Wirtschaftskrise.

    Neue Kredite sind wegen der bereits hohen Auslandsverschuldung nicht mehr erhältlich, obwohl Jugoslawien im Vergleich zu anderen - vor allem westlichen - Staaten nicht übermäßig verschuldet ist. Dennoch muss Jugoslawien 1980 dem IWF beitreten, erhöhte Schuldentilgungsraten akzeptieren und sich 1982 und 1987 neoliberalen sogenannten "Strukturanpassungen" des IWF unterwerfen, die die Privatisierung von selbstverwalteten vergesellschafteten Betrieben, Lohnstop und Massenentlassungen beinhalten. Dadurch verschärfen sich die Armut und die Konkurrenz in der Bevölkerung.

    März 1981:

    Bei einer Demonstration kosovo-albanischer StudentenInnen der Universität Pristina wegen schlechten Mensaessens werden mehrere Milizionäre schwer verletzt. Daraufhin setzt die Miliz Schusswaffen ein. In den darauf folgenden Wochen entwickeln sich im gesamten Kosovo militante Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es gibt nach staatlichen Angaben 9 Tote und 257 Verletzte, nach Angaben der kosovo-albanischen Seite 200 Tote.

    Forderung von Kosovo-Albanern nach dem Republikstatus anstelle des Status eines autonomen Gebiets der Teilrepublik Serbien. Die serbische Bevölkerung im Kosovo beginnt, sich gegen ihre Diskriminierung durch Kosovo-Albaner aufzulehnen.

    2. 4. 1981

    Die jugoslawische Regierung verhängt im Kosovo für 3 Monate den Ausnahmezustand und setzt die Armee ein. Präsident Jugoslawiens ist zu dieser Zeit der Vertreter der Teilrepublik Bosnien-Herzogowina.

    1981:

    Der Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und spätere Außenminister Kinkel (FDP) entsendet über 100 Agenten nach Jugoslawien, um das Land zu destabilisieren. Danach: Weitere nationalistische Radikalisierung.

    1982:

    Gründung der LSRHJ ("Bewegung für die albanische Republik Jugoslawiens"), die sich am Albanien Enver Hodschas orientiert und Morde und Bombenattentate verübt. Harte Reaktion der Regierung (Verhaftungen, Ermordung zweier nationalistischer Aktivisten).

    1984:

    Trotz der Blockfreiheit Jugoslawiens und trotz seiner umfangreichen Handelsbeziehungen zur EG und zu den USA nimmt die Reagan-Regierung in den USA in einer geheimen Direktive ("National Security Decision Directive / NSDD 133") mit dem Titel "Die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Jugoslawien" die jugoslawische Wirtschaft ins Visier. Eine zensierte Version von NSDD 133, die 1990 freigegeben wird, bezieht sich auf eine frühere Direktive (NSDD 54) für Osteuropa, die 1982 veröffentlicht worden war, und führt diese näher aus. NSDD 54 befürwortete "gesteigerte Anstrengungen zur Förderung einer stillen Revolution, um die kommunistischen Regierungen und Parteien zu Fall zu bringen." Gleichzeitig sollten die Länder Osteuropas in eine marktorientierte Weltwirtschaft zurückgeführt werden. (Von einer Zersplitterung Jugoslawiens ist in den Direktiven allerdings keine Rede. Dessen territoriale Integrität soll aus der Sicht der USA offenbar erhalten bleiben.)

    11. 4. 1985:

    Tod Enver Hodschas

    1985:

    Die LSRHJ benennt sich in LRPK ("Bewegung für die Volksrepublik Kosovo") um und kämpft jetzt für die Separierung des Kosovo. In der Namengebung spiegelt sich ihre proenveristische und anti-jugoslawische Einstellung wieder.

    24. 09. 1986:

    Die serbische "Akademie der Wissenschaft und Künste" erstellt ein Memorandum, das nach allgemein verbreiteter westlicher Auffassung als geistiger Urheber Großserbiens und Auslöser der neuen Balkankriege gilt. Das Memorandum wird am 24. und 15.09.86 in einer belgrader Zeitung der Öffentlichkeit präsentiert. Es verursacht in den kommunistischen Reihen quer durch das Land helle Empörung. Zu jenen, die das als Dokument vorgestellte Schriftstück wegen seiner "anti-jugoslawischen Agitation" scharf verurteilen, gehört Slobodan Milosevic.

    1987:

    Massenstreiks und -demonstrationen in Jugoslawien gegen Lohnstop und Entlassungen (als Folge der IWF-Auflagen).

    Juni/Juli 1987:

    Anschläge kosovo-albanischer Separatisten auf serbische Klöster, Kirchen, Friedhöfe, auf Getreidevorräte und Viehbestände von Kosovo-Serben. (Le Monde, Frankfurter Allgemeine Zeitung). Zahlreiche Serben und Montenegriner verlassen das Kosovo. In den 80er Jahren sind es insgesamt ca. 200.000 Ende 1987 ist bereits mehr als die Hälfte aller Dörfer im Kosovo ohne serbische BewohnerInnen, so dass große "ethnisch reine" kosovo-albanische Gebiete entstehen. Die Verdrängung durch Kosovo-Albaner führt bei noch zurückgebliebenen Serben zur Radikalisierung. Sie vertreiben ihrerseits Kosovo-Albaner aus überwiegend serbischen Dörfern, sodass kleine "ethnisch reine" serbische Enklaven entstehen. Wirtschaftliche Rückständigkeit und hohe Arbeitslosigkeit sind die Hauptursachen für die Eskalierung des nationalen Konflikts (Neue Züricher Zeitung, 1987).

    Juni 1987:

    Der "Bund der Kommunisten" fordert die vertriebenen Serben auf, in das Kosovo zurückzukehren. Die serbische Regierung verstärkt ihre nationalistische Propaganda, um von der Wirtschaftskrise abzulenken, um dem kosovo-albanischen Separatismus entgegenzutreten und um trotz des Rückgangs des serbischen Bevölkerungsanteils nicht die Kontrolle über das Kosovo zu verlieren.

    September 1987:

    Milosevic wird Vorsitzender des "Bundes der Kommunisten Serbiens".

    1988:

    Slowenien und Kroatien wollen den armen Süden nicht mehr mitfinanzieren und zahlen nichts mehr in den "Bundesentwicklungsfonds" ein. Hauptbetroffener ist das Kosovo. Auch bei Entlassungen in Slowenien und Kroatien werden zuerst die Wanderarbeiter aus dem Süden Jugoslawiens entlassen.

    Während die beiden nördlichen Republiken sich separieren wollen, um in die EG hineinzukommen, versucht die jugoslawische Regierung, den Staat zusammenzuhalten und ihn als Ganzes in die EG zu integrieren. Auf diese Weise sollen auch Serbien und der Süden Jugoslawiens (also auch das Kosovo) eine Chance erhalten, am europäischen Markt teilzuhaben, denn für ein armes "Restjugoslawien" (d.h. ohne Slowenien und Kroatien) gibt es kaum eine Aussicht, in die EG aufgenommen zu werden. Aus diesem Grund setzt sich Milosevic dafür ein, jede Art von Separatismus mit Gewalt zu unterdrücken. Deshalb führt das serbische Parlament ein Jahr später, im März 1989, die Rechte der autonomen Gebiete Kosovo und Vojvodina wieder auf den Stand von vor 1974 zurück - als Reaktion auf den dortigen Separatismus. Das Motiv ist, dass sich das Kosovo und die Vojvodina nicht als unabhängig erklären können sollen. (Vgl. dazu 23. 3. 1989). Deutschland (Außenminister Genscher) drängt indes Slowenien und Kroatien dazu, eigene Staaten zu gründen und dafür auch militärische Kämpfe mit der gesamtjugoslawischen Armee in Kauf zu nehmen. (Genscher 1991 zur kroatischen Regierung: "Mit jedem Schuss rückt die Unabhängigkeit näher.") 1991 beschließen alle Parteien mit Ausnahme der PDS, Slowenien und Kroatien zur Not auch im Alleingang ohne die anderen europäischen Staaten zu Weihnachten 1991 als souveräne Staaten anzuerkennen. ("Die Grünen" spielen dabei übrigens eine Vorreiterrolle, indem sie bereits im Frühjahr 1991 die Anerkennung fordern, also noch einige Monate früher als Genscher!). Damit beginnt die Zerlegung Jugoslawiens, eines Staates, der nach dem 1.Weltkrieg auf französisches und englisches Drängen hin neben Polen und der Tschechoslowakei neu gegründet worden war, um Deutschland mit einem Zweifrontenkrieg drohen zu können, falls es wie 1870 und 1914 einen Krieg gegen Frankreich anzettelt bzw. wenn es nach einer Vormachtstellung auf dem europäischen Kontinent strebt. Insofern ist es das erste Ziel Deutschlands nach seiner Wiedervereinigung, die Versailler Friedensordnung von 1919 zu beseitigen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz sagt später (1991) vor Managern und Generälen: Nach der Überwindung der wichtigsten Folgen des Zweiten Weltkriegs (gemeint sein dürfte vor allem die Spaltung Deutschlands) "sind wir heute damit befasst, noch die Folgen des Ersten Weltkriegs zu bewältigen." Denn: "Jugoslawien ist als Folge des ersten Weltkrieges eine sehr künstliche, mit dem Selbstbestimmungsgedanken nie vereinbar gewesene Konstruktion." Scholz forderte daher, die Abspaltungen der Teilrepubliken von Jugoslawien anzuerkennen. Deutschland steht damit in der außenpolitischen Tradition des Dritten Reiches, das die Versailler Ordnung als Hemmschuh für Deutschlands zweiten "Griff nach der Weltmacht" (nach dem ersten Versuch im Jahr 1914) ansah. Auch in der Anerkennungspolitik gegenüber nationalen "Befreiungs"bewegungen wird diese Tradition fortgesetzt. (Himmler 1940: "Bei der Behandlung von Fremdvölkischen im Osten müssen wir darauf sehen, so viel wie möglich einzelne Völkerschaften anzuerkennen (...) Ich will damit sagen, dass wir nicht nur das größte Interesse daran haben, die Bevölkerung des Ostens nicht zu einigen, sondern im Gegenteil in möglichst viele Teile und Splitter zu zergliedern.")

    Herbst 1988:

    Absetzung und Verhaftung des Parteichefs des "Bundes der Kommunisten des Kosovo", Azem Vllasi und seiner Stellvertreterin Kaquska Jashari. Vorwurf: Nationalismus.

    Politische Provokationen weiterer kosovo-albanischer Führer, die ausschließlich ethnisch-national argumentieren, verschärfen den Konflikt.

    1. 3. 1989:

    Generalstreik und gewaltsame Zusammenstöße im Kosovo. Verhängung des Ausnahmezustands.

    23. 3. 1989:

    Änderung der Verfassung Serbiens. Die Rechte der autonomen Gebiete Serbiens (Vojvodina, Kosovo) werden aber nicht beseitigt, sondern nur auf das Niveau von vor 1974 zurückgeführt, d.h. die Autonomie wird nicht beseitigt, sondern nur die weitgehende Gleichstellung der autonomen Gebiete mit den Republiken wird rückgängig gemacht. Sie behalten aber weiterhin das Recht auf albanischsprachigen Unterricht, Theater usw. Im März 1999, also kurz vor Beginn des NATO-Angriffs auf Jugoslawien, gibt es im Kosovo 52 albaalbanischsprachige Zeitungen und Zeitschriften, die nicht behindert werden und die z.T. sogar Aufrufe der UCK veröffentlichen, sich dem Kampf gegen die "serbischen Okkupanten" anzuschließen. (Zum Motiv für die Statusänderung der beiden autonomen Gebiete vgl. "1988".) Massenproteste der Kosovo-Albaner gegen die Verfassungsänderung werden gewaltsam niedergeschlagen.

    2. 5. 1989:

    Beginn der Auflösung des sog. "Ostblocks"

    (Grenzöffnung zwischen Ungarn und Österreich).

    Mai 1989:

    Das serbische Parlament wählt Milosevic zum Vorsitzenden des Präsidiums der serbischen Teilrepublik.

    28. 6. 1989:

    Amselfeldgedenktag der serbischen Nationalisten: Marsch von 1 Million Serben in das Kosovo zum 600. Gedenktag an die Schlacht von Kosovo Polje (Amselfeld) gegen die Türken, um den serbischen Anspruch auf das Gebiet zu demonstrieren. In einer von westlichen Medien als "chauvinistisch" und "nationalistisch" bewerteten Rede betont Milosevic jedoch mehrfach, dass Jugoslawien ein multiethnischer Staat sei, dass er dies als einen Vorzug ansehe und dass dies so bleiben solle. Der Sozialismus könne eine Trennung nach Nationalitäten und Religionen nicht erlauben. Grundlage sei die völlige Gleichberechtigung der in Jugoslawien lebenden Nationen.

    1990:

    Albanien beginnt sich am Westen zu orientieren und den Kapitalismus wieder einzuführen.

    Januar 1990:

    Die von IWF und Weltbank erzwungenen neoliberalen Wirtschaftsreformen in Jugoslawien erreichen unter der US-freundlichen jugoslawischen Bundesregierung (Ministerpräsident: Markovic) ihren Höhepunkt. U.a. müssen Steuergelder, die eigentlich als Ausgleichsgelder für die ärmeren Teilrepubliken und autonomen Gebiete bestimmt sind, zur Schuldentilgung bei Pariser und Londoner Kreditgebern verwendet werden. Die Ausgleichszahlungen werden deshalb auf Druck des IWF hin eingestellt. Besonders betroffen ist erneut das Kosovo. Die politische Zersplitterung in Jugoslawien vertieft sich, und der Sezessionismus in den Republiken und in den autonomen Gebieten greift immer weiter um sich. Alle jugoslawischen Republiken weisen das neoliberale Sparprogramm von Markovic zurück, was zu einem Spontanstreik von 650.000 ArbeiterInnen in ganz Jugoslawien gegen Markovic führt. Dabei spielt die sog. ethnische Zugehörigkeit keine Rolle. Die Zersplitterung dieser gemeinsamen Front in möglichst viele nationale Gruppen und Grüppchen wird deshalb zu einem Hauptanliegen des Westens.

    April/Mai 1990:

    In Slowenien und Kroatien finden die ersten Mehrparteienwahlen statt, im gleichen Jahr auch in Mazedonien und in Bosnien-Herzogowina. Die Wirtschaftspolitik spielt im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Die verbündeten nationalistisch - separatistischen Parteien gewinnen die Wahlen. Nur in Serbien und Montenegro gewinnen die sozialistischen Parteien. Aus der Sicht der NATO-Länder bleibt dadurch trotz der beginnenden Auflösung Jugoslawiens ein "weißer Fleck", ein "Störfaktor" auf dem Balkan erhalten, den es zu beseitigen gilt.

    Im Kosovo kommt es zu einem scharfen Konflikt um das Schulwesen. Nachdem die Kosovo-Albaner seit 1974 die bestimmende Kraft im Gebiet geworden sind, werden an den Schulen zunehmend Lehrpläne und Schulbücher aus dem Nachbarstaat Albanien (!) eingesetzt. 199O verlangt die serbische Regierung, dass dies rückgängig gemacht wird und wieder nach staatlichen Lehrplänen und mit staatlichen albanischsprachigen Lehrbüchern unterrichtet wird. Dies bedeutet keine sprachliche Unterdrückung. Die Unterrichtssprache ist albanisch, wo es mehrheitlich kosovo-albanische Kinder gibt, und sie ist - seltener - serbokroatisch, wo es mehrheitlich serbische Kinder gibt. Albanisch gibt es für serbokroatisch sprechende Kinder als Angebot. Serbokroatisch ist dagegen festes Unterrichtsfach für albanischsprachige Kinder. Dieses Fach wird jedoch seit 1974 zunehmend boykottiert. Deshalb haben AbsolventenInnen der albanisch- sprachigen Universität von Pristina, die in den 70er Jahren mit großem finanziellen Aufwand zur größten Universität Jugoslawiens ausgebaut wurde, in anderen Teilen Jugoslawiens verminderte Berufsaussichten, weil ihnen die sprachliche Kompetenz fehlt, was z.B. für JuristenInnen unabdingbar ist. Es kommt zu Unruhen.

    26. 6. 1990:

    Das serbische Parlament löst das Parlament und die Regierung des Kosovo auf.

    2. 7. 1990:

    Die kosovo-albanischen Abgeordneten erklären ihre Abspaltung von Serbien.

    5. 7. 1990:

    Das serbische Parlament erklärt die Abspaltung für nichtig. Einführung einer Zwangsverwaltung für das Kosovo.

    9. 12. 1990:

    Milosevic wird durch allgemeine Wahlen in Serbien zum Präsidenten der jugoslawischen Teilrepublik Serbien gewählt.

    25. 6. 1991:

    Kroatien und Slowenien erklären ihre Abspaltung.

    15. 9. 1991:

    Mazedonien erklärt ebenfalls seine Abspaltung.

    30. 9. 1991:

    Nach einer geheimen Volksabstimmung wird eine "Republik Kosovo" ausgerufen. Sie wird aber nur von Albanien anerkannt. Die serbische Regierung erklärt die Volksabstimmung für illegal.

    15. 10. 1991:

    Bosnien-Herzogowina erklärt seine Abspaltung.

    19. 12. 1991:

    Die ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Kroatien und Slowenien werden von Deutschland im Alleingang als Staaten völkerrechtlich anerkannt, trotz der Warnungen der anderen europäischen Staaten vor den unabsehbaren Folgen. Jugoslawien ist damit zerbrochen.

    1992:

    Wegen der Abspaltung Sloweniens und Kroatiens und wegen des Wirtschaftsembargos des Westens (seit dem 30. 05. 92) gegen das nunmehrige "Restjugoslawien" verringert sich die gesamtwirtschaftliche Produktion Serbiens um 55%. Die offizielle Arbeitslosenquote im Kosovo steigt auf 60%.

    27. 4. 92:

    Proklamierung der "Bundesrepublik Jugoslawien" anstelle der bisherigen "Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien". Sie besteht aus Serbien mit seinen beiden autonomen Regionen Kosovo und Vojvodina und aus Montenegro.

    1992:

    Ein US-Industrieller serbischer Herkunft, Milan Panic, wird vom Bundesparlament zum Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien gewählt.

    24. 5. 1992:

    Unter Missachtung der gültigen Verfassung und unter Ausschluss der anderen "nationalen Gemeinschaften" des Kosovo wählen die Kosovo-Albaner ein Parlament und einen Präsidenten, den Schriftsteller Rugova. Er gilt als gemäßigter Nationalist und später als Gegenspieler des ultranationalistischen UCK-Führers, Demaci. (Demaci verliert allerdings Anfang 1999 sein Amt an den USA-freundlichen UCK-Führer Thaci.) Die serbische Regierung erklärt die Wahl Rugovas zwar für illegal, geht aber weder gegen das kosovo-albanische Parlament noch gegen Rugova vor und toleriert damit faktisch dessen Schattenregierung. Dadurch scheint das Kosovo-Problem seiner Lösung einen Schritt näher zu kommen.

    Danach: Boykott aller jugoslawischen staatlichen Einrichtungen im Kosovo. Dazu gehören auch - wie schon zuvor - die staatlichen Lehrpläne und Schulbücher und die Wahlen zum serbischen und zum Bundesparlament.

    Ende 1992:

    Formierung einer sogenannten Befreiungsarmee des Kosovo, der UCK. Viele arbeitslose junge Männer treten in sie ein. In der UCK entwickeln sich drei Fraktionen: Eine national-kommunistische, eine faschistische und eine fundamentalistische. Dominierend sind die National-Kommunisten, ehemalige Anhänger Enver Hodschas, die ab 1992 beim Aufbau der UCK in Deutschland und in der Schweiz maßgebend sind. Die faschistische Strömung sitzt vor allem in den USA. Es sind ehemalige Nazi-Kollaborateure und Angehörige der SS-Division "Skanderbeg", die 1947 mit Hilfe der USA dorthin geflüchtet waren. (Skanderbeg lebte um 1450 und gilt als albanischer Nationalheld.) Die fundamentalistische Strömung wird vom Iran und von Afghanistan finanziert.

    1993:

    Die LRPK benennt sich in LPK ("Volksbewegung des Kosovo") um.

    1995:

    Bis zu diesem Zeitpunkt gilt das Kosovo-Problem für den Westen als inneres Problem Serbiens. Es finden "intensive Gespräche" und "perspektivische Überlegungen zwischen albanischen und serbischen Kreisen darüber, wie man weiterkommen könnte" (Willy Wimmer, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung der OSZE-Staaten) statt.

    14. 12. 1995:

    Unterzeichnung des vom Westen erzwungenen Abkommens von Dayton: Bosnien-Herzogowina bleibt als Staat mit gemeinsamer Präsidentschaft, Parlament, Regierung und Zentralbank erhalten und wird im Verhältnis von 51 zu 49 zwischen der moslemisch-kroatischen Föderation und der Republik Srpska aufgeteilt. Ein von der EU ernannter "Hoher Repräsentant" hat diktatorische Vollmachten, indem er z.B. gewählte Bürgermeister oder (im März 1999) sogar den gerade gewählten Präsidenten der Republik Srpska, Poplasen, aus den Ämtern werfen kann. Die Zentralbank wird von einem Vertreter des IWF geleitet. (Nach einer Auflage des IWF darf der Chef der Zentralbank kein Bosnier sein.) Milosevic gilt bei vielen bosnischen Serben als "Verräter" an der serbischen Sache, weil er die Unterschrift ihrer Repräsentanten unter das Abkommen von Dayton durch den Abbruch der Beziehungen erzwingt. Im Westen gilt Milosevic zu dieser Zeit dagegen als realistischer, kompromissbereiter Politiker. Der Sicherheitsrat der UNO hebt daraufhin die Sanktionen gegen Jugoslawien auf. Dagegen lösen die USA ihre Zusage an Milosevic nicht ein, dass die Bundesrepublik Jugoslawien den Sitz der ehemaligen "Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien" in der UNO erhält und Kredite bekommt, falls er die bosnischen Serben zur Unterschrift unter Dayton bewegt. Die USA machen plötzlich beides davon abhängig, dass es zu einer "inneren Demokratisierung" (wie sie sie verstehen) kommt und dass das Kosovo-Problem (in ihrem Sinn) gelöst wird. Ein Bericht der CIA definiert die "innere Demokratisierung" als Ausschaltung der Sozialistischen Partei. Die USA verhängen Wirtschaftssanktionen gegen Serbien, die auch das Kosovo treffen.

    1993-1996:

    Die UCK baut ihre Strukturen auf,mit den LPK-Kämpfern als hartem Kern und mit einer doppelten Führung,einer in Pristina und einer in der Schweiz.

    1996:

    Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) beginnt unter Beteiligung der Bundeswehr in der BRD mit der verdeckten Unterstützung und Ausbildung der UCK. (Der BND behält seine dominierende Stellung bei der UCK bis zum Jahreswechsel 1998/99,verliert sie dann aber an die CIA).

    11. 2. 1996:

    Die UCK verübt Bombenattentate in fünf Lagern von serbischen Flüchtlingen aus Bosnien und der Kraina. Sie tritt mit dem Bekenntnis zu den Terroranschlägen erstmals an die Öffentlichkeit.

    April 1996:

    Die UCK tötet in Decani acht serbische Polizisten in Zivil. Dies hat für viele Serben einen Symbolwert, weil die Ballisten ihren Sitz in Decani hatten.

    21. 4. 1996:

    Bei Unruhen in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, werden fünf Serben und ein Albaner getötet. Die UCK bekennt sich zu den antiserbischen Gewaltakten.

    12. 7. 1996:

    Der deutsche Außenminister Kinkel (FDP) trifft sich in Bonn mit Rugova.

    1996:

    Das jugoslawische Bundesparlament wählt Milosevic zum Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien.

    1997:

    Die UCK verübt 14 Attentate und liquidiert auch kosovo-albanische "Verräter". Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) liefern der UCK Funkgeräte und Überwachungstechnik. Später beteiligen sich auch die USA an der Ausrüstung der UCK und bilden sie militärisch aus. Dabei wird die Söldnerfirma "Militär und Professionelle Ressourcen International" (MIPRI) eingeschaltet. Sie wird von ehemaligen US-Offizieren geleitet, die mit halboffizieller Zustimmung aus dem Pentagon operieren und bereits während des Kriegs in Bosnien eine Schlüsselrolle beim Aufbau der kroatischen Armee spielten. Die UCK gründet den Verein Vendlindja Therret ("Das Vaterland ruft dich"). Er sammelt Spendengelder aus der ganzen Welt auf einem Konto der "Alternativen Bank" in Olten (Schweiz). 1998 sperrt die schweizer Justiz dieses Konto. Das Geld wird von da an bar und in Koffern transportiert.

    8. 4. 1997:

    Der in Bonn residierende "Ministerpräsident" der "Übergangsregierung" des Kosovo, Bukoshi, äußert in einem Inteview: "Die Albaner sind ein Volk, das nichts (!) mit den anderen slawischen Völkern gemein hat." (Der Hintergrund ist, dass sich viele Albaner für Nachkommen der indogermanischen Illyrer halten.)

    April 1997:

    In Albanien brechen die "Pyramiden-Banken" zusammen ("Pyramiden": Spekulative Geldspiele). Der größte Teil der Bevölkerung verliert sämtliche Ersparnisse. Während des darauf folgenden Aufruhrs gegen die Regierung Berisha werden die staatlichen Waffenarsenale geplündert. Die meisten Waffen werden zur UCK in das Kosovo verschoben. Durch den Aufstand wird der autoritär regierende Präsident Berisha gestürzt. Während seiner Präsidentschaft hatte Deutschland damit begonnen, an Albanien "Militär- und Polizeihilfe" zu leisten und beim Aufbau des Geheimdienstes mitzuwirken. Die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU unterstützte ihn mit der Ausarbeitung eines auf ihn zugeschnittenen Wahlrechts. (Diese Stiftung hat ebenso wie die Hanns-Seidel-Stiftung der CSU eine Niederlassung in Tirana.) Nach seinem Sturz zieht sich Sali Berisha mit seinen Anhängern nach Nordalbanien zurück, das zum neuen Hauptaufmarschgebiet der UCK wird. Berisha verschafft sich durch die Destabilisierung des Kosovo, durch das Anheizen des großalbanischen Nationalismus und durch Gewinne aus dem Waffenhandel eine Ausgangsposition für die erhoffte Rückkehr an die Macht.

    Ende Dezember 1997:

    US-Außenminister Cohen besucht die Regierung Mazedoniens. Ziel: Die Errichtung einer Basis für NATO-Kampftruppen. Damit beginnt die "heiße" Phase der Planung für den Jugoslawien-Krieg.

    Januar 1998:

    Die UCK kündigt die Ausdehnung ihres Kampfes auch auf Mazedonien an. Das Ziel ist damit offenkundig: Die Schaffung eines "ethnisch reinen" Großalbaniens.

    Februar 1998:

    Die UCK beginnt ihre erste Großoffensive im Kosovo. In eroberten Dörfern verbietet sie alle politischen Parteien und geht gewaltsam gegen die Minderheiten der Serben, Roma und Goranen (islamisierte Mazedonier) vor. Sie greift zunehmend auch Rugova, seine LDK ("Demokratische Liga des Kosovo") und das Kosovo-Parlament an.

    Ende Februar 1998:

    Der US-Sondergesandte, Botschafter Gelbard, bezeichnet die UCK als "terroristische Organisation". Wenn die UCK nicht sofort mit ihren Überfällen auf die serbische Polizei aufhöre, werde er dafür sorgen, dass sie auf die Liste der internationalen Terrororganisationen gesetzt werde. Die UCK kommt jedoch nicht auf die Liste, stattdessen wird Gelbard abgelöst.

    März 1998:

    Die Polizei versucht zum wiederholten Mal, den bereits vor einigen Jahren wegen Polizistenmordes verurteilten Adem Jashari festzunehmen, der Oberhaupt des in Drogen- und Waffengeschäfte verwickelten Jashari-Clans ist. Vorhergegangene Versuche, die sich über Jahre hinstreckten, waren gescheitert, weil Jashari immer auf die Polizei schießen ließ, wenn sie sich seinem Haus näherte. Beim Sturm auf sein Anwesen am 4.3.1998 werden bei den Kämpfen 80 Menschen getötet, vorwiegend Mitglieder des weitverzweigten Clans Jasharis. Es folgt ein überraschender Aufstand im Kosovo, bei dem die UCK eine Kette schneller militärischer Erfolge erringt. Die "befreiten Gebiete" dehnen sich rasch aus. Bei den Gegenangriffen gegen die UCK, die immer moderner bewaffnet ist, setzen die serbischen Kräfte auch schwere Waffen ein. Bei den Kämpfen werden Terroristen, Polizisten und Zivilisten getötet. Eine Kampftaktik der UCK besteht darin, die Polizei zu überfallen und sich danach in ein Dorf zurückzuziehen. Die Eroberung dieser Dörfer wird dann von den westlichen Medien als brutales Vorgehen gegen friedliche Bauern dargestellt. Es kommt zu Massendemonstrationen, auf denen die Separierung des Kosovo gefordert wird.

    31. 3. 1998:

    Nachdem Holbrooke bereits zuvor die Mitgliedsländer der "Kontaktgruppe" aufgefordert hat, die Geldsammlungen der UCK in ihren Ländern zu verbieten, beschließt die UNO die Resolution 1160, die "alle terroristischen Aktionen der UCK, einer anderen Gruppierung oder einer Einzelperson und jegliche Unterstützung von außen für die terroristischen Aktivitäten im Kosovo, einschließlich Geldmitteln, Waffen und Ausbildung" verurteilt. Dennoch sammelt die UCK auf Bankkonten in Deutschland weiterhin ganz offen Geld, das für Waffenkäufe verwendet wird, ohne dass die deutsche Bundesregierung dagegen vorgeht. Die in Deutschland lebenden 400.000 Kosovo-Albaner sollen 3% ihres Einkommens oder ihrer Sozialhilfe an die seit 1993 in Bonn residierende Bukoshi-"Regierung" abführen, die unter dem Schutz der Bundesregierung steht. Die aus illegalen Geschäften stammenden und von Deutschland aus in das Kosovo oder nach Albanien transferierten Gelder sollen bei einer Milliarde DM jährlich liegen. Mit Hilfe von z.B. albanischen Reisebüros, die weniger Tickets verkaufen als als Geldsammelstellen dienen, und mit Hilfe eines illegalen Untergrundnetzes von "Schattenbanken" werden die Beträge auf ein Pool-Konto gezahlt und von Kurieren bar aus dem Land geschafft. Zahlreiche Transaktionen landen bei Firmen, die mit Militärgerät handeln (Frankfurter Rundschau 16.6.99). Es werden auch offen Kämpfer für die UCK rekrutiert. Die deutsche Bundesregierung schließt am Wochenende vor Kriegsbeginn erstmals deutsche Konten mit UCK-Geldern. (Dagegen sind Geldsammlungen beispielsweise für die kurdische PKK als "Schutzgelderpressung" verboten und werden strafrechtlich verfolgt, von Rekrutierungen ganz zu schweigen.) UCK-Kämpfer erhalten nach Auskunft des OSZE-Büros in Tirana (Albanien) monatlich 1.000 DM Sold, das Zehnfache eines durchschnittlichen Monatslohns in Albanien.

    23. 4. 98:

    Volksabstimmung in Serbien über die Frage einer "internationalen Vermittlung" im Kosovo-Konflikt. 73% der Wahlberechtigten beteiligen sich, davon lehnen 95% eine derartige Vermittlung ab.

    15. 5. 1998:

    Milosevic und Rugova sprechen sich bei einem Treffen für eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts aus.

    Mitte 1998:

    Die NATO geht von der seit Mitte der 90er Jahre üblichen "verdeckten" Unterstützung und Ausbildung der UCK zur "offenen" (offiziellen) Unterstützung durch die CIA und den BND über, unter Verletzung der UNO-Resolution 1160 vom März des Jahres.

    Nach einer (späteren) Information des US-Verteidigungsministeriums finden die "ersten Kontakte" der NATO zur UCK statt. "Die Leute (bei der NATO) waren zu der Erkenntnis gelangt, dass wir (die NATO) die UCK in diesen Prozess einbinden müssen, weil sie zumindest die Fähigkeit gezeigt habe, jede Vereinbarung abzulehnen, die dort mit den existierenden Kosovo-Parteien getroffen würde. So mussten sie irgendwie eingebracht werden, und das ist der Grund, warum wir einige erste Kontakte mit der Gruppe dort geknüpft haben, hoffentlich mit den richtigen Leuten in der Gruppe, um sie auf die Probe zu stellen und sie in diesen Verhandlungsprozess einzubringen." (US-Verteidigungsministerium, Hintergrundinformationen, 15. Juli 1998)

    Sommer 1998:

    Gegenoffensive der serbischen Polizei und der jugoslawischen Armee gegen die UCK. Dorf um Dorf wird zurückerobert. Folge der Kämpfe zwischen serbischer Armee und UCK: 800 Tote. 150.000 Kosovo-Albaner und Serben und andere fliehen aus den Kampfgebieten.

    Die USA versuchen, eine eigene Untergrundarmee als Konkurrenz zur UCK aufzubauen, die "Streitkraft der Republik Kosovo" (FARK).

    18. 9. 1998:

    Die UCK ermordet in Tirana (Albanien) den Armeechef der FARK. Nach dem Fehlschlag mit der FARK entschließen sich die USA, die UCK zu "amerikanisieren".

    24. 9. 1998:

    Resolution des UN-Sicherheitsrats, der "die Regierung in Belgrad und die Führung der Kosovaren auffordert, dringend ohne Vorbedingungen in einen sinnvollen Dialog über die Probleme des politischen Status einzutreten." Belgrad wird außerdem aufgefordert, seine Truppen aus dem Kosovo abzuziehen.

    Herbst 1998:

    Jugoslawien wirft der UCK die Ermordung von 22 Serben in einem serbischen Dorf im Kosovo vor.

    Einsatz von Truppen.

    6. 10. 1998:

    Beschluss der NATO über mögliche Luftangriffe auf Jugoslawien, falls dieses die Forderungen der NATO nicht erfüllt.

    13. 10. 1998:

    Abkommen zwischen Milosevic und Holbrooke. Jugoslawien zieht vereinbarungsgemäß seine bewaffneten Kräfte teilweise aus dem Kosovo zurück. (Die OSZE bestätigt im November die Reduzierung der Truppen auf den Stand vor der Offensive.) Die UCK rückt jedoch in die von den Serben geräumten Stellungen ein und provoziert neue Kämpfe. Dabei nimmt sie auch Führungskräfte von Rugovas LDK gefangen.

    Einrichtung einer Überwachungskommission der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE), die die Befolgung der UN-Resolutionen 1160 und 1199 sicherstellen soll. Leiter wird William Walker, US-Diplomat und "Spezialist" für Süd- und Mittelamerika. In der Amtszeit des US-Präsidenten Reagan war er in den "Iran-Contragate-Skandal" verwickelt. (Nikaraguanische "Contras" bekämpften die sandinistische Regierung und finanzierten ihre Waffenkäufe mit Hilfe der CIA bei dem von den USA als "Schurkenstaat" bezeichnete Iran). Später wurde William Walker US-Botschafter in El Salvador. Während seines Aufenthaltes entstanden dort die "Todesschwadronen". Als Leiter der OSZE-Beobachtertruppe "Kosova Verification Mission" (KVM) im Kosovo unterhält Walker enge Verbindungen zum militärischen Kommando der UCK.

    Die vor den Kämpfen zwischen UCK und jugoslawischer Armee geflohenen Kosovo-Albaner kehren nach dem Holbrooke-Milosevic-Abkommen laut Angaben der OSZE in ihre Wohnorte zurück.

    29. 10. 1998:

    Aus einem Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs über einen Asylantrag: "Die den Klägern in der Ladung zur mündlichen Verhandlung angegebenen Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 6.Mai, 8.Juni und 13.Juli 1998 lassen einen Rückschluss auf eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner aus dem Kosovo nicht zu. Nicht einmal eine regionale Gruppenverfolgung, die allen ethnischen Albanern aus einem bestimmten Teilgebiet des Kosovo gilt, lässt sich mit hinreichender Sicherheit feststellen. Das gewaltsame Vorgehen des jugoslawischen Militärs und der Polizei seit Februar 1998 bezog sich auf separatistische Aktivitäten und ist kein Beleg für eine Verfolgung der gesamten ethnischen Gruppe der Albaner aus dem Kosovo oder einem Teilgebiet desselben. Es handelt sich bei den jugoslawischen Gewaltaktionen und Gewaltexzessen seit Februar 1998 um ein selektives gewaltsames Vorgehen gegen die militärische Untergrundbewegung (insbesondere der UCK) und deren Umfeld in deren Operationsgebieten. Ein staatliches Verfolgungsprogramm, das sich auf die gesamte ethnische Gruppe der Albaner bezieht, besteht nach wie vor nicht."

    18. 11. 1998:

    Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes in Bonn: "Im Kosovo selbst hat sich die schwierige humanitäre Situation etwas entspannt. Die Rahmenbedingungen für die Versorgung von Bedürftigen haben sich verbessert. (...) Die Kampfhandlungen im Kosovo werden von beiden Seiten mit militärischen Mitteln geführt, wobei auf serbisch-jugoslawischer Seite die Sicherheitskräfte bei der Einnahme von Ortschaften auch mit schweren Waffen vorgingen. Beim Einzug der serbischen Sicherheitskräfte in (von der UCK) zurückeroberte Ortschaften kam es zu Übergriffen gegen dort verbliebene Bewohner. Die durch die Presse wiederholt gemeldeten "Massaker" und Meldungen über "Massengräber" trugen zur Beunruhigung der Flüchtlinge bei, konnten jedoch durch internationale Beobachter bisher nicht bestätigt werden."

    22. 11. 1998:

    Als weiteres Ergebnis der Verhandlungen zwischen Milosevic und Holbrooke unterbreitet der serbische Präsident Milutinovic nach Verhandlungen mit Rugova ein Rahmenabkommen für eine Autonomie des Kosovo, das allen Regeln des Völkerrechts entspricht. Es wird jedoch im Westen kaum zur Kenntnis genommen.

    12. 12. 1998:

    Maskierte UCK-Terroristen ermorden sechs serbische Barbesucher in Polje. Die UCK entführt außerdem den stellvertretenden Bürgermeister von Kosovo-Polje. Tags darauf wird seine Leiche in einem Straßengraben entdeckt.

    21. 12. 1998:

    Das US-Außenministerium schreibt über die UCK: "Die UCK belästigt oder kidnappt jeden, der zur Polizei kommt, (...) UCK-Vertreter haben Dorfbewohnern mit dem Tode oder dem Verbrennen ihrer Häuser gedroht, wenn sie nicht in die Reihen der UCK treten wollen. (...) Der Druck durch die UCK hat eine Intensität erreicht, dass die Bewohner von 6 Dörfern in der Region Stimlje bereit sind zu flüchten."

    28. 12. 1998:

    Das Auswärtige Amt in Bonn an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht: "Nach Erkenntnis des Auswärtigen Amtes sind die Maßnahmen der Sicherheitskräfte in erster Linie auf die Bekämpfung der UCK gerichtet, die unter Einsatz terroristischer Mittel für Unabhängigkeit des Kosovo, nach Angaben einiger ihrer Sprecher sogar für die Schaffung eines "Groß-Albanien" kämpft."

    6. 1. 1999:

    Das Auswärtige Amt in Bonn an das Bayrische Verwaltungsgericht in Ansbach: "Derzeit ist eine steigende Tendenz bei der Rückkehr der innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien geflohenen Personen an ihre Wohnsitze zu verzeichnen. Ungeachtet der desolaten wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik Jugoslawien sind auch aus Reihen der Flüchtlinge (nach Angaben offizieller Stellen der Bundesrepublik Jugoslawien haben seit 1991 zirka 700.000 (serbische) Flüchtlinge aus Kroatien und Bosnien und Herzogowina Aufnahme gefunden) keine Fälle von chronischer Mangelernährung oder unzureichender medizinischer Versorgung bekannt, und beachtliche Obdachlosigkeit ist nicht zu beobachten. (...) Für Kosovo-Albaner besteht damit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nach wie vor eine begrenzte Möglichkeit, sich einzeln (mit der engeren Familie) insbesondere in jenen Landesteilen Jugoslawiens niederzulassen, in denen bereits ihre Landsleute oder Bekannte leben, die bereit sind, sie aufzunehmen und sie zu unterstützen."

    Januar 1999:

    Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung der OSZE - Staaten, Willy Wimmer: Die USA verhindern die Erhöhung der OSZE-Beobachter auf die vereinbarte Zahl, weil sie kein Interesse daran haben.

    12. 1. 1999:

    Das Auswärtige Amt in Bonn an das Verwaltungsgericht Trier: "Eine explizit an die albanische Volkszugehörigkeit anknüpfende politische Verfolgung ist auch im Kosovo nicht festzustellen. Der Osten des Kosovo ist von den bewaffneten Konflikten bislang nicht erfasst, das öffentliche Leben in Städten wie Pristina, Krosevac, Gujilan usw. verlief im gesamten Konfliktzeitraum in relativ normalen Bahnen. (...) (Das) Vorgehen der Sicherheitskräfte (war) nicht gegen Kosovo-Albaner als ethnisch definierte Gruppe gerichtet, sondern gegen den militärischen Gegner (die UCK) und dessen tatsächliche oder vermutete Unterstützer."

    15. 1. 1999:

    Angebliches Massaker der jugoslawischen Armee an 44 Bewohnern des Dorfes Racak. Gerichtsmedizinische Untersuchungen können nicht endgültig klären, ob es sich um Zivilisten oder um Kämpfer der UCK handelt. Die Kurzfassung des finnischen Untersuchungsberichts zweifelt nicht den serbischen und den weißrussischen Bericht an und vermeidet das Wort "Massaker", das der Chef der OSZE Beobachtermission im Kosovo,der US-Amerikaner Walker, noch am gleichen Tag benutzt, ohne Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Erst später räumt Walker die Möglichkeit ein, dass es sich bei den Getöteten um UCK-Kämpfer handeln könnte. Französische Medien (Le Monde, Le Figaro) äußern starke Zweifel am "Massaker" von Racak, aber in fast allen westlichen Medien wird es groß herausgebracht, und es spielt nach der Aussage von US-Außenministerin Albright in der Entscheidung für den Luftkrieg eine entscheidende Rolle. Die vollständige Fassung des finnischen Berichts wird Ende 1999 noch immer vor der Öffentlichkeit verborgen.

    Im August 1999 sagt die finnische Pathologin Helena Ranta, die im Auftrag der EU die Toten von Racak untersucht hat, in einem Interview: "Einige Körper wurden bewegt. Es besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass diese Menschen erst nachträglich nach Racak transportiert wurden. Leider konnte ich Racak nie besuchen. Ich wollte eine vollständige Aufklärung erreichen, aber das wurde mir damals nicht erlaubt. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das Haager Tribunal an einer weiteren Untersuchung tatsächlich interessiert ist."

    Ende Januar/Anfang Februar 1999:

    Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) verliert seinen Einfluss auf die UCK, weil er im Unterschied zur CIA auf die Entwaffnung der UCK drängt. Der "Mann der Amerikaner", der in den USA ausgebildete und für den Nachrichtendienst der UCK zuständige Hashim Thaci aus dem Jashari-Clan, verdrängt den bisherigen UCK-Führer und Gegenspieler Rugovas, Adem Demaci, von der Spitze der UCK.

    4. 2. 1999:

    Aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg: "Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse stimmen darin überein, dass die zeitweise befürchtete humanitäre Katastrophe für die albanische Zivilbevölkerung (...) nach dem Abflauen der Kämpfe im Anschluss an die Ende 1998 mit der serbischen Führung getroffene Übereinkunft (gemeint ist das Milosevic-Holbrooke-Abkommen; d. Verf.) abgewendet werden konnte und dass sich seitdem sowohl die Sicherheitslage wie auch die Lebensbedingungen der albanisch-stämmigen Bevölkerung spürbar gebessert haben. (...) Namentlich in den größeren Städten verläuft das öffentliche Leben wieder in relativ normalen Bahnen, auch wenn sich die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen auf Grund einzelner Gewalttaten zwischenzeitlich erhöht haben. (...) Auch einzelne Fälle exzessiver Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung, die, wie etwa in Racak, in der Weltöffentlichkeit der serbischen Seite zur Last gelegt werden und große Empörung ausgelöst hatten (...), lassen nach Zahl und Häufigkeit derartiger Exzesstaten nicht den Schluss zu, dass deshalb jeder im Kosovo lebende Albaner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt ist und mithin auch jeder Rückkehrer von Tod und schwersten Verletzungen bedroht sei."

    5. 2. 1999:

    Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichts zur Zurückweisung der Klagen von Asylbewerbern gegen ihre Ablehnung: "Der beschließende Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Kläger als albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo weder im Zeitpunkt ihrer Ausreise noch im Falle ihrer jetzigen Rückkehr einer asylerheblichen Gruppenverfolgung ausgesetzt waren bzw. wären und dass ihnen auch keine politische Verfolgung aus individuellen Gründen drohte bzw. drohen würde. (...) Die in Rahmen einer Gesamtbetrachtung gebotene Würdigung der zur Situation der albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo getroffenen Feststellungen hat den Senat nicht hinreichend davon zu überzeugen vermocht, dass alle Kosovo-Albaner oder wenigstens ein sachlich oder persönlich begrenzter Kreis von ihnen als Zielgruppe eines - landes- oder kosovoweit oder begrenzt auf Teilgebiete des Kosovo angelegten - staatlichen Verfolgungsprogramms gruppenverfolgt sind. Denn die gewonnen Erkenntnisse lassen für die Zeit von 1990 bis heute den Schluss auf das Bestehen eines entsprechenden staatlichen Verfolgungsprogramms (...) nicht zu (...) Auch die asylrelevanten Übergriffe der serbischen Sicherheitskräfte im Verlauf der bewaffneten Auseinandersetzungen seit Ende Februar/Anfang März 1998 stellen sich (...) nicht als Ausdruck und begonnene Umsetzung eines Verfolgungsprogramms im vorgenannten Sinne dar, weil das auf die Abwehr von gewaltsamen Sezessionsbestrebungen der UCK gerichtete Vorgehen der serbischen Sicherheitsbehörden - in dessen Gefolge die fraglichen Übergriffe verübt worden sind - dem Grunde nach legitim ist und es zu den allein asylerheblichen überschießenden harten Maßnahmen weder generell gekommen ist, noch hinreichende Anzeichen dafür vorliegen, dass derartige Maßnahmen generell beabsichtigt (gewesen) sind (...).

    11. 2. 1999:

    Vertraulicher Lagebericht des deutschen Bundesverteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: "Die serbischen Sicherheitskräfte beschränken ihre Aktionen in jüngster Zeit auf Routineeinsätze."

    6. - 17. 2. 1999:

    Auf der Konferenz von Rambouillet ist die kosovo-albanische Delegation gespalten. Die UCK, die inzwischen unter den Einfluss der CIA, also der USA, geraten ist, setzt sich aber gegen Rugovas LDK durch. Thaci gibt die Bildung einer weiteren Regierung für das Kosovo bekannt, die an die Stelle der 1992 unter "Präsident" Rugova gebildeten Regierung treten soll. Er ernennt sich selbst zum "Premierminister" und bestreitet damit den Machtanspruch des bereits seit 1992 in Bonn residierenden anderen "Premierministers" Bukoshi. In der Folgezeit weigert sich Bukoshi, die in Westeuropa gesammelten Zwangssteuern (allein in der BRD jährlich 10 Millionen DM) an die jetzt unter Thacis Führung stehende UCK freizugeben, während Thaci die Einnahmen aus dem organisierten Verbrechen (die Balkanroute des Heroinhandels) kontrolliert.

    Die Delegation der Republik Serbien unterschreibt den 1O-Punkte-Plan der Kontaktgruppe. Die von der UCK geleitete kosovo-albanische Delegation und vor allem Demaci, der den USA misstraut, lehnen die Unterschrift ab und fordern die Lostrennung des Kosovo. Anschließend legen die NATO-Staaten ein Implementierungs-Abkommen vor (Implementierung: Erfüllung eines Vertrages), dessen Kern in der Okkupation des Kosovo durch eine 28.000 Mann starke NATO-Truppe und in der Verwandlung des Kosovo in ein NATO-Protektorat besteht mit der Perspektive seiner Lostrennung von der Republik Serbien nach drei Jahren. In einem - allerdings erst später bekanntgewordenen - Anhang ("Annex B") ist sogar vorgesehen, dass ganz Jugoslawien von NATO-Truppen besetzt wird. Der Annex war laut Angaben der russischen Delegation in der "Kontaktgruppe" nicht behandelt worden. Die serbische Delegation lehnt das zweite Abkommen, also das Implementierungsabkommen einschließlich des Annex B, als NATO-Diktat ab.

    24. 2. 1999:

    Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster: "Für ein geheimes Programm oder einen auf serbischer Seite vorhandenen stillschweigenden Konsens, das albanische Volk zu vernichten, zu vertreiben oder sonst in der vorstehend beschriebenen extremen Weise zu verfolgen, liegen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte vor. (...) Wenn die serbische Staatsmacht ihre Gesetze durchsetzt und dadurch zwangsläufig Druck auf die sich vom Staat abkehrende und eine Boykotthaltung einnehmende Volksgruppe ausübt, geht die objektive Zielrichtung dieser Maßnahmen eben nicht auf eine programmatische Verfolgung dieser Bevölkerungsgruppe (...) Selbst wenn der serbische Staat wohlwollend in Kauf nimmt oder gar beabsichtigt, daß ein Teil der Bürger, der in einer solchen Situation für sich keine Perspektiven sieht oder Zwangsmaßnahmen entgehen will, ins Ausland ausweicht, stellt dies kein auf die Gesamtheit der albanischen Bevölkerungsmehrheit (im Kosovo) zielendes Verfolgungsprogramm dar. (...) Wenn im übrigen der (jugoslawische) Staat auf die Separatismusbestrebungen mit konsequenter und harter Durchführung der Gesetze sowie mit antiseparatistischen Maßnahmen regiert, denen sich ein Teil der Betroffenen ins Ausland entzieht, ist dies kein vom (jugoslawischen) Staat programmatisch gesteuerter Vorgang, der auf die Ausgrenzung und Vertreibung der Minderheit abzielt, sondern im Gegenteil auf ein Sicheinfügen dieses Volkes in den Staatsverband. (...) Auch die Ereignisse seit Februar/März 1999 lassen ein Verfolgungsprogramm wegen albanischer Volkszugehörigkeit nicht erkennen. Die Maßnahmen der bewaffneten serbischen Kräfte sind in erster Linie auf die Bekämpfung der UCK und deren vermutete Anhänger und Unterstützer gerichtet."

    28. 2. 1999:

    Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger sagt zum Vertrag von Rambouillet: "Von Jugoslawien, einem souveränen Staat, verlangt man die Übergabe der Kontrolle und Souveränität über eine Provinz mit etlichen nationalen Heiligtümern an ausländisches Militär. Analog dazu könnte man die Amerikaner auffordern, fremde Truppen in Alamo einmarschieren zu lassen, um die Stadt an Mexiko zurückzugeben, weil das ethnische Gleichgewicht sich verschoben hat (...) Ironischerweise erhöht das geplante Friedensabkommen die Wahrscheinlichkeit unterschiedlicher Eskalationen, die von Präsident Clinton zur Rechtfertigung eines amerikanischen Einsatzes genannt werden. Ein unabhängiges albanisches Kosovo wird mit Sicherheit danach trachten, die benachbarten albanischen Minderheiten - überwiegend in Mazedonien - zu vereinnahmen. Und am Ende vielleicht sogar das Mutterland Albanien selbst (...) Wird die NATO zur Artillerie für ethnische Konflikte?"

    4. 3. 1999:

    Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: "Die UCK entführte in Velika Hoca zwei serbische Zivilisten. Nach eigenen Angaben wurde einer sofort erschossen. Der zweite Entführte wurde auf Vermittlung der OSZE freigelassen. In Pustenik wurden bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der UCK und Kräften der VJ (Armee Jugoslawiens) festgestellt. Kosovo-albanische Behauptungen, es habe bei dem Gefecht ein Massaker an Kosovo-Albanern gegeben, erwiesen sich als nicht zutreffend."

    5. 3. 1999:

    "Kosovo update" des US-State Department: "Die Anzahl der Serben, die aus ihren Häusern geflohen sind, ist in diesem Zeitraum (seit Weihnachten 1998) dramatisch angestiegen, Schätzungen gehen von bis zu 30.000 aus. Sie haben 90 früher ethnisch gemischte Dörfer verlassen, und die meisten haben sich wieder in Zentralserbien niedergelassen. Offizielle Belgrader Statistiken geben an, dass 50.000 der 200.000 Kosovo-Serben die Provinz verlassen haben, seit die Kämpfe vor einem Jahr begonnen haben."

    11. 3. 1999:

    Vertraulicher Bericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: "Bei einem Anschlag der UCK auf eine Polizeistreife wurde in Podujevo ein Polizist getötet. In Mijalic wurden drei Mitglieder einer serbischen Familie vermutlich von UCK-Angehörigen entführt."

    15. 3. 1999:

    Beginn von Kämpfen im Süden und Norden des Kosovo. Das Auswärtige Amt in Bonn an das Verwaltungsgericht in Mainz: "Wie im Lagebericht vom 18.11.1998 ausgeführt, hat die UCK nach dem Teilabzug der (serbischen) Sicherheitskräfte im Oktober 1998 ihre Stellungen wieder eingenommen, so dass sie wieder weite Gebiete im Konfliktgebiet kontrolliert. Auch vor Beginn des Frühjahrs 1999 kam es weiterhin zu Zusammenstößen zwischen UCK und Sicherheitskräften, auch wenn diese bislang nicht die Intensität der Kämpfe vom Frühjahr/ Sommer 1998 erreicht haben."

    Fortsetzung der sogenannten "Friedensgespräche" in Rambouillet. Die UCK lehnt direkte Gespräche mit der serbischen Delegation, sogar auf Expertenbasis, ab. Statt Verhandlungen zu führen, fordern die NATO-Vertreter die serbische Delegation ultimativ auf, das unverhandelte "Friedensabkommen" (das Implementierungsabkommen) zu unterschreiben. Die jugoslawische Regierung verstärkt während der Verhandlungen ihre Truppen im Kosovo, weil die NATO entgegen dem Holbrooke-Abkommen 12.000 Soldaten in Mazedonien stationiert, angeblich um die OSZE-Beobachter im Kosovo zu schützen, für deren Schutz jedoch Jugoslawien zuständig sein sollte. (Die NATO stationiert jedoch keine Soldaten in Albanien, um den Waffennachschub und die militärische Ausbildung der UCK zu verhindern.)

    17. 3. 1999:

    Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge: "Kosovo-Albaner unterliegen bei ihrer Rückkehr ins Heimatland weiterhin keiner Gruppenverfolgung (...) Die Situation im Kosovo hat sich durch das zwischen der OSZE unter der Leitung des amerikanischen Sondervermittlers Holbrooke und der jugoslawischen Staatsführung erzielte Abkommen zur Befriedung der Region grundlegend geändert (...) Die ca. 50.000 Flüchtlinge, die sich vorübergehend in den Bergen und Wäldern (meist in unmittelbarer Nähe ihrer Dörfer) aufgehalten hatten, sind seit dem Abzug der Sicherheitskräfte fast vollständig in feste Unterkünfte zurückgekehrt (...) Gleichwohl kommt es hin und wieder zu bewaffneten Zwischenfällen. Dabei handelt es sich überwiegend um Überfälle der UCK und deren Umfeld unter Einsatz terroristischer Mittel, auf die der jugoslawische Staat in deren Operationsgebiet gezielt reagiert."

    18. 3. 1999:

    Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: "Jugoslawische Grenztruppen bekämpften nahe Gorozup eine Nachschubkolonne (der UCK; der Verf.) bei dem Versuch, Waffen und Ausrüstung von Albanien in das Kosovo zu schmuggeln. Kräfte der UCK provozierten mit einem Angriff auf die Polizeistation in Luzane den sofortigen Einsatz von Einheiten der VJ in diesem Raum. (...) Im Dorf Mijalic entdeckten Kräfte der VJ in Häusern vermutlich von der UCK vorbereitete Sprengfallen." In Rambouillet unterschreibt die UCK-Delegation das gesamte Abkommen,da ihr klar ist, dass die serbische Delegation das Implementierungsabkommen niemals unterschreiben kann, so wenig wie jede andere serbische Regierung. Die serbische Seite lehnt das Diktat, das einer bedingungslosen Kapitulation gleichkommt, ab.

    20. 3. 1999:

    Zur Vorbereitung ihres Angriffs veranlasst die NATO den Abzug von 1.200 OSZE-Beobachtern aus dem Kosovo. Die amerikanischen und englischen Beobachter hinterlassen der UCK Dutzende von Satellitentelefonen.

    22. 3. 1999:

    Beginn einer Offensive der jugoslawischen Armee und der serbischen Sonderpolizei gegen die UCK. Die westlichen Medien bezeichneten sie als "Operation Hufeisen" und behaupten, ihr Ziel sei nicht nur die Bekämpfung der UCK, sondern auch die Vertreibung der AlbanerInnnen aus dem Kosovo. Ein Jahr später tauchen starke Zweifel an der Existenz einer "Operation Hufeisen" auf.

    23. 3. 1999:

    Brief von Slobodan Milosevic an die Außenminister Großbritanniens und Frankreichs, Robin Cook und Hubert Védrine: "Meine Herren Minister, auf die Botschaft, die Sie mir übermittelt haben, möchte ich wie folgt antworten: Die Gespräche in Paris, die Sie als beendet bezeichnen, haben gar nicht stattgefunden. Die Delegationen der Republik Serbien und der albanischen separatistischen und terroristischen Bewegungen haben nicht ein einziges Mal miteinander gesprochen (...), es gibt also kein gemeinsames Dokument, das akzeptiert oder abgelehnt werden könnte. Im übrigen ist der Text, den Sie als "Abkommen von Rambouillet" bezeichnen, schon vor den Gesprächen in Rambouillet in der kosovo-albanischen Presse, und zwar in der Zeitung "Koha Ditore", veröffentlicht worden. Belgrad ist tolerant, aber nicht dumm (...) Wir haben gewiss nichts dagegen, dass vor den Gesprächen ein Vorschlag für die Diskussion vorbereitet wird. Aber wir wenden uns mit allem Nachdruck dagegen, dass die Gespräche gar nicht stattfinden und dass dann von uns verlangt wird, etwas, das eventuell ein Vorschlag für das Abkommen hätte sein können, als Abkommen zu unterzeichnen (...)".

    Das Parlament der Republik Serbien lehnt eine NATO-Okkupation des Kosovo ab und erneuert seine Bereitschaft zu tatsächlichen Verhandlungen über eine umfassende Autonomie des Kosovo auf der Grundlage der Respektierung der Gleichberechtigung aller nationalen Gemeinschaften des Gebiets und der territorialen Integrität Serbiens und Jugoslawiens.

    1. 3. - 24. 3. 1999:

    34.500 Menschen fliehen aus dem Kosovo. Zum Vergleich: Bei der allerersten großen Vertreibungswelle im Bürgerkrieg in Kroatien vertrieb die kroatische Armee 1995 600.000 der 650.000 in Kroatien lebenden Serben aus der Krajina, davon 250.000 im August 1995 in nur drei Tagen. Sie tötete 1.000 Serben. Aus Zentralbosnien wurden ebenfalls 600.000 Serben vertrieben. Dies alles wurde von den westlichen Medien jedoch kaum wahrgenommen.

    24. 3. 1999:

    Die NATO beginnt mit den Luftangriffen auf Jugoslawien. Sie begründet die Bombardierungen damit, dass sie die Stationierung ihrer Truppen erzwingen will, um eine "humanitäre Katastrophe" zu beenden.

    Ende März 1999:

    Die UCK beginnt mit Freiwilligen- und Zwangsrekrutierungen unter den Flüchtlingen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 1.4.1999: "In langen Kolonnen fahren die Busse (der Flüchtlinge) die Straße hinunter, die in die 200 Kilometer entfernte Hauptstadt Tirana führt. Doch schon nach 15 Kilometern werden alle Fahrzeuge an einer Straßensperre gestoppt. Hier hat die UCK das Kommando. Rund 30 Uniformierte mit Kalaschnikows kontrollieren jeden Wagen. Die Männer im kampffähigen Alter müssen aussteigen. "Wir erlauben ihnen nicht zu fliehen", erklärt ein UCK-Offizier mit grauem Stoppelbart. "Sie müssen zurück in den Kosovo."

    Zu dieser Zeit müssen alle 220.000 in der Schweiz lebenden Kosovo-Albaner monatlich bis zu 2.000 DM an die UCK "spenden". Die in Frankreich lebenden zahlen 50% ihres Einkommens.

    1. 4. 1999:

    Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: "Die serbisch-jugoslawischen Kräfte haben ihre Säuberungsaktionen gegen die UCK fortgesetzt."

    22. 4. 1999:

    Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministerium an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: "Die Landstreitkräfte (Jugoslawiens) führen weiterhin keine größeren beweglichen Operationen durch. Im Grenzgebiet zu Albanien mehren sich allerdings die Angriffe auf UCK-Kämpfer und deren Versorgungswege."

    April 1999:

    Die Bundesregierung veröffentlicht mehrfach unbewiesene Greuelberichte (angebliches KZ im Fußballstadion von Pristina; Video mit Greueltaten an Kosovo-Albanern; Berichte von herausgeschnittenen Föten usw.)

    Das Washingtoner Büro der UCK hat die Public-Relations-Firma "Ruder Finn Global Public Affairs" unter Vertrag. Sie wurde bereits im August 1991 von der Regierung Kroatiens engagiert und führte später auch PR-Kampagnen für Bosnien-Herzogowina durch. Ihr Einfluss reicht bis in den Sicherheitsrat der UNO. Sie organisierte vor der Anerkennung Kroatiens durch die USA (April 1991) Reisen von Kongressabgeordneten nach Kroatien und verteilte im Oktober 1993 im amerikanischen Kongress "Informationsmaterial" (u.a. Videoclips), das Kroatien als angebliches Opfer einer großserbischen Aggressionspolitik auswies. Ihr Chef James Harff sagte in einem Interview mit Jacques Merlino am 24.04.1993 über das Geheimnis seines Erfolgs: "Eine Kartei, ein Computer und ein Faxgerät, das ist im wesentlichen unser Werkzeug. (...) Und unser Handwerk besteht darin, Nachrichten auszustreuen, sie so schnell wie möglich in Umlauf zu bringen, so dass die Behauptungen, die unserer Sache dienen, als erste an die Öffentlichkeit gelangen. Die Schnelligkeit ist entscheidend. Sobald irgendeine Information für uns vorteilhaft ist, sehen wir uns verpflichtet, sie sofort in die öffentliche Meinung einzupflanzen. Denn wir wissen genau, dass die erste Nachricht von Bedeutung ist. Ein Dementi hat keine Wirkung mehr. (...) Wichtig ist die Fähigkeit, im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu handeln."

    Auf die Frage, auf welchen Erfolg er besonders "stolz" sei, antwortete James Harff: "Dass es uns gelungen ist, die Juden auf unsere Seite zu ziehen. Das war eine sehr heikle Angelegenheit, das Dossier enthielt in dieser Hinsicht eine sehr große Gefahr. Denn Präsident Tudjman war in seinem Buch "Ruin der historischen Wahrheit" sehr unvorsichtig. Wer diese Schrift liest, könnte ihn des Antisemitismus beschuldigen. Auf bosnischer Seite war es nicht viel besser, denn Präsident Izetbegovic sprach sich in seiner islamischen Erklärung von 1970 zu einseitig für einen fundamentalistischen islamischen Staat aus. (...). Die jüdischen Intellektuellen und Organisationen hatten daher allen Grund, den Kroaten und Bosniern feindlich gesinnt zu sein. Diese Tatsachenlage umzukehren, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben das meisterhaft geschafft, und zwar zwischen dem 2. und 5.August 1992, als die New Yorker "Newsday" die Sache mit den Lagern herausbrachte. (Roy Gutmann erhielt dafür 1993 den Pulitzer-Preis, Titel: "Todeslager","Gulag" und "Todeslager der Serben"). Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen und haben drei große jüdische Organisationen in unserem Sinn beeinflusst, die B´nai B´rith Anti-Defamation League, das American Jewish Commitee und den American Jewish Congress. Wir haben ihnen vorgeschlagen, eine Anzeige in der "New York Times" zu veröffentlichen und vor den Vereinten Nationen eine Protestkundgebung zu organisieren. Das hat hervorragend geklappt; die Parteinahme der jüdischen Organisationen für die Bosnier war ein außerordentlich gelungener Schachzug. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzen. (...) Sehen Sie, das jugoslawische Problem ist sehr vielschichtig, niemand verstand, was dort vor sich ging. (...) auf einen Schlag hatten wir eine einfache Geschichte mit Guten und Bösen, wir wussten, dass alles davon abhing. Und wir haben gewonnen, weil wir das jüdische Publikum anvisiert haben. Die Presse wandelte umgehend ihren Sprachgebrauch und verwendete ab sofort emotional stark aufgeladene Begriffe wie ethnische Säuberung, Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazideutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt. Die emotionale Aufladung war so stark, dass niemand mehr eine gegenteilige Meinung vertreten konnte oder andernfalls Gefahr lief, des Revisionismus beschuldigt zu werden. Da haben wir voll ins Schwarze getroffen." Auf die Frage von Jacques Merlino, dass er zwischen dem 2. und 5.August 1992 keinerlei Beweise für solche Behauptungen gehabt haben kann, sondern lediglich den Artikel aus der "Newsday", sagt er: "Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Wir haben dafür nicht die nötigen Mittel. Ich sagte Ihnen bereits: Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen. Wir haben nicht behauptet, dass es in Bosnien Todeslager gibt, sondern wir haben bekannt gemacht, dass "Newsday" das behauptet." - Laut albanischem Staatsfernsehen verurteilt die UCK Rugova zum Tode, weil er "ein Agent des Regimes in Belgrad sei." Fehmi Agani, einer der engsten Mitarbeiter Rugovas in der Demokratischen Liga (LDK), wird ermordet. Eine makedonische Zeitung behauptet unter Berufung auf verlässliche Quellen in Albanien, dies sei auf Befehl der UCK geschehen.

    Die UCK erklärt die im März 1998 von der "Demokratischen Liga" organisierten Wahlen im Kosovo für ungültig.

    Die selbsternannte Kosovo-Regierung unter Hashim Thaci wird von der UCK und der "Demokratischen Unionsbewegung" (LBD) gestellt, einer Koalition von fünf Oppositionsparteien, die gegen Rugova eingestellt ist. Sie kontrolliert zusätzlich zum Posten des Premierministers das Finanz- und das Verteidigungsministerium sowie das Ministerium für öffentliche Ordnung. Der Sprecher des US-Außenministeriums, James Foley, sagt dazu: "Wir wollen eine gute Beziehung entwickeln mit ihnen (gemeint ist die UCK; d. Verf.), währenddem sie sich in eine politisch orientierte Organisation verwandeln (...) Wir glauben, dass wir über viele Ratschläge und viel Hilfe verfügen, die wir ihnen weitergeben könnten, wenn sie tatsächlich die Art von politischem Akteur werden, wie wir es gerne sehen würden, dass sie es werden."

    1989-1999:

    Ungefähr 400.000 Einwohner des Kosovo verlassen das Gebiet. Die meisten fliehen vor der Armut, aber auch vor der wechselseitigen Rache. Es fliehen auch 10.000 serbische Bauern vor der ständigen Bedrängung durch Kosovo-Albaner und vor den Gewalttaten der UCK. - 80.000 Kosovo-AlbanerInnen leben vor Beginn des NATO-Krieges in Belgrad und ca. 100.000 in Südserbien. Nach Kriegsbeginn erhöht sich ihre Zahl noch.

    Mai 1999:

    Agim Ceku, gebürtiger Albaner und ehemaliger Brigadegeneral der kroatischen Armee, wird neuer Stabschef der UCK. Gegen ihn läuft z.Zt. ein Verfahren vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen "Massenexekutionen, wahlloser Beschießung der Zivilbevölkerung sowie ethnischen Säuberungen während des Kriegs in Bosnien." Ceku arbeitet eng mit der Söldnerfirma MIPRI (vgl. 1997) zusammen.

    Roland Keith, im Februar und März 1999 Direktor der OSZE-Kosovo-Überwachungskommission (Kosovo Verification Mission - KVM) in Polje, westlich von Pristina, schreibt in der kanadischen Zeitung "The Democrat": " In den letzten fünf Monaten der Anwesenheit von OSZE-Beobachtern im Kosovo hat es keine internationalen Flüchtlinge gegeben, und in den Wochen vor dem Beginn der Bombardierungen nur einige tausend Flüchtlinge innerhalb der Landesgrenzen (...) Die Situation war eindeutig die, dass die Provokationen durch die UCK, welche ich persönlich bezegen kann für Überfälle aus dem Hinterhalt auf Sicherheitspatrouillen (der Serben; d. Verf.) und welche Tote und Verletzte forderten, klare Verletzungen des Oktober-Abkommens (zwischen Milosevic und Holbrooke; d. Verf.) waren. Die Sicherheitskräfte schlugen zurück, und der daraus folgende Kleinkrieg und die Gegenaktionen führten zu einem verstärkten Aufstandskrieg, doch, wie ich bereits an anderer Stelle feststellte, wurde ich weder Zeuge noch erhielt ich Informationen über sogenannte "ethnische Säuberungen", und mit Sicherheit gab es keine Vorkommnisse von "Völkermord-Politik", solange ich mit der KVM im Kosovo war. Was bekannt wurde, seit die OSZE-Beobachter am 20.März evakuiert wurden, um durch diese vorletzte Warnung die jugoslawische Zustimmung zu den Dokumenten von Rambouillet und den folgenden von Paris zu erzwingen, und was seit dem Beginn der NATO-Bombenangriffe am 24.März bekannt wurde, hat offenkundig zu Menschenrechtsverletzungen und zu einer ganz furchtbaren humanitären Katastrophe geführt, als etwa 600.000 albanische Kosovaren flohen oder aus der Provinz vertrieben wurden. Dies fand jedoch nicht vor dem 20.März statt, und deshalb würde ich die humanitäre Katastrophe direkt oder indirekt den Bombardements der NATO und dem darauffolgenden antiterroristischen Feldzug zuschreiben." Keith beschreibt in seinem Bericht auch den gelungenen Versuch, dass in seinem Verantwortungsbereich durch die Vermittlung der OSZE-Beobachter die UCK und die jugoslawischen Sicherheitskräfte auf gegenseitige Provokationen verzichteten und die Bewohner-Innen eines bereits verlassenen Dorfes nach Hause zurückkehrten.

    Der englische General und OSZE-Beobachter Drewenkiewicz gab später zu, 250 GPS-Ortungssysteme im Kosovo gelassen zu haben, die zur Zielmarkierung für die geplanten NATO-Luftangriffe dienen sollten.

    10. 06. 1999

    Ende der NATO-Bombardierung

    Juni 1999:

    Nach dem Ende der Bombardierungen, dem Abzug der jugoslawischen Armee und nach dem Einrücken der UCK und der NATO-Besatzungstruppen werden innerhalb von zwei Wochen 100.000 Serben und Roma aus dem Kosovo vertrieben, bis Juli weitere 70.000. In der Sprachregelung der westlichen Medien werden sie aber nicht als Vertriebene, sondern als "Flüchtlinge" bezeichnet. (Bei den Kosovo-Albanern war es umgekehrt.) Roma waren schon seit Anfang der 80er Jahre bis zur teilweisen Zurücknahme der Autonomie 1989 massiven Pressionen durch die kosovo-albanische Mehrheit ausgesetzt, wenn in ihren Pässen als Nationalität nicht "albanisch" eingetragen war. Es kam zu Entlassungen, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Prügeln. Besonders brutal soll das Vorgehen bei der Volkszählung von 1981 gewesen sein, als sie aufgefordert wurden, sich als Albaner registrieren zu lassen. Häuser und Wohnungen von Roma-Vertretern, die sich weigerten, wurden zerstört. Amnesty International erhielt 1998 Kenntnis von zahlreichen Berichten, denen zufolge die UCK und andere bewaffnete ethnische Albaner für Vertreibungen, Misshandlungen, Entführungen und Inhaftierung von nicht an Kampfhandlungen beteiligten Personen verantwortlich zeichnete, bei denen es sich neben Serben, Montenegrinern und Kosovo-Albanern auch um Roma handelte. Die katholische "Zigeunerseelsorge" registrierte bis kurz vor Kriegsbeginn Berichte über Roma, die Opfer von Angriffen von Kosovo-Albanern bzw. Bombenanschlägen wurden. Ein ehemaliges Mitglied des Europaparlaments der spanischen Sozialisten verfügt über eine Liste von Kosovo-Roma, die von bewaffneten Gruppen entführt wurden.

    Die NATO stellt der UCK in Aussicht, nach US-Vorbild eine Nationalgarde und die Polizei im Kosovo aufstellen zu dürfen. Ihre Entwaffnung verläuft äußerst schleppend. Die Waffen sollen in UCK-eigenen Depots gelagert werden, die von den KAFOR-Truppen lediglich überprüft werden.

    Die NATO-Staaten erpressen die jugoslawische Bevölkerung: Kredite zum Wiederaufbau der fast völlig zerstörten Industrie und der Infrastruktur und zur im Grunde genommen unmöglichen) Beseitigung der Umweltschäden werde es nur bei "politischen Reformen" geben. Konkret ist damit die Abwahl des demokratisch gewählten Präsidenten Milosevic, die Beseitigung der Sozialistischen Partei, die Bereitschaft zur Auslieferung der Industrie an die westlichen Konzerne und die Durchsetzung neoliberaler Wirtschaftsprinzipien gemeint.

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    Gegen-Informations-Büro

    Operation Hufeisen?

    Galt die Operation Hufeisen als die Aktion der ethnischen Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo durch die Serben ...

    ... so stellt sich nun die Frage:
    war die Operation Hufeisen eine Erfindung von Geheimdiensten?

    "Hufeisen-Plan gab es nicht"

    General bezweifelt Existenz des serbischen Kriegskonzeptes

    Das Hamburger Abendblatt meldet am Dienstag, die "Joschka Fischer überlassenen Papiere" stammen aus "unstrukturiertem analytischem Material eines Wissenschaftlers des bulgarischen Geheimdienstes", das über Österreichs Heeresnachrichtenamt an die Nato-Außenminister gelangt sei.

    Der Kriegseinsatz war unter anderem mit einem serbisch-jugoslawischen Plan begründet worden, die albanische Bevölkerung systematisch und nach einem festgelegten Plan namens "Potkova" - als "Hufeisen" übersetzt - aus der Region Kosovo zu vertreiben. Das serbische Wort für "Hufeisen" lautet jedoch "potkovica". "Die offensichtlichen Widersprüche und Ungereimtheiten in den zu diesem Plan verfügbaren Quellen lassen erheblichen Zweifel aufkommen, ob ein solcher Plan tatsächlich existierte und dem Verteidigungsministerium vorlag", teilt Loquai mit.

    aus: Frankfurter Rundschau 22.März 2000

    Siehe auch: www.bundeswehr.de/kosovo

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    Der Informationskrieg

    "Es wird nie soviel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd" (Bismarck)

    der Reader zur Verantaltung

    GIB-Veranstaltungshinweis:
    Informationsveranstaltung des Gegeninformationsbüros/ Berlin

    "Der Informationskrieg - Krieg und Medien"

    19. März 2000; 19:00 Uhr

    Ort: Kato; U-Bahnhof Schlesisches Tor, Berlin X-Berg

    Der Krieg gegen Jugoslawien begann mit einer Lüge: "Wir führen keinen Krieg" ließ Bundeskanzler Gerhard Schröder am 24. März 1999 in seiner Regierungserklärung die Nation wissen, vielmehr handele es sich um eine "Militäraktion" oder nach NATO-Jargon um eine "Luftkampagne". Die von Regierungsvertretern, PR-Agenturen und Pressestellen der kriegführenden NATO-Verbündeten zum Zweck der Kriegslegitimierung kreierten und über die Massenmedien gestreuten Begriffe wie den der "humanitären Intervention" gaben ganz nach dem Motto "wenn sie von Frieden reden, meinen sie Krieg" den deutlichen Hinweis: Es wird Krieg geführt - in diesem Falle gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Zugleich handelte es sich um einen "(Des)Informationskrieg" an der "Heimatfront". Diese Seite des Krieges haben wir als Nachrichtenkonsumenten und Konsumentinnen eindrucksvoll erfahren müssen. Auf nahezu allen Fernsehkanälen die gleichen Bilder, im Radio die gleichen Stimmen und in den Kommentaren der Tagespresse sich wiederholendes Vokabular und auffallend ähnliche Meinungen zur Notwendigkeit der Bombardierungen. Eine Verschwörung? Gleichschaltung? Staatliche Zensur? Oder einfach nur die bekannte Ignoranz und Oberflächlichkeit der meinungsbildenden Medienindustrie?

    Das erste Opfer des Krieges sei die Wahrheit, heißt es immer wieder, wobei der Ausspruch nicht einmal die halbe Wahrheit wiedergibt. Die ersten Opfer sind zweifelsohne die betroffenen Menschen. Außerdem suggeriert der Spruch, daß vor dem Krieg nicht gelogen wurde. Bismarck wußte das schon besser und war sich der strategischen Bedeutung von Information und Desinformation sicherlich bewußter als der Großteil der heute aktiven JournalistInnenzunft. Ohne die massive Verbreitung von Lügen hätte es den Angriffskrieg gegen Jugoslawien in dieser Form und mit diesem gesellschaftlichen Rückhalt nicht geben können. Die Bevölkerung der BRD (wie auch der anderen beteiligten NATO Staaten) mußte den Krieg zunächst als unumgänglich akzeptieren oder sogar nachdrücklich fordern, um für den dritten deutschen Waffengang gegen Jugoslawien ein ruhiges Hinterland zu gewährleisten.

    "Dazu war es aber notwendig, nicht etwa um die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, daß im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muß es mit Gewalt abgestellt werden; so kann es aber auf keinen Fall weitergehen. Diese Arbeit hat Monate erfordert, sie wurde planmäßig begonnen, planmäßig fortgeführt, verstärkt." Mit diesen Worten erläuterte Adolf Hitler am 10. November 1938 vor der deutschen Presse seine zielstrebigen Bemühungen die Kriegsbereitschaft der Deutschen herzustellen. In einem Spiegel-Interview vom 20.7.92 erklärte der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe die planmäßige Weise, mit der die wiedervereinigte Bevölkerung Deutschlands auf kommende Kriege eingestimmt werden sollte - den Deutschen wurde seinerzeit von der FAZ ein "tiefverwurzeltes Friedensbewußtsein" attestiert: "Deswegen müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Es geht auch nicht darum, die Soldaten, sondern die ganze Gesellschaft auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Bei Blauhelm-Einsätzen ist das schon gelungen: Zwei Drittel der Bevölkerung stimmen zu."(1)

    Die Brutkastenlüge

    Wie die Schaffung eines gesellschaftlichen Konsenses ohne Propagandaministerium und ohne repressive Zensurmaßnahmen exemplarisch funktionieren kann, belegen die Hintergründe zur "Brutkastenstory", die zum Sinnbild moderner psychologischer Massenmanipulation und Kriegsvorbereitung wurde.

    Eine der Lehren des Vietnamkriegs war für die US-Administration und Militärs, daß der freien journalistischen Interpretation von Bildern aus Kriegsgebieten, entgegengewirkt werden muß, da die Kriegsbereitschaft der heimischen Bevölkerung dadurch unterwandert wurde. Neben umfassenden Kontroll- und Zensurmaßnahmen schlug der Public Relations-Spezialist der US-Marine Arthur A. Humphries 1983 vor, die Medien gezielter in der Kriegsführung einzuplanen: " Die Nachrichtenmedien können in der psychologischen Kriegsführung ein nützliches Werkzeug, ja sogar eine Waffe sein, die den Soldaten den Einsatz ihrer schweren Waffen erspart."(2)

    Waren es bei der Destabilisierung von mißliebigen Regierungen und der Aufstandsbekämpfung in Lateinamerika überwiegend CIA-Agenten, die durch gezielte Falschmeldungen, US-Interventionen legitimieren sollten, wurde zur Vorbereitung des Kriegs gegen Irak die größte PR-Agentur der USA unter Vertrag genommen. Ausgestattet mit einem Budget von 10,7 Mio. $ startete die PR-Agentur Hill & Knowlton 1990 einen Propagandafeldzug für die "Befreiung" Kuwaits, deren Höhepunkt die "vielleicht übelste Propagandalüge der Bush-Administration und der kuwaitischen Regierung"(3) war. Im Oktober 1990 schilderte vor dem Menschenrechtsausschuß des US-Kongresses ein 15-jähriges Mädchen unter Tränen von Greueltaten irakischer Soldaten. Diese hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus 15 Babys aus Brutkästen gerissen, auf den Boden geworfen und dort sterben lassen. Die Brutkästen wären entwendet worden. Aus anderen Krankenhäusern wurden ähnliche Vorfälle geschildert, so dass u.a. Amnesty International 312 auf diese Weise getötete Babys und gestohlene Brutkästen zählte - ai dementierte diese Angabe später. Präsident Bush griff die Greuelgeschichte in seiner Kriegskampagne immer wieder auf, so dass der zunächst kriegskritische US-Senat der Intervention zustimmte und durch die mediale Aufbereitung der Geschichte auch innerhalb der US-Gesellschaft ein Meinungsumschwung zu verzeichnen war.

    Im Januar 1992 wurde die Identität der jungen Zeugin enthüllt - es handelte sich um die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA, die von Hill & Knowlton als Zeugin aufgebaut worden war. Präsident der PR-Agentur war Craig Fuller, Bush-Anhänger und dessen ehemaliger Stabschef. Weitere Untersuchungen ergaben, daß kuwaitische Ärzte offensichtlich gelogen hatten, Brutkästen an ihren Plätzen standen und Hill & Knowlton Umfragen durchgeführt hatte, um herauszufinden, was Menschen besonders erregt. Ergebnis war, dass die befragte Bevölkerungsgruppe sehr heftig auf Baby-Greuel reagiert hatte (vgl. Chomsky). Die Propagandalüge war 1992 widerlegt, der Krieg aber bereits Vergangenheit. Weitere Kunden von H & K sind u.a. die Regierungen Chinas, Indonesiens und der Türkei.

    Serbien muß sterbien

    Zu dem Zeitpunkt als die Brutkastenlüge publik wurde und mensch hätte denken mögen "gebranntes Kind, (d.h. in diesem Fall JournalistInnen) scheut das Feuer", war eine andere PR-Agentur bereits damit betraut, dass Image Kroatiens, Bosnien-Herzegowinas und der kosovarischen Opposition zu fördern und die serbische Position in Mißkredit zu bringen. Um diese Aufgabe effizient auszuführen sind lediglich ein Computer, ein Faxgerät und eine Kartei notwendig. "Die Kartei enthält die Namen von einigen Hundert Journalisten, Politikern, Repräsentanten humanitärer Organisationen und Universitätsangehörigen", erklärt der Direktor von Ruder Finn Global Public Affairs, James Harff. Als größten Erfolg beschreibt er: "Dass es uns gelungen ist, die Juden auf unsere Seite zu ziehen." Antisemitismus ist in Kroatien und Bosnien nicht nur ein historisches Phänomen, sondern vertreten durch die Präsidenten Tudjman und Izetbegovic auch im heutigen politischen Diskurs prägend. "Die jüdischen Intellektuellen und Organisationen hatten daher allen Grund, den Kroaten und Bosniern feindlich gesinnt zu sein. Diese Tatsachenlage umzukehren, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben das meisterhaft geschafft, und zwar zwischen dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker 'Newsday' die Sache mit den Lagern herausbrachte. (...) Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der Öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzen". Und James Harff führt fort, dass die Medien von nun an ihren Sprachgebrauch wandelten und emotional stark aufgeladene Begriffe benutzten wie "ethnische Säuberung", Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt."(4) Damit war das Feld auch in Deutschland bereitet nach Saddam Hussein nun Slobodan Milosevic mit Hitler gleichzusetzen und dem "Bösen" damit einen Namen zu geben, der die Emotionen gerade in Deutschland bewegte. "Irrer Serbe", "Schlächter", "serbischer Hitler" waren vor dem Krieg gängiges Vokabular in den deutschen Massenmedien. Neben der Personifizierung wurde die Kriegspropaganda von dem ständigen Bezug auf den Nationalsozialismus begleitet. Die Lehren aus dem NS "Nie wieder Krieg" und "Nie wieder Auschwitz" wurden von der rot-grünen Regierung kaltschnäuzig verdreht und mißbraucht. Aus militärischer Selbstbeschränkung wegen Auschwitz wurde mit der beschworenen deutschen moralischen Verantwortung der Kriegseinsatz legitimiert. Mit den Worten Schröders vom 16.10.1998: "Ich denke, die Tatsache, daß Deutschland unter einer verbrecherischen Führung auf dem Balkan schuldig geworden ist, erlaubt es dem demokratischen Deutschland von heute nicht, in diesem Teil Europas Verbrechen geschehen zu lassen - eher umgekehrt." (5) In diesem Klima wurden kritische Fragen nach Quellen und Belegen für Massengräber, Massaker, Massenvergewaltigungen, Deportationen und Konzentrationslagern "mit der Rechtfertigung des Kriegsgegners gleichgesetzt (...) die vielleicht gefährlichste Entwicklung für den Journalismus, die aus diesem Krieg auf dem Balkan resultiert", wie Albrecht Reinhardt, Leiter der Programmgruppe Ausland des WDR, resümiert.(6)

    Dass diese Entwicklung von Kriegstreibern durchaus gewollt ist, erklärte NATO-Sprecher Shea in einem Fernsehinterview: "Kosovo war der erste Medienkrieg. (...) Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mußten, warum dieser Krieg wichtig war."(7)

    Gefüttert mit Desinformationen der PR-Agenturen, der NATO und der Regierungsvertreter und wenig Möglichkeiten der Informationsbeschaffung von anderer Seite, waren selbst kritische Journalisten dem Mainstream ausgeliefert. Sie fungierten dabei primär nicht als die "Fälscher" von Nachrichten, sondern vielmehr als die Verbreiter derselben. Die Verifikation von Meldungen, ein im Pressekodex von 1996 verankerter Grundsatz, wurde regelmäßig unterlassen zu Gunsten eines diskursiven Opportunismus. Das vermeintliche Massaker von Racak am 15. Januar 1999 ist nur ein Beispiel dafür, dass unhinterfragt veröffentlicht wurde, was in das geschaffene Bild der "serbischen Schlächter-Banden" paßte. Er hätte sich schon in vielen Kriegsgebieten aufgehalten und viel gesehen, aber Racak sei "das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen habe", erklärte William Graham Walker, ehemaliger Chef der OSZE-Mission im Kosovo, vor laufenden Kameras. Auf einen schlüssigen Bericht der Untersuchungskommission zu Racak wartet die kritische Öffentlichkeit bis heute, währenddessen Walker Ende letzten Jahres vom UCK-Chef Hashim Thaqi eine goldene Schüssel und unter begeisterten "Walker, Walker"-Rufen die kosovarische Ehrenbürgerschaft empfängt.(8) William Walker ist dabei kein unbeschriebenes Blatt. Sein Einsatzfeld seit Mitte der 70er und in den 80er Jahren war Zentralamerika, wo er im Contra-Krieg gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua involviert war und als US-Botschafter in El Salvador der dortigen Reaktion zur Seite stand.

    Psychologische Kriegführung

    "Die scheinbare publizistische Vielfalt bekräftigt die Wirkung der täglichen Desinformation", wie Professor Heinz Odermann im ND die Folgen der psychologischen Kriegsführung beschreibt. Der nicht erklärte und nicht durch repressive Zensurmaßnahmen durchgesetzte einseitig geführte Informationskrieg konnte somit ohne nennenswerte Gegenwehr gewonnen werden. Kriegsminister Scharping war einer der großen Gewinner auf diesem Feld. Er behandelte JournalistInnen ganz im Sinne des NATO-Sprechers Shea wie Soldaten und forderte sie auf Pressekonferenzen auf, zu gezeigten Fotos, "genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne." Zwischenfragen wurden nicht geduldet. "In dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat der Regierung eine neue Qualität".

    Diese von Albrecht Reinhardt attestierte neue Qualität ist integraler Bestandteil der psychologischen Kriegsführung. In der US-Armee heißt die zuständige Einheit Psychological Operations (PSYOPS), in der Bundeswehr "Truppe für Operative Information" (OpInfo). Scharping als Kriegsminister und damit oberster Chef der Truppe handelte ganz nach deren Maxime, die in der Konzeption über die Aufgaben der OpInfo dargestellt ist: "Massenkommunikationsmittel können Verlauf und Ausgang von Konflikten entscheidend beeinflussen. Wer über solche Mittel verfügt, wird sie zu seinem Nutzen und zum Schaden des Gegners einsetzen. Propaganda, Desinformation und Manipulation von Meinungen sind Teil des Kampfes um und mit Information. In einem Klima einseitiger Information und eingeschränkter Informationsmöglichkeit kann politische, ethnische, religiöse und anders geartete Ideologisierung bis hin zur Gewaltbereitschaft gedeihen"(9).

    Das Verfügen über die Medien, als Ort des gesellschaftlichen Konsenses, war das Ziel und Resultat der von NATO, Regierungen und PR-Agenturen gelieferten Desinformationen. Zu einem politisch derart brisanten Thema einen medialen und aufgrund mangelnder Gegeninformation auch gesellschaftlichen Konsens dieser Ausprägung zu erreichen, bedeutete die Absicherung des Krieges nach innen.

    Veranstaltungshinweis:

    Informationsveranstaltung des Gegeninformationsbüros/ Berlin

    "Der Informationskrieg - Krieg und Medien"

    19. März 2000; 19:00 Uhr

    Ort: Kato; U-Bahnhof Schlesisches Tor, Berlin X-Berg

    Hermann Werle

      (1) Schmid, Fred: In isw Report Nr. 23, Kerneuropa - Keim zur Weltmacht, Seite 12

      (2) Claßen, Elvi: In ami Nr. 10, 1998

      (3) Chomsky, Noam: Wege zur intellektuellen Selbstverteidigung; Trotzdem Verlag 1996, S. 76

      (4) Merlino, Jacques: Da haben wir voll ins Schwarze getroffen. In: Bittermann, Klaus: Serbien muß sterbien, Edition Tiamat 1994, S. 153 ff

      (5) zit. nach Schwab-Trapp, Michael: Der deutsche Diskurs über den Jugoslawienkrieg. In: Medien in Konflikten; Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, 2000, S. 106

      (6) Aus: Menschen machen Medien, Zeitschrift der IG Medien; Nr. 7 Juli '99.

      (7) "Der Krieg und ein fauler Frieden"; ARD-Dokumentation 29.10.99.

      (8) Jungle World Nr. 46, 10. November 1999

      (9) Europäische Sicherheit; Juli '99

    Diktatur der Medien

    «Es ist als ob man Indien für die globalen Drogenhändler öffnen würde...»

    Ein Interview mit Noam Chomsky mit der Humanistischen Zeitschrift Humanscape in Indien über die Diktatur der Medien.

    Was bedeutet die Globalisierung der Medien generell, und was würde es für die Presse und die anderen Medien hier bedeuten?

    Unter anderem bedeutet es eine riesige Zunahme der Werbung, speziell für ausländische Produkte. Da ihre Ressourcen alles übertreffen könnten, was Indien hat, bedeutet es eine viel engere Konzentration der Medien Quellen.... Es würde die Standpunkte derer reflektieren, die das Kapital zusammenbringen können um internationale Medien zu betreiben. Vielfalt und Information würden abnehmen, die Medien würden werbeorientierter.

    Ist Globalisierung ein passendes Wort? Wäre "Transnationalismus" genauer?

    Ich würde es die Ausweitung "Transnationaler Firmentyrannei" nennen. Das sind tyrannische, totalitäre Institutionen, Megafirmen. Es sind gigantische beherrschende Wirtschaften, von der Spitze aus geleitet, relativ unverantwortlich, und auf verschiedenartige Weise verknüpft. Ihr Hauptinteresse ist Profit - aber viel weitgehender als das ist es, eine gewisse Art von Publikum zu erzeugen. Eines, das süchtig ist nach einem gewissen Lebensstil mit künstlichen Wünschen. Ein Publikum atomisiert, voneinander getrennt, genug fragmentiert, damit es an der politischen Arena nicht teilnimmt, um die Mächtigen nicht zu stören. Es ist völlig natürlich.

    Sehr viele Zeitungsverlage hier glauben, dass sie in eine Partnerschaft eintreten und dass die Indische Presse vernünftig genug ist, (momentan, ist ausländischer Besitz in der Presse verboten, aber die Situation könnte sich ändern). Das ist ein Witz. Wenn ein lokales Restaurant sich bei McDonald’s beteiligt, wären sie sehr vernünftig. Aber McDonald’s hat die Ressourcen, sie zu überwältigen und hat ein Interesse daran, sie in ihr System zu integrieren. Das ist profitabler und hilft wieder, die Art des Marktes zu erzeugen, die sie benötigen.

    Es ist, als ob man Indien für die internationalen Drogenhändler öffnen würde, indem man behauptet, dass die Leute vernünftig genug seien, um zu widerstehen. Ja klar, sie können widerstehen. Aber wenn sie es auf Schulkinder abgesehen haben, mit gratis Drogen, und die Kinder süchtig werden, so spielt es keine Rolle wie vernünftig du bist. TV und Werbung sind einfach kultivierte Süchte, produziert um Leute auf eine bestimmte Art zu kontrollieren. Tatsächlich auf eine noch hinterhältigere Art und Weise. Drogenhändler müssen ihren Stoff verkaufen und dich davon abhängig machen. Dies dagegen erzeugt eine bestimmte Art von Leuten.

    Ist also die Hauptfunktion der Medien zu verkaufen?

    Ihre Hauptfunktion ist es, den Werbern Publikum zu verkaufen. Sie machen kein Geld mit ihren Abonnements, CBS News verdient kein Geld, wenn du deinen Fernseher anstellst. Sie verdienen Geld, wenn ein Inserent sie bezahlt. Nun zahlen Inserenten für gewisse Dinge. Sie bezahlen nicht für eine Diskussion, die die Leute ermutigt an der Demokratie teilzunehmen und die Macht der Firmen anzugreifen.

    Lebensstile zu verkaufen, Werte oder Prinzipien des freien Marktes... Das ist ein Betrug. Sie glauben an die Prinzipien des freien Marktes für andere, nicht für sich selber. Die grösseren Firmen jeder Gesellschaft, in der Tat in allen fortgeschrittenen Sektoren des Marktes, verlassen sich sehr stark auf Staatssubventionen und Staatsinterventionen. Sie wollen dir sagen, dem freien Markt beizutreten. Sie selber werden es nicht machen

    Wie reagierten sie auf die Liberalismus Debatte hier, die so geführt wird, als ob das etwas neues wäre?

    Ich war betroffen, als ich dies in der Presse hier las, die Idee, dass irgendwie etwas Neues am Neoliberalismus ist. Es gibt nichts Neues am Neoliberalismus. Indien hat den Neoliberalismus seit 300 Jahren erlebt - weshalb es Indien ist und nicht England oder die Vereinigten Staaten. Weshalb ihr euch von Britannien gelöst haben.

    Dass die USA keine totale Marktgesellschaft ist (ist bekannt)... aber soziale Sicherheit und ähnliche Interventionen sind der Rand eines Systems von Staatssubventionen für private Macht. Wenn man über die USA als Marktgesellschaft spricht ohne das Pentagon zu erwähnen, ist es als ob man über die UdSSR spricht und das Politbüro nicht erwähnt. Das Pentagon ist der massive Kern des Wohlfahrtsstaates für die Reichen. Es giesst öffentliche Gelder unter der Verkleidung von Sicherheit in fortgeschrittene Industrie in jedem grossen Sektor der Wirtschaft.

    Wie unterscheiden sich die Arten der Medien und Gedankenkontrolle der USA von solchen totalitärer Staaten?

    [gedankenkontrolle?] Ein totalitärer Staat hat ein Wahrheitsministerium. Diese bestimmen sehr öffentlich, was die Wahrheit ist. Du musst dieser Wahrheit zustimmen, falls nicht so gibt es verschiedene Strafen. Hier gibt es kein Wahrheitsministerium, Es gibt nur ein gemeinsames Bewusstsein zwischen extrem engen Sektoren von Macht, darüber wie die Welt wahrgenommen werden sollte und was für eine Art von Leuten es geben sollte.

    Gibt es irgendein reales Meinungsspektrum in der USA?

    Über Saddam Hussein gab es kein Spektrum. Als er sich bereit erklärte, sich aus Kuwait zurückzuziehen, gab es eine Übereinstimmung der Medien, das nicht zu erwähnen. Darum wurde das unterdrückt. Aber es gibt ein Spektrum.... Nimm das grösste Thema in der Amerikanischen Politik - das Budget zu balancieren. Die Medien sagen dir, dass die Amerikaner dafür gestimmt hätten. Die Republikaner wollen es in sieben Jahren und die Demokraten in 7 1/2 Jahren erledigt haben. Das ist dein Spektrum. Die Mehrheit der Amerikaner sind dagegen. Aber ihre Meinung ist kein Teil des Spektrums.

    Übrigens, das Budget des Pentagon steigt. Die Öffentlichkeit ist mit 6 zu 1 dagegen, aber das macht nichts. Das ist das Informationssystem und die Wirtschaft, die es vertritt. Dies bildet das Spektrum. Darin gibt es gewisse Unterschiede.

    Einige Leute sind optimistisch über die Möglichkeit des Internets.... Mehr Demokratie, weniger Kontrolle. Glauben sie, dass das geschehen wird?

    Der Zustand des Internets heute ist wie der Zustand der elektronischen Medien in den 1920 er Jahren. In den meisten Staaten wurde das Radio oder ein grosser Teil davon dem öffentlichen Interesse übergeben. So bekommst du BBC oder "Canadian Broadcasting" und das ist so demokratisch wie die Gesellschaft ist. In den USA gab es einen Kampf darum. Kirchliche Gruppen, Vereine und andere wollten ein ähnliches System. Aber sie wurden durch private Macht überwältigt. Und das Radio wurde grösstenteils an riesige Firmen übergeben. Später geschah das gleiche mit dem Fernsehen, es gab überhaupt keinen Kampf mehr. Sie gaben es einfach der privaten Macht.

    Jetzt hast du das Internet. Wie der ganze Rest der modernen Technologie wurde es durch die Öffentlichkeit bezahlt, es kommt vom Pentagon und der Nationalen Wissenschaftsstiftung usw. Wie die Computer und der Rest der Elektronik. Die Öffentlichkeit zahlt und dann wird es an die private Macht übergeben.

    Sogar bei den Printmedien gab es in England und der USA früher in diesem Jahrhundert eine grosse unabhängige Presse. In England war es auf der Ebene der kommerziellen Presse. Sie wurden schrittweise durch die Macht der Firmen überwältigt. Mit dem Internet müssen wir warten und beobachten. Wird die Wirtschaft machen können was sie will? Sie würden es gern in einen Shopping Service von zu Hause aus verwandeln und mehr Leute süchtig danach machen, sogar noch stärker. Nun, Ein grosser Teil des Volkes hat andere Ideen. Es wird einen Kampf geben, und man kann das Resultat nicht voraussagen.

    Wie steht es mit dem Inhalt? Wie überall sonst gab es auch hier einen Wandel des Schemas der Berichterstattung: Unterhaltung, das Interesse anregen, selektive Skandalmeldungen. Wo bleibt da der Journalismus, von der Art, der über die heutige Realität, oder das Leben der Leute zu berichten pflegte?

    Nun mit den Medien in der USA, in England und in Europa ist es ganz klar. Der Inhalt wird abgeschwächt, reduziert und homogenisiert. So erscheint nun die europäische Presse zunehmend eine schlechte Kopie der New York Times und der Washington Post zu sein. Es ist wie mit den Fernsehnachrichten. Gesamthaft wird viel weniger Geld in die Reportagen investiert. Es wird unwesentlich. Nun, falls Sie der Besitzer des Westinghouse, ein Mega Unternehmen und ein riesiger Inserent sind, ist es das, was sie wollen.

    Warum stellt sich die gebildete Klasse am schnellsten hinter die von den Medien konstruierte Realität? Sagen wir, in der Debatte über die Liberalisierung in Indien?

    Das ist weit verbreitet. Es ist natürlich.

    Sagen Sie damit, dass die Schule und das Gymnasium ein Teil dieses Trainings sind?

    [Big Brother System] Ja, sicher. George Orwell hat vor 50 Jahren in Animal Farm darauf hingewiesen, was natürlich eine Satire über die Sowjetunion ist. Dazu gab es eine Einleitung, die übrigens nicht veröffentlicht wurde. Es war an einer literarischen Zensur in England, an welcher er sagte; "schau, ich stelle die Sowjetunion satirisch dar, aber schau England an..." und er sprach darüber wie ungewollte Ideen zum Schweigen gebracht werden können, ohne die Notwendigkeit eines öffentlichen Verbotes. Und er beschrieb die Grenzen. Er sagte, ein Grund sei, dass reiche Männer die Presse besässen, die nur daran interessiert seien, dass gewisse Ideen ausgesprochen würden und andere nicht. Ein anderer sei der Prozess der Sozialisation, der durch das System der Ausbildung statt fände und im speziellen im System der Ausbildung der Elite... in welchem man nur bestimmte Werte verinnerliche. Wo, wie er sagt, man lernt, dass es gewisse Dinge gibt, die einfach nicht angebracht sind.

    Kann es so eine totale Trennung geben zwischen dem, was Millionen von Leuten denken und diesem Dialog?

    Ja. In einer von der Wirtschaft geführten Gesellschaft. Wenn man ein paar Billionen Dollars für öffentliche Beziehungen ausgibt, will man wissen, wie man die Sachen anpacken muss, um die öffentliche Opposition zu überwältigen...Öffentliche Haltungen sind normalerweise ganz getrennt vom Spektrum der gebildeten Meinung, sie weichen oft sehr stark ab. Übrigens über 80 Prozent der amerikanischen Öffentlichkeit glaubt, dass es keine funktionierende Demokratie gibt und dass die Regierung nur für ein paar spezielle Interessen arbeitet. Das ist ein Grund, weshalb die Leute sich nicht die Mühe nehmen um zu wählen.

    Wo bleiben da die Journalisten, in der Hauptrichtung, welche die Werte der wirtschaftsorientierten Medien nicht teilen? Verschwenden wir unsere Zeit?

    Nein. Ganz und gar nicht. Zum Beispiel die USA. Ich bin sehr kritisch über die Medien aber sie sind besser als vor 30 Jahren. Grundsätzlich führte der Aktivismus der 60er Jahre zu beachtlichen Unruhen, woraus wichtige Veränderungen in der amerikanischen Kultur resultierten... Es gibt immer populäre Wahlkreise, die sich mit einzelnen Journalisten verbinden und die sich gegenseitig unterstützen. Sie erhalten Informationen und geben Informationen.

    Lohnt es sich eine Art Guerilla Aktion zu inszenieren innerhalb eines solchen Medien Systems?

    Es lohnt sich immer ein totalitäres System an seine Grenzen zu bringen, offensichtlich.

    Es gibt diese romantisierende Idee der amerikanischen Medien, dass sie den Krieg beendet hätten und dass sie Watergate enthüllt hätten. Wie sehen Sie das?

    Die Medien haben immer sehr viel verbreitet über Vietnam. Die Medien waren immer sehr für den Krieg... Um 1970 fanden ca. 70 Prozent der Bevölkerung, dass der Krieg grundsätzlich falsch und unmoralisch sei und kein Fehler sei, was ständig in den Abstimmungen blieb bis in die frühen 90er Jahre, als die letzten besiegt wurden. Und dieser Punkt wurde praktisch nie in den Medien erwähnt. Der kritischste Kommentar in den Medien war der von Anthony Lewis von der New York Times, der auf eine Art ausserhalb des Spektrums war. 1969 entschied er, obwohl der Krieg mit den nobelsten Absichten angefangen wurde, dass es für die USA nun zu viel kosten würde. So hatte er sich nun Gedanken darüber gemacht, ob man nicht aufhören sollte.

    Ist es ein Mythos?

    Ein totaler Mythos. In der Tat, falls es Sie interessiert, ich habe seitenweise Dokumentationen, welche die Berichterstattung der Medien zeigen. Fall über Fall während des ganzen Krieges. In den frühen 70er Jahren zum Beispiel als angenommen wurde, dass die Medien ablehnend waren, begann die USA Kambodia zu bombardieren. Es war die schlimmste Bombardierung von Zivilpersonen in der Geschichte. Hundert Tausende wurden getötet. Wahrscheinlich flohen eineinhalb Millionen Flüchtlinge nach Pnom Penh. Wir wissen nichts darüber. Weil Sidney Schanberg und andere, die das Gewissen der Presse genannt wurden, in Pnom Penh sassen - und sich weigerten die Strasse zu überqueren um einen Flüchtling zu interviewen. Jene wären die falschen Geschichten gewesen.

    Und Watergate?

    Watergate war eine Tee-party. In der Tat, Watergate war fast ein kontrolliertes Experiment. Die Nixon Administration sammelte ein paar unbedeutende Gauner, die in das Hauptquartier der Demokratischen Partei eindrangen, ohne bekannten Grund, und entwendeten ein paar Ordner. Gerade zur gleichen Zeit gab es andere Sachen. Es gab eine Liste der Feinde. Privat gab Nixon einigen Leuten schlechte Namen - mir zum Beispiel. Ich war auf der Liste der Feinde. Aber es passierte niemandem etwas, die auf der Liste der Feinde waren. Das ist Watergate.

    Zur selben Zeit wie Watergate, fand man heraus, dass im Gericht in klassifizierten Dokumenten, unter dem Gesetz der Informationsfreiheit, dass vier Verwaltungen, Eisenhower, Kennedy, Johnson und Nixon nicht nur ein paar unbedeutende Gauner aufgelistet hatten, sondern die nationale politische Polizei FBI, um legale und legitime, die anderer Meinung sind anzugreifen und zu schwächen.

    Der COINTELPRO Skandal, wie er genannt wurde, bekam absolut keine Wichtigkeit. Dies obwohl die FBI direkt involviert war in der politischen Ermordung von zwei schwarzen Führern. Nicht nur erlangte es nicht die gleiche Wichtigkeit, es existierte offensichtlich auch nicht, so wie es behandelt wurde.

    Wurden die Nachrichten total gesperrt?

    Nun gut, es mag hin und wieder ein paar Zeilen gegeben haben. Aber es war nicht interessant was etwas sehr Einfaches zeigt. Die Leute der Medien interessierten sich nicht für Demokratie oder Freiheit oder irgend etwas anderes. Worum sie sich sorgten, war der Schutz der Macht vor den Leuten. Als Fred Hampton, ein Schwarzer Organisator durch FBI und die Polizei von Chicago ermordet wurde das war o.k., das war kein Problem.

    Aber Thoma Watson, der Kopf von IBM... du kannst ihm nichts nachsagen, (wie es Nixon tat auf seinen Tonbändern: PS). Mach das und die Demokratie wird zusammenbrechen. Wenn die Medien Watergate als ein Beispiel ihrer Gegner präsentieren, mutige Charaktere, kann man sogar kaum lachen. Ferner können sie es nicht verstehen wenn man es ihnen einmal sagt, weil sie so indoktriniert sind.

    Sie haben einen Tag auf dem Land in Bengal verbracht. Was halten sie davon?

    Sehr interessant. Ich habe viele ländliche Entwicklungsprogramme gesehen und dieses war sehr bemerkenswert. Es gab viele Verpflichtungen und es ist offensichtlich, dass die Dorfbewohner die Sachen unter Kontrolle haben. Sie schienen die Fragen, die man ihnen stellte sehr leicht und gut zu beantworten.

    Glauben Sie, dass es eine demokratische Selbständigkeit auf der Ebene eines Dorfes ist?

    So weit wie ich es beurteilen kann. Ich meine es sah sicher so aus wie eine sehr aktive Teilnahme mit vielen Leuten, die wissen was passiert und die eifrig darüber sprechen.

    Nun, das ist nicht so wie es die Medien hier betrachten.

    Nein? Das ist ihr Problem. Aber ich kann ihnen nur sagen, was ich gesehen habe.


      Noam Chomsky eine Autorität für Linguistik, ein profilierter Schriftsteller und Theoretiker über die Medien und ihre subversiven Taktiken, war kürzlich in Indien. P. Sainath interviewte ihn für Humanscape. Autor: P. Sainath ist ein Journalist aus Bombay.

      Ein Herausgeber schrieb über Noam Chomsky: "In einer gesünderen Welt hätten ihm seine unermüdlichen Anstrengungen, die Gerechtigkeit voranzubringen schon lange den Friedens Nobel Preis eingebracht, aber das Komitee gibt ihm weiterhin an Leute wie Henry Kissinger".

      Die herausragendste Gestalt der Linguistik des 20. Jahrhunderts, Noam Chomsky lehrt am "Massachusetts Institute of Technology (MIT)" in Boston, wo er mit 32 Jahren Professor wurde. Ebenfalls zu Hause in politischer Wissenschaft, zeitgenössischen internationalen Beziehungen und Aktivismus, füllt er die Säle überall auf der Welt - an Treffen, die oft auf Jahre hinaus geplant werden.

      Mindestens eine Amerikanische Zeitung hat ihn "den wichtigsten lebenden Intellektuellen" genannt. Noam Chomsky ist sicherlich der von Intellektuellen am meisten zitierte lebende Autor.

      Dennoch leidet Chomsky glücklicherweise nicht am "Intellektualismus". In einem Interview mit den Medien von Hyderabad begann ein Teilnehmer mit einer langwierigen Frage über den "Post-Modernismus". Chomskys Antwort: "Post-Modernismus?" Ich weiss nicht was das heisst. Aber ich vermute es ist etwas, dass Intellektuelle sich ausgedacht haben, um beschäftigt zu bleiben

    mehr Noam Chomsky:
    http://gib.squat.net/texte/noam-chomsky.html

    Schönreden
    die Strategien politischer Rhetorik

    mehr Drogenpolitik:
    http://www.uni-koeln.de/phil-fak/fs-rwl/portunol/11/drogen.htm

    mehr Neoliberalismus:
    http://gib.squat.net/millenium/seattle-and-more.html

    mehr INFOrmation WARfare:
    http://gib.squat.net/infowar/

    [Noam Chomsky]
    mehr Noam Chomsky
     
     

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