Falls Stalin ein Monster war, stellt sich die Frage: Sind alle �rzte oder Handwerker schlecht, weil einer gepfuscht hat ? Auch hier scheint sich zu bewahrheiten: "Die herrschende Meinung ist die Meinung der herrschenden Klasse"; und die herrschende Klasse im Kapitalismus und Imperialismus hat entschieden: Lenin , Stalin, Ulbricht, Honecker, Castro, Mao, Marx und Engels, Pieck, Th�lmann, Benesch, Liebknecht und Luxemburg, Krenz und Gysi, alle Kommunisten und Sozialisten und sozialen Befreier sind schlecht f�r den Profit und gef�hrlich f�r die Mauer zwischen Arm und Reich.

Ob Stalin tats�chlich ein Monster war, m�ge die Zukunft entscheiden; wir haben folgende uns objektiv erscheinenden Berichte �ber ihn und seine Zeit gefunden. In Ostdeutschland, der SBZ und DDR und in �sterreich sind keine Massenhinrichtungen Stalins bekannt, trotz 20 bis 30 Millionen sowjetischen Kriegstoten, die Hitlerdeutschland in der UdSSR hinterlassen hat.

Was die gleichgeschalteten Massenmedien verschweigen:

Die heute in b�rgerlichen Medien immer wieder verbreiteten Behauptungen zu Stalin lauten etwa so: �Seit Ende der 20er Jahre war er Diktator der Partei und des Landes�
Stalin war aber kein selbstherrlicher Diktator Er stand, getragen vom Vertrauen der Arbeiter- und Bauernklasse und der Intelligenz, an der Spitze der Diktatur des Proletariats und verfocht konsequent deren Interessen Im Interesse der Arbeiterklasse und ihrer Verb�ndeten und nicht im Interesse einer parasit�ren Ausbeuterklasse wurde die Sowjetunion unter seiner F�hrung zum modernen Industriestaat aufgebaut In dieser Zeit wurde nicht nur der Analphabetismus beseitigt; es wurde eine Bildungs- und Kulturrevolution vollbracht, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte Verwirklicht wurden die sozialen, �konomischen und kulturellen Rechte der Menschen, wie das Recht auf Arbeit, Bildung, Wohnung und unentgeltliche medizinische Versorgung in einem Ausma�, wie es heute die Menschen in der westlichen Welt, der Welt der angeblichen Demokratie, nur ertr�umen k�nnen
Die offizielle b�rgerliche Meinung weiter: �Stalin brachte der UdSSR ein brutales Terrorregime� Zur Untermauerung dieser These reicht man dann Horrorzahlen nach Damit soll der Eindruck entstehen, da� das ganze stalinsche System nur aus GULags bestand und das Leben von Erschie�ungskommandos beherrscht wurde So hei�t es zum Beispiel: �Ende der 30er Jahre befanden sich etwa 9 Millionen Menschen in GULags�
Die vorliegenden Archivzahlen offenbaren jedoch, da� Anfang 1939 die exakte Zahl aller H�ftlinge 1317195 betrug Darin sind Straft�ter aller Kategorien erfa�t, und nicht etwa nur die aus politischen Gr�nden Inhaftierten Auf Grund einer Amnestie wurde etwa die H�lfte der Lagerinsassen bis 1940 vorzeitig entlassen und, soweit sie wegen politischer Delikte bestraft worden waren, rehabilitiert Damit wurde eine Zahl erreicht, die schon damals unterhalb der Zahl der Strafgefangenen in den USA lag, die etwa die gleiche Bev�lkerungszahl wie die Sowjetunion aufwies Die USA galten zu dieser Zeit als ein liberales Land In den damaligen faschistischen L�ndern des Kapitalismus lag die Zahl der Eingekerkerten proportional wesentlich h�her als in den USA
Selbstverst�ndlich gab es auch zu Stalins Zeiten in der UdSSR Straf-vollzugsanstalten Die Strafgefangenen in den Arbeitslagern, die produktive Arbeit leisteten, wurden ordnungsgem�� entlohnt Es gab aber auch eine Besonderheit: Es bestand eine Wettbewerbs- und Neuererbewe-gung, f�r besondere Leistungen wurden Pr�mien vergeben und Auszeichnungen und Ehrentitel verliehen Gefangene hatten das Recht auf Freizeit und konnten beliebig Briefe schreiben und empfangen, sie erhielten Besuchserlaubnis In der UdSSR bestand ein musterhaftes System der Wiedereingliederung entlassener Strafgefangener in das normale gesellschaftliche Leben Jeder entlassene Strafgefangene erhielt entsprechend seiner Qualifikation Arbeit Er wurde mit Wohnraum versorgt Diskriminierungen von sogenannten Vorbestraften, wie sie in kapitalistischen Staaten �blich sind, waren in der UdSSR streng verboten
Nach Verabschiedung der neuen Verfassung durch den Obersten Sowjet der UdSSR 1936 war die h�chste Freiheitsstrafe, die ein Gericht f�r kriminelle Handlungen verh�ngen konnte, 10 Jahre, in besonders schweren F�llen 25 Jahre Die Todesstrafe konnte in der Sowjetunion gegen Verbrecher, die sich an besonders gef�hrlichen Anschl�gen gegen den sozialistischen Aufbau beteiligt hatten, und in F�llen von schwerer Spionage verh�ngt werden
In der Tat hatten der trotzkistische Untergrund und ausl�ndische Geheimdienste die Sowjetunion mit einer Serie von Mordattentaten, Sprengstoffanschl�gen und anderen Terrorakten �berzogen, gegen die sich die Sowjetmacht zur Wehr setzen mu�te Der Auftakt dazu war die Ermordung Kirows im Dezember 1934
Die Verhaftungen von Offizieren der Roten Armee 1937/1938 erfolgten haupts�chlich im Zusammenhang mit der Aufdeckung der Vorbereitung eines Milit�rputsches zum Sturz der sozialistischen Staatsordnung Hier die korrekten Zahlen : Im Zuge der Erh�hung der Kampfkraft und Kampfmoral der Roten Armee und Roten Flotte wurden 36898 Offiziere aus dem aktiven Dienst entlassen Die Entlas-sungsgr�nde waren vor allem Altersgr�nde, unzureichender Gesundheitszustand und Disziplinarverst��e Verhaftet wurden 9579 Offiziere, von denen bis Anfang 1941 nach gr�ndlicher Untersuchung 1500 wieder aus der Haft entlassen und sogar rehabilitiert wurden
Ein weiteres Beispiel: 1934 gab es 182000 Altbolschewiki, d h Mitglieder, die bis 1920 der RKP B beigetreten waren Diese h�tte Stalin zum gr��ten Teil ermorden lassen, hei�t es in der westlichen L�genpropaganda
Wie verhielt es sich nun in Wirklichkeit? Im Jahre 1939 z�hlte man 125000 Altbolschewiki als Mitglieder der KPdSU B Was ist nun mit den 57000 geschehen, die nicht mehr Mitglieder der Partei waren? Viele starben eines nat�rlichen Todes, andere waren aus der Partei ausgeschlossen worden Es gab auch einige Verhaftungen und Exekutionen Altbolschewiki gerieten aber nicht in die zu dieser Zeit notwendig gewordenen S�uberungen hinein, weil sie Altbolschewiki waren Der Status eines Altbolschewiken war aber auch keine Garantie f�r Straffreiheit f�r Handlungen, die nach den Gesetzen als kriminell galten
Dann hei�t es weiter: �Stalins durch den Pakt mit Hitler betriebene Anne-xionspolitik baute er nach dem 2 Weltkrieg aus Dadurch wurde der Kalte Krieg eingeleitet� Das ist von A bis Z Geschichtsklitterung Der sogenannte Ribbentrop-Molotow-Pakt, der am 23 August 1939 abgeschlossen wurde, war ein Nichtangriffsvertrag, zu dessen Abschlu� die Sowjetunion auf Grund der internationalen Kr�ftekonstellation gezwungen war Die UdSSR wurde 1939 von allen Seiten bedroht Gerade war eine Aggression der Japaner abgewehrt worden Die Westm�chte Gro�britannien und Frankreich konnten sich zu keinem effektiven Milit�rb�ndnis mit der UdSSR gegen Hitlerdeutschland und zur Abwendung der faschistischen Gefahr entschlie�en, obwohl die UdSSR dazu zahlreiche Vorschl�ge unterbreitet hatte
Die Welt war zu dieser Zeit zu wesentlichen Teilen kolonial aufgeteilt Der englische Premierminister Chamberlain und der franz�sische Ministerpr�sident Daladier schmiedeten Pl�ne zur Eroberung des Gebietes der Sowjetunion sozusagen zu Aufstockung ihrer Kolonialreiche Hier lockte ein Territorium mit reichen Bodensch�tzen, das ein Sechstel der Erdoberfl�che ausmachte Auch Hitler, der japanische Tenno und L�nder wie Polen hatten Anspr�che auf sowjetisches Territorium geltend gemacht Hitler sprach von der Eroberung von Lebensraum �Unsere Kolonien liegen im Osten�, hatte er lautstark verk�ndet Er wollte daf�r England und Frankreich Garantien f�r den Bestand ihrer Kolonialreiche geben Es gab bis in den August 1939 Verhandlungen zum Abschlu� eines Milit�rb�ndnissees zwischen der UdSSR einerseits und Gro�britannien und Frankreich andererseits zur Abwehr faschistischer Bedrohung Diese Verhandlungen fanden unter f�r die sowjetische Seite entw�rdigenden Bedingungen statt
Der Nichtangriffspakt zwischen der UdSSR und Deutschland war kein Milit�rb�ndnis; es ergaben sich daraus keinerlei milit�rische Beistandsverpflichtungen Nach der Besetzung Polens durch die Hitlerarmee r�ckte die Rote Armee ihrerseits in Gebiete der Ukraine und Beloru�lands ein, die fr�her zu Ru�land geh�rten und der Sowjetunion nach Intervention und B�rgerkrieg verloren gingen Im Grunde erf�llte die Sowjetunion hier eine internationalistische Pflicht, den Nazis nicht alle Beutest�cke ihrer Aggression in Polen zu �berlassen
Und so war es auch, als die Sowjetunion den Sieg �ber den Hitlerfaschismus errungen hatte, bez�glich der ab 1944/1945 neu entstehenden Volksrepubliken und sozialistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas Hier fanden revolution�re Ver�nderungen im Interesse der V�lker dieser L�nder und keine Annexionen statt
Der Kalte Krieg wurde der UdSSR vor allem von den USA aufgezwungen, die alle Friedensbem�hungen und Bestrebungen um Abr�stungen beharrlich konterkarierten Nach 1945 ging es den West�chten und voran den USA nicht mehr um eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen L�ndern, sondern letztlich um die Vernichtung des Sozialismus im Weltma�stab


786.098 politische Todesurteile ?
In den gleichgeschalteten Massenmedien wird seit Jahr und Tag die antikommunistische These von Massenmorden durch Josef Stalin verbreitet, zum Teil mit schon astronomisch hohen Ziffern von bis zu 800.000 politischen Todesurteilen, obwohl durch sukzessive Ver�ffentlichungen von Archivmaterialien in den 90er Jahren diese L�gen widerlegt sind.
(z.B.: K. Gossweiler in: Wider den Revisionismus, a.a.O., S.233 - 245. Georgi Dimitroff. Tageb�cher 1933-1943. hrsg. von Bernhard H. Bayerlain. l. Auflage. Berlin 2000. S. 136 f, 140, 145, 148, 161, 165 f, 225 f, 240)
Aus dem gut recherchierten Aufsatz von Andrea Sch�n: "Geschichtsl�gen: Fundamente des Anti-'Stalinismus'" ("Offensiv", Heft 7/2002, Ausgabe Juli-August 2002, S. 57 - 70) ,
dokumentieren wir folgende Zahlen:
"Nach Informationen, die im Februar der Presse freigegeben wurden, sind in 23 Jahren zwischen 1930 und 1953 786.098 Menschen wegen Verbrechen gegen die Revolution zum Tode verurteilt worden, davon 631.692 in den Jahren 1937 und 1938. Diese Zahlen bed�rfen allerdings noch der �berpr�fung. Nach den vorliegenden Daten aus den Archiven sch�tzt Mario Sousa die Zahl der tats�chlich vollstreckten Todesurteile 1937 - 38 auf ca. 100.000. Viele Todesurteile seien in Haftstrafen umgewandelt worden bzw. basierten auf Verbrechen wie Mord oder Vergewaltigung, da Mord und Vergewaltigung auch unter "Verbrechen gegen die Revolution" fiel. Letztere Tatsache ist besonders wichtig: Die westlichen Ideologen z�hlten s�mtliche Todesstrafen wegen Mord und Vergewaltigung als politische Todesurteile mit. Letzlich schrumpft die Anzahl von echten politischen Todesurteilen auf wahrscheinlich einige Hundert oder einige Tausend. Zum Vergleich: in den USA gibt es j�hrlich ca. 70.000 Mordopfer und j�hrlich hunderte Todesstrafen. (Andrea Sch�n bezieht sich auf einen Artikel von Mario Sousa, Mitglied der schwedischen KPKL(r): Lies concerning the history of the Soviet Union. (L�gen bez�glich der Geschichte der Sowjetunion) In: Pro-let�ren (Schweden) April 1998.)
"Schlie�lich bleibt noch die Frage nach der durchschnittlichen Dauer der Strafe in einem Arbeitslager(Gulag). Die antikommunistischen Propagandisten erwecken den Eindruck, da� ein Strafgefangener normalerweise das Arbeitslager(Gulag) nicht �berlebte bzw. endlos lange gefangen gehalten wurde. Es zeigt sich jedoch, da� die Strafzeit in der Stalinzeit f�r den gr��ten Teil der Gefangenen maximal 5 Jahre betrug. So erhielten nach der American Historical Review 82,4 % der gew�hnlichen Kriminellen im Jahre 1936 Haftstrafen von bis zu 5 Jahren und 17,6 % zwischen 5 und 10 Jahren. Von den politischen Gefangenen erhielten 44,2 % Haftstrafen bis zu 5 Jahren und 50,7 % zwischen 5 und 10 Jahren. F�r 1939 liegen von sowjetischen Gerichten folgende Zahlen vor: 95,9 % bis zu 5 Jahre, 4 % zwischen 5 und 10 Jahre und 0,1 % �ber 10 Jahre." (Andrea Sch�n: S.65 f.)
Demnach sind in den angegebenen Zahlen gew�hnliche Kriminelle mit enthalten, die von den Geschichtsf�lschern als "politische" H�ftlinge ausgegeben werden.
Bez�glich der Reinigung der Roten Armee im Zusammenhang mit der Verschw�rungen (Marschall Tuchatschewski u.a.) gibt Andrea Sch�n folgende Zahlen an: "Im Jahre 1937 gab es 144.300 Offiziere und politische Kommissare in Armee und Luftwaffe und 282.300 im Jahre 1939. W�hrend der S�uberungen 1937/38 wurden 34.300 Offiziere und Kommissare aus politischen Gr�nden entlassen. Bis zum Mai 1940 wurden allerdings 11.596 rehabilitiert und wieder in ihre Posten eingesetzt. Das hei�t, zu den Entlassenen z�hlten 22.705 Offiziere und Kommissare (davon 13.000 Armeeoffiziere, 4.700 Luftwaffenoffiziere und 5.000 politische Gefangene). Das sind insgesamt 7,7 % aller Offiziere und Kommissare, wovon wiederum nur ein geringer Teil als Verr�ter verurteilt wurde, w�hrend der Rest ins zivile Leben zur�ckkehrte." (Ebd. S.66 f.)
Andrea Sch�n zieht noch einen interessanten Vergleich zwischen den Horrorangaben von Robert Conquest �ber die "Millionentoten" in der Sowjetunion mit Archivdaten f�r den fraglichen Zeitraum von 1939 bis 1950:
1939-1950: nach Behauptung Conquests: 12 Mio. Gefangene in Arbeitslagern (Gulags), nach Archivdaten: 578.912.
1937 - 1939: nach Behauptung Conquests: 3 Mio. tote Gefangene, nach Archivdaten: 166.424 Tote.
"Insgesamt lebten im angegebenen Zeitraum 2,5 Millionen Sowjetb�rger in Gefangenschaft,
d.h. 2,4 % der erwachsenen Bev�lkerung - sicherlich keine geringe Zahl und ein Indikator f�r die noch bestehenden Widerspr�che in der Gesellschaft. Trotzdem lag die Zahl noch unter der der imperialistischen Hauptmacht USA. Ein Vergleich mit den Daten aus den USA: 1996 gab es im reichsten Land der Welt 5,5 Millionen Gefangene, d.h. 2,8 % der erwachsenen Bev�lkerung.
Nun zur Frage der Todesopfer. Der prozentuale Anteil der im Arbeitslager Verstorbenen variiert im angegebenen Zeitraum zwischen 0,3 % und 18 %. Die Todesursachen waren im wesentlichen auf die allgemeine Mangelsituation im Lande zur�ckzuf�hren, insbesondere die medizinische Versorgungslage zur Bek�mpfung von Epidemien. Das betraf damals allerdings wie erw�hnt nicht nur die Sowjetunion, sondern auch alle entwickelten L�nder. Erst mit der Erfindung des Penicillin w�hrend des Zweiten Weltkrieges wurde ein wirksames Mittel gegen ansteckende Krankheiten geschaffen. Tats�chlich waren es wiederum die Kriegsjahre, in denen die H�lfte aller Todesf�lle im untersuchten Zeitraum zu verzeichnen war. Nicht zu vergessen die 25 Millionen Todesopfer, die gleichen Zeitraum an Epidemien und Krankheiten in Freiheit starben. Der systematische R�ckgang der Todesopfer nach dem Zweiten Weltkrieg (nominal und prozentual) ist denn auch auf die verbesserte medizinische Versorgung zur�ckzuf�hren." (Quelle: "Custodial Population 1934-1953" (Bev�lkerung in Gewahrsam in der UdSSR 1934-1953), The American Historical Review)
Ausf�hrlich und ausreichend dokumentiert wird im Zusammenhang mit dem Proze� gegen Bucharin, darunter gegen Offiziere der Roten Armee, die gesamte Situation um und w�hrend der Zeit von 1937/38 von Hans Wauer und Hans-J�rgen Falkenhagen in ihrer Schrift: "Nikolai Bucharin: Revisionist, Renegat, Verr�ter, Teil III, 'Anklage und Verurteilung'" dargestellt. (Wauer/Falkenhagen, a.a.O., Teil III. S. 37 - 62)
Man mu� das Rad nicht neu erfinden, und so werden aus diesem Kapitel die Ausf�hrungen zu den Milit�rprozessen dokumentiert: "Falsch ist auch die Behauptung von einer Massenhinrichtung sowjetischer Offiziere. In der Roten Armee und Flotte wurden von 1937 - 1939 36.898 Offiziere aus Altersgr�nden, wegen unzureichender Gesundheit, Disziplinarverst��en, moralischen Verfehlungen und mangelndem politischen Bewu�tsein sowie wegen politischen Strafverdachts entlassen. Von den aus politischen Gr�nden Entlassenen wurden 9.579 verhaftet, davon wurden etwa 2.000 wegen erwiesener Unschuld wieder entlassen oder, soweit sie verurteilt waren, rehabilitiert. Von den insgesamt entlassenen 36.898 Offizieren wurden bis zu 1. l. 1941 insgesamt 15.000 wieder in die Reihen der Roten Armee und Flotte in Offiziersdienstgraden aufgenommen. Weitere Entlassungen und Rehabilitierungen erfolgten w�hrend des Gro�en Vaterl�ndischen Krieges. Dar�ber liegen uns aber keine genauen Zahlen vor. Auf Grund von Paragraphen �ber konterrevolution�re Verbrechen wurden 1937/1938 70 Offiziere zum Tod durch Erschie�en verurteilt, wobei die Urteile vollstreckt wurden. In den Reihen der Unteroffiziers- und Mannschaftsdienstgrade sind wegen konterrevolution�rer Verbrechen keine Todesurteile ergangen.
Zu Beginn des Gro�en Vaterl�ndischen Krieges dienten etwa 500.000 Offiziere in den Reihen der Roten Armee und Flotte und des NKWD. Die Anzahl der Offiziere im Generals- und Admiralsrang hatte sich seit 1937 mindestens vervierfacht. Von einer Enthauptung der Roten Armee kann also in der Tat keine Rede sein. Aus dem Apparat des Staatssicherheitsdienstes wurden bis Ende 1940 etwa 22.000 Angeh�rige entlassen und 300 - 400 Offiziere zum Tode verurteilt. Einige Angeh�rige der Roten Armee und Flotte sowie des NKWD kamen bei Fluchtversuchen und Schie�ereien mit den Sicherheitskr�ften ums Leben.
Es sei nochmals betont, da�, soweit Unschuldige verurteilt wurden, diese in allen F�llen aus den Reihen der unteren und mittleren Kader kamen. Die Nichtverurteilung oder Rehabilitierung kann aber umgekehrt nicht als absolut schl�ssiger Beweis dienen, da� bestimmte Personen keine Straftaten begangen haben. Bei den nach Stalins Tod (1953) erfolgten Rehabilitierungen liegen in mindestens 50 % der F�lle keine klaren Unschuldsbeweise vor. Chruschtschow setzte bekanntlich Straft�ter wie Snegow wieder auf freien Fu� und sogar in vielen F�llen wieder in hohe Funktionen ein, und das nicht nur, weil er Stalin ha�te und an Stalingegnern Gefallen fand, sondern in der klaren Absicht, eine neue konterrevolution�re Avantgarde aufzubauen.
Die obigen aus den Archiven des NKWD, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte stammenden Zahlen widerlegen eindeutig die L�ge von 2 - 3 Millionen, in einigen F�llen sogar von 10 - 12 Millionen Hinrichtungen in den Jahren 1937 - 1939. Stalin wird vorgeworfen, im Herbst 1937 sogenannte Verhaftungsquoten festgelegt zu haben. Solche Quoten sind von der F�hrung des NKWD, wie oben gesagt, teils in provokatorischer Absicht festgelegt worden. Es sei hier noch angemerkt, da� im Herbst 1937, auch noch 1938, aus dem NKWD heraus ein Putsch drohte. Einige NKWD-Offiziere planten die Ermordung Stalins. Stalin nahm z.B. an der zentralen Feier zum 20j�hrigen Bestehen des NKWD (Tscheka, GPU, OGPU) im Dezember 1937 nicht teil. Wegen mangelnder Wachsamkeit im NKWD selbst sowie wegen Ungesetzlichkeiten mu�te sich letztlich auch Jeschow vor Gericht verantworten. Obwohl er pers�nlich wie auch sein Stellvertreter Frinowski, ebenfalls wie Jeschow russischer Nationalit�t, sicherlich in ehrlicher Absicht gegen�ber der Partei und dem Sowjetvolk gehandelt hatte, mu�ten sie im Endeffekt die Verantwortung f�r zahlreiche Fehler in der Arbeit des NKWD �bernehmen.
Was in den sogenannten Moskauer Prozessen von 1936 - 1938 und in den Jahren der sogenannten Gro�en S�uberung geschah, mu� in jedem Fall in folgendem Zusammenhang gesehen werden:
Der Klassenfeind hat seit Bestehen der Sowjetmacht nie mit seinen Versuchen aufgeh�rt, die Macht der Arbeiter und Bauern in der Sowjetunion zu st�rzen. Diese Versuche spiegelten sich nicht nur in dem der jungen Sowjetmacht aufgezwungenen B�rgerkrieg und in Aufst�nden, sondern nat�rlich auch in den polemischen Auseinandersetzungen in der Partei wider. Es gab immer wieder sogar hohe Parteifunktion�re, die sich mehr oder weniger kamoufliert zu Wortf�hrern von Interessen machten, die gegen das Sowjetvolk und den Sozialismus gerichtet waren. Im Gro�en und Ganzen k�mpfte man in den 20er Jahren jedoch noch mit offenem Visier um Mehrheiten im ZK, in der Partei und im Sowjetvolk.
Ab Beginn der 30er Jahre begannen imperialistische Staaten mit verst�rkten Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion. Sie intensivierten dabei auch ihre Spionage-, Sabotage-, Diversions- und Subversionst�tigkeit gegen die UdSSR. Dabei bedienten sie sich schwerpunktm��ig der trotzkistischen und bucharinistischen Kr�fte, die noch im Lande in gro�er Zahl aktiv waren. Wo sie nicht mehr aktiv waren, versuchte man ihre Aktivit�ten wiederzubeleben. Die dabei angewandten Methoden sind in der Tat wegen ihrer kriminellen Abgefeimtheit und grenzenlosen Niedertr�chtigkeit f�r Menschen mit Ehre und Gewissen nicht nur emp�rend, sondern selbst f�r Menschen mit nicht allzu hoher moralischer Me�latte geradezu schockierend. Die Menschen der Sowjetunion gaben ihre ganze Kraft und ihre ganzen F�higkeiten hin, um voller Idealismus eine bessere Welt aufzubauen. Es stellen sich Erfolge ein, die �berw�ltigend sind. Ehrliche Menschen der ganzen Welt freuten sich dar�ber, was die erweckten Kr�fte von Arbeitern, Bauern und Intellektuellen zustande bringen.
Die Feinde dieser Entwicklung nahmen das aber zum Anla�, ihren Kampf dagegen zu verst�rken und dabei zu Methoden der �u�ersten Raffinesse, Arglistigkeit, Hinterh�ltigkeit und m�rderischen Heimt�cke �berzugehen. Wenn man �ber die Gerichtsreden Wyschinskis aus welcher Position auch immer urteilt, mu� man erst einmal dar�ber nachdenken, bevor man juristische �berlegungen anstellt. Wie richtig die gerichtlichen Verurteilungen waren, beweisen insbesondere die ab 1953 nach Stalins Tod von Chruschtschow eingeleiteten Rehabilitierungen. In einer gro�en Zahl von F�llen erwiesen sich die �berlebenden der S�uberungen als die fanatischsten Konterrevolution�re, die sich samt und sonders das Lebensziel setzten, den Kommunismus zu zerschlagen. Auch bei den postmortem Rehabilitierten stellte sich bei nachtr�glicher Pr�fung vielfach heraus, da� sie keineswegs unschuldig verurteilt worden waren. So waren Leute wie beispielsweise Swanidse, Kabakow und Jakir, die oft als unschuldige Stalinopfer vermarktet werden, eingefleischte Volksfeinde. Viele der in Ru�land nach 1990 ver�ffentlichten B�cher belegen das.
Die sogenannte Gro�e S�uberung hatte zweifellos zur Zerschlagung der F�nften Kolonnen in der UdSSR gef�hrt, wenn man auch von einem Sieg �ber die vorbereitete Konterrevolution genaugenommen erst ab Anfang 1939 sprechen kann. Sicherlich steht auch fest, da� die konterrevolution�ren Strukturen nicht in allen Ver�stelungen zerschlagen werden konnten. Viele Feinde der Sowjetmacht konnten rechtzeitig untertauchen oder wurden nicht enttarnt. Sie erhoben dann nach dem Tode Stalins wieder ihr Haupt. Es reichte aber aus, damit das Sowjetvolk im Wesentlichen frei von inneren Feinden dem Ansturm der Hitlerfaschisten im Gro�en Vaterl�ndischen Krieg standhalten und den Sieg erringen konnte.
Es mu� aber darauf hingewiesen werden, da� es auch weiterhin Verr�ter gab. Sowjetische Offiziere, und das waren sehr oft 1937 - 1938 verhaftete und sp�ter rehabilitierte Offiziere, liefen im Kriege zu den Faschisten �ber und dienten sogar in der Wlassow-Armee. Es gibt deswegen bis heute Meinungen, da� die Ma�nahmen der Gro�en S�uberung (das war wie gesagt nicht die offizielle Bezeichnung), zu fr�h an Intensit�t einb��ten, was dann u.a. auch ein �berleben von getarnten Trotzkisten wie Chruschtschow und vieler Bucharinisten erm�glichte.
Wie richtig der Kampf gegen den Trotzkismus und Bucharinismus war, zeigte schlie�lich die Entwicklung der UdSSR und des Sozialistischen Lagers nach Stalins Tod, angefangen beim Revionismus von Chruschtschow und endend im Zusammenbruch des Sozialismus in Europa unter Gorbatschow und Jelzin."125)
Der bereits mehrfach erw�hnte ehemalige US-Botschafter in der UdSSR, Joseph E. Davies, hatte die Zeit der Prozesse in der UdSSR erlebt und hat seine Eindr�cke in seinen Erinnerungen niedergeschrieben. Drei Tage nach dem Einmarsch der faschistischen Wehrmacht in die UdSSR habe er eine Rede vor dem Universit�tsklub in Chikago gehalten. Von einem Zuh�rer sei er gefragt worden, wie es mit der F�nften Kolonne in Ru�land st�nde. "Ohne Bedenken" habe er geantwortet: "Gibt es nicht. Alle erschossen."126)
Nun war dies allerdings �bertrieben. Davies konnte nicht wissen, da� es noch immer Trotzkisten in der Armee und den Sicherheitsorganen gab, die sich zu tarnen verstanden. Gro�e Aktionen konnten sie auf Grund ihrer Schw�che durch die Prozesse jedoch nicht mehr unternehmen.
In den USA und in S�damerika seien nach Davies erst in den letzten beiden Jahren (also 1940 - 1941, UH) die Umtriebe deutscher Organisationen aufgedeckt worden.
"Solches Treiben und derartige Methoden gab es offenbar in Ru�land als Teil des deutschen Anschlags gegen die Sowjets schon 1935. Die Sowjetregierung war wie sich jetzt zeigt, bereits damals scharf aufmerksam auf die Pl�ne der deutschen hohen milit�rischen und politischen Kommandostellen und auf die 'innere Arbeit' in Ru�land, die der Vorbereitung des deutschen Angriffs auf das Land diente.
W�hrend ich �ber diese Konstellation nachgr�belte, sah ich pl�tzlich das Bild so vor mir, wie ich es damals h�tte sehen sollen. Die Geschichte war in den sogenannten Landesverrats- oder S�uberungsprozessen von 1937 und 1938 dargelegt worden, und ich hatte diesen selbst als Zuh�rer beigewohnt. Als ich nun von diesem neuen Gesichtswinkel aus die Verhandlungsberichte und meine eigenen Bemerkungen dazu aus jener Zeit wieder durchlas, fand ich, da� so gut wie alle Kniffe und Umtriebe der deutschen F�nften Kolonne, wie wir sie seither nennen, gelernt haben, durch die Gest�ndnisse und Zeugenaussagen jener Prozesse gegen die 'bekennenden' Quislinge Ru�lands enth�llt und blo�gelegt worden sind.
Es wurde mir klar, da� die Sowjetregierung vom Vorhandensein dieser Umtriebe �berzeugt war, sich aufs h�chste beunruhigt f�hlte und daranging, sie energisch zu unterdr�cken. Bis 1941, das hei�t bis zum Einfall der Deutschen, hatten sie jede Spur der vorher organisierten F�nften Kolonne ausgel�scht.
Ein anderer Umstand, der seiner Zeit schwierig zu verstehen war, der nun aber, aufgehellt durch die seitherige Entwicklung, eine neue Bedeutung gewinnt, war die Art und Weise, wie die Sowjetregierung 1937 und 1938 gegen die deutschen und italienischen Konsularvertretungen vorging. Es geschah auf r�cksichtslose Manier - mit f�hlloser und brutaler Mi�achtung der Empfindungen, die es bei den betroffenen L�ndern ausl�sen mu�te.
Der von der Sowjetregierung angegebene Grund war, diese Konsulate seien in innere, politische und unterirdische Umtriebe verwickelt, weshalb sie geschlossen werden m��ten."127)
Bez�glich des Offizierskorps nach der Erschie�ung von Gener�len �u�erte Davies gegen�ber der vorherrschenden Meinung, wonach "die Liquidation der �lteren erfahrenen Gener�le die Armee wesentlich geschw�cht habe", ..."da� dies zwar bis zu einen gewissen Grade" zutr�fe, "aber �bertrieben sein d�rfte."128)
"Der Offiziersstand hat den Ruf, da� seine j�ngeren Kommandeure ausgezeichnet bef�higt und da� die h�heren Kommandostellen ziemlich gut besetzt sind. Auch sie sind durchschnittlich noch j�ngere Leute."129) Davies schlie�t diese Einsch�tzung der "vorwaltende(n) Meinung" mit der Bemerkung, "da�, die Rote Armee der kommunistischen Partei, und darum Stalin, treu ergeben ist."130)
Es ist wohl gerade dieser Sachverhalt, der den Verk�ndern der These von der "Enthauptung" der Roten Armee so mi�f�llt. Aber es kommt von Davies noch "schlimmer!". Die St�rke des "herrschenden Regimes" in der Sowjetunion beruhte nach ihm "auf der k�hnen und klugen F�hrerschaft Stalins." Sein Regime sei "fest verwurzelt."131)
In einem ausf�hrlichen Bericht �ber die UdSSR an den Staatssekret�r f�r �u�ere Angelegenheiten der USA vom Juni 1938 fa�te Davies zusammen:
"Die milit�rische St�rke der UdSSR ist imposant. Sowohl der Qualit�t als der Zahl nach sind die Truppen ausgezeichnet. Die stehende Armee von etwa 1.500.000 Mann ist in zwei selbst�ndige Einheiten eingeteilt, eine im Westen und eine im Osten; die erstere macht etwa 70 %, die letztere rund 30 % aus. Sie ist mit Gewehren gut ausgestattet, gut diszipliniert und auf fanatische Hingabe an den Kommunismus trainiert. Ihre mechanisierten Einheiten sind sehr gut. Die Bemannung der Luftwaffe ist vortrefflich, ihre Ausr�stung gut, was Jagdflugzeuge, aber geringwertig, was Bomber betrifft. Zahlenm��ig ist die Luftwaffe wahrscheinlich die st�rkste unter denen der Gro�m�chte. In der technischen Ausr�stung der Luftwaffe ist die Sowjetunion hinter den Westm�chten vermutlich um zwei bis drei Jahre zur�ck.
Die Regierung glaubt mit gr��ter Zuversicht, da� sie imstande w�re, einem gleichzeitigen Angriff von Deutschland und Japan erfolgreichen Widerstand zu leisten.
Es m��te au�erordentlich schwierig sein, alle diese Kr�fte zu besiegen oder gar zu vernichten, mit dem Verb�ndeten, den sie am russischen Winter besitzen.
Die Schw�che liegt vielleicht in der zweiten Verteidigungslinie - ich meine die Industrieproduktion hinter der Front und die Versorgung mit hochwertigen Petroleumprodukten."132)
Zum Schlu� sei noch die Einsch�tzung der Prozesse durch Winston Churchill dokumentiert, der zu den �rgsten Feinden des Kommunismus geh�rte, aber sich von anderen dadurch unterschied, da� er zu realistischen Einsch�tzungen der Sowjetunion und der Pers�nlichkeit Stalins f�hig war, eine Eigenschaft, die manchem Theoretiker abhanden gekommen ist.
Nach Churchill habe Benesch den "beunruhigenden Wink" erhalten, "da� �ber die sowjetrussische Gesandtschaft in Prag Nachrichten zwischen hochgestellten Pers�nlichkeiten in Ru�land und der deutschen Regierung ausgetauscht wurden. Dies war ein Teil der sogenannten Verschw�rung der Milit�rs und der Kommunisten der alten Garde, die Stalin st�rzen und ein neues, auf deutschfreundlicher Politik beruhendes Regime einf�hren wollte... Darauf folgte die unbarmherzige, aber vielleicht nicht unn�tige milit�rische und politische S�uberungsaktion in Sowjetru�land und dieselbe von Prozessen im Januar 1937, bei denen Wyschinski als Staatsanwalt eine dominierende Rolle spielte."133)
Es geht hier nicht darum, da� es in Churchills Erinnerungen bez�glich der Vorg�nge in der UdSSR 1935 bis 1938 offene Fragen gibt, vor allem bez�glich des tschechischen Pr�sidenten Benesch und der Rolle der Gestapo - die vermutlich nie v�llig gekl�rt werden k�nnen - sondern um die Best�tigung der - bei Churchill! - "sogenannten" Verschw�rung. Deren Existenz konnte er nicht bestreiten; die Notwendigkeit der "S�uberungsaktion" hat er zumindest nicht in Frage gestellt, wobei zu ber�cksichtigen ist, da� Churchill eben nicht gerade ein Freund der Sowjetunion war.
Trotzki, Bucharin und ihre Epigonen, die Hearst-Presse, Goebbels-Propaganda, Revisionisten, Renegaten, SPD-Funktion�re, Chruschtschow, Gorbatschow und deren Anhang, die b�rgerlichen und reformistischen Medien sorgen bis auf den heutigen Tag daf�r, da� durch die L�gen �ber die Prozesse die kommunistische Bewegung, international und in den einzelnen L�ndern, gespalten bleibt.
Die �berwindung dieser Geschichtsl�gen gegen eine schier un�berwindliche Flut von Verleumdungen, die von den Massenmedien f�nfzig Jahre nach dem Tode Stalins noch immer t�glich, st�ndlich verbreitet werden, geh�rt zu den unverzichtbaren Aufgaben nicht nur marxistisch-leninistischer Historiker, sondern eines jeden ehrlichen Publizisten, der sich der historischen Wahrheit verpflichtet f�hlt. Es ist ein Ausdruck der Angst, die die herrschenden Ausbeuterklassen angesichts der sich st�ndig vertiefenden politischen Krise des kapitalistischen Systems bef�llt, da� sie noch immer, wie einst Macbeth vor dem Geiste Banquos, vor Sozialismus und Kommunismus zittern und zu jeder erdenklichen Verleumndung und L�ge greifen, weil sie ihre Privilegien und Pfr�nde sichern wollen.
Mystik liegt einem marxistisch-leninistischen Historiker fern, aber da� die Bourgeoisie und ihre Historiographie mit Stalin bis heute nicht fertig geworden sind, ihn nicht "bew�ltigt" haben, ihn noch immer f�rchten, davon zeugen ihre Publikationen.
125) Ebd. S. 58 - 61.
126) Davies, a.a.O., S. 210.
127) Ebd. S. 210 f.
128)Ebd. S. 318.
129) Ebd.
130) Ebd.
131) Ebd. S. 324
132)Ebd.
133) Winston S. Churchill, a.a.O., S. 150.

STALIN - WER WAR DAS?

Er hat f�r einen "st�rmischen industriellen Fortschritt" im revolution�ren Sowjetru�land gesorgt und dessen Landwirtschaft total umgekrempelt. Er hat die Rote Armee zum Sieg �ber den deutschen Imperialismus kommandiert und den sog. "Ostblock" geschmiedet. Dabei hat er die Bauern schlecht behandelt, die Intelligenzler drangsaliert und m�rderisch unter den Kadern seiner Partei gew�tet, unter Mi�achtung aller Grunds�tze der "sozialistischen Gesetzlichkeit" und der "kollektiven F�hrung". Das steht fest; da gibt es nichts zu bezweifeln und nichts mehr zu "entlarven".

Richtige Urteile �ber den Mann und seine Leistung sind diese Feststellungen trotzdem nicht. "Industrialisierung" ist ebensowenig der Begriff des Stalinschen Aufbauwerks in Ru�land wie "Wirtschaftswunder" der Erhardschen Wirtschaftspolitik in der BRD. Da� Stalins Truppen Berlin erobert haben, sagt noch gar nichts dar�ber, welche Sache da gesiegt hat - und ob �berhaupt. Und der Vorwurf des Verbrechens an Stalins Regierungsstil erkl�rt diesen genausowenig wie eine Kriegserkl�rung den Krieg, ganz gleich, ob dieser Vorwurf als Auftakt zu geschichtsphilosophischen oder rassistischen Erw�gungen demokratischer K�pfe �ber die tiefere Notwendigkeit jener "Untaten" gemeint ist, oder ob Stalins Nachfolger damit die "Vergangenheit bew�ltigen", als h�tten sie's bei Kohl gelernt.

Stalin, der Vater des sowjetischen Wirtschaftswunders oder: Von der antikapitalistischen Revolution zur "sozialistischen �konomik"

Den Entschlu�, die "Privatproduktion" auf dem Lande zu bek�mpfen und in k�rzester Zeit den Aufbau einer umfangreichen Schwer- und Maschinenbauindustrie durchzuziehen, hat Stalin gegen�ber seiner Partei und vor dem Volk mit der "Theorie" verfochten, es gelte, den "Sozialismus in einem Lande" - eben im revolution�ren Sowjetland - aufzubauen. Wo auch sonst - nachdem kommunistische Umsturzversuche in Ungarn, Deutschland und anderen Staaten gescheitert waren. Warum auch nicht - wo doch die bolschewistische Partei nach Revolution und siegreich beendeten B�rger- und Interventionskriegen Land und Leute des fr�heren Zarenreiches unter Kontrolle hatte. Dort sozialistische Verh�ltnisse zu schaffen, war ja wohl der Zweck der revolution�ren Kraftanstrengung!

Genau das war aber offenbar gar nicht so eindeutig. Da� Stalin dieses Programm grunds�tzlich zu begr�nden f�r n�tig fand und in seiner Partei gegen Widerst�nde von allen Seiten durchsetzen mu�te, spiegelt einen seltsamen Widerspruch im Selbstverst�ndnis und in der Politik dieses siegreichen revolution�ren Vereins wider. Die Bolschewiki hatten wahrhaftig nicht blo� "die Macht ergriffen", sondern eine ganz neue Gewalt - die der von ihnen beherrschten R�te (="Sowjets") - an Stelle der alten Staatsmacht und der von dieser in Kraft gesetzen Macht des Eigentums errichtet; sie hatten die in Kapital und Grundbesitz realisierte Privatgewalt �ber die gesellschaftliche Arbeit gebrochen und die Freiheit geschaffen, die Produktion vern�nftig zu planen. Diese Freiheit hatten sie sich auch weder durch Mitl�ufer und Gegner abkaufen lassen, die blo� im Rahmen b�rgerlicher - Verh�ltnisse ein bi�chen Fortschritt herbeireformieren wollten, noch durch das Unverst�ndnis der zahlenst�rksten produktiven Klasse, der von ihnen erst zu selbst�ndigen Privatbauern gemachten Landbev�lkerung, gegen�ber sozialistischen "Experimenten". Ihren Willen zu einer Revolution ohne Kompromisse hatten sie jedoch nicht zuletzt aus der Vorstellung eines letztlich ohnehin nicht aufzuhaltenden Geschichtslaufs gesch�pft, der jede Gesellschaft aus einem "Entwicklungsstadium" ins n�chstfolgende hin�berstie�e. Und im Rahmen dieser Geschichtsteleologie war f�r Ru�land der Sozialismus noch gar nicht an der Reihe, weil der Kapitalismus, die Herrichtung von Land und Leuten zu Werkzeugen des Gesch�fts, dort erst am Anfang stand. Allen Ernstes arbeiteten sie sich an der Frage ab, was f�r eine Revolution bei ihnen �berhaupt "auf der Tagesordnung" st�nde; und sie kamen zu dem Schlu�, zu sehr viel mehr als einer "b�rgerlichen" wie 1789 in Frankreich reichte es nicht bzw. nur unter der Bedingung, da� die richtige proletarische Revolution in den L�ndern, wo sie "f�llig" w�re, bald stattf�nde und das r�ckst�ndige Ru�land gleich mit in den Sozialismus hin�berziehen w�rde. Dieser grunds�tzliche Vorbehalt dem eigenen Vorhaben gegen�ber wurde den Bolschewiki dann zwar doch nicht zum Problem, als sie sich entschieden hatten, die Revolution zu machen. Und als Geburtshelfer der b�rgerlichen Freiheiten des gro�en Geldes wollten sie sich nie bet�tigen. Zum umstandslosen Aufbau sozialistischer Produktionsverh�ltnisse - "in einem Land" - f�hlten sie sich allerdings auch nicht so recht berufen.

Die erste Verlaufsform dieses Widerspruchs war die 1920 eingef�hrte "Neue �konomische Politik", die die Lebensmittelversorgung der St�dte ebenso wie die Deckung des Bedarfs an industriellen Konsumg�tern sowie der Landwirtschaft an Produktionsmitteln weitgehend privater Gesch�ftst�tigkeit beantwortete. Diese Politik war einerseits aus Not geboren, die Ern�hrung der Leute zu sichern; und soweit das die Altenative ist, rechtfertigt die Rettung der Leute nat�rlich jede Vertagung politischer Programmpunkte. Freilich war die Not nicht einfach da, sondern durch die Weigerung der recht selbst�ndigen Bauern geschaffen, ihr Getreide wie in Kriegszeiten abzuliefern - die Bolschewiki konnten das als Quittung f�r die gar nicht sozialistische "Bauernbefreiung" verbuchen, die die Revolution dem Land gebracht hatte. Mangel herrschte auch auf Seiten der proletarischen Staatsgewalt, die den Bauern keine materiellen Angebote machen konnte, die den puren Ablieferungszwang h�tten abl�sen k�nnen; allerdings war auch das keine naturw�chsige Not: Immerhin stand eine ganze Klasse von gut ausgestatteten Nothelfern bereit, um sich am staatlich freigegebenen kapitalistischen Handel und Wandel zu bereichern.

Da� sie dieser Mannschaft ebenso wie einer gesch�ftst�chtigen Minderheit unter den Bauern Freiheiten gew�hren mu�ten, bedauerten die Bolschewiki als R�ckschritt und gegen das eigentliche Programm eingegangenen Kompromi�. Unter den h�heren Gesichtspunkten des Geschichtsverlaufs fanden sie dieses Zur�ckweichen andererseits aber ganz in Ordnung. Sie interpretierten es als Einsicht in die Notwendigkeit, erst einmal mit kapitalistischen Mitteln die Nation "voranzubringen". Durch diesen "Staatskapitalismus" sollten die Kommunisten lernen, wie man Handel treibt, kaufm�nnisch rechnet, rentabel produziert, kurzum: "Wirtschaft macht" - um darin die zu neuem Leben erweckten Gesch�ftemacher eines Tages �berfl�ssig zu machen und zu "beerben"; das w�re dann des Sozialismus n�chste "Entwicklungsstufe".

Insofern war die "Neue �konomische Politik" einerseits durchaus schon ein Programm f�r den Aufbau des "Sozialismus in einem Lande". Und jenseits ihres Charakters bzw. ihrer Selbstdarstellung als Kompromi�- und Notprogramm gibt sie durchaus an, was die bolschewistische Partei unter dem "Sozialismus" verstand, der den �bergang zu den idealeren Formen des Kommunismus erm�glichen sollte: einen Kapitalismus, in dem Staatsbetriebe den privaten Gesch�ftemacher in seiner Versorgungsfunktion ersetzen sollten und die Preise staatlich so festgelegt w�ren, da� sie die Versorgung der Massen nicht gef�hrdeten. Sehr wenig "antagonistischer" Gegensatz gegen die kapitalistische Produktionsweise steckte in diesem Projekt; statt dessen viel Hochachtung vor den Versorgungsleistungen, die unter dem Regime der Profitsucht zustandek�men, wenn man diese blo� richtig kontrollierte, sowie eine seltsame Sicherheit, da� der Profit sich durch solche Kontrolle proletarisch n�tzlich machen lie�e - seltsam, weil diese Sicherheit der Einsicht in die Notwendigkeit einer revolution�ren Abschaffung des kapitalistischen Eigentums und seiner �konomischen" Sachz�nge" schon ein wenig widersprach. Damit entsprach dieses Bild von "Sozialismus" andererseits genau dem Selbstbewu�tsein der Bolschewiki, eine noch gar nicht recht proletarische Revolution vollbracht zu haben, die nur als Auftakt zur Weltrevolution Bestand haben und ein unwiderruflicher Schritt in Richtung Kommunismus sein k�nne. Einen "R�ckfall" in die wom�glich nicht mehr zu beschr�nkende Herrschaft des kapitalistischen Eigentums hielten sie nie f�r ausgeschlossen; um so weniger, je kr�ftiger sich auf dem Boden der "Neuen �konomischen Politik" (N�P) die lizenzierte Gesch�ftswelt tummelte.

Stalins Entscheidung, den "Sozialismus in einem Land" zum politischen Vorhaben zu erkl�ren, verstand sich insoweit tats�chlich nicht von selbst. Immerhin verwarf er damit die geschichtsteleologische Parteidokrin, derzufolge man bestenfalls einen geregelten Staatskapitalismus auf die "Tagesordnung" setzen konnte. Die inhaltliche Bestimmung dieses "�bergangs" verwarf er allerdings �berhaupt nicht - was wiederum schlecht zur Freiheit seines Aufbaubeschlusses pa�t: Wenn schon "Blut, Schwei� und Tr�nen" anstanden w�ren sie auch gleich anders besser angewandt gewesen. So erkl�rte Stalin das was Lenin seinen kommunistischen Haudegen als "Lehrzeit" in Sachen "�konomik" ans Herz gelegt hatte, nach acht Jahren f�r beendet; und zwar nicht deswegen, weil die sozialistischen Betriebe und der sozialistische Handel die kapitalistische Konkurrenz verdr�ngt h�tten, sondern aus dem entgegengesetzten Grund. Die wachsende Abh�ngigkeit der elementaren Versorgung des Proletariats von Gesch�ftemachern und privatem Bauerntum wurde zur Gefahr f�r die st�dtischen Massen und f�r ihren Staat; die ebenfalls wachsende Abh�ngigkeit der dem Staat verf�gbaren Finanzen vom Gesch�ftserfolg der "N�P-Leute" und den �bersch�ssen der Privatbauern hemmte den Fortschritt des Staatssektors im Wirtschaftsleben. Also begeisterte Stalin seine immerhin ja noch herrschende Partei daf�r, sich auf ihre Gewalt �ber die �konomie zu besinnen und, ohne die allm�hlichen Konkurrenzerfolge der Staatswirtschaft abzuwarten, die Privatmacht des Geldes aufzuheben, das kapitalistische Gesch�ftsleben durch ein kommunistisches Kaufmannswesen zu ersetzen und den Aufbau der Staatsindustrie von den Schranken der staatlichen Steuereinnahmen zu befreien. Insofern machte er ernst mit der Befreiung der Gesellschaft von den �konomischen Sachzw�ngen des Kapitals, welche die Oktoberrevolution eigentlich erk�mpft hatte.

Um so auff�lliger, da� diese Freiheit andererseits �berhaupt nicht der Standpunkt war, von dem aus Stalin an seinen "Sozialismus in einem Land" heranging. Als treuer Sch�ler der in der "Neuen �konomischen Politik" enthaltenen sozialistischen Programmatik hielt er es f�r ausgemacht, da� "Sozialismus" f�r die revolution�re Sowjetmacht nichts anderes bedeuten k�nne als die Aufgabe, von Staats wegen alle Leistungen des Kapitals in Sachen Versorgung und Entwicklung herzustellen ohne Behinderung des Fortschritts durchs private Eigentum! Er definierte sein Vorhaben als Realisierung der historischen Aufgabe, nicht mehr und nicht weniger als die Akkumulation von Reichtum und Produktivkr�ften nach dem Beispiel der Kapitalisten, aber ohne diese Figuren zustandezubringen.

So nutzte Stalin die Freiheit der revolution�ren Gewalt, die sich alle gesellschaftlichen Verh�ltnisse verf�gbar gemacht hatte, zur Enteignung der Gesch�ftemacher und der Bauern und zum Kommando �ber die Arbeiter, die unter den Bedingungen der "Neuen �konomischen Politik" zum gro�en Teil gar keine Arbeit gefunden hatten. Der Aufbauplan jedoch, den das Kommando der Partei ins Werk setzte, beruhte nur ganz im allgemeinen auf der Vorstellung, da� gro�e landwirtschaftliche G�ter produktiver sein m��ten als viele kleine H�fe und da� ein fortschrittliches Land als erstes eine Industrie zur Produktion von Industrieeinrichtungen brauche. Daraus einen schl�ssigen Bedarfsplan zu entwickeln, die optimale Teilung und Verteilung der notwendigen Arbeit zu errechnen und dar�ber eine gesamtgesellschaftliche Kooperation aufzuziehen: Das war nicht die Aufgabe, die Stalin seiner obersten Planungsbeh�rde stellte. Gosplan hatte mit verf�gbaren Finanzmitteln zu rechnen, versuchte sich in einer "Globalsteuerung" per Anweisung von Finanzmitteln an die Betriebe und per Preisgestaltung und lud damit den einzelnen (Gro�-)Betrieben die Aufgabe auf, mit den verf�gbar gemachten- Geldern ein Gewerbe aufzuziehen, in dem dann Technik und Bedienungsmannschaften, Rohstoffnachschub und Betriebsmittel sachlich zusammenstimmen mu�ten. Da� die Betriebe einander zuarbeiten sollten und f�r den Unterhalt der Arbeiter auch das N�tige bereitstand, war zwar im Prinzip auch vorgeschrieben und geplant, in der tats�chlichen Durchf�hrung aber Sache der betrieblichen "Eigeninitiative" und der Einteilung und Verwendung ihrer zugewiesenen bzw. aus dem G�terverkauf zu erl�senden Gelder. Dabei stand die Geldverwendung jedoch vor allem unter dem Diktat einer "wirtschaftlichen Rechnungsf�hrung", also der Vorschrift, aus der Produktion und dem Verkauf zu den staatlich administrierten Preisen einen laufenden �berschu� an abzuliefernden Finanzmitteln herauszuwirtschaften. Es wurde, erstmals im gro�en Stil, der Widerspruch wahrgemacht, mit Geld zu planen; gerade so, als w�re ein zugewiesener Fonds an sch�nen neuen "roten" Rubeln schon dasselbe wie die Produktionsmittel, die ein Betrieb sich damit beschaffen sollte; als w�ren Produktionsmittel und Arbeitskr�fte schon dasselbe wie Verkaufserl�se, aus denen sich betriebliche wie staatliche Fonds wie von selbst erneuern und ausweiten m��ten; und als m��te sich der von Gosplan projektierte und staatlich befohlene arbeitsteilige Gesamtzusammenhang der gesellschaftlichen Produktion �ber Geldgr��en und den Zwang zu Gewinnerwirtschaftung ganz automatisch herstellen.

Das tats�chliche Ergebnis war eine gigantische Aufbauleistung, die durch die "Planung" mit Finanzmassen statt it den richtigen Gebrauchswerten an s�mtlichen Nahtstellen zwischen Betrieben und Branchen durch Mangel behindert wurde und nur deswegen zustandekam, weil es einen kostenm��ig h�chst flexiblen Produktionsfaktor gab, �ber den die vorgeschriebene "Rechnungsf�hrung" trotz allem immer wieder dazu gebracht werden konnte aufzugehen: die Arbeitskraft und ihre Entlohnung. Die dereinstigen Nutznie�er des Aufbauwerks wurden zuerst einmal zu dessen L�ckenb��ern, und das keineswegs auf freiwilliger Basis. Ein System von Pr�mien und Strafe - bis hin zu unbezahlter Zwangsarbeit - machte den sozialistischen Betrieben Arbeit in der Form verf�gbar, wie sie das zur Erf�llung der vorgegebenen Finanz- und Produktionspl�ne brauchten: als Kompensationsmittel f�r fehlende Produktionsmittel einerseits, als flexible Restgr��e in der "�konomischen" Kalkulation andererseits.

Es geh�rt zum eisernen Vorrat an antikommunistischen Beweisf�hrungen, die H�rten des von Stalin herbeikommandierten Wirtschaftsaufbaus als notwendige Folgen eines typisch planwirtschaftlichen "Voluntarismus" zu gei�eln; wohlwollender volkswirtschaftlicher Sachverstand pflegt anschlie�end das Kompliment nachzureichen, immerhin h�tte Ru�land so dann doch die "urspr�ngliche Akkumulation" mit ihren unumg�nglichen Entbehrungen nachgeholt. Beides ist ein Hohn.

Die Brutalit�ten der Stalinschen Kommandowinschaft gehen restlos darauf zur�ck, da� die "Sprache" des Kommandos das Geld war. Damit wurde an s�mtlichen materiellen technischen Erfordernissen einer schl�ssigen Arbeitsteilung entschlossen und unverr�ckbar vorbei "geplant"; damit war die Arbeitskraft von vornherein als diejenige Gr��e festgelegt, auf deren Kosten diese "Planung" dann doch irgendwie im Sinne der Gewinnvorschriften aufging; damit wurde konsequenterweise das Ma� an Terrorisierung der Arbeitskr�fte n�tig, das die heuchlerischen Freunde einer kapitalistischen Ausbeutung Stalin so freudig erregt vorwerfen. Der Musterfall antikommunistischer Hetze wg. Stalin, die Kollektivierung der Landwirtschaft unter dem Druck der Sowjetmacht, offenbart genau diesen "marktwinschaftlichen" Geburtsfehler des "Sozialismus in einem Lande" sehr deutlich: Es wurde gerade keine Integration der Bauern in eine technisch und g�terwirtchaftlich durchgeplante neue Arbeitsteilung - im ganzen wie "vor Ort" - organisiert; statt dessen herrschte das "Vertrauen", die Konzentration der paar f�r die Landwirtschaft fl�ssig gemachten Finanzmittel auf die sozialistischen Gro�g�ter w�rde dort schon ihr Werk tun. Nat�rlich geschah das nicht; ein extremeres Gegenteil zu einem technisch zweckm��igen Aufbau agrarischer Gro�produktion war kaum herzukriegen; da halfen auch die staatlichen Traktorstationen nur bedingt weiter. So blieb die rein negative Seite des sozialistischen Aufbaus, die Enteignung, als einziger "Hebel" �brig - und unwirksam, weil Erpressung mit Not eine denkbar schlechte Produktivkraft ist und bei den hartgesottenen russischen Muschiks schon gleich nicht verfing.

Wenn also etwas an dem von Stalin befohlenen sozialistischen Aufbau den Vorwurf des "Voluntarismus" verdient, dann ganz sicher nicht der Entschlu� als solcher, eine Industrie und eine quasi-industrielle Landwirtschaft "aus dem Boden zu stampfen"; erst recht nicht die darin eingeschlossene Entscheidung, daf�r nicht auf ausl�ndische Kredit "Hilfe" zu warten; und auch nicht der Standpunkt "Kommunisten ist alles m�glich!", mit dem damals ganze Mannschaften von agitienen Arbeitern begeistert in die "Aufbauschlacht" gezogen sind - das war allemal noch ein Echo des revolution�ren Sieges �ber die "Sachzw�nge", denen Geld und Gesch�ft die produktive Arbeit unterwerfen. "Voluntaristisch" im schlechtesten Sinn war Stalins stillschweigende Voraussetzung - an der seine Partei nie gezweifelt hat! -, das obrigkeitliche Herumwirtschaften mit Finanzmassen nach Kenngr��en der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung - die, Ehre, wem Ehre geb�hrt, die Fachleute von Gosplan schon vor und detaillierter als Keynes zusammenkonstruiert hatten! - w�re der angemessene Weg, einen in sich zusammenh�ngenden Aufbau der Produktion herbeizuzaubern. "Voluntaristisch" und kein bi�chen marxistisch war das Setzen ausgerechnet auf den Tauschwert und seine "Gesetze" als unfehlbare Wegbereiter einer Gebrauchswertproduktion und -versorgung, die keine W�nsche offenlie�e.

Die Ironie des fachkundigen b�rgerlichen Vorwurfs liegt im �brigen darin, da� kein anderer als Stalin selbst den Vorwurf des "Voluntarismus" aufgebracht und sein Projekt dagegen als ein Vorhaben gerechtfertigt hat, das nach s�mtlichen Regeln der �konomischen Kunst in Ordnung ginge; und zwar ausgerechnet wegen des darin gewahrten Respekts vor den vom Kapitalismus gelernten Kriterien der Rentabilit�t. Den Standpunkt der revolution�ren Freiheit bei der Schaffung von Produktionsverh�ltnissen hat dieser seltsame Kommunist nach Kr�ften dementiert; und zwar so, wie er es gelernt hatte: in Form allgemeiner philosophischer Abw�gungen zu dem Problem, ob sozialistisches Wirtschaften �berhaupt und grunds�tzlich als Vollzug vorgegebener objektiver Gesetzm��igkeiten aufzufassen sei. Stalins Antwort ist ein uferloses Ja, und seine Begr�ndungen sind danach.

"Die Gesetze der politischen �konomie im Sozialismus sind somit objektive Gesetze, die die Gesetzm��igkeit der sich unabh�ngig von unserem Willen vollziehenden Prozesse des �konomischen Lebens widerspiegeln. Wer diesen Leitsatz verneint, verneint im Grunde genommen die Wissenschaft, wer aber die Wissenschaft verneint, verneint damit auch die M�glichkeit jeglicher Voraussicht - verneint folglich die M�glichkeit, das wirtschaftliche Leben zu leiten." (aus: Bemerkungen zu �konomischen Fragen, die mit der Novemberrevolution 1951 zusammenh�ngen).

Was Marx und Engels am Kapitalismus kritisiert haben: die scheinbare Dinglichkeit der in der Produktion eingegangenen gesellschaftlichen Verh�ltnisse, die der Ausbeutung den Charakter eines sachlichen Erfordernisses verleiht - genau das erhebt Stalin zur letzten Wahrheit auch �ber die Produktionsweise, die er selbst mit seinem machtvollen Kommando �ber Arbeiter, Bauern und Eigentum ins Werk gesetzt hat. Welche Gesetze da "hinter dem R�cken" sogar der revolution�ren Partei walten sollen und ihrer "wissenschaftlichen" Entschl�sselung harren, ist neben diesem "Leitsatz" eher gleichg�ltig. Ein Hauptgesetz soll jedenfalls "die unbedingte �bereinstimmung der Produktionsverh�ltnisse mit dem Charakter der Produktivkr�fte" zum Inhalt haben - was nun �berhaupt keinen �konomischen Inhalt hat, sondern in einer scholastischen Formel das Prinzip des bolschewistischen Glaubens zusammenfa�t mit dem eigenen umst�rzlerischen Programm nur einen geschichtlichen Sachzwang zu exekutieren. Geradezu methodisch wird mit der Formulierung dieses Pseudogesetzes der Wille verlautbart, die eigene Kommandot�tigkeit als Quasi-Naturnotwendigkeit auszugeben, und zwar gerade in all den Hinsichten, wo sie jedes Bem�hen um eine zweckm��ige Systematik des Produzierens vermissen l��t. Unterhalb dieses "Grundgesetzes" feiert dann insbesondere "das Wertgesetz" des Kapitalismus samt einer Theorie, die den Wert der Ware Arbeitskraft in den Rang eines energetisch definierten Existenzminimums zur�ckstuft, seine Wiederauferstehung - fast so, als h�tte da der Sachverstand b�rgerlicher Volkswirte seine elementaren Dogmen �ber korrektes Wirtschaften zu Protokoll gegeben:

"Es ist so, da� die Konsumg�ter, die f�r die Deckung des Aufwands an Arbeitskraft (steht so da!) im Produktionsproze� notwendig sind, bei uns als Waren erzeugt und realisiert werden, die der Wirkung des Wertgesetzes unterliegen. Hier gerade zeigt sich die Einwirkung des Wertgesetzes auf die Produktion. Im Zusammenhang damit haben in unseren Betrieben solche Fragen wie die wirtschaftliche Rechnungsf�hrung und die Rentabilit�t, die Selbstkosten, die Preise und dergleichen aktuelle Bedeutung. Darum k�nnen und d�rfen unsere Betriebe das Wertgesetz nicht au�er acht lassen.

Ist das gut? Es ist nicht schlecht. Bei unseren gegenw�rtigen Verh�ltnissen ist es tats�chlich nicht schlecht, da dieser Umstand unsere Wirtschaftler im Geiste der rationellen Betriebsf�hrung erzieht und sie zur Disziplin anh�lt. (...) Schlimm ist nicht, da� das Wertgesetz bei uns auf die Produktion einwirkt. Schlimm ist, da� unsere Wirtschaftler und Planer, mit wenigen Ausnahmen, die Wirkungen des Wertgesetzes schlecht kennen, sie nicht studieren, und es nicht verstehen, sie in ihren Berechnungen zu ber�cksichtigen. Daraus erkl�rt sich dann auch das Durcheinander, das bei uns immer noch in der Frage der Preispolitik herrscht." (a.a.O.)

Lenin wollte seine Kader noch bei wirklichen Kapitalisten in die Lehre schicken. Stalin hatte die Kapitalisten abgeschafft - und wollte seine Planer gleich "das Wertgesetz" h�chstpers�nlich studieren lassen; gerade so, als h�tte dieser Zwangszusammenhang des Austauschs der Ergebnisse kapitalistischer Privatproduktion, Inbegriff gesellschaftlicher Arbeitsteilung ohne Plan, seine G�ltigkeit nicht blo� behalten, sondern erst durch die Abschaffung der Konkurrenz die Chance zu voller Entfaltung erhalten. Der kleine Widerspruch zwischen "wirken" und "ber�cksichtigen" erweist "das Wertgesetz" als einen programmatisch selbstgeschaffenen Fetisch der "sozialistischen �konomik" und gerade so wollte Stalin es haben. So hinter dem R�cken" wollte er die Rentabilit�t - und das bei staatlich festgelegten Preisen, die nat�rlich immer ein gewaltiges "Durcheinander" im betrieblichen wie gesamtgesellschaftlichen Produktionswesen hervorrufen m�ssen - zum obersten Imperativ einer "rationellen Betriebsf�hrung" machen. Im Geiste dieser "Rationalit�t" polemisierte er Zeit seines Lebens gegen die letzten in dieser Frage noch bei Trost gebliebenen Genossen:

"Er (Genosse Jaroschenko) erkl�rt glattweg, da� in seiner politischen �konomie des Sozialismus, die Streitereien �ber die Rolle dieser oder jener Kategorie der politischen �konomie des Sozialismus, wie Wert, Ware, Geld, Kredit usw., die bei uns h�ufig scholastischen Charakter annehmen, durch vern�nftige �berlegungen �ber eine rationelle Organisation der Produktivkr�fte in der gesellschaftlichen Produktion, durch die wissenschaftliche Begr�ndung einer solchen Organisation ersetzt werden."

Gegen solche erfrischenden Vorschl�ge, den Tauschwert als Pseudo-Planungsprinzip zum Teufel zu hauen, pflegte Stalin aus Marx und Engels den tiefsinnigen "Beweis" zu f�hren, da� Produktivkr�fte und Produktionsverh�ltnisse zwei verschiedene Sachen sind, letzteren eine nicht aufhebbare Eigengesetzlichkeit zu unterstellen und mit Unsinn des folgenden Kalibers zu triumphieren:

"...Genosse Jaroschenko (hat) die Produktionsverh�ltnisse im Sozialismus als mehr oder weniger selbst�ndiges Gebiet bereits liquidiert, indem er das wenige, was von ihnen �brig geblieben ist, als Bestandteil in die Organisation der Produktivkr�fte einbezog. Es fragt sich: Besitzt die sozialistische Ordnung eine eigene �konomische Basis? Offenbar hat die sozialistische Ordnung, da die Produktionsverh�ltnisse im Sozialismus als mehr oder weniger selbst�ndige Kraft verschwunden sind, keine eigene �konomische Basis... Eine heitere Geschichte...

(...)

... (so) kommt beim Genossen Jaroschenko statt einer marxistischen politischen �konomie so etwas wie die Bogdanowsche �Allgemeine Organisationswissenschaft' heraus." (aus: �ber die Fehler des Genossen L.D. Jaroschenko, Mai 1952)

Und das ist schlimm, weil Stalin eben einen Sozialismus vertrat, in dem die Produzenten ihre gesellschaftlichen Beziehungen nicht selber einrichten, sondern wie im Kapitalismus als "selbst�ndige Kraft" wirken lassen sollten - eine eher konterrevolution�re Geschichte.

Inzwischen gibt es ganze Bibliotheken �ber die "Rolle" jeder einzelnen "Kategorie der politischen �konomie des Sozialismus", die die Fruchtbarkeit des Stalin'schen Dogmas von der volkswirtschaftlichen Eigengesetzlichkeit des sozialistischen Planungsgesch�fts bezeugen. Diesem �berbau entspricht eine wirtschaftspolitische Basis im entstalinisierten Sowjetland, die Stalins Erfindung, die Steuerung einer Wirtschaft ohne Privateigentum durch Geld und Gewinn von Staats wegen, aus den rohen Anfangsformen - als die Leiter unrentabler Betriebe noch erschossen wurden und die "Lohndifferenzierung" vom Arbeitslager bis zu Stachanow-Pr�mien reichte - zu einem wahrhaft "komplexen" System der "Planung und Leitung" fortentwickelt hat. Die sowjetische Industrie haben staatlich gelenkte Arbeiter und Ingenieure geschaffen; die seltsame Produktionsweise, die sie gelenkt und ihnen das Leben schwergemacht hat, ist Stalins Werk. Er hat mit aller Gewalt aus der bolschewistischen Kapitalismuskritik, die so wenig Absage an die kapitalistische Produktionsweise enthielt und ihr trotzdem die Basis entzog, einen "Sozialismus in einem Lande" gemacht. Wie diese Umsetzung einer falschen Kritik in ein reales Wirtschaftssystem klappt, �rgert Kommunisten. Da� es klappt, �rgert die b�rgerlichen Gegner. Da� die Sache nicht besser klappt, �rgert Stalins Nachfolger. Das sind die zwei Unterschiede.

Stalin, der Erfinder des Personenkults oder: Vom Linienstreit zur blutigen Parteis�uberung

Stalin hat Lenin schon bald nach dessen Tod ein Mausoleum bauen lassen. Das sollten Demokraten besser nicht kritisieren, die Plakate mit kolorierten Visagen als Wahlargumente kennen und zu w�rdigen wissen. Seltsam ist das allerdings f�r eine Partei, die zusammen mit der Zarenherrschaft ja den ganzen religi�s-moralischen Plunder abger�umt hatte.

Dabei ist gar nichts daran auszusetzen, da� Stalin - wie die ganze bolschewistische Partei - Lenin als Autorit�t in politischen Fragen gesch�tzt hat. Es ist allerdings ein Unterschied, ob ein Verein von Revolution�ren mit dem sicheren Urteilsverm�gen eines Mitglieds gen�gend gute Erfahrungen gemacht hat um ihm auch dort zu trauen, wo kein unwiderlegliches Argument die Sache entscheidet - oder ob ein balsamierter Leichnam in feierlicher Umgebung zur Schau gestellt wird. Letzteres kommt aus der Absicht, ein Verh�ltnis der Treue herzustellen, das den Standpunkt des gemeinsamen Beratschlagens immerhin der Wortsinn von "Sowjet" - von vornherein durch Unterwerfung ersetzt. Dabei kann es gar nicht der Tote sein, dem diese Treue gilt; denn der ist ja tot. Es geht um die Sache, f�r die der aufbewahrte Leichnam sich zu Lebzeiten eingesetzt hatte. Zu der pa�t ein Autorit�tsverh�ltnis- bzw. Unterwerfungsverh�ltnis aber schon gleich nicht: Schlie�lich handelt es sich da um den gemeinsamen revolution�ren Zweck, den die Parteimitglieder allemal sich setzen m�ssen. Und dieser Zweck ist nun einmal so beschaffen, da� er nichts gewinnen kann durch die Erinnerung an Leute, die ihn auch schon geteilt haben: Die Kritik des Kapitalismus und die Methoden seiner Abschaffung begreift man dadurch kein bi�chen besser. Stalin hat sicher selbst nicht gemeint, mit einem Mausoleum und Lenin-Denkm�lern w�re irgendwer f�r den Kommunismus zu agitieren. Umgekehrt zeigt die Abzweigung von knappem Baumaterial f�r solche Standbilder, was f�r eine Sorte Eindruck der Generalsekret�r dieser KP den Leuten im allgemeinen und seinen Genossen im besonderen machen wollte.

Vom Volk verlangte Stalin auf diesem Wege Respekt, und zwar f�r die herrschende Macht, die mit derma�en luxuri�sen Bauten ihren Gr�nder, also in dessen Feier sich selber ehrt. Zwar ist solcher Respekt allemal nur so wirksam wie die Macht, der der beeindruckte Untertan ohnehin gehorchen mu�. Im Respekt vor der gestorbenen Gr��e wird der Gehorsam aber mit dem Trost versehen, nicht einfach der Macht, sondern den Idealen und der liebensw�rdigen Pers�nlichkeit ihres Begr�nders zu gelten. Insoweit war Stalins Initiative f�r eine nationale Lenin-Verehrung eine nach Form und Inhalt antirevolution�re Spekulation auf die Tradition einer antirevolution�ren Untertanengesinnung.

F�r die Partei bedeutete die Einf�hrung eines ideologischen. Treueverh�ltnisses zum H�uptling der Revolution ein Disziplinierungsmittel, wobei die Denkm�ler eine weit weniger wichtige Rolle spielte als die Technik - die nicht blo� Stalin beherrschte -, die Berufung auf Lenin wie ein Argument zu handhaben. Dabei ging es nicht um Disziplin im Sinne der unerl��lichen funktionalen Tugend des - revolution�ren - Kampfes, die auf dem Standpunkt der engagierten Mannschaft selbst beruht, da� sie ihren Erfolg nicht von den Leuten ihrer Mitglieder abh�ngig machen darf. Auch dieser Standpunkt gewinnt nichts durch lebende oder tote Vorbilder; wo Vorbilder etwas bewirken (sollen), da geht es um etwas anderes. N�mlich um eine Identifizierung mit der durchs Vorbild verk�rperten Sache, die sich von deren Billigung aus Wissen und Willen gerade unabh�ngig macht.

Da� Stalin auf diese Weise unter den Bolschewiki Unterw�rfigkeit als Parteitugend institutionalisiert hat, wird ihm r�ckblickend gern als Machenschaft eines berechnenden Machtstrebens angekreidet. Dieser hochanst�ndige Vorwurf l��t bezeichnenderweise den Umstand au�er acht, da� dazu immer auch eine Partei geh�rt, der eine solche Haltung als Tugend einleuchtet - womit �brigens die Sto�richtung dieses Vorwurfs kenntlich wird: Im Grunde soll immer nur gesagt sein, da� der Falsche die Partei unter seine Kontrolle gebracht h�tte. Dabei war es im Falle der bolschewistischen Partei immerhin ein Widerspruch - ganz anders als bei demokratischen Wahlvereinen oder bei einer faschistischen Bewegung, die je auf ihre Weise nichts als erfolgreiche F�hrung fordern -, wenn da blinde Gefolgschaft verlangt wird, um die aus Opportunismus und Moral ertragene Gewalt der Klassengesellschaft durch etwas Gescheites zu ersetzen. Diesen Widerspruch h�tte Stalin nie schaffen k�nnen, wenn er nicht sowieso das Selbstbewu�tsein der Partei - und auch das seine! - gepr�gt h�tte.

Tats�chlich war im revolution�ren Standpunkt der Bolschewiki eine K�ndigung des b�rgerlichen Moralismus, der die Hingebung an gar nicht selbst gesetzte, sondern "h�here" Zwecke, an verpflichtende Werte idealisiert, nicht enthalten. Dem Inhalt nach nicht: So klar diese Partei die Verlogenheit der b�rgerlichen Gleichheits-, Freiheits- und Br�derlichkeitsphrasen durchschaut hatte, so kompromi�los bekannte sie sich andererseits zu eben diesen Idealen und verstand ihren Umsturz als das Unternehmen, diese wirklich und wahrhaftig zu verwirklichen. Und der Form nach schon gleich nicht: Die Vorstellung, einen historisch "f�lligen" Menschheitsfortschritt zu vollstrecken - dies der "materialistische" Unterbau zu dem idealistischen Weltverbesserungsanliegen -, ist per se moralischer Natur, weil sie die Abschaffung kapitalistischer Verh�ltnisse vom Zweck, den die Partei sich setzt und verwirklicht, so gut es geht, zu einer Art Auftrag verkl�rt, dem diese Partei dient. Infolgedessen gingen dann auch die Diskussionen, die die Bolschewiki um politische und taktische Entscheidungen f�hrten, nie darin auf, Hindernisse und Feinde zu identifizieren und die besten Methoden der Durchsetzung zu entwickeln. Sie waren auch dabei beseelt von dem Bewu�tsein, einen gerechten Streit gegen Kr�fte zu f�hren, die ebenso b�se wie zum Untergang verurteilt w�ren. Ihren revolution�ren Kampf f�hrten sie, paradox genug, nach Ma�gabe der Vorstellung, da� ihr Vorhaben unendlich gut, dabei aber in seiner praktischen G�ltigkeit durch die geschichtliche Situation diktiert und gerechtfertigt, also auch von seinen Erfolgsbedingungen abh�ngig sei.

In dieser moralisch-geschichtsteleologischen Beleuchtung waren Siege und Niederlagen der Partei nie blo� Siege und Niederlagen aus denen die Bolschewiki �brigens durchaus einiges f�r ihre Taktik gelernt haben -, sondern immer gleich Anla� zu ideologischen Fragen. Erfolge "bewiesen" allen Ernstes die historische Gerechtigkeit der eigenen Sache und stellten den prognostischen F�higkeiten der Partei und ihrer Leitung ein gutes Zeugnis aus. Mi�erfolge warfen Zweifel auf, ob die Verantwortlichen sich nicht in der geschichtlichen "Tagesordnung" vergriffen h�tten; das war entweder durch eine Revision der parteiamtlichen "Einsch�tzung" der historischen Situation zu bereinigen - oder man mu�te folgern, da� da gegen die durchaus korrekte Parteilinie ges�ndigt worden war.

Nun hatte Lenin gewi� nicht deswegen Erfolg gehabt, weil er sich von der Einsicht in objektive Gesetze des Geschichtsverlaufs abh�ngig gemacht h�tte - eher schon deswegen, weil solche Theorien ihm im entscheidenden Moment egal waren. F�r die Partei machte die siegreiche Revolution deren Anf�hrer aber zum Inbegriff der revolution�ren Geschichtswissenschaft und der einzig korrekten Parteilinie; genau das hat Stalin sich gemerkt. Umgekehrt ging beim Aufbau der Parteiherrschaft �ber Ru�land vieles schief, aber ganz sicher nie deswegen, weil die Deduktionen der Partei �ber das historisch Gebotene mi�achtet worden w�ren - eher schon aus Respekt vor solchen imagin�ren Gesetzen. F�r die Partei stellten sich Fehler oder Mi�erfolqe jedoch, allemal als Abweichungen vom objektiv vorgezeichneten Erfolgsweg dar; Abweichungen, denen man durchaus keine Gutwilligkeit zugute halten durfte, weil das Parteiwissen ums Unausweichliche ja vorhanden war. Das hat Stalin erst recht eingeleuchtet. Aus diesem guten bolschewistischen Geist heraus wollte er Lenins Partei weiterf�hren.

So hat Stalin sich zum einen alle M�he gegeben, in die Rolle Lenins hineinzuwachsen. Er hat sich, obwohl alles andere als ein heller Kopf, redlich angestrengt, alles, was er f�r politisch notwendig hielt zur Rettung und Sicherung der Sowjetmacht, auch noch als geschichtlich geboten nachzuweisen. Statt einfach daf�r zu werben, die Partei solle sich lieber heute als morgen zum sozialistischen Aufbau im eigenen Land entschlie�en, hat er unter lauter Leuten, denen das Eindruck gemacht hat, mit Lenin-Zitaten die �berzeugung durchsetzen wollen, "Sozialismus in einem Lande" sei in Anbetracht aller ehernen Gesetze der Geschichte und ihres Stundenplans sogar 1926 in Ru�land m�glich. Den Kulaken, also den "reichen Bauern", ist er ab 1927 an den Kragen gegangen, weil er der Gefahr einer wiedererstarkenden Privatmacht des Grundeigentums und Lebensmittelhandelskapitals entgegenwirken wollte; aber er hat seine Partei nicht einfach f�r dieses Ziel mobilisiert, sondern f�r die "Theorie" gewinnen wollen, eine "Versch�rfung des Klassenkampfes" gerade bei zunehmenden Erfolgen des sozialistischen Wirtschaftsaufbaus sei geschichtsgesetzlich notwendig, und dieser "einfachen und offenkundigen Wahrheit" m��te die Partei sich stellen. Und so weiter.

Da� diesen "theoretischen Fortentwicklungen des Leninismus" ihr Charakter als ad hoc konstruierte Ideologien zum politischen Beschlu� deutlich anzumerken ist, stellt Stalins politischem Urteilsverm�gen ein gutes Zeugnis aus: So wenig wie Lenin beim Machen der Revolution hat er sich in seinem Aufbauprogramm von Fetischismus einer geschichtlichen "Tagesordnung" abh�ngig gemacht. Das ist aber nur die eine Seite. Stalin hat zugleich diese Manier des Wahrheitsbeweises f�r seine Politik, haupts�chlich aus den entsprechend vergoldeten Worten des toten Lenin, sehr ernst genommen und sich darin mit seiner Partei ganz einig gewu�t. Deswegen und nicht aus zynischer Berechnung hat er sie derma�en perfektioniert, da� er die ZK- und Parteitagsdebatten �ber die wichtigsten Entscheidungen mehr noch als mit politischen Lagebestimmungen mit Hilfe atemberaubender Wortklaubereien und rechthaberischer Interpretationskunstst�cke bestritten hat. Wiederum lag es wohl kaum an der �berzeugungskraft seiner m�hseligen Ableitungen, da� die Partei ihm in den wichtigsten Entscheidungen gefolgt ist; und erst recht nicht, da� sie sich in der eigenen Gesellschaft und gegen die angegriffenen "Klassen" durchgesetzt hat. Im Lichte des Geschichtsbildes seiner Partei gerieten solche Erfolge Stalins aber automatisch zu dem Beweis, da� seine Ideologien ihn als intimen Kenner des von "der Wirklichkeit" Gebotenen und F�lligen auswiesen, da� er die �bereinstimmung der Parteilinie mit ihren Erfolgsbedingungen und -garantien buchst�blich verk�rperte, da� also die Partei in ihm ihren neuen Lenin den "Lenin unserer Tage" gefunden hatte.

Im gleichen Geist f�hrte Stalin zum andern den Streit mit Vertretern einer abweichenden Parteilinie. Die Alternativen klarstellen; falschen Radikalismus und Kompromi�lertum kritisieren; die zu �berwindenden Hindernisse auf den Begriff bringen; gemeinsame Einsichten und Konsens �ber eine gew�hlte Vorgehensweise herstellen: Das war - oder besser: das w�re dem Generalsekret�r entschieden zu wenig gewesen. Den Kampf um eine Mehrheit f�r seine Linie hat Stalin immer mit den Waffen des Geschichtsmoralismus bestritten, der in seiner Partei als "Marxismus-Leninismus" galt: Gegner wurden als Abweichler vom Revolutionsauftrag der Weltgeschichte in ihrem momentanen Stadium hingestellt - der Nachweis daf�r wurde zun�chst mit Vorliebe anhand wirklicher oder angeblicher Unstimmigkeiten zwischen ihren Auffassungen und Lenin-Zitaten gef�hrt und unter den Verdacht gestellt, den guten Zweck der Partei in Wahrheit gar nicht zu teilen.

Ein beliebig herausgegriffenes Beispiel: Gegen den Zweifel Sinowjews, ob die Parole vom Aufbau des Sozialismus blo� in Ru�land "eine leninistische Fragestellung" sei und "nicht nach nationaler Beschr�nktheit" rieche, was nun sicher auch kein brillanter Diskussionsbeitrag war, polemisierte Stalin in der Schrift "Zu den Fragen des Leninismus" von 1926 mit folgender Deduktion:

"Somit hei�t es nach Sinowjew, auf dem Standpunkte der nationalen Beschr�nktheit stehen, wenn man die M�glichkeit der Errichtung des Sozialismus in einem Lande anerkennt, und auf dem Standpunkte des Internationalismus stehen, wenn man diese M�glichkeit verneint.

Wenn das aber stimmt, lohnt es sich dann �berhaupt, den Kampf f�r den Sieg �ber die kapitalistischen Elemente unserer Wirtschaft zu f�hren? Folgt nicht daraus, da� ein solcher Sieg unm�glich ist? Kapitulation vor den kapitalistischen Elementen unserer Wirtschaft - dahin f�hrt die innere Logik der Argumentation Sinowjews.

Und diese Ungereimtheit, die mit dem Leninismus nichts gemein hat, wird uns von Sinowjew als �Internationalismus' als �hundertprozentiger Leninismus' aufgetischt!

Ich behaupte, da� Sinowjew in der so wichtigen Frage des Aufbaus des Sozialismus sich vom Leninismus abkehrt und zum Standpunkte des Menschewiks Suchanow hinabsinkt."

Mit der Entscheidung der Partei war ein solcher Streit nicht etwa beendet, sondern der unterlegene Gegner historisch ins Unrecht gesetzt und eines der Parteilinie widersprechenden, also parteisch�dlichen Standpunkts �berf�hrt. Das Vernichtende an diesem Verdikt lag darin, da� es in den allermeisten F�llen gar keinen wirklichen "b�sen" Willen zur Sabotage am sozialistischen Aufbau traf, sondern lauter gute Leninisten, die genauso wie Stalin nach der einzig korrekten Antwort auf die historische Auftragslage suchten - und sich durch Stalins Erfolg tats�chlich ins Unrecht gesetzt sahen. Dabei waren sie selbst, wiederum genau wie ihr Generalsekret�r, nicht in der Lage, zwischen Irrtum - wenn es denn schon letztlich um eine falsche Geschichtsauffassung gehen sollte - und Versto� - n�mlich gegen die richtige Auffassung der Partei - zu unterscheiden. Da� sie sich unter Selbstbezichtigungen von ihrem parteiwidrigen Standpunkt lossagen mu�ten oder der Achtung als Parteifeinde verfielen und ausgeschlossen wurden, geh�rte somit zur moralischen Kultur des Bolschewismus, die kein Stalin-Kontrahent je kritisiert hat.

Stalins ganz eigene Leistung war es, die Dialektik des moralischen Verdachts bis zum Ende durchzuexerzieren. Denn darauf mu�te er als konsequenter H�ter der Parteilinie ja fr�her oder sp�ter verfallen, da� die innerparteilichen Streitigkeiten mit Unterwerfungserkl�rungen der Unterlegenen noch immer keinen befriedigenden Abschlu� gefunden hatten. Wo einmal der Verdacht aufgekommen war, ein Genosse w�rde den Zweck der Partei gar nicht wirklich und ehrlich teilen, da mu�te seine nachtr�gliche Zustimmung zur durchgesetzten Politik auch den Zweifel auf sich ziehen, ob sie denn nun ehrlich war oder nur aus Opportunismus abgegeben, so da� die n�chste Abweichung schon vorprogrammiert war, oder sogar in der Berechnung, der Partei weiterhin von innen her schaden zu k�nnen. �berall witterte der Chef Verrat. Nachdem einmal der Vorwurf "Doppelz�ngler" ins Parteileben eingef�hrt war, lie� sich �berhaupt kein Unterwerfungsakt mehr moralisch halten: Je gr�ndlicher er ausfiel, um so gewisser war der Heucheleiverdacht. Die �berpr�fung der Zuverl�ssigkeit der Parteimitglieder trennte sich auf diese Weise v�llig ab vom Streit um Alternativen des sozialistischen Aufbaus; Stalin als dem Inbegriff der korrekten Linie fiel die unangenehme Aufgabe zu, letztlich nach der Stellung der Genossen u ihm dar�ber zu entscheiden, wo ein Verdacht auf Unzuverl�ssigkeit am Platz war. Der antirevolution�re Drang, das Treiben der Partei an vorgestellten objektiven Gesetzm��igkeiten der Geschichte zu messen schlug so am Ende konsequenterweise um in die pers�nliche Willk�r dessen, den die Folgsamkeit und die Erfolge seiner Partei als den "genialen" Kenner besagter Gesetzm��igkeit auswiesen. Sein moralisches Urteil wurde dann liebevoll zu ganzen Verschw�rungstheorien ausgewalzt, in denen das imperialistische Ausland regelm��ig als Auftraggeber auftauchte. Mancher Angeklagte glaubte am Ende zum Teil selber daran. Bisweilen bekannten sie sich auch ohne �berzeugung �ffentlich zu ihnen, um ihrer Partei einen (letzten) Dienst zu erweisen.

Dieser Fortschritt vom moralisch gef�hrten Linienstreit zur immer haltloseren Parteis�uberung wurde dadurch entschieden gef�rdert, da� die praktischen Probleme des st�rmischen sozialistischen Aufbaus "in einem Lande" auch dann keineswegs aufh�rten, sondern erst richtig schmerzlich wurden, als die Partei sich ansonsten vollst�ndig und mit stehenden Ovationen um ihren Generalsekret�r geschart hatte. Zweifel an der Absurdit�t, die sozialistische Planung unter das Diktat der Finanzen und ihrer Mehrung zu stellen, wurden nicht mehr laut; um so klarer schien der "Schlu�" auf Sabotage, wenn es mit dem Hand-in-Hand-Arbeiten der Betriebe und Branchen vorn und hinten nicht klappte. Als H�upter der aufbaufeindlichen Verschw�rung standen je schon die Genossen fest, die irgendwann einmal am "Sozialismus in einem Lande", der "notwendigen Versch�rfung der Klassenk�mpfe" oder sonst einer Doktrin gezweifelt hatten und davon - "offenbar!" - nie losgekommen waren. Da Unterwerfung kein Vertrauen mehr schaffen konnte, blieb, auch das moralisch konsequent gedacht, nur noch die Liquidierung der treulosen Genossen �brig - auch das wieder eine "historisch notwendige" Fortentwicklung der Parteilinie, an der sich fortan die verlangte Parteitreue beweisen mu�te... Logischerweise blieben auch die Genossen nicht verschont, die �berhaupt nie eine inhaltliche Abweichung hatten erkennen lassen: Von den 1966 Delegierten des XVII. Parteitags, die 1934 dem totalen Sieg der Linie Stalins einm�tig zugejubelt hatten -

"Mu�te man auf dem XV. Parteitag noch die Richtigkeit der Linie der Partei beweisen und einen Kampf gegen bestimmte antileninistische Gruppierungen f�hren, auf dem XVI. Parteitag aber mit den letzten Anh�ngern dieser Gruppierungen aufr�umen, so braucht man auf diesem Parteitag nichts zu beweisen, und es gibt wohl auch niemanden, der geschlagen werden m��te. Alle sehen, da� die Parteilinie gesiegt hat. (Donnernder Beifall.)" (aus: Rechenschaftsbericht an den XVII. Parteitag) -,

wurden nach Angaben Chruschtschows bis zum XVIII. Parteitag 1938 immerhin 1106 verhaftet, von den dort gew�hlten 139 Mitgliedern und Kandidaten des Zentralkomitees 98 liquidiert.

Die Kultur des Verdachts machte vor den parteilosen Massen nicht halt. Stalin leistete sich den Widerspruch, auch von Leuten, die seine Partei gar nicht f�r den Kommunismus gewonnen hatte, die bedingungslose Anerkennug der Partei und ihres Chefs als Garanten f�r ein sicheres Fortschreiten zum Kommunismus zu verlangen. Er folgte damit dem hochmoralischen, aber leider v�llig antiagitatorischen Selbstbewu�tsein seiner Partei, die ihre Sache f�r die objektiv-h�chste Pflicht aller anst�ndigen Zeitgenossen hielt, auch ohne da� die Guten erst etwas davon begreifen mu�ten, einfach auf Grund der durch "die Geschichte" verb�rgten F�lligkeit des �bergangs zum Sozialismus. Jedermann wurde am Ma�stab r�ckhaltloser Treue zur Partei Lenins und zum "Lenin unserer Tage" gemessen, auch wenn er sich nie �berlegt hatte, ob ihm deren Zweck �berhaupt recht war; gerechterweise fiel die Messung immerhin weniger streng aus als bei Parteikadern, stets in Entsprechung zur pers�nlichen Verantwortung f�r den gesellschaftlichen Fortschritt. Die Chance, das Verh�ltnis zwischen Partei und Massen jemals in der Identit�t des von der Gesellschaft bewu�t verfolgten Zwecks aufzul�sen, wurde als in moralischer Hinsicht je schon gegebene Sachlage hingestellt - und damit gr�ndlich begraben. So verhalf Stalin dem bolschewistischen Revolutionsmoralismus zu seiner Karriere als Ideologie einer Staatsgewalt, der dieser Kommunist am Ende gar kein "allm�hliches Absterben" mehr prophezeien mochte.

Statt dessen ging der Generalsekret�r dazu �ber, die einzig korrekte Parteilinie auch noch in solchen vom sozialistischen Aufbau ein wenig abgelegenen Fragen wie der Vererbungslehre und einer dialektisch-materialistischen Sprachwissenschaft zu verk�rpern. Auch nach dieser mehr l�cherlichen Seite hin hat der Mann nur konsequent zu Ende gef�hrt, was im Begriff des Vorbilds steckt: das erzb�rgerliche Ideal einer durch den Verstand ohnehin nie zu rechtfertigenden, "pers�nlichen Autorit�t".

Die Entdeckung seiner Nachfolger, da� Stalins Beispiel doch nicht gut genug w�re, um seine Leiche neben der Lenins in jenem Mausoleum auszustellen, hat von diesem Fehler nur die Radikalit�t zur�ckgenommen, die zur mittlerweile einigerma�en aufgebauten sozialistischen Weltmacht nicht mehr pa�te. Dank Stalins Erfolgen kommt sein Wirtschaftswunder heute ohne Zwangsarbeit aus und sein Geschichtsmoralismus ohne Schauprozesse - und das immerhin weit besser als die b�rgerliche Hetze ohne stalinistisches Feindbild.

Stalin, der Gro�vater des Eurokommunismus oder: Von der K�ndigung des Nationalismus zur Politik der "Nationalen-Front"-Bildung

Stalin hat 1943 die III. Kommunistische Internationale, die "Komintern", das von Lenin geschaffene B�ndnis revolution�rer Parteien, aufgel�st. Damit hat er wenigstens einen der politischen Widerspr�che gel�st, die er von dem ersten Parteichef geerbt und mit Konsequenz befolgt hat. Auch das in antikommunistischem Sinn - was ihm kein b�rgerlirher Demokrat je geglaubt, geschweige denn gedankt hat. Da� seine ausdr�ckliche Absage an das Projekt einer Weltrevolution immer als taktische Finte galt - der unwirksamste Trick der Weltgeschichte, wenn es einer gewesen w�re! -; da� ausgerechnet die Gr�ndung eines "Ostblocks" aus L�ndern, die die siegreiche Rote Armee besetzt hatte, bis heute schlagender Beweis f�r einen "Weltrevolution�ren Expansionsdrang" des russischen Kommunismus angesehen wird: Das ist, was Stalin betrifft, ein grandioses Mi�verst�ndnis. Was dessen Urheber betrifft, ist es Ausdruck des ungebrochenen imperialistischen Willens, die Sowjetmacht trotz allem als St�rung jeder "normalen" Weltpolitik zu behandeln.

Da� der Nationalstaat, ob b�rgerlich oder von den Parteien der II. Sozialistischen Internationale (mit-)regiert, der geborene Feind des Kommunismus ist, war der Gr�ndungsgenke der Komintern. Die Einsicht, da� der Imperialismus solcher Staaten nur von innen her, durch den Aufstand eines revolution�ren Proletariats, das die au�enpolitischen Interessen seiner Herrschaft als seinen Schaden begreift, zu brechen ist - w�hrend kriegerische Niederlagen diese Interessen nur radikaler machen -, das war f�r die im eigenen Land siegreiche bolschewistische Partei ein Grund mehr, das B�ndnis revolution�rer Parteien zu f�rdern; denn sie mu�te um den Bestand der Sowjetmacht f�rchten, solange die wichtigsten imperialistischen Staaten intakt waren - das hatten die mit ihrer Unterst�tzung f�r die "wei�gardistische" Konterrevolution gerade erst nachdr�cklich bewiesen. Die mit den Bolschewiki verb�ndeten Parteien ihererseits erkannten an, da� es ihre eigene Sache war, die in der Oktoberrevolution einen ersten gro�en Sieg errungen hatte, und k�mmerten sich dementsprechend mit um die Festigung dieses Erfolgs. Ihr gemeinsames Anliegen war die Weltrevolution, nicht mehr und nicht weniger.

F�r diesen Zweck h�tte es nichts weiter bedeuten m�ssen, da� es den Kommunisten zun�chst einmal nicht gelang, ihren russischen Erfolg in anderen L�ndern fortzusetzen. Scheitern ist f�r sich genommen kein Argument; und wenn das Scheitern notwendig war, weil Fehler gemacht wurden, dann beseitigt man diese und versucht es wieder solange man am vorgenommenen Zweck festh�lt. Doch so "einfach" sahen die Bolschewiki und ihr Generalsekret�r die Sache nicht. Sie hielten ihren Erfolg f�r vorbildlich, und zwar keineswegs, blo� im Hinblick auf praktische Fragen der Art, wie man am besten verelendete, kriegsm�de Kleinbauern agitiert oder einen Zaren schlechtmacht, sondern in einem prinzipielleren Sinn. Ihrem Lenin rechneten sie es als "Genialit�t" an, da� er haargenau den richtigen Zeitpunkt f�rs Umst�rzen getroffen, n�mlich die einzigartige Konstellation von Bedingungen erwischt h�tte, die eine erfolgreiche Revolution, m�glich machte. Und genau das sollten die ausl�ndischen Genossen aus den russischen Revolutionserfahrungen lernen; denn wie ihr Mi�erfolg "bewies", fehlte es ihnen "offenbar" an eben diesem "Gesp�r f�rs Machbare".

In dieser Art, Erfolg und Mi�erfolg zu "erkl�ren", steckt ein seltsames Spiel mit der logischen Kategorie der M�glichkeit. Nur zum Schein oder nebenher geht es darum, eine vorgefundene politische Lage zu analysieren und die Ansatzpunkte f�r wirksames Eingreifen zu finden. Die Reflexion aufs "M�gliche" und "Machbare" besteht in einem ganz leeren Abh�ngigkeitsgedanken: Genau die Lage, die eine revolution�re Partei umst�rzen will, wird zur Bedingung ernannt, von der die M�glichkeit eines Erfolgs abh�ngen soll. Am Ende erscheint "die Situation", n der die Revolution gelingt, als Ursache daf�r, da� sie gelingt. Dieser Denkfehler kann harmlos sein, wenn Kommunisten im Verlauf ihres Kampfes "die Situation" f�r eine "revolution�re" halten und dann so wie Lenin - das f�r den Durchbruch N�tige machen. Da k�rzt sich n�mlich die Vorstellung, in Abh�ngigkeit von vorgegebenen Erfolgsbedingungen zu handeln, praktisch �raus. Als "Erkl�rung" f�r einen Mi�erfolg ist dieser Gedanke aber allemal fatal"; denn dann bleibt als letzte Weisheit die Auskunft �brig: s ging a auch nicht. Diese Botschaft ist mit beliebigen "Belegen" zu f�llen; denn sie legt ja jeder namhaft zu machenden Schwierigkeit den kleinen Bedeutungswandel zur Unm�glichkeit bei. Das mag Trost stiften - was schon bl�d genug ist f�r gescheiterte Kommunisten. Vor allem aber steckt in einer solchen "Lehre der Geschichte" allemal der dezente Hinweis, da� man sich �berhaupt das Falsche vorgenommen h�tte. Am Ende kommt nichts als eine Kritik der Absicht heraus, und zwar eine der pur opportunistischen Art: Wenn ein Umsturz scheitert, dann liegt das, so betrachtet, nicht an dieser und jener eigenen Schw�che und feindlichen St�rke, sondern daran, da� das ganze Unterfangen f�r "die Situation" �berhaupt und insgesamt zu umst�rzlerisch war.

Die Bolschewiki waren Meister dieses Unterordnungs- und Anpassungsgedankens auch wenn sie sich selbst gar nicht den Bedingungen untergeordnet hatten; aber bei ihnen war die Rechnung ja gut aufgegangen, und so konnte ihre Theorie von der genial erfa�ten "revolution�ren Situation" ihrem Erfolg nur das stolze Bewu�tsein hinzuf�gen, im Sinne aller angeblichen Marx- und Engels'schen "Prognosen" eine "geschichtliche Mission" vollbracht zu haben. Da� solcher "Empirismus" andersherum auf nichts als eine gigantische Rechtfertigung des politischen Opportunismus, des antirevolution�ren Standpunkts schlechthin, hinausl�uft, das kam in ihrer Komintern-Politik je l�nger, je mehr zum Tragen - auch wenn Lenin noch im Namen dieser Geisteshaltung einiges Richtige vertreten, z.B., die leicht spleenigen Revolutionshoffnungen einiger westeurop�ischer Linksradikaler mit richtigen Hinweisen auf die Notwendigkeit kritisiert hatte, den Kampf, den man gewinnen will, erst einmal gescheit zu f�hren und nicht blo� voller Begeisterung f�r im Prinzip schon gewonnen zu erkl�ren... Stalin jedenfalls hat seinen ausl�ndischen Genossen nur und nachdr�cklich die "Lehre aus der Geschichte" nahegelegt, die in dieser Denkungsart per se enthalten ist: Ihr Mi�erfolg beim Umst�rzen w�re der Beweis, da� sie ihre Politik nicht aufs M�gliche gerichtet und ihre Aufgaben nicht richig erkannt h�tten; f�r sie st�nde eben die Revolution nicht auf der"Tagesordnung ".

Was statt dessen ? Die Frage war nicht schwer zu beantworten; um die Antwort war es Stalin ja �berhaupt zu tun. In Ru�land war sie losgegangen, die Revolution, die alle Kommunisten w�nschen. Also lag da auch ihre Aufgabe, und zwar eine, die bislang erfolglose kommunistische Parteien nicht �berfordern mu�te. Gefordert war antiimperialistischer Kampf, und zwar unter einer bescheideneren Zielsetzung als der einer Weltrevolution, die mit den Klassenstaaten auch deren imperialistische Interessen zerschlagen w�rde: "Kampf" gegen den Antisowjetismus der b�rgerlichen Staatenwelt. Der Grund, aus dem den siegreichen Bolschewiki ganz speziell an kommunistischen Erfolgen in anderen Staaten gelegen war: ihr Interesse an mehr Sicherheit f�r ihr Werk wurde so zum Zweck, den die ausw�rtigen Revolution�re sich vornehmen sollten. Um sich dieser Aufgabe anzunehmen, war in der Tat keine "revolution�re Situation" vonn�ten. Denn das Revolution-Machen k�rzte sich damit aus dem kommunistischen Aufgabenkatalog heraus: Um eine imperialistische Regierung von antisowjetischen Abenteuern abzuhalten, w�re ein Umsturz wirklich nicht das Mittel der Wahl.

Das wurde als erstes den Parteien beigebracht, die sich in ihren L�ndern durchaus noch Chancen f�r eine Revolution ausrechneten. Die Pl�ne der deutschen Kommunisten wurden auf Komintern-Ebene so kr�ftig - problematisiert und verwirrt, da� 1923 �berhaupt nichts. Gescheites zustandekam. Den chinesischen Kommunisten wurde die Unterordnung unter Tschiang-Kaischek befohlen, bis dieser gegen sie in die Offensive gehen konnte; die Aufst�nde, die auf Stalins Rat dann angezettelt wurden, hatten tats�chlich keine Chance mehr. Erkl�rte Feinde h�tten kaum wirksamer vorgehen k�nnen. F�r Stalin und seine Partei best�tigte sich so die "Einsch�tzung", die sie von den Erfolgsaussichten des Sozialismus au�erhalb ihres eigenen Landes hatten.

Die von Stalin diktierte "bescheidenere" antiimperialistische Zielsetzung, f�r gute Beziehungen zur Sowjetunion zu werben, wurde von den Komintern-Parteien allerdings auch nicht viel erfolgreicher erledigt; und das lag - nun �berhaupt nicht an den Umst�nden, mit und unter denen sie zu k�mpfen hatten, sondern an der Widerspr�chlichkeit dieser Aufgabe selbst. Diese Parteien hatten sich von der II. Internationale getrennt und gegen die Sozialdemokratie gestellt, weil sie den Standpunkt des "proletarischen Internationalismus" gegen den einer nationalen Au�enpolitik verfochten, weil sie das Mitmachen unter dem "Dach" des Nationalstaats ablehnten, weil sie den demokratischen Reformismus bek�mpften usw. Nun sollten sie f�r friedliche Beziehungen ihrer Regierung zur Sowjetunion eintreten und sich in diesem Sinne und �berhaupt ohne revolution�re Ambitionen ins nationale Politikgewerbe einmischen, auch mit der Sozialdemokratie B�ndnisse schlie�en und dergleichen mehr. Das wunderte die Basis und machte den b�rgerlichen und sozialdemokratischen Gegnern noch lange keinen Eindruck; ihre Maskierung machte sie noch nicht zu Partnern. Dabei maskierten diese moskautreuen Seelen sich gar nicht blo�, sondern sie erbrachten Spitzenleistungen an Selbstverleugnung. Mit ihren Einmischungs- und B�ndnisangeboten stellten sie ja ganz ausdr�cklich die Parteigegens�tze, die es innerhalb des antikommunistischen Lagers gab, �ber den Gegensatz, den sie zu den anderen Parteien �berhaupt noch er�ffnen wollten - und �berlie�en es denen, ihrerseits ihren Antikommunismus zu betonen. Sie wollten Opportunisten sein und weckten damit doch immer wieder blo� Argwohn gegen die Echtheit ihres Opportunismus. Das um so ehr, weil sie nicht einmal eine Linie der Anpassung durchhalten konnten, sondern zwischendurch auch wieder dazu angehalten wurden, die Sozialdemokratie als Hauptfeind anzugreifen, so als h�tten sie mitten im Kapitalismus kein gr��eres Problem, als so �hnlich wie Stalin in Ru�land mit falschen Freunden und "Verr�tern" abzurechnen. Anschlie�end war dann wieder der gemeinsame Gegensatz der Demokraten gegen die Faschisten der h�chste Wert der Komintern; und pflichtschuldigst retteten kommunistische Volksfrontminister die b�rgerlichen Verh�ltnisse z.B. in Frankreich vor streikenden Arbeitern, die die kommunistische Regierungsbeteiligung als Anfang vom Ende des Klassenstaats mi�verstanden hatten. F�r die Revolution sollte "die Zeit" nicht "reif" sein; aber um in Spanien f�r den Unterschied zwischen dem Faschismus und einer linksliberalen Republik zu bluten, f�r die auch noch nicht einmal ein kommunistischer �bergang erlaubt war, daf�r waren Stalin die kommunistischen K�mpfer gut genug - und die sich nicht zu schade...

Derweil erledigte Stalin die Aufgabe, die er f�r die verb�ndeten kommunistischen Parteien vorgesehen hatte, auf ganz anderer Ebene selber: Er trieb Au�enpolitik. Von Regierung zu Regierung warb er um Anerkennung - die 1924 von wichtigen Staaten ausgesprochen wurde -, um Handelsbeziehungen, um NichtAngriffs-Pakte und �berhaupt um Frieden. Den Chefs imperialistischer Nationen suchte er klarzumachen, da� mit dem revolution�ren Ru�land bestens auszukommen w�re. Da� dieses Mitmischen im diplomatischen Konkurrenzkampf der Existenz einer von Moskau gelenkten Komintern widersprach, die immer noch als Agentur der Subversion galt und eine internationale Solidarit�t der Staatsfeinde im Programm stehen hatte, wurde Stalin von seinen regierenden Gespr�chspartnern klargemacht: Die lie�en schon mal eine offizielle sowjetische Vertretung wegen ungeh�riger Umtriebe abr�umen.

F�r eine kleine Weile sorgte der 2. Weltkrieg f�r klare Verh�ltnisse. Da� sein Staat zum Hauptopfer des unbefriedigten deutschen Imperialismus wurde, registrierte der Generalsekret�r nicht als glanzvolles Scheitern seiner allseitigen au�enpolitischen Anbiederei zuletzt bekanntlich noch bei den Nazis -, geschweige denn als Quittung f�r gewisse "Vers�umnisse" bei der Bef�rderung der Weltrevolution, die den Gr�ndern der III. Internationale noch als einzige wirkliche �berlebensversicherung f�r den "Sozialismus in einem Lande" eingeleuchtet hatte. Stalin nutzte das antifaschistische Kriegsb�ndnis zum Einstand als voll eingemeindetes Mitglied der Staatenwelt des demokratischen Imperialismus. An die verb�ndeten Parteien erging der Auftrag, sich ebenso in jede beliebige antifaschistische Einheit einzuf�gen und keine andere Rolle mehr spielen zu wollen als die des besten Demokraten. Die Komintern wurde dar�ber gleich in doppelter Weise zum Anachronismus: Als Internationale von Oppositionsparteien st�rte sie die Demokratien, zu denen Stalin keinen politischen Gegensatz mehr pflegen wollte. Und andersherum: Als voll integrierte - oder jedenfalls bedingungslos integrationswillige - St�tzen nationaler Einheitsfronten wurde den ausw�rtigen Kommunisten selbst der Rest von Internationalismus und die Pflicht zur Sowjettreue, die ihr Verein noch symbolisierte, zur Last. Die Aufl�sung der Komintern war nur konsequent und der Sieg des b�rgerlichen Patriotismus in den �briggebliebenen Hammer- und Sichel-Parteien auch. Der konnte nur noch radikaler werden, als die b�rgerlichen Partner sich die Freiheit nahmen, den Kommunisten die nationale Einheit wieder zu k�ndigen.

Diese K�ndigung war n�mlich f�llig, als die durch den Weltkrieg erzwungene Einigkeit zwischen der Sowjetunion und den imperialistischen Demokratien ihr Ende nahm. Die Initiative dazu war einmal mehr bei den Gegnern des Kommunismus geblieben. Was Stalin blieb, war die Defensive, und zwar die einer Milit�r-Gro�macht: Ostblock statt Weltrevolution. Das war Stalins letztes Wort in dieser Angelegenheit.

Selbstverst�ndlich nehmen die freiheitlichen Weltm�chte ihm das noch heute genauso �bel, wie sie den weltweit organisierten Kommunisten eine Weltrevolution �belgenommen h�tten. Der Unterschied ist nur: Dann g�be es sie nicht mehr.


Der Genialissimus
 
J.W. Stalin und der �Aufbau des Sozialismus in einem Land�. Vor 50 Jahren starb der Zar, der sich Generalsekret�r nannte
 

Als Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, der unter seinem revolution�ren Decknamen Stalin Geschichte machte, am 5. M�rz 1953 um 21.30 Uhr starb, war er einsam wie ein Tiger im Wald. Die Mitglieder des Politb�ros fanden ihn in seiner Datscha auf dem Fu�boden liegend. In der Annahme, da� sich der �Genosse Stalin� wohl ein Nickerchen genehmigt habe, wie Nikita Chruschtschow sp�ter erz�hlte, schlichen sie sich leise davon. Als wollten sie der Geschichte, bevor sie von ihr in die Pflicht genommen wurden, noch eine kleine Atempause abringen.

In ihrem Innersten hatten sie mit dem �Woschd� (F�hrer), den sie zwar noch f�rchteten, aber nicht mehr respektierten, bereits gebrochen. Der Alleinherrscher war zum Opfer seiner Alleinherrschaft geworden. Die Epigonen ahnten, da� der n�chste Vernichtungsschlag ihnen gelten werde. Und Stalin ahnte, da� er sich der Seinen nicht mehr sicher sein konnte. Der blutige Machtkampf, den der Nachfolger Lenins jahrzehntelang der Partei aufgezwungen hatte, dr�ngte zum Finale. Der nat�rliche Tod sorgte f�r ein vers�hnliches Ende der Trag�die.

Als am Morgen des 6. M�rz der Tod des Generalissimus bekanntgegeben wurde, durchlebte das Land einen Kulturschock, von dem es sich nie mehr richtig erholen sollte. Stalin, der gro�e Baumeister der in der Oktoberrevolution wurzelnden sowjetischen Zivilisation, lebte nicht mehr. Der autorit�re Sozialismus war seiner Personifizierung verlustig gegangen. Die durch und durch, bis in die private Lebensweise stalinisierte Gesellschaft f�hlte sich alleingelassen. F�r einen Augenblick schien das Land in einen Zustand v�lliger Hilflosigkeit geraten zu sein. Wie an dem Tag, als Stalin den Einmarsch der Hitlertruppen �verschlafen� hatte. Nun schlief er f�r immer.


Ungleichheit und Despotie

Die spontane Volkstrauer warf die ganze Planung des staatlichen Trauerkomitees �ber den Haufen. Den Stalinschen Geist bedingungsloser Disziplin Hohn sprechend, zogen unorganisierte Menschenmassen zum Mausoleum, wo Stalin neben Lenin seine (vermeintlich) letzte Ruhest�tte fand. Panik brach aus, und Hunderte Menschen wurden zu Tode getrampelt. In der leidenschaftlichen Huldigung des verstorbenen Begr�nders der sozialistischen Despotie lag bereits ein Element von Rebellion. Vor allem aber wurde klar, da� die Gesellschaft nach Jahrzehnten �u�erster Anspannungen und einer noch nie dagewesenen Massenleistung nicht zu ihrem Gleichgewicht gefunden hatte. Stalins Tod fiel in eine Zeit zunehmender sozialer Unzufriedenheit und einer sich ausbreitenden Skepsis hinsichtlich der Realisierbarkeit des kommunistischen Zukunftsideals.

Der von Stalin in Gang gesetzte �Aufbau des Sozialismus in einem Land�, dessen Triebfedern ebenso Massenheroismus wie Massenrepressionen waren, bildete stets auch eine Quelle sozialer Spannungen. Die Erbauer des Sozialismus f�hlten sich in ihrem Engagement f�r die gro�e Sache h�chst unterschiedlich entlohnt. Die soziale Differenzierung als Motor einer effektiven Wirtschaft haben nicht erst die Gorbatschow-Leute entdeckt. Die Perestroika fand ihr Vorbild in Stalins unerm�dlichen Kampagnen gegen die �kleinb�rgerliche Gleichmacherei�. Obwohl keiner der bolschewistischen Revolution�re je Positionen des von Marx denunzierten �rohen Kasernenhofsozialismus� vertreten hat, dem in der Tat die gleichmacherischen Vorstellungen kleiner Warenproduzenten zugrunde liegen.

Wie Leo Trotzki seinem m�rderischen Widersacher in der Schrift �Die verratene Revolution� aber vorhielt, bildete die soziale Ungleichheit die Voraussetzung des vom Generalsekret�r verk�rperten b�rokratischen Herrschaftssystems und deren Aufrechterhaltung die Voraussetzung zur st�ndigen Reproduktion dieses Systems. In den sozialen Gegens�tzen sah Trotzki die Ursache und in deren Versch�rfung das Ergebnis der b�rokratischen Macht�bernahme: �Grundlage des b�rokratischen Kommandos ist die Armut der Gesellschaft an Konsumg�tern mit dem daraus entstehenden Kampf aller gegen alle�, schreibt er. Doch das Erreichen einer h�heren Stufe der materiellen Produktion hob das b�rokratische Regime und die soziale Ungleichheit nicht auf. Nun ging es darum, so Trotzki, �einer Minderheit erhebliche Privilegien zu gew�hren und die Ungleichheit in eine Knute zur Anpeitschung der Mehrheit zu verwandeln. Das ist der erste Grund, warum das Wachsen der Produktion bisher nicht die sozialistischen, sondern die b�rgerlichen Z�ge des Staates verst�rkte�.

Anpeitschen, Zuspitzen, Durchr�tteln. Das waren Konstanten der Stalin-Politik. Um die Gesellschaft auf Stalinschen Kurs zu bringen und zu halten, mu�te ihr permanent Gewalt angetan werden. Doch auch die Ergebnisse waren gewaltig. Aus einem r�ckst�ndigen Agrarland, das Jahrhunderte verschlafen hatte, war ein moderner Industriestaat geworden. Aus den Tiefen eines analphabetischen, unkultivierten und apathischen Volkes war eine in ihrer Breite beispiellose neue Intelligenz hervorgegangen.

Stalins aus den Fingern gesogene These, da� sich im Sozialismus die Klassenwiderspr�che zwangsl�ufig versch�rfen, wurde zur �selffullfilling prophecy�. Die Rolle des Klassenfeindes wurde in dieser subjektivistischen Klassenkampftheorie jeglicher � oft auch nur behaupteter � oppositioneller Str�mung zur Stalinschen Generallinie zugeschrieben. Die Oppositionellen kamen und gingen � das Reservoir an Klassenfeinden erwies sich als unersch�pflich. Wer heute noch den Stalinschen Geist verk�rperte, konnte morgen schon zu einem erb�rmlichen Speichellecker der Bourgeoisie herabgesunken sein. Je flie�ender der �bergang von Freund zu Feind wurde, desto unverr�ckbarer stand das Dogma vom nie schlafenden Klassenfeind, das die Erm�chtigung zum permanenten Terror abgab.

Es war nicht Josef Stalin, der �ber die UdSSR einen jahrzehntelangen Ausnahmezustand verh�ngte. Dieser Zustand war objektiv gegeben. Doch hat die stalinistische F�hrung die Ausnahmesituation, in der sich das vom Weltkapitalismus umzingelte Land befand, zum latenten B�rgerkrieg weitergetrieben. Das betrifft die Liquidierung der Kulaken als Klasse, den Einsatz von Millionen Zwangsarbeitern an den Gro�baustellen des Sozialismus und die Eskalierung des innerparteilichen Konfliktes zu einem Kampf auf Leben und Tod. Das l��t Stalin als linksradikalen �bertreiber der russischen Revolution erscheinen, der die Verh�ltnisse stets aufs Neue aufmischte und die Gesellschaft permanent radikalisierte.


Prototyp des Zentrismus

Doch nichts lag dem Generalsekret�r ferner, als Trotzkis Theorie der �permanenten Revolution� zu adaptieren. Stalin war im Gegenteil der Prototyp des Zentrismus. Seine Macht ergab sich aus der Paralysierung des linken und des rechten Fl�gels im Bolschewismus, aus der administrativen Gleichschaltung des revolution�ren Diskurses. Er liquidierte mit Hilfe der Rechten die Linke und mit Hilfe der Linken die Rechte.

Frage an den Genossen Stalin: Welche ist die gef�hrlichere Abweichung, die linke oder die rechte? Antwort des Genossen Stalin: Beide sind gef�hrlicher. Doch auf der st�ndigen Suche nach der Mitte, in seinem Bestreben, das Stalinsche Zentrum dauerhaft zu festigen, verfiel der Mann, der aus dem sonnigen Georgien kam, immer wieder in einen irrationalen Radikalismus.

Die Industrialisierung war eine � in ihrem Wesen � voluntaristische Gro�tat historischer Dimension. Es schien, als k�nnte bolschewistischer Willen tats�chlich Berge versetzen. Doch hatte diese �Widerlegung� der Naturgesetze auch ungeheure soziale und �konomische Verwerfungen zum Preis. Im b�rokratischen Subjektivismus dieser Jahre waren die sp�teren Fehlentwicklungen bereits angelegt.

Die zwangskollektivierte Landwirtschaft, aus der die Mittel f�r die �sozialistische Akkumulation� herausgepre�t wurden, ist in all den Jahren der Sowjetmacht nie richtig auf die Beine gekommen. Die Konsumg�terindustrie blieb bis zuletzt ein Stiefkind der Sowjet�konomie, die Tonnenideologie bewies ein erstaunliches Beharrungsverm�gen. Der �bergang vom extensiven zum intensiven Wirtschaften lie� sich, obwohl l�ngst als vordringlich erkannt, nicht vollziehen. Das administrative Kommandosystem, das die industrielle Revolution zum Sieg f�hrte, erwies sich als Anachronismus, als die technologische Revolution an die T�r klopfte.

Bleibt noch, auf die Rolle Stalins als Generalissimus zu verweisen. Am Vorabend des Krieges gegen Hitlerdeutschland k�pfte er die F�hrungsschicht der Roten Armee. Im Kreml wu�te man zwar, da� der Krieg unausweichlich war, bei der Einsch�tzung der Aktualit�t der Kriegsgefahr aber irrte der Genialissimus, wie es genialer nicht h�tte sein k�nnen. Ihm, der st�ndig inneren Verschw�rungen auf der Spur war, der die Trotzkisten als �hitlerfaschistische Agenten� enttarnt hatte, war die �revolution�re Wachsamkeit� abhanden gekommen, als die hitlerfaschistische Verschw�rung an den Grenzen zur Sowjetunion Stellung bezog und zum Vernichtungsschlag ausholte. Hier zeigte sich ein seltsam z�gerlicher, �ngstlicher Wesenszug in Stalins Charakter. Der �P�dagoge� der einfachen Antworten war ein Politiker des st�ndigen Zickzacks.

Dem Krieg, der anfangs verloren schien, eine Wende gegeben und die Naziwehrmacht in Berlin zur Kapitulation gezwungen zu haben, bleibt die gr��te Ruhmestat der von Stalin gef�hrten UdSSR. Es war ein Sieg der sowjetischen Zivilisation �ber die Barbarei, ein Sieg des sowjetischen Kollektivismus �ber das Herrenmenschentum und auch ein Sieg Stalins �ber sich selbst. Es war eine Art spontaner Entstalinisierung, die nach dem Krieg allerdings wieder zur�ckgedreht wurde, was zu einer neuen Repressionswelle f�hrte. Damals aber war es eine Voraussetzung f�r den Sieg, die �ber die Gesellschaft verh�ngte innere Blockade aufzuheben.


Gro�russische Staatsidee

Das hatte allerdings auch eine f�r die Weiterentwicklung sozialistischen Bewu�tseins verh�ngnisvolle Kehrseite. Im �Gro�en Vaterl�ndischen Krieg� vollzog sich endg�ltig die Wende von der � zumeist ohnedies nur mehr deklamatorischen � proletarisch-internationalistischen zur gro�russischen Staatsidee. Das machte sich auch in den innersowjetischen Beziehungen bemerkbar. Die Huldigung des �ewigen Ru�lands�, von Stalins Agitabteilung als Hegemon der Weltzivilisation gepriesen, �berformte den Sowjetpatriotismus. Doch es war keine nationale Idee, von der sich der �Vater aller V�lker� bewegen lie�, sondern eine imperiale. In ihr fand die sowjetische Gro�machtpolitik ihren ideologischen Ausdruck. Die besondere Rolle des russischen Volkes gegen�ber den anderen Sowjetv�lkern, die Stalin in seiner Rede zum Kriegsende ausdr�cklich hervorhob, ergab sich aus dem Bed�rfnis des b�rokratischen Zentralismus nach einer herrschenden Nation.

Das b�rokratische Sozialismusmodell hat seinen Begr�nder 37 Jahre �berlebt. Stalins Nachfolger haben das System zwar liberalisiert, aber nicht demokratisiert. Das von Lenin beschworene �lebendige Sch�pfertum der Massen� lag weiterhin fast v�llig brach. Das sozialpaternalistische System wurde zunehmend zum Hemmschuh seine eigenen Entwicklung. Aus sich heraus konnte es, auch wenn das subjektiv durchaus gew�nscht gewesen sein mochte, keine positive Aufhebung der Verh�ltnisse bewirken. Zu schwer wog das b�rokratische Eigeninteresse. Was aber noch schwerer wog: Die Gesellschaft vermochte es nicht, aus sich selbst heraus ein zu den b�rokratischen Interessen antagonistisches Subjekt herauszubilden, das imstande gewesen w�re, das Nomenklatura-Regime und die ihm innewohnende Tendenz zur kapitalistischen Restauration zu �berwinden.

Es geschah genau umgekehrt: Die Nomenklatura und die in ihrem Schatten gediehene Wirtschaftskriminalit�t wuchsen zum � gegen die staatssozialistischen Eigentumsverh�ltnisse gerichteten � antagonistischen Subjekt. Dieses fand in der werkt�tigen Bev�lkerung keine Gegenkraft. Die b�rgerliche Partei, die sich im Sumpf staatssozialistischer Korruption bildete, verstand es vielmehr, die soziale Frustration der Massen auf ihre M�hlen umzuleiten. Leo Trotzki hatte es in der �Verratenen Revolution� kommen sehen: F�r den Fall, da� die B�rokratie an der Spitze des Staates bleibe, sagte er voraus, w�rden �die sozialen Beziehungen nicht starr festgeschrieben bleiben. Keinesfalls kann man damit rechnen, da� die B�rokratie friedlich und freiwillig zum Besten der sozialistischen Gleichheit sich selbst verleugnet, sie wird sich unvermeidlich nach St�tzen in den Besitzverh�ltnissen umsehen m�ssen�. Trotzki hatte allerdings nicht damit gerechnet, da� sich dieser Proze� noch 50 Jahre hinziehen werde.

Mit dem 1986 verabschiedeten Gesetz �ber die Genossenschaften, das ein genossenschaftlich etikettiertes privates Unternehmertum zulie� und das Sch�pfertum der Massen stimulieren sollte, hatten B�rokratie und Schattenwirtschaft eine Eigentumsbasis gefunden. Statt der von Lenin entworfenen Gesellschaft zivilisierter Genossenschafter entstanden ehrenwerte Gesellschaften zur Reinwaschung von massenhaft akkumuliertem Schwarzgeld. W�hrend die �demokratischen� Meinungsf�hrer B�rokratismus und Sozialismus als Synonyme darstellten, ging von der �ffentlichkeit weitgehend unbemerkt der kapitalistische Eigentumsputsch der B�rokratie �ber die B�hne. Zu schlechter Letzt waren auch noch die von der Perestroika wachgerufenen antib�rokratischen Bestrebungen der Volksmassen von der B�rokratie korrumpiert worden. Die b�rgerliche Partei hatte die Interpretationshoheit �ber die Ereignisse erlangt.


Vollendet im Jelzinismus

So fand der Stalinismus, der in seinen wesentlichen Strukturelementen, wenn auch nicht in seiner terroristischen Form, nach Stalin fortbestanden hatte, im Gorbatschowismus seine Vollendung. Und sein Ende. Der Sowjetgesellschaft war das Bewu�tsein ihrer selbst und jegliche �revolution�re Wachsamkeit� abhanden gekommen. Stalin d�rfte das wohl geahnt haben, als er sich vor seinem Tod gegen�ber den Epigonen beklagte: �Ihr seid blind wie junge Katzen, was werdet ihr ohne mich machen? Unser Land wird zugrunde gehen, weil ihr es nicht versteht, Feinde zu erkennen�. Der Feind, an dem die Sowjetunion zerbrach, hatte seine Genesis in dem von Stalin geschaffenen b�rokratischen Herrschaftssystem. Vor lauter Klassenfeinden konnten oder wollten die Stalinisten die reale Konterrevolution nicht sehen. �Die Kader entscheiden alles�, lehrte uns der weise Stalin. Boris Nikolajewitsch Jelzin, ein im Ural gest�hlter Kader, lieferte im August 1991 die Best�tigung f�r diese These. Im Jelzinismus fand der Stalinismus seine genetische Fortsetzung unter Bedingungen der terroristischen Enteignung der Volksmassen.

50 Jahre nach Stalins Tod wird sein Wirken von einem Drittel der Russen positiv eingesch�tzt. Das hat nur sehr bedingt etwas mit dem �berleben sozialistischer Wertvorstellungen zu tun. Es ist nicht so sehr der �Sch�ler Lenins� und der Herrscher �ber die kommunistische Weltbewegung, der sich in der kollektiven Erinnerung eingepr�gt hat, sondern ein ideologisch neutraler Stalin. Der weise Staatsmann, der Bewahrer der russischen Reichsidee, der Begr�nder der russischen Supermacht und Bannertr�ger der �stlichen Zivilisation. Der Zar, der den Titel Generalsekret�r trug. Pr�sent blieb der im 2. Weltkrieg gel�uterte Generalissimus, der die innere Einheit der Gro�en Rus wiederhergestellt und die zwei Seelen in Ru�lands Brust, die rote und die wei�e, vers�hnt habe. Gem�� dieser nationalpatriotischen Deutung w�rdigt auch der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Russischen F�deration, Gennadi Sjuganow, den bedeutendsten Generalsekret�r aller Zeiten: als Vertreter der russophilen Str�mung im Bolschewismus, der Ru�land vor dem Revolutionarismus der russophoben Bolschewiki gerettet habe.

Einen solchen Stalin-Kult braucht Wladimir Putin nicht zu f�rchten.


* Siehe auch die Beitr�ge �Na sdorowje� von Gerhard Bengsch und �H�rtere Lektionen� von J�rgen Els�sser

 

Na sdorowje
 
Man darf trinken: Zum 50. Todestag Josef Wissarionowitsch Stalins
 
�Die Partei ist nicht gegen das Trinken. Man darf trinken. Die Frage ist nur: wann, wieviel und in welcher Gesellschaft.�

Teilnehmern von Parteischulen in den fr�hen f�nfziger Jahren wird vielleicht nicht das (unverb�rgte) Zitat, wohl aber die Diktion bekannt vorkommen. Wer sprach so einfach und allgemeinverst�ndlich? Wer konnte die Sache mit knappen Worten so trefflich auf den dialektischen Punkt bringen? Richtig. Genosse Stalin.

Sehen wir uns das Zitat n�her an. Die drei S�tze bestehen aus nicht mehr als zwanzig W�rtern, aber was steckt drin! Wann darf getrunken werden? Selbstverst�ndlich nicht w�hrend der Arbeitszeit. Wieviel darf getrunken werden? Nur soviel, da� du nicht in der Ausn�chterungszelle der Miliz landest. In welcher Gesellschaft darf getrunken werden? Nat�rlich nur in guter Gesellschaft.

Hier aber, beim dritten Kriterium, wird es schwierig. Klar ist, da� Diebe, Betr�ger und Faulpelze nicht zur guten Gesellschaft geh�ren. Mit denen kein Tropfen Wodka! Wie aber steht es mit Genossen, die in �bereinstimmung mit ihrem Generalsekret�r zwar ebenfalls gegen hemmungsloses Saufen als Hindernis beim Aufbau des Sozialismus sind, aber in anderen Fragen, zum Beispiel der Kollektivierung, des Tempos der Industrialisierung oder der innerparteilichen Demokratie, seinen Intentionen nicht so ohne weiteres folgen m�chten?

Wie es solchen Besserwissern erging oder jedenfalls ergehen konnte, ist sp�testens seit Nikita Chruschtschows alles andere als geheimer Geheimrede auf dem 20. Parteitag weltweit bekannt. Da� sie so, wie sie behandelt wurden, nicht h�tten behandelt werden d�rfen, steht au�er Frage. Da� aber aus dem r�ckst�ndigsten Land Europas in wenigen Jahrzehnten ein moderner Industriestaat wurde, eine Gro�macht, ohne die Hitler den Krieg gewonnen h�tte, und da� Stalin an dieser Leistung ganz wesentlich beteiligt war, steht f�r mich auch au�er Frage.

Zu Stalins Tod am 5. M�rz 1953 hei�t es in Harenbergs �Chronik des 20. Jahrhunderts�: �In Bonn und Washington reagiert man sehr k�hl. In Frankreich hingegen werden die Flaggen f�r zwei Tage auf halbmast gesetzt.�

Die Franzosen, wer sagt es denn! Die Flaggen auf halbmast, auch an Regierungsgeb�uden, obwohl die franz�sische Regierung vom Kommunismus so weit weg ist wie die Erde von der Milchstra�e. Primitiver, grobschl�chtig bl�der Antikommunismus ist an der Seine eben nicht so verbreitet wie an Rhein, Ruhr und Isar.

Mit den Jahren, sollte man meinen, m��te sich das hierzulande zum Besseren gewendet, m��te sich differenzierte Betrachtungsweise gegen die Nazilesart des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels und seiner geistigen S�hne und Enkel durchgesetzt haben. Irrtum! Am 24. Februar wurde im Hauptprogramm der ARD eine sogenannte Dokumentation gesendet, die mit der Ank�ndigung empfohlen wurde, sie zeichne �das Bild eines intriganten, b�sartigen Menschen�.

So f�rchterlich sah der am 21. Dezember 1879 in Georgien geborene, wegen fr�her Verbindungen zu den russischen Marxisten aus dem Theologischen Seminar in Tbilissi gefeuerte, sechsmal verhaftete, der Gruppe um Lenin zugeh�rige Josef Dschugaschwili, der sich Stalin (der St�hlerne) nannte, in dieser Fernsehproduktion dann auch aus: Ein Ausbund von B�sartigkeit und ein politisch dilettierender Dummkopf sowieso. Und weil Fernsehen ein visuelles Medium ist, mu�te das erst gar nicht bewiesen werden. Man sah es diesem aus der ARD-Retorte stammenden, durch beflissene Montage stets an der passenden Stelle in Gro�aufnahme auf den Bildschirm bugsierten Schurken auf den ersten Blick an: asiatisch lauernder Blick aus zusammengekniffenen Augen, die Gesichtshaut verd�chtig gezeichnet von Erkennungsmerkmalen, mit denen die Natur bekanntlich alle B�sen versieht, damit sie von den Guten unterschieden werden k�nnen.

Kurzum, was da aus der R�hre quoll, war Mist und k�nnte achselzuckend �bergangen werden, w�rde es sich nicht um ein Glied in der Kette �hnlicher Dummheiten handeln. Denn in diesen Tagen bem�hen sich aus gegebenem Anla� alte und neue Antikommunisten um den traurigen Beweis, da� die Einordnung dieser historischen Pers�nlichkeit in Zeit, Ort und konkrete Zusammenh�nge weder ihre Sache noch Absicht ist.

Auf gl�cklicherweise seri�sem Niveau bewegt sich dagegen eine andere Publikation. �Stalin wollte ein anderes Europa� behaupten und beweisen der russische Historiker Wladimir Wolkow und sein deutscher Herausgeber und Fachkollege Harald Neubert. Die beiden Professoren wissen, wovon sie reden beziehungsweise schreiben.

In dieser Dokumentation werden erstmals Quellen ausgewertet, die sich weitgehend im geschlossenen Archiv des Pr�sidenten der Russischen F�deration befinden. Behandelt wird die von Stalin bestimmte sowjetische Au�enpolitik, wobei der Herausgeber einschr�nkend voranschickt, der Autor w�rde sich gelegentlich � �wohl im Bestreben, sich von der fr�heren sowjetischen Diktion zu l�sen und objektiv sein zu wollen� � einer Terminologie bedienen, die �bislang nur aus dem westlichen Sprachgebrauch bekannt war�.

Das aber ist nur eine auf die Form, nicht auf den Inhalt bezogene Einschr�nkung. Der Inhalt ist solide recherchiert. Wolkow widerlegt die Legende, die Sowjetunion h�tte Hitlers Krieg mit einem Pr�ventivschlag zuvorkommen wollen. Er weist mit Dokumenten nach, da� Stalin zun�chst nicht an einer Spaltung Deutschlands interessiert war und ein einheitliches, neutrales Deutschland wollte. Zur Bef�rwortung der Gr�ndung der DDR fand er sich erst bereit, als er einsehen mu�te, da� er den Widerstand der Westm�chte trotz aller Bem�hungen seiner Diplomaten nicht brechen konnte. Lesenswert sind in diesem Zusammenhang die stenografischen Protokolle der Begegnungen Piecks, Grotewohls und Ulbrichts mit Stalin. Stummer Befehlsempfang? Nicht doch. Stalin konnte zuh�ren. H�rte sich an den gewieften Dicksch�del Ulbricht, den geschmeidigen Grotewohl und den vermittelnden Pieck, bevor er die Pfeife aus dem Mund nahm und eine Entscheidung traf. (Wie er es auch in Filmen von Sovexport tat.)

In diesem Buch wird Stalin weder als schurkischer Teufel noch als �Sonne der Gerechtigkeit� (Sowjetpresse 1935/36) dargestellt. Gerecht war der �gro�e Steuermann des Sozialismus� (Prawda 1937), bei dem nicht nur alte Kampfgef�hrten unter die R�der kamen, wahrlich nicht. Das kann ihm nicht verziehen werden, und das verzeihen ihm auch die Verfasser nicht. Trotzdem liest sich ihr Buch, zumal es haupts�chlich auf Stalins Au�enpolitik eingeht, sachlich und ausgewogen.

Unbegreiflich ist die Inhaltsangabe, die der Verlag den Presse-Exemplaren beigelegt hat. Darin hei�t es unter anderem: �Hitler und Stalin korrespondierten miteinander. Die Dokumente sind vernichtet, bis auf Hitlers Gl�ckw�nsche zu Stalins 60. Geburtstag 1939 und die blumige Antwort des Jubilars. Die mutma�lichen Postboten wurden 1953 erschossen und Ribbentrop starb in N�rnberg, weil er zuviel wu�te.�

Wer in der Presseabteilung hat da den eingangs zitierten Rat nicht beherzigt: �Man darf trinken. Die Frage ist nur: wann, wieviel und in welcher Gesellschaft?�

* Wladimir Wolkow: Stalin wollte ein anderes Europa, herausgegeben von Harald Neubert, edition ost 2003, 283 S., 14,90 Euro
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Stalin, mit Dimitroff gelesen: Ein Pl�doyer f�r historische Gerechtigkeit
 
�ber Stalin ist alles gesagt, tausendmal. Er war ein �aufbrausender, von Verfolgungswahn gepackter, chauvinistischer Herrscher�. Die �Inkompatibilit�t der Herrschaft Stalins nicht nur mit der Weltrevolution, sondern mit jeglicher politischer, sozialer und kultureller Emanzipation der Menscheit� wurde in Hunderten B�chern nachgewiesen, dieses von Bernhard H. Bayerlein gef�llte Verdikt ist alles andere als neu. Bayerlein hat nur einen Fehler gemacht: Er hat dies in einem Zusammenhang geschrieben, der ihn L�gen straft � als Einleitung zu den Tageb�chern Georgi Dimitroffs, die 2001 im Aufbau-Verlag erschienen. Wer sich die M�he macht, die sperrigen Aufzeichungen Dimitroffs durchzuarbeiten, wird die Kritik an der kommunistischen Strategie vor und im Zweiten Weltkrieg nur schwerlich aufrechterhalten k�nnen.

Dimitroff hatte im Reichstagsbrandproze� die Nazis blamiert und war danach aufgrund seines gro�en Prestiges von Stalin zum Generalsekret�r der Komintern gemacht worden. Auf ihrem VII. Weltkongre� gab diese ihre Feindschaft gegen die Sozialdemokraten (�Sozialfaschisten�) auf und empfahl den Mitgliedsparteien statt dessen den Aufbau von breiten �Volksfronten� gegen den Faschismus. Trotzkisten und andere Linksdissidenten sahen von Anfang an die Revolution verraten, da die neue Politik auch B�ndnisse mit Konservativen einschlo�: in China mit der Kuomintang, in Spanien mit den Republikanern, in Jugoslawien mit den K�nigstreuen (�Tschetniks�). Sicherlich kam es bei der Durchsetzung dieser Linie zu Verbrechen. Aber wird dadurch die Linie an sich falsch?

Die nach 1990 hierzulande entstandene antinationale Linke witterte im Volksfront-Konzept zudem eine Affirmierung v�lkischer Kategorien. Man �bersah, da� dieses Konzept zun�chst nicht auf Deutschland zielte, wo man in der Tat Schwierigkeiten hatte, au�er Heinrich und Thomas Mann nichtfaschistische B�rger zu finden. Vielmehr ging es um die Verteidigung Frankreichs und �sterreichs; dort war die Volksfront-Politik schon 1934/35 entstanden, zun�chst ohne den Segen Moskaus. Da� die Komintern in �sterreich gegen den �Anschlu߫ k�mpfte, also die Selbst�ndigkeit ausgerechnet einer Republik verteidigte, deren B�rger sich mehrheitlich als Deutsche verstanden, dementiert gerade den Vorwurf der v�lkischen Orientierung. Die Volksfronten waren vielmehr, um einen modernen franz�sischen Terminus einzuf�hren, souver�nistisch � f�r die Verteidigung der existierenden Staaten gegen deren sezessionistische und imperialistische Aufl�sung im Interesse Deutschlands.

Da� es dabei in Einzelf�llen auch zu v�lkischen Abweichungen kam, soll nicht bestritten werden, gerade was die KPD anging. Stalin selbst kritisierte das au�ergew�hnlich scharf. So zitiert ihn Dimitroff in einer Tagebucheintragung von 1934: �Th�lmann hat nicht die nationale Frage verstanden. Noch im Jahre 1930 habe ich mit ihm gesprochen. Er hat nicht verstanden.� In jenem Jahr hatte die KPD ein Parteiprogramm verabschiedet, das den nationalen dem sozialen Kampf �berordnete. Sp�ter sagte Stalin �ber den inhaftierten Th�lmann: �Er ist kein prinzipientreuer Marxist, und seine Briefe zeugen vom Einflu� der faschistischen Ideologie.� Stalins antideutsche Positionierung w�hrend des Krieges liest sich, als h�tte er von Goldhagen gelernt: �Offensichtlich ist die Mehrheit der deutschen Arbeiter nicht abgeneigt, herrschende Nation zu sein � Die deutschen Soldaten begeben sich noch nicht reihenweise in die Gefangenschaft. Noch h�rtere Lektionen durch die Rote Armee sind erforderlich, damit der Zersetzungsproze� beginnt.�

Die von Dimitroff aufgezeichneten Trinkspr�che und Tischreden Stalins konterkarieren viele Klischees. Herrschte er nicht wie ein Diktator �ber die Komintern? Dagegen spricht, da� die Aufstellung Internationaler Brigaden f�r den Spanischen B�rgerkrieg von Dimitroff gegen das Votum Stalins durchgesetzt wurde. War er nicht selbst f�r Lenin ein gro�russischer Chauvinist, der die Minderheiten in der Sowjetunion gnadenlos unterdr�ckte? H�ren wir seine eigenen Worte: Die Zaren �haben eine gro�e Sache vorzuweisen: sie haben ein Riesenreich zusammengezimmert. Wir haben diesen Staat als Erbe erhalten � Deshalb ist jeder, der versucht, diese Einheit des sozialistischen Staates zu zerst�ren, der danach strebt, einzelne Teile oder Nationalit�ten von ihr abzutrennen, ein Feind, ein geschworener Feind des Staates, der V�lker der UdSSR.� Spricht so ein Gro�russe? Sorgte sich Stalin, der georgischer Herkunft war, nicht vielmehr um das Auseinanderfallen eines � in heutiger Terminologie � multikulturellen Staates?

Hat Stalin nun aber nicht jeden emanzipatorischen Anspruch durch den Pakt mit Hitler diskreditiert? Einige Einw�nde seien erlaubt: 1938 paktierten auch die Westm�chte mit Hitler. Mit dem M�nchner Abkommen gaben sie ihm freie Hand zur Zerschlagung der Tschechoslowakei. Dies geschah ohne Not: Moskau hatte Paris und London ein B�ndnis angeboten. Im Unterschied dazu kam der deutsch-sowjetische Vertrag nur zustande, weil Stalins bevorzuge Option, die Anti-Hitler-Koalition, selbst dann noch von den Westm�chten abgelehnt wurde, als im Fr�hsommer 1939 der deutsche Angriff auf Polen schon absehbar war. Und trotz einiger unappetitlicher Zugest�ndnisse an die Nazis im geheimen Zusatzabkommen des Paktes stellte die Sowjetunion den Kampf gegen Deutschland keineswegs ein. Dimitroff im November 1940: �Wir streben die Zersetzung der deutschen Okkupationstruppen in verschiedenen L�ndern an, und diese Aktivit�ten wollen wir, ohne es an die gro�e Glocke zu h�ngen, noch verst�rken.�

In anderen Passagen der Dimitroffschen Tageb�cher werden hingegen s�mtliche Vorurteile gegen Stalin best�tigt, etwa in dessen Tiraden gegen M�nzenberg und andere untadelige Kommunisten. Man erinnert sich an Trotzkis Kennzeichnung der Stalinschen Machtergreifung als �Thermidor�, eine Anspielung auf das Abw�rgen der Franz�sischen Revolution und den �bergang zur napoleonischen Herrschaft. Wie damals Sansculotten zu Tausenden aufs Schaffott geschickt wurden, so unter Stalin Altbolschewiken in den Gulag. Die Au�enpolitik beider Diktatoren trug imperiale Z�ge, die Unterworfenen hatten wenig zu lachen. Trotzdem bilanziert die Nachwelt die zivilisatorische Leistung des korsischen Bonaparte positiver als die des georgischen. 70 Prozent Verdienste, 30 Prozent Fehler und Verbrechen � so milde wollte nur Mao �ber Stalin urteilen.
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58) J. W. Stalin:

Was w�re die Folge, wenn es dem Kapital gel�nge, die Republik der Sowjets zu zerschlagen? Eine Epoche der schw�rzesten Reaktion w�rde �ber alle kapitalistischen und kolonialen L�nder hereinbrechen, man w�rde die Arbeiterklasse und die unterdr�ckten V�lker vollends knebeln, die Positionen des internationalen Kommunismus w�rden liquidiert!

J.W. Stalin: Rede am 7.Dezember 1926 auf dem VII. erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale. Werke Bd. 9, S.29
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Chinesische Wissenschaftler erkl�ren den Zusammenbruch der Sowjetunion
 
Es ist schade: Der nicht-chinesischsprachige Leser bleibt aus einer hochinteressanten Debatte ausgeschlossen. Es geht um das Scheitern der UdSSR, um die Ursachen des Untergangs des ersten sozialistischen Staates. Chinesische Wissenschaftler haben dazu eine ganze Reihe von Untersuchungen vorgelegt. Einige sehen die Ursachen f�r den Niedergang im �System Stalin�, andere machen die politischen Reformen von Gorbatschow verantwortlich. Allen hier dem deutschsprachigen Leser vorgestellten Autoren und B�chern gemeinsam aber ist eines: Sie versuchen, die Niederlage aus den inneren Widerspr�chen der Sowjetunion zu erkl�ren. Bis auf Li Zhencheng legt niemand eine Verratstheorie vor, nach der pl�tzlich ein F�hrer daherkam und den Sozialismus �verkaufte�. F�r viele Kommunisten in Deutschland ist entweder Stalin, Chruschtschow oder Gorbatschow der Verr�ter. Eine materialistische Niederlagenanalyse m��te hingegen die sozialen Verh�ltnisse in den Vordergrund stellen. Keiner der chinesischen Autoren langweilt den Leser mit seinen moralischen Bauchschmerzen, sondern versucht, sachlich die Geschichte der UdSSR zu analysieren.


Neuinterpretation der Revolution

Eine beachtliche Neuinterpretation der Oktoberrevolution von 1917 nimmt Jinyan vor. Ihr Buch �Forschung zur sowjetisch-russischen Modernisierung und Reform� erschien 1999 und ist eine Sammlung wissenschaftlicher Artikel. Im Zentrum steht die russische Dorfgemeinschaft. Anders als im Westen gr�ndete sich die Dorfgemeinde in Ru�land auf dem Gemeineigentum an Grund und Boden. Karl Marx spielte mit dem Gedanken, ob Ru�land deshalb in Verbindung mit einer Revolution im Westen direkt zum Kommunismus �bergehen k�nne. Engels und Lenin sagten sp�ter den baldigen Untergang dieser �asiatischen Produktionsweise� voraus.

Jinyan sieht in den Versuchen der zaristischen Regierung von 1907 bis 1914, die Dorfgemeinde zu zerst�ren, einen wichtigen Grund f�r die Oktoberrevolution. Der Regierungschef Stolypin wollte damals den Boden privatisieren und ein modernes Farmertum schaffen. In den Augen der Bauern wurde der Zar so vom Vater der Dorfgemeinde zu ihrem Zerst�rer. Als die russischen Bauern im Oktober 1917 spontan eine Bodenreform durchf�hrten, wurde Land nicht etwa privatisiert, sondern ganz Ru�land zur Dorfgemeinde erkl�rt, weshalb es auch Dekret �ber Grund und Boden hie�. Jinyan stellt die Begriffe der �demokratischen� Februarrevolution und der �sozialistischen� Oktoberrevolution in Frage. Im Oktober 1917 habe ihrer Ansicht nach eine �Entstolypinisierung� und die Wiederherstellung einer mittelalterlichen Agrarordnung stattgefunden. Auf dieser Grundlage mu�ten die Bolschewiki den Sozialismus aufbauen.

Bei der Einsch�tzung der russischen Gesellschaft h�tten die Bolschewiki einen schweren theoretischen Fehler gemacht. F�r Lenin stand dem kleinen Proletariat ein �Meer von kleinb�rgerlichen Warenproduzenten� gegen�ber. In Wirklichkeit sei es das �Meer� der egalit�ren Dorfgemeinschaft gewesen. Die Kulaken, die reicheren Bauern des Dorfes, wurden als Kapitalisten und Ausbeuter eingestuft. Diese �bersch�tzung der Entwicklung der Warenproduktion auf dem Lande habe Stalin 1928 zum Abbruch der �Neuen �konomischen Politik� (N�P) und zur �berst�rzten �Kulakenvernichtung� und Kollektivierung verleitet. Die aus dieser Bewegung hervorgegangene landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (Kolchose), blieb bis zum Untergang der Sowjetunion die Grundeinheit des Dorfes.

Gest�tzt auf russische Dokumente versucht Jinyan die These der Klassenspaltung auf dem Dorf in den 20er Jahren durch die Marktpolitik der N�P zu widerlegen. Die Kulaken produzierten nur 20 Prozent ihres Getreides f�r den Markt. Die H�lfte von ihnen heuerte gar keine Tagel�hner an und nur ein Drittel vermietete seine Produktionsger�te. Unter dem Dogma �Sozialismus=Kulakenvernichtung+ Kollektivierung� f�hrte Stalin das Land 1929 in eine schwere Agrarkrise. Bis zu seinem Tod 1953 konnte die Landwirtschaft das Produktionsniveau von vor dem Ersten Weltkrieg nicht wieder erreichen.

Grunds�tzlich kritisiert Jinyan das �konomische System Stalins, der �auf dem R�cken der Bauern zum Sozialismus reiten� wollte. Durch den staatlichen Zwangsaufkauf von Getreide zu Billigpreisen wurde der Aufbau der Schwerindustrie in den St�dten finanziert. Jinyan meint, da� die Industrialisierungsstrategie Stalins mehr Todesopfer gekostet hat als die �urspr�ngliche Akkumulation� bei der Industrialisierung in Gro�britannien im 18. und 19. Jahrhundert.

Heute meinen viele chinesische Historiker und Politikwissenschaftler, da� auch China von 1953 bis 1978 den Weg des �sowjetischen Modells�, also der �Ausbeutung der Bauern f�r den Aufbau der Schwerindustrie� gegangen ist. Erst die Reformen h�tten mit der �sozialistischen Marktwirtschaft� ein chinesisches Modell geschaffen.


N�P und Staatskapitalismus

Eine umfassende Stalin-Kritik hat 2001 auch Cheng Youzhong ver�ffentlicht. Sein Buch �Aufstieg und Fall des sowjetischen Modells� setzt sich vor allem mit der �linksradikalen Ideologie des Kriegskommunismus� von Stalin auseinander. Der Autor hat von 1989 bis 1990 in der Sowjetunion unterrichtet. Die �Erstarrung� des sowjetischen Systems und die fehlende �berwindung der Ideologie von Stalins Kriegskommunismus macht er f�r die Stagnation und schlie�lich den Zusammenbruch der UdSSR verantwortlich.

Mit der sozialistischen Umw�lzung von 1929, der Kollektivierung und Einf�hrung der Planwirtschaft, habe Stalin ein neues System des �Kriegskommunismus� eingef�hrt. Nach der Oktoberrevolution 1917 hatten die Bolschewiki versucht, die Warenproduktion abzuschaffen und direkt zum Kommunismus �berzugehen. Der Austausch zwischen Stadt und Land wurde mit der Gewalt der Roten Armee geregelt. Nach Bauernaufst�nden und Versorgungsengp�ssen begann Lenin 1921 seine Neue �konomische Politik, die auf dem Land wieder den Markt und �Staatskapitalismus� in der Industrie zulie�.

Cheng Youzhong meint: Lenin und Stalin hatten ein v�llig unterschiedliches Verst�ndnis vom �Staatskapitalismus� der N�P. F�r Lenin war die N�P ein Schritt nach vorne, da ein neuer Kriegskommunismus das Land in den Untergang gef�hrt h�tte. Er wollte, wie er u.a. in seiner Schrift ��ber das Genossenschaftswesen� schrieb, das Wirtschafts- und Kulturniveau Ru�lands einige Jahrzehnte lang mit Hilfe der N�P erh�hen. Erst auf dieser Grundlage k�nne man sp�ter zum Sozialismus �bergehen. Liest man die Reden Stalins und den von ihm herausgegebenen ber�hmt-ber�chtigten �Lehrgang zur Geschichte der KPdSU (B)� von 1937, so erscheint die N�P als taktischer R�ckzug und notwendige Verschnaufpause, nicht als strategische Etappe. F�r Stalin waren die russischen Bauern �kleinb�rgerliche Warenproduzenten�, die der proletarische Staat bei passender Gelegenheit als Klasse vernichten m�sse. Cheng Youzhong meint, da Stalin in der Entwicklung der Warenproduktion nicht den Gradmesser des Fortschritts, sondern der Restauration des Kapitalismus sah, sei die Entwicklung der Wirtschaft langfristig behindert worden. Den Austausch zwischen Stadt und Land regelte man mit Zwang, statt mit Hilfe des Marktes.

Wie viele andere chinesische Historiker und Politikwissenschaftler stellt sich der Autor auf den Standpunkt von Nikolai Bucharin, der als Kopf der �Rechten Opposition� 1928 gegen die Kollektivierung und f�r weitere Zugest�ndnisse an die Bauern auf dem Boden der N�P eingetreten war. Die Schriften von Bucharin wurden erst Anfang der 80er Jahre ins Chinesische �bersetzt und erfreuen sich bei �Marktsozialisten� besonderer Beliebtheit.

Cheng glaubt, da� die Ideologie des Kriegskommunismus von Stalins Tod im M�rz 1953 bis zum Machtantritt Gorbatschows 1985 die wesentliche Grundlage der KPdSU geblieben ist und zur Versteinerung der Verh�ltnisse gef�hrt hat. Das �Primat der Schwerindustrie� zeitigte zwar anfangs gro�e Erfolge, schon seit den 50er Jahren war es aber an die Grenzen der Entwicklungsm�glichkeit gelangt. Chruschtschows halbherzige Reformen scheiterten. In der Breshnew-�ra sei die Sowjetunion unter der Parole �Stabilit�t� dem Abgrund entgegengegangen.

Auch Cheng ist aufgefallen, da� sich die KPdSU in den 30er Jahren v�llig gewandelt hat. Aber w�hrend bisherige Analysen (z.B. von Rogowin) die ver�nderte Sozialstruktur der KPdSU mit den Massenrepressalien Stalins 1937 ff. erkl�rt hatten, argumentiert Cheng, da� nun Millionen Bauern in die St�dte str�mten. Gleichzeitig verwandelte sich die KP von einer kleinen Kaderpartei der Intellektuellen in eine Massenpartei von Millionen. Das neue, wenig gebildete vom Dorf kommende Proletariat stellte die neuen Parteimitglieder.

Im Gegensatz zu Jinyan hat der Autor die gesellschaftlichen Verh�ltnisse wenig untersucht, daf�r ist ihm eine ausf�hrliche Analyse der Ideologie Stalins und der KPdSU zugute zu halten. Leider macht er sich keine Gedanken �ber die Folgen der Verwandlung der KPdSU in eine Partei des �Bauernproletariats�.

Die �berwiegend negative Bewertung der von Stalin gef�hrten KPdSU ist in China eine neuere Erscheinung. Vor den Reformen von 1979 galt Stalin als Klassiker des Marxismus-Leninismus und das Verh�ltnis von Errungenschaften und Fehlern wurde 70 zu 30 bewertet.


Kritik an Chruschtschow

Unter der Redaktion von Lu Nanquan wurde 2001 ein Sammelband zur Umw�lzung in der Sowjetunion herausgegeben. Im Falle von Nikita Chruschtschow sind die chinesischen Wissenschaftler heute noch unschl�ssig, ob sie ihn als �Revisionisten� oder gescheiterten �Reformer� einstufen sollen. Positiv wird der Mut von Chruschtschow 1956 auf dem 20. Parteitag der KPdSU bewertet, auf dem er die Partei �ber Verbrechen Stalins informierte und den Personenkult kritisierte. Als unwissenschaftlich ger�gt wird aber, da� alle Verantwortung auf Stalin allein abgew�lzt wurde.

Auch die Auss�hnung mit dem jugoslawischen Reformkommunismus von Tito 1956 wird heute positiv bewertet, da die KPdSU zum ersten Mal die M�glichkeit eines alternativen Sozialismus-Modells anerkannte. Anfang der 80er Jahre versuchte die KP Chinas noch von dem �jugoslawischen Marktsozialismus� zu lernen. Chruschtschow hatte auch den Willen, die einseitige Entwicklung der Schwerindustrie durch eine ausgeglichene Entwicklung der ganzen Wirtschaft zu ersetzen, scheiterte aber an seiner Industriereform.

Fr�her prangerten die Chinesen Chruschtschows rechte Fehler an, heute die linken. Seine Wirtschaftsplanung habe nicht auf der Realit�t beruht. Die KPdSU verk�ndete 1960, die Sowjetunion werde 1980 in den Kommunismus eintreten. So sei die �revisionistische� Theorie des 22.Parteitages, die Sowjetunion sei der �Staat des ganzen Volkes� und keine Diktatur des Proletariats mehr, nur Folge der linken Fehleinsch�tzung, bald in den Kommunismus einzutreten.

Die Breshnew-�ra war die Phase mit dem gr��ten Einflu� des Milit�rs auf die Politik. Durch die massive Aufr�stung und den R�stungsexport in alle Erdteile sei mehr als die H�lfte des Bruttosozialprodukts im milit�risch-industriellen Komplex erwirtschaftet worden. Die gro�e Mehrheit aller Experten und Fachkr�fte konzentrierte sich in diesem Sektor. Bis heute hat sich an der Kritik der Chinesen an dem �russischen Gro�machtchauvinismus� Breshnews und seinem aggressiven Kurs gegen die anderen sozialistischen Staaten nichts ge�ndert, auch wenn diese Politik heute als �Hegemonismus� und nicht mehr als �Sozialimperialismus� bezeichnet wird. (�Sozialismus in Worten, Imperialismus in Taten�) Schlie�lich ging es damals im Streit zwischen China und der UdSSR nicht nur um ideologische Haarspalterei, sondern um die nationalen Interessen Chinas, die Unabh�ngigkeit gegen�ber der Sowjetunion zu bewahren.


Niederlage ernstgenommen

Auch die Reformen von Gorbatschow nach 1985 haben die chinesischen Wissenschaftler genauer unter die Lupe genommen. Der Artikel �Das Bauernproblem und der Untergang der Sowjetunion� von Xu Tianxin analysiert die Agrarpolitik Gorbatschows. Die chinesische Kritik an �Perestroika� und �Glasnost� geht meistens in die Richtung, da� Gorbatschow die KPdSU politisch zu Tode reformierte, aber am Wirtschaftssystem nichts Wesentliches ge�ndert habe.

Schon seit der Breshnew-�ra stagnierte die sowjetische Agrarproduktion trotz erh�hter staatlicher Ankaufpreise und gro�er staatlicher Subventionen. Seit 1985 befand sich die UdSSR permanent in einer Agrarkrise. Trotzdem habe Gorbatschow dies als Nebenproblem abgetan. So dauerte es noch bis 1988, bis die Partei eine neue Politik f�r das Dorf beschlo�. Die Kolchosen sollten demokratisiert und das Land an die Bauern verpachtet werden, doch die Reform zeigte nicht viel Wirkung. Erst 1990 habe man versucht, mit Hilfe des Marktes die Landwirtschaft zu entwickeln und das Eigeninteresse der Bauern zu wecken.

Die sozialistische Genossenschaft, der Kolchos, ist nach Meinung von Xu deshalb r�ckst�ndig und entwicklungsunf�hig gewesen, weil sie im wesentlich die Wiederherstellung der alten russischen Dorfgemeinschaft war. Einen Bauern, der noch ein anderes Interesse an der Produktion hat au�er, sich selbst satt essen zu k�nnen, konnte die Politik der KPdSU nie hervorbringen. Durch die Stagnation verloren die Bauern die Hoffnung. Die Bolschewiki h�tten die Macht 1917 von den Bauern bekommen und sie 1990 mit ihnen verloren.

Besondere Beachtung schenken die Chinesen auch dem Nationalit�tenproblem, da China selbst ein Vielv�lkerstaat ist und mit dem �Separatismus� der Uiguren und Tibeter zu k�mpfen hat. Hu Yanfen schreibt in ihrem Artikel �Der Nationalit�ten-Faktor beim Zusammenbruch der Sowjetunion�, da� die KPdSU von Stalin bis Gorbatschow das Nationalit�tenproblem untersch�tzt hat. Ein Grund daf�r sei die �linksradikale� Vorstellung gewesen, mit den Klassenunterschieden w�rden letztendlich auch die Nationalit�ten verschwinden. Man ordnete das Nationalit�tenproblem v�llig der Klassenfrage unter. So wurde nationales Bewu�tsein von Minderheiten immer gleich als �b�rgerlicher Nationalismus� abgetan. Nachdem Stalin vor dem Zweiten Weltkrieg Millionen Angeh�rige von nationalen Minderheiten hinter den Ural umsiedeln lie� und das russische Volk zum F�hrer des Sowjetvolkes erkl�rte, wurde das Verh�ltnis zwischen Russen und den anderen V�lkern f�r lange Zeit vergiftet.

Laut Hu vertiefte sich der Graben zwischen den Nationalit�ten auch durch die Praxis der Arbeitsteilung durch Monokulturen. Gorbatschow wiederum h�tte bei seiner Parteireform nicht begriffen, da� nur die KPdSU den Vielv�lkerstaat zusammenhalten konnte. Mit der Schw�chung der Partei und der Einf�hrung des Mehrparteiensystems habe er im entscheidenden Moment das Mittel aus der Hand gegeben, das die Existenz des Vielv�lkerstaates garantierte.

Der Lehrer der Parteischule aus Tianjin, Li Zhencheng, �bt an Gorbatschows Reformen viel radikalere Kritik. In seinem Buch �Gedanken zum Untergang der Sowjetunion� sieht er Gorbatschows �Verrat am Leninismus� als Hauptursache f�r das Scheitern des Sozialismus. Der Leninismus sei die Grundlage f�r alle vorherigen Erfolge der Sowjetunion gewesen. Durch die politischen Reformen habe Gorbatschow die Partei zugrunde gerichtet und durch die Au�enpolitik des �Neuen Denkens� den Sozialismus dem Westen ausgeliefert. Li untersucht in seinem �ber 500seitigen Buch weder die sozialen Verh�ltnisse Ru�lands noch die Krise und Stagnation, die schon vor 1985 herrschten.

Die Kritik des �Verrats am Leninismus� verwundert etwas, da die KP China sich schon lange von Lenins Imperialismustheorie, der Revolution des �Weltproletariats� und des bewaffneten Umsturzes als Weg zum Sozialismus verabschiedet hat. Nur an der Theorie der zentralistischen F�hrung der Gesellschaft durch eine monolitische Kaderpartei h�lt sie, allerdings eher nach dem Modell Stalins, noch fest. Die neue Au�enpolitik Gorbatschows, Abr�stung und Aufgabe des sowjetischen F�hrungsanspruches, hatte gerade f�r China Vorteile. Gorbatschow schlo� nach �ber 20j�hriger Feindschaft der beiden L�nder wieder Frieden mit China.

Schon der wissenschaftliche Kongre� zur Geschichte des Zusammenbruchs der Sowjetunion in Schanghai 1997 hatte deutlich gemacht, da� es zur Bewertung der Reformen unterschiedliche Ansichten gibt. Einige Wissenschaftler meinen, das �sowjetische Modell� sei schon 1985 unheilbar krank gewesen, andere, da� es noch zu retten war. Die Kommunistische Partei Chinas wurde durch den Zusammenbruch der Sowjetunion in der Ansicht gest�rkt, da� China wirtschaftliche Reformen durchf�hren mu�, ohne die Einpartei-Diktatur aufzugeben. Crash-Privatisierung und sofortige Demokratisierung w�rden zum Verfall der Gesellschaft und des Staates f�hren.

Man kann zu allen Fragen der Geschichte der UdSSR auch eine andere Meinung haben als die vorgestellten Autoren. Sicher haben sie das Problem, die Erfahrungen und Kriterien der �Sozialistischen Marktwirtschaft� in China zu sehr auf die Geschichte der Sowjetunion zu �bertragen. Ob es 1929 wirklich m�glich war, den N�P-Weg Lenins und Bucharins jahrzehntelang zu gehen, ist nicht zu beantworten. Es ist sicher auch kein Zufall, da� in einem Land ohne demokratische Tradition auch der Sozialismus despotische Formen annahm. Die umfangreiche Forschung zeigt, da� die KP China die Krise des Sozialismus ernst nimmt. Da sie an der Macht bleiben will, kann sie es sich nicht leisten, die Niederlage der Sowjetunion mit absurden Verschw�rungstheorien zu erkl�ren.

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Die Geheimrede
�ber den Personenkult und seine Folgen. Von Nikita S. Chruschtschow

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*** In einer mutigen Rede enth�llte Nikita Chruschtschow vor 45 Jahren auf dem XX. Parteitag der KPdSU (14. bis 25. Februar 1956) erstmals die Stalinschen Verbrechen. Allerdings unter Ausschlu� der �ffentlichkeit. Eine theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit dem Stalinismus war auf diese Weise nicht m�glich - und nach kurzem Tauwetter politisch auch nicht mehr gewollt ***

Das Zentralkomitee ... hat aus dem Kreis des Pr�sidiums des ZK eine Parteikommission eingesetzt und beauftragt, genau zu untersuchen, auf welche Weise die Massenrepressalien gegen die Mehrheit der Mitglieder und Kandidaten des ZK der Partei, das vom XVII. Parteitag der KPdSU(B) gew�hlt wurde, m�glich wurden. Die Kommission machte sich mit einer gro�en Anzahl von Materialien aus den Archiven des NKWD und mit anderen Dokumenten vertraut, und sie stellte zahlreiche Fakten fest �ber fabrizierte Anklagen gegen Kommunisten, falsche Beschuldigungen, schreiende Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit, als deren Folge unschuldige Menschen umkamen. Aufgedeckt wurde, da� viele Parteiarbeiter, Sowjet- und Wirtschaftsfunktion�re, die in den Jahren 1937/1938 als �Feinde� angesehen wurden, in Wirklichkeit niemals Feinde, Spione, Sch�dlinge u.�. gewesen sind, da� sie tats�chlich immer ehrliche Kommunisten waren.

Aber man hat sie angeschw�rzt, und manchmal hielten sie die barbarischen Foltern nicht aus und beschuldigten sich selbst (unter dem Diktat der mit F�lschungen arbeitenden Untersuchungsrichter) s�mtlicher schwerer und unwahrscheinlicher Verbrechen. Die Kommission hat dem Pr�sidium des ZK ein umfassend dokumentiertes Material �ber die Massenrepressalien gegen die Delegierten des XVII. Parteitags und die Mitglieder des von diesem Parteitag gew�hlten Zentralkomitees vorgelegt. Diese Materialien wurden vom Pr�sidium des Zentralkomitees begutachtet.

Festgestellt wurde, da� von den 139 Mitgliedern und Kandidaten des Zentralkomitees, die auf dem XVII. Parteitag gew�hlt worden waren, 98 Personen, d.h. 70 Prozent, (haupts�chlich in den Jahren 1937/1938) verhaftet und erschossen wurden. (Emp�rung im Saal.) ... Dasselbe Geschick traf nicht nur die Mitglieder des ZK, sondern auch die Mehrheit der Delegierten zum XVII. Parteitag. Von den 1 966 Delegierten mit beschlie�ender und beratender Stimme wurden auf der Grundlage von Beschuldigungen wegen konterrevolution�rer Verbrechen weit mehr als die H�lfte - 1 108 Personen - festgenommen ...

Nach der verbrecherischen Ermordung S. M. Kirows begannen Massenrepressalien, und es gab brutale Akte der Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit. Am Abend des 1. Dezember 1934 unterschrieb der Sekret�r des Pr�sidiums des Zentralexekutivkomitees Jenukidse auf Initiative Stalins (ohne Beschlu� des Politb�ros; dieses wurde erst zwei Tage sp�ter beil�ufig unterrichtet) folgende Anordnung:

�I. Die Untersuchungsbeh�rden werden angewiesen, die Angelegenheiten der der Vorbereitung und Durchf�hrung von Terrorakten Beschuldigten im Schnellverfahren durchzuf�hren.

II. Die Gerichtsorgane werden angewiesen, im Zusammenhang mit der von Straff�lligen dieser Kategorie ge�u�erten Bitte auf Gnadenerla� von der Ausf�hrung des Todesurteils keinen Abstand zu nehmen, da das Pr�sidium des Zentralexekutivkomitees der UdSSR es nicht f�r m�glich h�lt, derartige Bitten zur Bearbeitung anzunehmen.

III. Die Organe des Kommissariats f�r Innere Angelegenheiten (NKWD) werden angewiesen, Todesurteile gegen oben genannte Kategorien von Verbrechern sofort nach Verh�ngung der Urteile zu vollstrecken.�

Diese Verf�gung bildete die Grundlage f�r massenhafte Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit. In vielen zurechtgezimmerten gerichtlichen Verfahren wurde den Beschuldigten die �Vorbereitung� von Terrorakten zugeschrieben, und das beraubte die Angeklagten jeglicher M�glichkeit der Revision ihrer Angelegenheiten selbst dann, wenn sie vor Gericht die von ihnen erzwungenen �Gest�ndnisse� widerriefen und die gegen sie vorgebrachten Anklagen auf �berzeugende Art zu Fall brachten ...

Die Massenrepressalien verst�rkten sich gewaltig seit Ende 1936, nach dem Telegramm Stalins und Shdanows aus Sotschi vom 25. September 1936, das an Kaganowitsch, Molotow und andere Mitglieder des Politb�ros adressiert war. Der Inhalt des Telegramms war folgender:

�Wir erachten es f�r absolut notwendig und dringend, Gen. Jeshow mit dem Posten des Volkskommissars f�r Innere Angelegenheiten zu betrauen. Jagoda stand deutlich nicht auf der H�he der Aufgaben bei der Entlarvung des trotzkistisch- sinowjewistischen Blocks. Die OGPU ist in dieser Frage um vier Jahre in Verzug. Davon reden alle Parteiarbeiter und die Mehrheit der Bezirksvertreter des NKWD.� Richtigerweise sollte man unterstreichen, da� Stalin mit Parteiarbeitern nicht zusammentraf und deshalb ihre Meinung auch nicht kennen konnte.

Die Stalinsche Formulierung, wonach bei der Anwendung von Massenrepressalien das NKWD �um vier Jahre in Verzug� war, da� man die Versp�tungen schnell �aufholen� sollte, trieb die Mitarbeiter des NKWD direkt auf den Weg der Massenverhaftungen und Exekutionen. ...

Eingeb�rgert hatte sich die verbrecherische Praxis, im NKWD Listen derjenigen Personen anzufertigen, deren F�lle der Er�rterung durch das Milit�rkollegium unterlagen und f�r die von vornherein das Strafma� festgelegt wurde. Diese Listen �bermittelte Jeshow an Stalin pers�nlich, damit er die vorgeschlagenen Strafen best�tigte. In den Jahren 1937/1938 sind 383 solcher Listen an Stalin geschickt worden, die viele tausend Partei-, Sowjet-, Komsomol-, Milit�r- und Wirtschaftsfunktion�re betrafen und die seine Billigung fanden.

Ein bedeutender Teil dieser Verfahren wird gegenw�rtig der Revision unterzogen und eine gro�e Zahl davon als unbegr�ndet und gef�lscht gel�scht. Es gen�gt zu sagen, da� seit 1954 bis jetzt das Milit�rkollegium des Obersten Gerichts bereits 7 679 Personen rehabilitiert hat, wobei viele von ihnen postum rehabilitiert wurden ...

Als die Welle von Massenrepressalien 1939 abzuflauen begann, als die F�hrer von territorialen Parteiorganisationen begannen, Mitarbeiter des NKWD der Anwendung physischer Einwirkungsmethoden gegen�ber Verhafteten anzuklagen, richtete Stalin am 10. Januar 1939 ein chiffriertes Telegramm an die Sekret�re der Gebiets- und Regionskomitees, an die Zentralkomitees der nationalen kommunistischen Parteien, an die Volkskommissare f�r Innere Angelegenheiten und die Chefs der NKWD-Verwaltungen.

Das Telegramm lautete: �Das ZK der KPdSU(B) erkl�rt, da� die Anwendung physischer Einwirkung in der Praxis des NKWD seit 1937 mit Erlaubnis des ZK der KPdSU (B) zugelassen ist ... Bekannt ist, da� alle b�rgerlichen Geheimdienste physische Einwirkung gegen�ber den Vertretern des sozialistischen Proletariats anwenden, und zwar in den abscheulichsten Formen. Es erhebt sich die Frage, warum ein sozialistischer Geheimdienst gegen�ber erbitterten Agenten der Bourgeoisie, gegen�ber Todfeinden der Arbeiterklasse und der Kolchosbauern humaner sein sollte. Das ZK der KPdSU(B) ist der Ansicht, da� die Methode der physischen Einwirkung auch weiterhin unbedingt gegen�ber offenen und sich nicht ergebenden Feinden des Volkes als vollkommen richtige und zweckm��ige Methode ausnahmsweise angewendet werden sollte.� Somit wurde die brutalste Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, die Folter, die Qu�lerei, die - wie zuvor bereits festgestellt - zur Diffamierung und Selbstanschw�rzung unschuldiger Menschen f�hrten, durch Stalin im Namen des ZK der KPdSU(B) sanktioniert. ...

Genossen! Besch�ftigen wir uns mit einigen anderen Tatsachen. Die Sowjetunion wird zu Recht als Muster eines multinationalen Staates angesehen, denn bei uns wurden in der Praxis Gleichheit und Freundschaft aller V�lker gew�hrleistet, die unsere gro�e Heimat bewohnen. Um so ungeheuerlicher sind die Aktionen, deren Initiator Stalin war und die eine brutale Vergewaltigung der grundlegenden Leninschen Prinzipien der Nationalit�tenpolitik des Sowjetstaates waren. Die Rede ist von der Massenumsiedlung ganzer V�lker aus ihren heimatlichen Orten, darunter auch aller Kommunisten und Komsomolzen ohne jede Ausnahme, wobei derartige Aussiedlungsaktionen durch keinerlei milit�rische Beweggr�nde diktiert waren...

So wurde noch Ende 1943, als an den Fronten des Gro�en Vaterl�ndischen Krieges ein dauerhafter Umschwung zugunsten der Sowjetunion eingetreten war, der Beschlu� �ber die Aussiedlung aller Karatschaier aus ihrem angestammten Gebiet gefa�t und durchgef�hrt. Im gleichen Zeitraum, Ende Dezember 1943, traf die gesamte Bev�lkerung der Kalmykischen Autonomen Sowjetrepublik das gleiche Schicksal. Im M�rz 1944 wurden Tschetschenen und Inguschen ausgesiedelt, die Tschetschenisch-Inguschische Autonome Republik wurde liquidiert. Im April 1944 wurden alle Balkaren aus der Karbadinisch-Balkarischen Autonomen Republik in entlegene Gebiete ausgesiedelt, die Republik in Autonome Kabardinische Republik umbenannt. Die Ukrainer entgingen diesem Schicksal deshalb, weil sie zu viele sind und es keine M�glichkeit ihrer Umsiedlung gab. Sonst h�tte er auch sie ausgesiedelt.

Nicht nur f�r Marxisten-Leninisten, sondern f�r jeden vern�nftig denkenden Menschen ist es unverst�ndlich, wie man die Verantwortung einzelner Personen oder Gruppen f�r feindliche Handlungen auf ganze V�lker �bertragen konnte, Frauen und Kinder, Alte, Kommunisten und Komsomolzen nicht ausgenommen, wie man ihnen gegen�ber Massenrepressalien anwenden und sie Entbehrungen und Leiden aussetzen konnte...

 

 

Weitsichtig, hellsichtig, aber hilflos

Lenins �Testament� vor 75 Jahren. Von Harald Wessel

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Am 4. Januar 1923, morgen vor 75 Jahren, diktierte Wladimir Iljitsch Lenin (1870 bis 1924) seiner Sekret�rin Lydia Alexandrowna Fotiewa (1881 bis 1975) eine �Erg�nzung� zu jenem �Brief an den Parteitag�, den er zwischen 23. und 31. Dezember 1922 abschnittsweise ins Stenogramm gesprochen hatte. Der Zusatz umfa�te nur dreizehn Druckzeilen, die allerdings eine ungeheuere politische Sprengkraft in sich bargen: Lenin schlug seinen Genossen vor, �sich zu �berlegen, wie man Stalin abl�sen k�nnte�. Stalin sei �zu grob�, und �dieser Mangel� k�nne �in der Funktion des Generalsekret�rs� - des ZK der KPR(B) - �nicht geduldet werden�.

Den Anla� zur �Erg�nzung� vom 4. Januar 1923 bildete ein eher banaler Streit zwischen Stalin (1879 - 1953) und Lenins Frau Nadeschda Konstantinowna Krupskaja (1869 - 1939). Nach Lenins neuerlichem Schlaganfall am 16. Dezember 1922 hatte das ZK am 18. Dezember Stalin erm�chtigt, f�r die Einhaltung der �rztlichen Anordnungen zu sorgen. Alles, was den kranken Mann aufregen konnte, sollte von ihm ferngehalten werden. Als Lenin dennoch am 21. Dezember seiner Frau einen Brief an Leo Trotzki (1879 - 1940) diktierte, in dem auch noch um telefonischen R�ckruf gebeten wurde, beschimpfte Stalin die Krupskaja und drohte ihr mit der Parteikontrollkommission. Lenin verlangte von Stalin eine Entschuldigung. Als diese zun�chst ausblieb, zog Lenin Stalins Abl�sung in Betracht.

Obgleich die Stenogramme sogleich vernichtet und die f�nf Exemplare des getippten �Briefes an den Parteitag� in versiegelten Umschl�gen aufbewahrt wurden, konnte Lenin davon ausgehen, da� Stalin alles �br�hwarm� erfuhr. Im Sekretariat des Rates der Volkskommissare, dessen Vorsitzender Lenin war, arbeitete als Sekret�rin auch Stalins Frau Nadeschda Sergejewna Allilujewa (1901 - 1932). Stalin soll sich dann doch noch entschuldigt haben, aber der pers�nliche Dissens blieb aktenkundig. Und dieser Umstand sollte die Rezeption dessen, was Lenin der Partei als politisch substantielles Verm�chtnis mitzuteilen gedachte, ungemein erschweren. Fast 34 Jahre sollten vergehen, ehe Lenins letzte politische Erw�gungen (von der Jahreswende 1922/23) erstmalig ver�ffentlicht wurden (nach dem XX. Parteitag der KPdSU in Heft 9/1956 der Zeitschrift �Kommunist�). Und die systemkritischen Ans�tze des Lenin-�Testaments� blieben faktisch bis zum Ende der UdSSR in der Lenin-Partei weitestgehend unbeachtet.

Sebastian Haffner hat 1968 von Lenins �fast �bermenschlicher Demut vor Tatsachen� und von seiner �F�higkeit zur kr�tenschluckenden Selbstverleugnung� gesprochen. Beides trat im sogenannten Testament besonders hervor. Nach mehreren Schlaganf�llen und angesichts des Todes �schluckte� er gleich zwei �ungeheuerliche Kr�ten�: die Tatsache, da� es in seinem Politb�ro keinen ordentlichen Nachfolger gab, wie auch das ern�chternde Faktum, da� �dieser Apparat� �nicht uns geh�rt�, �sondern wir geh�ren ihm!!�

Schon ganz gew�hnliche �Regierungschefs mit Richtlinienkompetenz� sagen lieber �Der Staat bin ich� als �Der Staat ist die B�rokratie, der ich geh�re�. Von einem Revolution�r aber, der die Diktatur des Proletariats proklamierte, f�nf Jahre nach der Revolution ein solches Eingest�ndnis eigener Ohnmacht gegen�ber der B�rokratie zu vernehmen, ist gewi� bemerkenswert. Es h�tte die Bolschewiki schockieren m�ssen. Es h�tte sie aufr�tteln m�ssen - zu neuen Konzepten und exorbitanten Taten. Statt dessen f�gten sie sich mehrheitlich Stalin, dem Protagonisten der B�rokratie und Liebhaber konspirativer b�rokratischer Apparate.

Wer heute, wenige Jahre nach dem elenden Zusammenbruch des moskowitischen �Kommunismus�, Lenins politische Diagnose von vor 75 Jahren liest (etwa die Seiten 568 bis 596 des Bandes 36 der DDR-Ausgabe der Werke Lenins, Berlin 1962), der gewahrt nicht ohne Beklemmung, wie prophetisch, weitsichtig, hellsichtig, aber auch hilflos Lenins Problem- und Krisenbewu�tsein damals war. So gut wie alle seine Bef�rchtungen sind eingetroffen.

Das betrifft die F�hrungsstruktur der Partei, den politischen wie pers�nlichen Stalin-Trotzki-Dissens, die b�rokratische Entmachtung der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (als Element von Gewaltenteilung), die Entm�ndigung wissenschaftlicher, technischer und �konomischer Kompetenz in der Plankommission, die soziologische Schw�che des russischen Proletariats, die allgemeine Zur�ckgebliebenheit des Landes und (schlie�lich) die �Frage der Nationalit�ten�, den �gro�russischen Chauvinismus� sowie dessen �Unausstehlichkeit� angesichts des heraufziehenden revolution�ren �Sturmes �ber Asien�. Es ist faszinierend, wie genau der kranke Mann die Dinge voraussah.

Sp�testens seit der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 hatte Lenin seine Hoffnungen auf baldige revolution�re �nderungen in Europa weitgehend aufgegeben. Zunehmend wurde ihm klar, wie schwer es die russische Revolution auf sich allein gestellt haben w�rde. Den zivilisatorischen Nachholbedarf sah er (im Gegensatz zu Stalin und dessen B�rokraten) mit wachsendem Entsetzen. Lenins �Kassandra-Ruf�, als Generalsekret�r habe Stalin �eine unerme�liche Macht in seinen H�nden konzentriert�, n�herte sich der Warnung Rosa Luxemburgs vom Sommer 1918, die Bolschewiki w�rden statt der proklamierten Diktatur des Proletariats eine Diktatur einer Handvoll Politiker� und �eine Verwilderung des �ffentlichen Lebens� hervorbringen. Und dabei hatten weder Lenin noch gar Rosa Luxemburg konkrete Vorstellungen von den Abgr�nden, die sich mit dem Ausbau konspirativer Repressionsapparate auftun w�rden.

Schon im Fr�hjahr 1925, rund ein Jahr nach Lenins Tod, zeigte die �Eastman-Aff�re�, zu welch politischer Niedertracht die �parallelen Apparate� (Parteiapparat und Geheimapparate) f�hrten. Dem amerikanischen Kommunisten Max Eastman (1883 - 1969) wurden provokativ personelle Passagen aus Lenins �Brief an den Parteitag� zugespielt (der den Delegierten des XIII. Parteitages der KPR(B) im Mai 1924 nur vorgelesen worden war). Eastman, ein Trotzki-Bewunderer, verwendete die �Testament�- Passagen (in seinem Buch �Since Lenin Died�/�Seit Lenin starb�) �antistalinistisch� und �protrotzkistisch�. Damit erwies er Trotzki einen B�rendienst: Das Politb�ro zwang Trotzki, sich von Eastman zu distanzieren und die Existenz eines Lenin-�Testaments� �ffentlich zu bestreiten!

Mit Trotzkis verlogenem Dementi vom 1. Juli 1925 wurde der �Brief an den Parteitag� so stark tabuisiert, da� die KPdSU es noch im Herbst 1989, auf ihrem total mi�gl�ckten �Nationalit�ten-Plenum�, kaum wagte, Lenins Postulate von Ende 1922 auch nur zu er�rtern - in einer Zeit, da die ungel�sten nationalen Konflikte �berall in der UdSSR zu bewaffneten Auseinandersetzungen eskalierten und das Ende des b�rokratisch gef�gten und beherrschten �Vielv�lkerstaates� ank�ndeten.

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Die Jahre Lenins und Stalins
Die kommunistische Bewegung zwischen Selbstkritik und Selbstha� (Teil IV). Von Domenico Losurdo

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Man kann die Geschichte der UdSSR nicht von ihrem internationalen Kontext trennen. Weit mehr als auf die belastende asiatische Tradition verweist der - erst leninsche, dann stalinsche - Terror auf den Totalitarismus, der sich weltweit auszubreiten beginnt seit dem Ausbruch des zweiten Drei�igj�hrigen Krieges, als der Staat, auch in den liberalen L�ndern, sich die �>legitime< Gewalt �ber Leben, Tod und Freiheit� (Max Weber) anma�t. Davon zeugen die totale Mobilmachung, die Milit�rgerichte, die Exekutionspelotons, die Dezimationen (Hinrichtung jedes zehnten Mannes, ehemaliger Kriegsbrauch - die Red.). Es lohnt sich, vor allem �ber diese letztere Praxis nachzudenken, von der das Oberkommando des liberalen Italien regen Gebrauch macht und die das Prinzip der individuellen Verantwortlichkeit �ber Bord wirft.

Totaler Krieg und �Totalitarismus�

Aufschlu�reich ist auch, was sich in den USA abspielt. Nach Pearl Harbor l��t Franklin Delano Roosevelt die amerikanischen B�rger japanischer Herkunft (einschlie�lich der Frauen und Kinder) in Konzentrationslager deportieren, und zwar nicht auf Grund irgendwelcher Vergehen, sondern einzig wegen ihrer Zugeh�rigkeit zu einer verd�chtigen ethnischen Gruppe. (Auch hier wird - und dies ist eins der konstitutiven Merkmale des Totalitarismus - das Prinzip der individuellen Verantwortlichkeit aufgegeben.) Noch 1950 kommt es zur Verabschiedung des McCarran Act, eines Gesetzes, das den Bau von sechs Konzentrationslagern, die politische Gefangene aufnehmen sollen, in verschiedenen Regionen des Landes vorsieht. Zu den Bef�rwortern dieses Gesetzes geh�ren etliche Abgeordnete, die einmal als Pr�sidenten der USA bekannt werden sollen: John F. Kennedy, Richard Nixon und Lyndon B. Johnson! Sogar das Ph�nomen der Personalisierung der Macht kann in vergleichender Perspektive untersucht werden. Von den Wogen der gro�en Krise ins Pr�sidentenamt gesp�lt und sofort mit gr��ten Machtbefugnissen ausgestattet, wird F. D. Roosevelt dreimal wiedergew�hlt (er stirbt freilich schon zu Beginn seiner vierten Amtszeit).

Entstanden im Verlauf eines Krieges, der die totale Mobilmachung und Gleichschaltung der Bev�lkerung mit sich brachte, und zwar auch in L�ndern mit einer gefestigten liberalen Tradition und dar�ber hinaus einer relativ sicheren geographischen Lage (weil vom Mittelmeer oder vom Ozean umgeben), ist die Sowjetmacht gezwungen, mit einer permanenten Ausnahmesituation zurechtzukommen. Wenn wir die Periode vom Oktober 1917 bis 1953, dem Todesjahr Stalins, untersuchen, stellen wir fest, da� sie von mindestens vier oder f�nf Kriegen und von zwei Revolutionen gekennzeichnet ist. Im Westen folgt der Aggression des wilhelminischen Deutschland (bis zum Frieden von Brest- Litowsk) erst die der Entente und dann die des hitlerfaschistischen Deutschland und schlie�lich ein von lokalen Konflikten durchsetzter kalter Krieg, der jederzeit zu einem gro�en hei�en werden kann - in dem dann auch die Atomwaffe eingesetzt wird. Im Osten wird Japan (das sich erst 1922 aus Sibirien und erst 1925 von Sachalin zur�ckgezogen hat) durch die Invasion in der Mandschurei zu einer milit�rischen Bedrohung an den Grenzen der UdSSR, die jedenfalls schon 1938 und 1939, noch vor dem offiziellen Beginn des Zweiten Weltkrieges, in gr��ere Grenzgefechte verwickelt wird.

Alle hier genannten Kriege sind totale Kriege in dem Sinn, da� ihnen entweder keine Kriegserkl�rung (ob seitens der Entente oder des �Dritten Reichs�) vorausgeht oder da� die Invasoren die erkl�rte Absicht verfolgen, das bestehende Regime zu zerschlagen: Der hitlerfaschistische Feldzug zielt dann gar auf die Ausrottung der �Untermenschen� im Osten.

Zu den Kriegen kommen die Revolutionen hinzu, n�mlich au�er der vom Oktober die Revolution von oben in Form der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Industrialisierung des flachen Landes, die 1929 beginnen. Die Diktatur Lenins und, bei aller Unterschiedlichkeit, die Stalins stimmen in dem wesentlichen Punkt �berein, da� sie konfrontiert sind mit diesem totalen Krieg und mit dem permanenten Ausnahmezustand in der Sowjetunion (und das hei�t in einem zur�ckgebliebenen Land ohne liberale Tradition).

Gulag und Emanzipation in der Epoche Stalins

Bisher haben wir wenig oder nicht von der inneren Entwicklung des Landes gesprochen, das aus dem Roten Oktober hervorging. Hier mu� sofort gesagt werden, und das gilt sogar f�r die Stalinsche Periode, da� der Terror nur die eine Seite der Medaille ist. Die andere soll hier mit Ziffern und Angaben angedeutet werden, die von g�nzlich unverd�chtigen Autoren stammen: �Der f�nfte F�nfjahresplan f�r das Unterrichtswesen war ein organisierter Anlauf zur Beseitigung des Analphabetentums�; weitere Initiativen auf diesem Gebiet f�hren zur Herausbildung �einer v�llig neuen Generation von Facharbeitern und Technikern und technisch gebildetem Verwaltungspersonal�. Zwischen 1927/28 und 1932/33 steigt die Zahl der Studierenden an Universit�ten und h�heren Schulen sprunghaft an von 160 000 auf 470 000; der Anteil der Studenten aus Arbeiterfamilien steigt von einem Viertel auf die H�lfte. �Neue St�dte werden gegr�ndet, und alte St�dte werden umgestaltet�; die Entstehung neuer gigantischer Industriekomplexe geht Hand in Hand mit einer gro�en vertikalen Mobilit�t, die zum �sozialen Aufstieg f�higer und ehrgeiziger B�rger aus dem Arbeiter- oder Bauernmilieu� f�hrt. Als Folge auch der grausamen und gro�angelegten Repression jener Jahre �werden Zehntausende von Stachanow-Arbeitern Werksdirektoren� und es kommt - ein analoger Vorgang - zu einer gigantischen vertikalen Mobilit�t in den Streitkr�ften. Man versteht nichts von der Stalinperiode, wenn man sich nicht die f�r sie charakteristische Mischung von Barbarei (einem enormen Gulag) und sozialem Aufstieg auf gro�er Stufenleiter vor Augen h�lt. (1)

Die Geschichte der Machtaus�bung unter Lenin und Stalin ist kein Kapitel, dessen sich Kommunisten vor allem sch�men m��ten, wie dies die Anh�nger des (antimarxistischen) Phantoms einer �R�ckkehr zu Marx� behaupten. Das epochale Kennzeichen der Oktoberrevolution und der von Lenin eingeleiteten Wende wurde 1924 von Stalin so beschrieben:

�Fr�her beschr�nkte sich die nationale Frage gew�hnlich auf einen engen Kreis von Fragen, die haupts�chlich die >zivilisierten< Nationalit�ten betrafen. Irl�nder, Ungarn, Polen, Finnen, Serben und einige andere Nationalit�ten Europas - das war der Kreis der nicht vollberechtigten V�lker, f�r deren Schicksale sich die Helden der II. Internationale interessierten. Die Millionen und aber Millionen der V�lker Asiens und Afrikas, die unter der nationalen Bedr�ckung in ihrer rohesten und h�rtesten Form litten, blieben gew�hnlich au�erhalb ihres Gesichtsfeldes. Man konnte sich nicht entschlie�en, Wei�e und Farbige, >Zivilisierte< und >Unzivilisierte< in eine Reihe zu stellen. [...] Der Leninismus hat dieses schreiende Mi�verh�ltnis aufgedeckt, die Scheidewand zwischen Wei�en und Farbigen, zwischen Europ�ern und Asiaten, zwischen >zivilisierten< und >unzivilisierten< Sklaven des Imperialismus niedergerissen und auf diese Weise die nationale Frage mit der Frage der Kolonien verkn�pft.� (�ber die Grundlagen des Leninismus. Vorlesungen an der Swerdlow-Universi�t, Kap. VI.)

Nur Gerede? So k�nnten knickrige Provinzkr�mer oder kurzsichtige kapitalistische Manager argumentieren, die alle Theorie, welche keinen unmittelbaren Profit bringt, f�r unwesentlich halten. Auf keinen Fall aber kann dies der Standpunkt eines Kommunisten sein, der von Lenin gelernt haben sollte, da� Theorie v�llig unentbehrlich ist f�r die Konstituierung einer emanzipatorischen Bewegung, und der von Marx gelernt haben sollte, da� die Theorie, wenn sie die Massen ergreift, zu einer materiellen Kraft ersten Ranges wird. Und dies ist auch wirklich geschehen.

Churchill, Roosevelt und Stalin - ein Vergleich

Auch in den dunkelsten Jahren des Stalinismus hat die internationale kommunistische Bewegung eine fortschrittliche Rolle gespielt - nicht nur in den Kolonien, sondern auch in den entwickelten kapitalistischen L�ndern. In den USA ist Franklin D. Roosevelt Pr�sident geworden. Aber im S�den wird die gegen die Schwarzen gerichtete Politik der Rassentrennung und Lynchjustiz fortgesetzt. Wer dagegen k�mpft, sind die Kommunisten, die deshalb nicht zuf�llig von der herrschenden Ideologie als �Ausl�nder� und �Negerliebhaber� (nigger lovers) gebrandmarkt werden. Ein amerikanischer Historiker beschreibt den Mut, dessen die Kommunisten auch in den USA bedurften: �Ihre Kampfansage an den Rassismus und den Status quo f�hrte zu einer Repressionswelle, die man f�r unvorstellbar in einem demokratischen Land gehalten h�tte�; Kommunist zu sein habe bedeutet, �die M�glichkeit von Gef�ngnis, Zusammengeschlagenwerden, pers�nlicher Verfolgung und sogar des Todes einzukalkulieren�. (2)

Doch pr�fen wir jetzt die Ideologie des Diktators in Person und konfrontieren wir sie nicht mit der Hitlers - einen derart absurden Vergleich �berlassen wir den professionellen Antikommunisten -, sondern mit der Ideologie zweier anderer F�hrer der antifaschistischen Koalition. Vor einigen Jahren hat die angesehene englische Zeitung The Guardian (20. /21. Juni 1992) enth�llt, da� Churchill sich mit dem - unter Reaktion�ren des ausgehenden 19. Jahrhunderts weit verbreiteten - Gedanken trug, die �Rasse der Vagabunden, M��igg�nger und Kriminellen, der Barbaren, die unf�hig sind, sich auf dem Niveau der Zivilisiertheit zu bewegen�, zwangsweise sterilisieren zu lassen.

Diese Denktradition ist auch noch bei Franklin Delano Roosevelt sp�rbar. Nachdem er in Jalta erkl�rt hatte, er f�hle sich �mehr denn je rachedurstig gegen�ber den Deutschen� wegen der von diesen begangenen Verbrechen, lieb�ugelte der US-Pr�sident zumindest eine Zeitlang mit einem radikalen Projekt: �Wir m�ssen hart sein Deutschland gegen�ber - und ich meine damit das deutsche Volk, nicht nur die Nazis. Wir m�ssen das deutsche Volk kastrieren oder es jedenfalls so behandeln, da� es nie wieder Leute hervorbringen kann, die sich wie in der Vergangenheit auff�hren wollen.�

Ungeachtet der Verluste und uns�glichen Leiden aufgrund der hitlerfaschistischen Aggression gab es bei Stalin keinerlei vergleichbare En-bloc-Rassisierung der Deutschen. Im August 1942 erkl�rte er: �Es w�re l�cherlich, die Hitler-Clique mit dem deutschen Volk, dem deutschen Staat gleichzusetzen. Die Erfahrungen der Geschichte zeigen, da� die Hitler kommen und gehen, da� aber das deutsche Volk, der deutsche Staat bleibt. Die St�rke der Roten Armee beruht auf der Tatsache, da� diese keinerlei Rassenha� hegt und hegen kann gegen andere V�lker, auch nicht gegen das deutsche Volk.�

Auch in diesem Fall kann man versuchen, dies als blo�e Theorie abzutun, aber eins ist gewi�: Ungeachtet der Barbarisierung und der Schrecken dieser Jahre, noch bei Stalin erweist sich die marxistische Theorie jener �berlegen, zu der sich die angesehensten Exponenten der b�rgerlichen Welt bekennen.

Zwei Seiten der gleichen Medaille

Den Kommunisten, die sich der von der herrschenden Ideologie aufgezwungenen D�monisierung Stalins anschlie�en, wollen wir eine �berlegung vorschlagen. Berufen sie sich doch zuweilen auf Spartakus. Die Geschichtsschreiber berichten, da� Spartakus, um den Tod seines Genossen Crissus zu r�chen und zu ehren, dreihundert r�mische Gefangene geopfert habe; die anderen t�tete er am Vorabend der Schlacht. Noch gewaltt�tiger war das Verhalten der Sklaven, die einige Jahrzehnte zuvor einen Aufstand in Sizilien wagten; nach Diodorus Siculus brachen sie in die H�user der Herren ein, vergewaltigten die Frauen und richteten �ein gro�es Blutbad (an), das nicht einmal vor den S�uglingen haltmachte�.

Dies sind gewi� nicht die Verhaltensweisen, an die die italienischen Kommunisten erinnern wollen, wenn sie bei den Liberazione-Festen oder im Parteiorgan des PRC das Bild von Spartakus schwenken. Sie weigern sich jedenfalls, ihn auf eine Ebene mit Crassus zu stellen, dem es gelang, nachdem er im r�mischen Heer mittels Dezimierung eiserne Disziplin durchgesetzt hatte, die Aufst�ndischen zu besiegen, und der dann viertausend Gefangene entlang der Via Appia kreuzigen lie�. Dort also Crassus, der reichste Mann Roms und damit befa�t, die Institution der Sklaverei zu verewigen und den �sprechenden Werkzeugen der Erde� alle W�rde zu verweigern; und hier eines dieser sprechenden Werkzeuge, dem es gelingt, den Protest seiner Arbeits- und Leidensgenossen auszudr�cken und zu organisieren und wenigstens eine Zeitlang die Arroganz seiner imperialen Herren in die Schranken zu weisen. Indem sie Spartakus ehren, bekr�ftigen die italienischen Kommunisten lediglich, da� seine Pers�nlichkeit und sein Schicksal untrennbar zur Geschichte der subalternen Klassen geh�ren, da� sie Teil einer Bewegung sind, die, ungeachtet ihrer Irrt�mer, eine Emanzipationsbewegung war und ist.

Davon unterscheidet sich kaum die Bedeutung, die russische Kommunisten ihrem Demonstrieren hinter dem Portr�t Stalins beimessen: Sie wollen sich damit ebensowenig mit dem Gulag und der systematischen Liquidierung der Gegner identifizieren, wie die Liberazione sich identifizieren will mit der Vergewaltigung der Frauen und dem Massakrieren von Gefangenen und S�uglingen, derer sich die aufst�ndischen Sklaven schuldig gemacht haben. Die alberne Verkl�rung von Spartakus ist die andere Seite der Medaille der D�monisierung Stalins. Es macht keinen Sinn, vor der Realit�t zu fl�chten oder sie willk�rlich so zu vereinfachen, da� der Seelenfrieden gewahrt bleibt: Man braucht kein Kommunist zu sein, jeder ehrliche Historiker kann erkennen, da� der �Stalinismus�, mit allen seinen Schrecken, ein Kapitel jenes Emanzipationsprozesses ist, der das �Dritte Reich� besiegt hat, der den Impuls gab f�r die Dekolonisierung und f�r den Kampf gegen den antisemitischen und anticamitischen Rassismus (letzterer richtet sich gegen Schwarzafrikaner - die Red.).

Ein Historiker hat beobachtet: Es ist ein Irrtum zu glauben, da� �der Rassismus der Nazis schon in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts zur�ckgewiesen worden sei�; der Neologismus �Rassismus� mit seiner negativen Konnotation wird erst sp�ter benutzt, w�hrend zuvor das Rassenvorurteil ein selbstverst�ndlicher Bestandteil der herrschenden Ideologie auf beiden Seiten des Atlantik war. (3) Kann man sich die radikalen Wandlungen in der Auseinandersetzung �ber �Rasse� und �Rassismus� ohne den Beitrag der UdSSR Stalins �berhaupt vorstellen?

Kolonisierung des historischen Bewu�tseins

Vor einigen Monaten hat William Clinton erkl�rt, er wolle sich an Theodore Roosevelt ein Beispiel nehmen. Dieser ist nicht nur der Theoretiker des �gro�en Kn�ppels�, der im Umgang mit den L�ndern Lateinamerikas benutzt werden m�sse. Die Person, die dem derzeitigen amerikanischen Pr�sidenten so teuer ist, ist auch der Verk�nder des �ewigen Kriegs� ohne �falsche Sentimentalit�ten� gegen die Roth�ute: �Ich gehe nicht so weit zu glauben, da� nur tote Indianer gute Indianer seien, doch glaube ich, da� dies in neun von zehn F�llen zutrifft; und andrerseits w�rde ich auch beim zehnten nicht allzu tief sch�rfen wollen.� Nat�rlich ist dies nicht jener Theodore Roosevelt, den sich Clinton zum Vorbild nehmen m�chte. Aber zu denken gibt das sorglose Sichberufen auf eine Pers�nlichkeit, die bis an die Schwelle zur theoretischen Rechtfertigung des V�lkermords gegangen ist; und zu denken gibt das Schweigen jener, die unerm�dlich von den Kommunisten und der Linken verlangen, sie sollten endlich mit ihrer verbrecherischen Vergangenheit abrechnen.

Andrerseits haben bekannte Juristen angesichts des Dauerembargos gegen das irakische Volk von einem �westlichen V�lkermord� oder jedenfalls einem Massaker gesprochen (das schon Hunderttausende Menschenleben gekostet hat). Und dieses Massaker fand nicht im Verlauf eines schrecklichen Ausnahmezustands statt, sondern in einer Friedensperiode, zu einer Zeit, da die Sicherheit und sogar die Hegemonie der Vereinigten Staaten in keiner Weise gef�hrdet sind. Auf Grund welcher Logik kann man also behaupten, die Verbrechen Lenins und Stalins seien schlimmer als jene, derer sich Clinton schuldig macht?

Sergio Romano hat die periodischen Bombenangriffe auf den Irak eine Fortsetzung der Wahlkampagne mit anderen Mitteln genannt. Das Terrorbombardement als Werbespot: Diese Erfindung, die Goebbels Freude gemacht h�tte, war jedoch dem F�hrungsland des �demokratischen� Westens vorbehalten. Und all dies, noch einmal, in einer Periode des Friedens. Und von neuem stellt sich die Frage: Warum eigentlich sollte ein k�nftiger Historiker die US-Pr�sidenten f�r �humaner� halten als jene, welche die UdSSR in einer der tragischsten Perioden der Weltgeschichte gef�hrt haben? Da mutet die Haltung gewisser Kommunisten schon sehr befremdlich oder philistr�s an, die einerseits Stalin d�monisieren, andrerseits in Clinton einen Exponenten der, wenn auch gem��igten, �Linken� sehen wollen.

Pr�fen wir die Geschichte des Kolonialismus und Imperialismus: Der Westen hat die Indios von der Erdoberfl�che getilgt und die Schwarzen versklavt; einem �hnlichen Schicksal hat er andere Kolonialv�lker unterworfen, doch dies hat den Westen nicht daran gehindert, seine Expansion deshalb als Vormarsch von Freiheit und Zivilisation darzustellen und zu feiern. Und diese Vision hat zuweilen damit geendet, die Opfer in einer Weise zu erobern bzw. v�llig abh�ngig zu machen, da� sie, in der Hoffnung, in den Scho� der �Zivilisation� aufgenommen zu werden, ihre Niederlage verinnerlicht und ihr historisches Ged�chtnis und ihre kulturelle Identit�t aufgegeben haben.

Heute werden wir Zeugen von einer Art Kolonisierung des historischen Bewu�tseins der Kommunisten. Und das ist mehr als eine blo�e Metapher. Historisch ist die kommunistische Bewegung an die Macht gekommen in Koloniall�ndern, jedenfalls an den R�ndern des Westens. Andrerseits ist mit dem Triumph der Globalisierung und der Pax americana unter medialen Gesichtspunkten der ganze Rest der Welt Provinz und Kolonie geworden - zumindest potentiell und in Hinblick auf das Zentrum des Imperiums, das von Washington aus tagt�glich jeden Ort des Erdballs mit konzentriertem multimedialen Feuer bestreichen kann und bestreicht. Dem zu widerstehen ist schwer, doch ohne solchen Widerstand gibt es keine Kommunisten.

(1) Vgl. zu den hier behandelten Problemen: D. Losurdo: Il revisionismo storico, Laterza, Roma-Bari 1996; Utopia e stato d'eccessione. Sull'esperienza storica del �socialismo reale�, Laboratorio politico, Napoli 1996; Il peccato originale del Novecento, Laterza, Roma-Bari 1998

(2) R. D. G. Kelley: Hammer and Hoe. Alabama Communists during the Great Repression, Chapel Hill and London 1990, S. 30 u. XII

(3) E. Barkan, The retreat of scientific racism. Changing concepts of race in Britain and the United States between the world wars, University Press, Cambridge 1992, S. 1-3

                                                                                                 

                                                                                                      

 

 


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Eine Bilanz der Herrschaft Jelzins

Von Wladimir Wolkow
18. Januar 2000

Am 31. Dezember 1999 erkl�rte Russlands Pr�sident Jelzin das vorzeitige Ausscheiden aus seinem Amt. Damit endet eine Epoche, die zu den dramatischsten und widerspr�chlichsten der russischen und internationalen Geschichte geh�rt. Sie war vor allem durch die Aufl�sung der Sowjetunion und die Einf�hrung kapitalistischer Beziehungen auf dem Territorium der L�nder des "sozialistischen Lagers" gepr�gt.

Unter den herrschenden Schichten Russlands findet man zwei Auffassungen �ber die Bedeutung der vergangenen zehn Jahre.

Die erste, die offizielle Ideologie des Kremls, wird auch von dessen liberalen Anh�ngern und Unterst�tzern im Westen geteilt. Sie stellt die Jelzin-Periode als gro�en Schritt aus der "Sackgasse des bolschewistischen Experiments" hin zu einer "normalen" modernen Zivilisation dar. An die Stelle der totalen Regulierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens durch den Staat und der Unterdr�ckung jeglicher privater Initiative sei eine Periode der pers�nlichen Freiheit und Demokratie getreten. Jeder B�rger habe nun die M�glichkeit, sich zu verwirklichen.

Die zweite stammt von den russischen Nationalisten jeglicher Couleur - roten, wei�en und braunen. Ihrer Ansicht zufolge durchlebte Russland unter Jelzin eine neue "Zeit der Wirren" (in Analogie zum Beginn des 17. Jahrhunderts, als die Dynastie der Rurikiden von den Romanows abgel�st wurde), d.h. einen Bruch in der Entwicklung der russischen Staatlichkeit. Die wahrhaft russischen Formen des gesellschaftlichen Lebens, die w�hrend der Zeit der Sowjetunion die Form der "sowjetischen Volksherrschaft" angenommen h�tten, seien durch die �ffnung gegen�ber den Einfl�ssen der westlichen Zivilisation untergraben worden. So sei ein Regime entstanden, das den traditionellen Eigenheiten des "russischen Charakters" und den Interessen des russischen Volkes nicht entspreche.

Beide Auffassungen f�hren in die Irre. Die wirkliche Bedeutung der Jelzin-Periode erschlie�t sich erst, wenn man sie im Lichte der gesellschaftlichen Konflikte betrachtet, die die Sowjetunion im Lauf ihrer Geschichte gepr�gt haben: Des Kampfs zwischen der herrschenden B�rokratie und den Bestrebungen der Masse der Bev�lkerung, die im Programm der trotzkistischen Linken Opposition einen bewussten Ausdruck fanden.

Die Oktoberrevolution von 1917 hatte sich auf die aktive Unterst�tzung breiter Schichten des russischen Proletariats und der Bauernschaft gest�tzt. Die Sowjetunion verdankte ihre Entstehung einer breiten Massenbewegung, die sich die revolution�re Umgestaltung der weltweiten Zivilisation auf der Grundlage von sozialer Gleichheit und Demokratie zum Ziel gesetzt hatte. Aber diese Bewegung stie� bald auf entscheidende Hindernisse.

Zum einen wurde die Sowjetunion durch die Niederlage der Revolution in Deutschland und anderen europ�ischen L�ndern international isoliert und von den Ressourcen der Weltwirtschaft abgeschnitten, auf die sie dringend angewiesen war. Zum anderen erwuchs im Innern aufgrund der allgemeinen Not in Form der B�rokratie eine neue privilegierte Schicht, die in Stalin ihren politischen F�hrer fand und sich schlie�lich zur alleinigen Herrscherin der Gesellschaft aufschwang.

In den drei�iger Jahren stellte Trotzki die Prognose, dass sich die instabile und zutiefst widerspr�chliche Lage der Sowjetgesellschaft in zwei Richtungen entwickeln kann: entweder vollendet die B�rokratie die Konterrevolution, kehrt zum Privateigentum zur�ck und etabliert sich als vollwertige herrschende Klasse; oder das sowjetische Proletariat vollzieht eine neue politische Revolution, stellt Formen wirklicher R�tedemokratie her und ebnet den Weg f�r eine Wiedergeburt des Sozialismus in der UdSSR.

In der Gro�en S�uberung von 1937/38 wurde die sozialistische Opposition gegen den Stalinismus weitgehend vernichtet, aber das endg�ltige Schicksal der Sowjetunion wurde noch nicht entschieden. Bis in die achtziger Jahre hinein wagte es die B�rokratie nicht, die durch die Oktoberrevolution geschaffenen Eigentumsverh�ltnisse anzutasten. Erst in den Jahren der Perestroika, als die Stalinsche Politik vom "Aufbau des Sozialismus in einem Land" die Sowjetwirtschaft in eine tiefe Sackgasse gef�hrt hatte und alle gesellschaftlichen Probleme in extremer Weise offen wurden, gelang es der B�rokratie, der sowjetischen Arbeiterklasse ihr eigenes Programm aufzuzwingen.

Gorbatschow trat als F�hrer der B�rokratie hervor, der das Fundament f�r den Beginn der kapitalistischen Reformen legte, w�hrend Jelzin als "Ausbrecher" aus der Nomenklatur die gesamte Verantwortung f�r die Verwirklichung dieses kapitalistischen Programms auf sich nahm.

Siegeszug der Konterrevolution?

Kann man die zehnj�hrige Herrschaft Jelzins daher als Siegeszug der Konterrevolution bezeichnen? In gewissem Sinne ja. Geschichtlich betrachtet, setzte Jelzin den Schlusspunkt hinter die Politik, die Stalin Jahrzehnte vorher begonnen hatte. Andererseits erinnert vieles, was unter Jelzin geschah, kaum an einen Triumph der Konterrevolution, weil sie keinen tats�chlichen Gegner hatte.

Man kann die Sowjetunion am Ende der 80er Jahre kaum noch mit jener am Vorabend des Zweiten Weltkrieges vergleichen. Mehrere Generationen hatten gelebt, die in intellektueller und psychologischer Hinsicht vollst�ndig von den Traditionen und dem Geist der Revolution von 1917 abgeschnitten waren. Sie fanden in der sie umgebenden sowjetischen Wirklichkeit nichts vor, was sie als ihre eigene Errungenschaft ansehen konnten und demzufolge f�r verteidigenswert hielten.

Au�erdem war die wirtschaftliche R�ckst�ndigkeit der Sowjetwirtschaft und ihre Abh�ngigkeit vom Weltmarkt so offensichtlich geworden, dass vielen jede Form der Integration in die Weltwirtschaft, selbst unter kapitalistischen Vorzeichen, unabh�ngig von den negativen Folgen als Vorzug erschien.

Unter diesen Umst�nden konnte Jelzin an die Spitze des russischen Staats aufsteigen und sich zeitweilig sogar einer gewissen Popularit�t erfreuen. Letztlich ist er aber - wie schon Gorbatschow - eine �bergangsfigur. Beide hatten die Funktion, den Massen eine Politik zu verkaufen, die ausschlie�lich den Interessen einer privilegierten Schichte dient. Gorbatschow f�hrte das Land unter dem Banner der "Erneuerung des Sozialismus" bis zur Schocktherapie, w�hrend Jelzin im Namen der "Einf�hrung der Demokratie" der Mehrheit der Bev�lkerung alles nahm, was sie hatte, und sie in einen puren �berlebenskampf warf.

Schon die erste von Jelzin ernannte Regierung unter Jegor Gaidar begann Anfang 1992 mit ihrer Politik der "Schocktherapie" einen r�cksichtslosen Angriff auf das Lebensniveau und die Rechte der Mehrheit der arbeitenden Bev�lkerung. Wiktor Tschernomyrdin, der Gaidar Ende 1992 abl�ste, bem�hte sich, das Finanzsystem zu stabilisieren und ausl�ndische Investoren anzuziehen, und erh�hte zu diesem Zweck den Druck auf die Arbeiterklasse. Sein Nachfolger Sergej Kirijenko unternahm 1998 den Versuch einer Neuauflage der "Schocktherapie" und organisierte den finanziellen Zusammenbruch, der vor allem die schutzlosen Bev�lkerungsschichten traf. Danach wurde Tschernomyrdin noch einmal zur�ckgerufen, aber nicht von der Duma best�tigt.

Seither hat Jelzin nur noch Premierminister ernannt, die ihre Karriere in den Sicherheitsorganen und dem Geheimdienst begonnen haben: Jewgenij Primakow im September 1998, Sergej Stepaschin im Mai 1999 und schlie�lich Wladimir Putin im August 1999.

Inzwischen ist auch das "demokratische" Programm aus der Rhetorik des Kremls entschwunden. Die offizielle Propaganda konzentriert sich auf die St�rkung des Staates und die Durchsetzung "nationaler Interessen". Putins Rolle in dieser Hinsicht ist voraussehbar. Er wird gegen jeden mit schmutzigen Tricks vorgehen, der sich den Interessen der neuen herrschenden Klasse in Russland widersetzt.

Die objektive Bedeutung von Jelzins R�cktritt besteht darin, dass f�r die weitere Durchf�hrung kapitalistischer "Reformen" eine Reorganisation des Staatsapparats erforderlich ist, die diesen in die Lage versetzt, mit direkter Polizeigewalt gegen die wachsenden Proteste der Arbeiterklasse vorzugehen. Daf�r ist eine Figur notwendig, die nicht mit den Versprechungen von gestern und einem Ruf als "Demokrat" belastet ist.

Eine Bilanz von Jelzins Herrschaft

Was ist das Ergebnis der knapp zehnj�hrigen Herrschaft Jelzins? Gibt man eine kurze Antwort, kann sie nur lauten: Katastrophen, Armut, Zerst�rung aller Lebensgrundlagen und aller Perspektiven auf eine Zukunft.

Am Ende der f�nfj�hrigen Perestroika Gorbatschows verf�gte die Sowjetunion trotz der tiefen Krise, in der sie sich befand, immer noch �ber ein gewisses �konomisches Fundament. Das sowjetische Bildungs- und Sozialsystem hatte Entwicklungsm�glichkeiten und ein kulturelles Potential hinterlassen, das dem gesellschaftlichen Organismus zu einer relativ schnellen Genesung und Wiederbelebung h�tte verhelfen k�nnen, auch wenn alles, was mit der "sowjetischen Lebensweise" zu tun hatte, einen Anstrich charakterloser Grauheit und geringer Qualit�t trug.

So fand Jelzin Russland vor, als er in den Kreml einzog. Doch was hinterl�sst er bei seinem Auszug an der Schwelle zum 21. Jahrhundert?

Die Gemeinschaft Unabh�ngiger Staaten (GUS), die als Ersatz einer erneuerten UdSSR ins Leben gerufen wurde, zerf�llt in alle Richtungen. Die Industrieproduktion Russlands ist vorsichtigen Sch�tzungen zufolge mindestens auf die H�lfte geschrumpft. Das russische Bruttoinlandsprodukt befindet sich in etwa auf dem Niveau der Niederlande, einem Land mit einer wesentlich kleineren Bev�lkerung, geringerem Territorium und ohne Rohstoffvorr�te. Dutzende Millionen B�rger leben von miserablen Eink�nften, die nicht einmal die Befriedigung der minimalen Bed�rfnisse eines modernen Menschen erlauben. Millionen Menschen haben ihren fr�heren Wohnort verlassen, um sich vor ethnischen und regionalen Konflikten zu retten oder einfach ein besseres Leben zu finden.

Die durchschnittliche Lebenserwartung ist stark gesunken und die Jugend ist jeglicher Chance beraubt, einen vern�nftigen Arbeitsplatz zu finden. Alle Machtorgane sind vollst�ndig vom Krebsgeschw�r der Korruption zerfressen und �ber unsichtbare F�den eng mit der Kriminalit�t zusammengewachsen. Sie haben eine vorher nicht gekannte F�lle an Macht und Einfluss erhalten. �ber dem Ozean der Trag�die der einfachen Menschen erhebt sich eine �u�erst d�nne, r�cksichtslose, unendlich gierige und extrem egoistische Schicht Neureicher, die in den Tag hineinleben und denen es v�llig gleichg�ltig ist, welchen Preis ihr Reichtum fordert und was nach ihnen kommt.

Jelzin ist zum Symbol dieser Epoche des Niedergangs und dieser d�nnen Schicht reicher Aufsteiger geworden. In seiner Abschiedsrede im Fernsehen versuchte er sich zwar als Figur darzustellen, die eine gro�e historische Aufgabe erf�llt hat und zur�cktreten kann, weil Land und Gesellschaft wachsende Erfolge zu erwarten h�tten. Er kam aber nicht darum herum, wenigstens in Form einer billigen Entschuldigung auf die reale Lage einzugehen.

"Ich m�chte Sie um Vergebung bitten," sagte er. "Um Vergebung daf�r, dass viele Ihrer Erwartungen entt�uscht wurden. Das, was uns einfach erschien, hat sich als qualvoll und schwierig herausgestellt. Ich bitte um Vergebung daf�r, dass ich die Hoffnungen der Menschen nicht zu erf�llen vermochte, die glaubten, dass wir schlagartig aus dem grauen, totalit�ren Stillstand der Vergangenheit in eine lichte, wohlhabende und zivilisierte Zukunft springen k�nnten. Ich habe selbst daran geglaubt. Es schien, noch ein Ruck, und wir schaffen es. Mit einem Ruck hat es nicht geklappt. Teilweise war ich zu naiv. Teilweise waren die Probleme zu schwierig. Wir k�mpften uns vor durch Fehler und Misserfolge. Viele Menschen mussten in dieser schwierigen Zeit Ersch�tterungen erleben."

Das war alles, was er zu seiner Rechtfertigung zu sagen hatte.

Das Ende der Jelzin-Epoche

Die Jelzin-Epoche ist eigentlich schon mit dem Finanzzusammenbruch vom August 1998 zu Ende gegangen. Dieser Zusammenbruch hat alle Hoffnungen auf die F�higkeiten des russischen Kapitalismus begraben, das Land in absehbarer Zukunft aus seiner wirtschaftlichen R�ckst�ndigkeit und Armut herauszurei�en. Jelzin selbst fand sich im Zentrum eines gro�en internationalen Geldw�scheskandals wieder und entpuppte sich als Mann, der von k�uflichen H�flingen und halbkriminellen Oligarchen umgeben ist.

Der Tschetschenien-Krieg diente dem Kreml als Mittel, um kritische Stimmen unzufriedener Teile der Elite zu unterdr�cken und den sozialen Protest der Massen zu d�mpfen. Jelzin nutzte die Gelegenheit und verschwand im g�nstigsten Augenblick durch eine vorbereitete Hintert�r von der Szene - ohne zu vergessen, das Tafelsilber einzustecken.

Er verl�sst die B�hne nicht als Triumphator, sondern als Scharlatan, der von Buhen und Schreien begleitet wird. Davon zeugt der Pr�sidentenerlass seines Nachfolgers Putin, der Jelzin und seiner Familie besonderen staatlichen Schutz gew�hrt. Dem fr�heren Pr�sidenten wird auf Lebenszeit eine staatliche Leibwache gestellt und seine Pers�nlichkeit wird als unantastbar erkl�rt.

"Er kann weder in einem strafrechtlichen noch in einem staatsrechtlichen Verfahren zur Verantwortung gezogen, festgehalten, verhaftet, durchsucht oder verh�rt werden," lautet der Text des Erlasses. �hnliche Garantien wurden ihm f�r sein pers�nliches Verm�gen gew�hrt: "Die Unantastbarkeit des Pr�sidenten... erstreckt sich auf die von ihm bezogenen Wohn- und Arbeitsunterk�nfte, Transport- und Kommunikationsmittel, seine Dokumente und sein Gep�ck und auf seinen Schriftverkehr."

Vor diesem Hintergrund h�ren sich die Worte aus seiner Fernsehansprache, gerichtet an die Millionenbev�lkerung Russlands, zutiefst heuchlerisch an: "Den Schmerz eines jeden von Ihnen f�hlte ich als Schmerz in meinem Herzen nach. Ich verbrachte schlaflose N�chte, in denen ich qualvoll �berlegte, was getan werden kann, damit die Menschen leichter und besser leben. Ich hatte keine wichtigere Aufgabe".

Es ist bezeichnend, dass Jelzin in seiner Fernsehansprache den Schl�sselbegriff, auf den sich die Kreml-Propaganda in den vergangenen Jahren st�tzte, kaum mehr erw�hnt hat - "Demokratie". Dieser Begriff diente tats�chlich stets nur Propagandazwecken. Wenn man sich die wichtigsten Ereignisse seiner Herrschaft vor Augen f�hrt - die Aufl�sung der Sowjetunion im Dezember 1991, der Beginn der "Schocktherapie" im Januar 1992, die Beschie�ung des Parlamentsgeb�udes mit Panzern im Herbst 1993, der Zusammenbruch des Finanzmarktes im August 1998 und die beiden blutigen Tschetschenien-Kriege von 1994-96 und 1999 -, so waren sie allesamt Etappen im Aufbau eines autorit�ren Polizeiregimes.

Als Politiker und Pers�nlichkeit verk�rperte Jelzin nicht Demokratie und Gerechtigkeit, er war eine typische sowjetische Autorit�tsfigur mit Stalinschem Beigeschmack. Er war ein Bojar, ein "Herr", dem alles gleichg�ltig ist, was �ber den Rahmen seiner eigenen Karriere und seines beschr�nkten Lebens hinausgeht. Er war und ist ein wenig intelligenter, beschr�nkter und arroganter Aufsteiger, der von einem komplexen historischen Prozess vor�bergehend an die gesellschaftliche Oberfl�che gesp�lt wurde, tats�chlich aber sehr wenig ver�ndert hat.

Das alles hinderte den amerikanischen Pr�sidenten Bill Clinton allerdings nicht daran, Jelzin in einem k�rzlich in der Times erschienenen Artikel als "Vater der Demokratie" zu betiteln. In Russland bem�ht man sich allerdings, diese Formulierung so selten wie m�glich zu verwenden. Sie erweckt zu starke Assoziationen an den bekannten Roman "Die zw�lf St�hle" von I. Ilf und E. Petrow. Dieses Ende der 20er Jahre geschriebene Werk macht sich �ber den Versuch lustig, mit dem im vorrevolution�ren Russland ein Mythos von der Gr��e der "russischen Demokratie" geschaffen werden sollte.

Alle heutigen Versuche, in Russland eine lebensf�hige Demokratie auf kapitalistischer Grundlage aufzubauen, haben historisch betrachtet eine noch viel geringere Aussicht auf Verwirklichung als zu Beginn des Jahrhunderts. Wenn der russische Kapitalismus existieren kann, dann nur um den Preis einer r�cksichtslosen Anwendung autorit�rer Unterdr�ckungsmethoden.

Jelzin hatte es zu Beginn seiner politischen Karriere verstanden, diffuse Hoffnungen auf soziale Gleichheit und Gerechtigkeit um seinen Namen zu konzentrieren. Solange solche Hoffnungen anhielten, �bte er f�r die neue herrschende Klasse eine wichtige Funktion aus, indem er den Abgrund zwischen der neuen privilegierten Schicht von Privateigent�mern und den Millionen einfacher B�rger ausf�llte. Mit seinem Weggang wird dieser Abgrund noch viel offensichtlicher werden.

Die Periode des romantischen Glaubens der Massen in die Wunderkraft des Kapitalismus wird f�r Russland endg�ltig Vergangenheit werden. Die Herrschenden gruppieren sich um und bereiten sich auf die r�cksichtslose Gewaltanwendung zur Unterdr�ckung jeglichen Wiederstandes seitens der Werkt�tigen vor. Genau darin besteht die objektive soziale Rolle des neuen amtierenden Pr�sidenten Putin.

Siehe auch:
Pr�sidentenwechsel in Moskau
(7. Januar 2000)

 

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Pr�sidentenwechsel in Moskau

Von Peter Schwarz
7. Januar 2000

Was will Putin? - Diese Frage f�llt die Kommentarspalten der Zeitungen, seit der russische Pr�sident Boris Jelzin am Silvesterabend �berraschend zur�cktrat und das Amt an seinen selbsterkorenen Nachfolger Wladimir Putin �bergab.

Obwohl Putin seit f�nf Monaten die Regierung leitet, ist er, was seine politischen Ansichten und Ziele betrifft, nach wie vor ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Man wei� nur, dass er seine berufliche und politische Bildung in den Reihen des sowjetischen Geheimdiensts KGB erhielt, dass er Pr�sident Jelzin, solange dieser die Z�gel der Macht in den H�nden hielt, bedingungslos ergeben war, und dass er, zum Ministerpr�sidenten ernannt, mit gro�er H�rte und R�cksichtslosigkeit gegen die Zivilbev�lkerung den Tschetschenien-Krieg vorantrieb.

1952 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg geboren, studierte Putin Jura und trat 1975 unmittelbar nach Abschluss seines Studiums in die Dienste des KGB ein. F�r diesen war er als f�hrender Mitarbeiter der Auslandsaufkl�rung in der DDR t�tig, wobei er mindestens zehn Jahre lang in Dresden stationiert gewesen sein soll. Der genaue Charakter seiner T�tigkeit als KGB-Agent bildet bis heute einen wei�en Fleck in seiner Biografie.

In den Wendejahren 1990/91 trat Putin erstmals politisch in Erscheinung - als Gefolgsmann der Radikalreformer Anatoli Sobtschak und Anatoli Tschubais. Er arbeitete als Berater und schlie�lich als Stellvertreter des damaligen St. Petersburger B�rgermeisters Sobtschak und galt bald als "graue Eminenz" der Stadtverwaltung, wobei er sich stets im Hintergrund hielt und selten in der �ffentlichkeit auftrat. St. Petersburg erwarb sich damals den Ruf einer Stadt der Korruption und Skandale, in deren Gesch�ftsleben auch Auftragsmorde zur Normalit�t geh�ren.

1996 holte Tschubais Putin in die Kremladministration nach Moskau. Dort stieg er in kurzer Zeit zum Vizechef des Kreml-Stabs auf. 1998 ernannte ihn Jelzin zum Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, einer Nachfolgeorganisation des KGB, und im M�rz 1999 zus�tzlich zum Sekret�r des Nationalen Sicherheitsrats. In diesen Funktionen hielt Putin dem zunehmend von Skandalen bedr�ngten Pr�sidenten den R�cken frei. Ber�chtigt wurde der Fall des Staatsanwalts Juri Skuratow, der es gewagt hatte, die Finanzpraktiken der Jelzin-Familie und ihres Hintermanns, Boris Beresowski, zu untersuchen. Der FSB pr�sentierte ein Video, das Skuratow in einer verf�nglichen Situation mit Prostituierten zeigte - der Fall war erledigt, Skuratow musste gehen.

Auf diesem Hintergrund erscheint der Amtswechsel im Kreml als geschickter Schachzug Jelzins, um sich und seinem Hofstaat aus schwerreichen Oligarchen f�r weitere f�nf Jahre Macht und Einfluss zu sichern. Dank Jelzins vorzeitigem R�cktritt wird die Pr�sidentenwahl um drei Monate vorgezogen und bereits am 26. M�rz, statt wie regul�r vorgesehen im Juni stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt gilt ein Wahlsieg von Putin als so gut wie sicher, vor allem wenn er noch den Bonus des amtierenden Pr�sidenten einsetzen kann. In sechs Monaten w�re der Wahlausgang wesentlich ungewisser. Die S�ddeutsche Zeitung spricht deshalb vom Versuch einer "Erbfolgeregelung nach Zarenart".

Auch die erste Amtshandlung Putins st�tzt diese Interpretation der Dinge. Er unterzeichnete ein Dekret, das Jelzin auf Lebenszeit strafrechtliche Immunit�t und zahlreiche materielle Privilegien zusichert.

Dennoch stellt sich mit Jelzins Abtreten von der politischen B�hne die Frage: Was denkt und will Putin selbst? Bedeutet der Wechsel im Pr�sidentenamt nur einen Austausch von Figuren, oder leitet er auch eine andere Politik ein?

Eine erste Antwort auf diese Fragen gibt ein Papier, das Putin f�nf Tage vor dem Amtswechsel unter seinem Namen auf der Web Site der Regierung ( Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) ver�ffentlichen lie�. Ein Thema durchzieht dieses Papier wie ein Leitmotiv: Der Ruf nach einem starken, autorit�ren Staat.

Eingangs zieht Putin eine verheerende Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung unter seinem Amtsvorg�nger. Das Bruttoinlandprodukt habe sich in den neunziger Jahren nahezu halbiert, dass Bruttosozialprodukt belaufe sich auf ein Zehntel des amerikanischen und auf ein F�nftel des chinesischen. Die Produktivit�t liege - mit Ausnahme des Rohstoff- und Energiesektors - bei 20 bis 24 Prozent der amerikanischen.

Ausr�stung und Maschinen, von denen die Qualit�t der Produktion abh�nge, seien hoffnungslos veraltet. Nur knapp f�nf Prozent seien weniger als f�nf Jahre alt, im Gegensatz zu 29 Prozent vor zehn Jahren. Die Summe der Direktinvestitionen aus dem Ausland belaufe sich lediglich auf 11,5 Milliarden Dollar, im Gegensatz zu 43 Milliarden in China. In Forschung und Entwicklung werde kaum Geld investiert.

Die Realeinkommen seien seit Beginn der Reformen kontinuierlich gesunken. Das gesamte Geldeinkommen der Bev�lkerung belaufe sich auf weniger als zehn Prozent des amerikanischen Vergleichswerts. Ebenso h�tten sich Gesundheit und durchschnittliche Lebenserwartung verschlechtert.

Obwohl sich die von Putin angef�hrten Zahlen ausschlie�lich auf die sogenannte Reformperiode beziehen, d.h. auf die Zeit nach der Aufl�sung er Sowjetunion, bezeichnet er die dramatische wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation als "Preis, den wir f�r die von der Sowjetunion ererbte Wirtschaft bezahlen m�ssen". Aufgrund von Fehlkalkulationen und Unerfahrenheit seien im Erneuerungsprozess zwar Fehler gemacht worden, aber zur Marktwirtschaft gebe es "keine Alternative".

Jedem nostalgischen R�ckblick auf die Sowjetunion erteilt er eine klare Absage: "Unser Land und sein Volk haben f�r das bolschewistische Experiment einen verabscheuensw�rdigen Preis bezahlt." Der Kommunismus sei "der Weg in eine Sackgasse gewesen, weit weg von der Hauptrichtung der Zivilisation".

Gest�tzt auf diese Festlegungen tritt Putin f�r eine Korrektur des bisherigen wirtschaftlichen und politischen Kurses ein.

Russland, schreibt er, habe sein "Limit f�r politische und sozio-�konomische Ersch�tterungen, Umw�lzungen und radikale Reformen ersch�pft". Land und Leute w�rden neuen radikalen Br�chen nicht standhalten, "ganz gleich ob sie unter kommunistischen, nationalpatriotischen oder radikalliberalen Parolen stattfinden". Angebracht seien "evolution�re, graduelle und vorsichtige Methoden". Die Erfahrung der 90er Jahre habe gezeigt, dass "abstrakte Modelle und Schemata aus ausl�ndischen Textb�chern nicht auf Russland �bertragen werden" k�nnten. Russland m�sse "seinen eigenen Weg der Erneuerung" finden, indem es "die universellen Prinzipien der Marktwirtschaft und Demokratie mit den russischen Realit�ten" verbinde.

Was darunter konkret zu verstehen ist, wird auf den folgenden Seiten deutlich. Putin betrachtet die Gesellschaft mit den Augen eines Machttechnikers aus dem Geheimdienst, dem jede wirklich demokratische Bestrebung der Massen ein Gr�uel ist. Ein starker Staat und eine starke, nationalistisch gef�rbte Ideologie sind f�r ihn die beiden wichtigsten Voraussetzungen, um die gesellschaftliche Einheit zu erreichen, die er als Grundlage f�r die Verwirklichung seines liberalen Wirtschaftsprogramms betrachtet.

Ganz im Stile eines angehenden Bonaparte beschwert er sich, dass gegenw�rtig viel Energie durch "politische Z�nkereien" verschwendet werde, "anstatt die konkrete Aufgaben von Russlands Erneuerung im Angriff zu nehmen".

Dann beschw�rt er die "traditionellen russischen Werte" als Grundlage f�r die Einheit der russischen Gesellschaft. Darunter versteht er "Patriotismus", "der Glaube an die Gr��e Russlands", "Staatlichkeit" ("F�r die Russen ist ein starker Staat keine Anomalie, die beseitigt werden muss. Im Gegenteil, sie betrachten ihn als Quelle und Garant von Ordnung und als Initiator und Haupttriebkraft jeder Ver�nderung.") und "gesellschaftliche Solidarit�t".

Auch das n�chste Kapitel steht unter der �berschrift "Starker Staat". Erneut wird betont: "Russland ben�tigt eine starke Staatsmacht und muss sie haben."

Und schlie�lich wird das Papier mit einem Kapitel "leistungsf�hige Wirtschaft" abgeschlossen, in dem neben den traditionellen Postulaten der Marktliberalen - besseres Klima f�r ausl�ndische Investoren; effektiveres Steuer- und Finanzsystem; Integration der russischen Wirtschaft in die Weltwirtschaft - vor allem eine aktivere Rolle des Staates in der Wirtschaft gefordert wird. Russland, hei�t es, m�sse "ein gesundes System der staatlichen Regulierung der Wirtschaft und Gesellschaft aufbauen".

Betrachtet man Putins Aufstieg im Lichte dieses Papiers, dann wird deutlich, dass der Pr�sidentenwechsel in Moskau tats�chlich mehr bedeutet als den Austausch einer Figur durch eine andere.

Jelzins Aufgabe - zumindest in den ersten Jahren seiner Amtszeit - bestand darin, die von der Sowjetunion ererbten staatlichen Institutionen niederzurei�en, um den Weg f�r den beispiellosen Raubzug frei zu machen, der unter dem Namen "Privatisierung" in die Geschichte einging. Diesem Zweck diente die Aufl�sung der Sowjetunion im Dezember 1991 ebenso wie die Beschie�ung des russischen Parlaments im Oktober 1993.

Der beispiellose wirtschaftliche und gesellschaftliche Niedergang, der folgte, sowie das aggressive Vordringen der USA und der Nato im ehemaligen Ostblock und S�den der Sowjetunion, bedrohen nun die Grundlagen der Russischen F�deration selbst. Nun werden wieder starke staatliche Institutionen ben�tigt, um die Interessen der neuen Herrscherclique nach au�en und vor allem nach innen zu verteidigen.

Dass sich Putin in seinem Papier neben den USA immer wieder auf China beruft, ist in diesem Zusammenhang bezeichnend. Die stalinistische B�rokratie in China hat den Weg der kapitalistischen Restauration ebenso entschieden beschritten wie jene in Moskau. Aber im Gegensatz zu letzterer hat sie den staatlichen Repressionsapparat - einschlie�lich Kommunistischer Partei, Armee und Geheimdienst - intakt gehalten und ist damit wesentlich besser gefahren. So gesehen signalisiert Putins Papier eine Ann�herung Moskaus an den "chinesischen Weg".

Daraus erschlie�t sich auch die Bedeutung des Tschetschenienkriegs, der Putins kometenhaften Aufstieg erst erm�glicht hat. Au�enpolitisch dient er dazu, die Anspr�che der russischen Herrscherclique auf den Kaukasus und die kaspische Region geltend zu machen, die immer st�rker unter westlichen Einfluss geraten. Innenpolitisch dient er als Hebel, um den Patriotismus zu sch�ren, auf den Putin seinen starken Staat baut. Die ungeheure Brutalit�t, mit der die russische Armee gegen die lokale Bev�lkerung vorgeht, ist nur ein Vorgeschmack darauf, was all jene in Russland selbst zu erwarten haben, die sich Putins Kurs der nationalen Einheit widersetzen oder gegen soziale Missst�nde protestieren.

Der Krieg ist allerdings noch nicht entschieden. Weitere hohe russische Verluste oder gar eine Niederlage, wie im ersten Tschetschenienkrieg, k�nnten Putins Stern schnell wieder sinken lassen.

Karl Grobe hat Putin in der Frankfurter Rundschau als "personifizierten Ausdruck des Machttransfers an den milit�risch-geheimpolizeilichen Komplex und seiner Einigung mit der raubkapitalistischen Oligarchie" bezeichnet. Eine treffende Charakterisierung. Man sollte aber nicht aus den Augen verlieren, dass dieser Machttransfers auf dem Hintergrund einer tiefen sozialen Krise und wachsender Unzufriedenheit breiter Bev�lkerungsschichten stattfindet. Diese Unzufriedenheit hat bisher noch keine bewusste politische Artikulation gefunden. Das erm�glicht es Putin vorl�ufig, seinen starken Staat pseudodemokratisch zu bem�nteln. Das wird sich aber schnell �ndern, wenn es zu offenen Klassenkonfrontationen kommt.

Die westlichen Regierungen haben durchg�ngig ihre Hoffnung auf eine gute und enge Zusammenarbeit mit Putin zum Ausdruck gebracht. Nicht eine hat bisher an seinen innenpolitischen Vorstellungen Ansto� genommen. Es wurde lediglich vereinzelt die Sorge ge�u�ert, dass er sich auf internationalem Parkett als schwierigerer Verhandlungspartner erweisen k�nnte, als sein Vorg�nger.

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Andrej Sacharow und das Schicksal liberaler und demokratischer Ideen im postsowjetischen Russland

Von Wladimir Wolkow
6. Juni 2001
aus dem Russischen (24. Mai 2001)

Am 21. Mai w�re der Wissenschaftler Andrej Sacharow, der zun�chst als Erfinder der sowjetischen Wasserstoffbombe und sp�ter als Dissident und liberaler Kritiker des stalinistischen Regimes bekannt wurde, achtzig Jahre alt geworden. Diesem Anlass widmeten sich zahlreiche Artikel in der russischen Presse.

Allgemeiner Tenor war der Tonfall des Triumphes. Typisch war beispielsweise folgende Formulierung der Zeitung Iswestija: "Sacharow �berwand Raum und Zeit", "Sacharow ging als Sieger aus seiner Begegnung mit der Geschichte hervor", er und Alexander Solschenizyn seien "zwei Freie in versklavten Zeiten" gewesen.

Diese Begeisterungsst�rme lassen sich erkl�ren. Das neue kapitalistische Russland hat s�mtliche alten Werte und Autorit�ten aufgehoben, ohne etwas Neues an ihre Stelle zu setzen. Die meisten popul�ren Ber�hmtheiten - Politiker, Schriftsteller, Stars der Unterhaltungsbranche - haben sich gleich mehrfach in Misskredit gebracht und die Erwartungen des Durchschnittsb�rgers entt�uscht. In dieser Atmosph�re allgemeiner Entt�uschung, angesichts des Mangels an Autorit�ten und Orientierungen, versucht die Regierung von oben eine Reihe von Kultfiguren zu schaffen, die als Modelle f�r Moral und Ethik dienen sollen.

Der Wissenschaftler Sacharow erwies sich als recht geeignet f�r diesen erlauchten Kreis neuer "Heiliger". Seine tiefe �berzeugung, dass allein die Vorherrschaft des Privateigentums Demokratie und Menschenrechte sichern k�nne, hat ihn zu einer Art Propheten des kapitalistischen Russland werden lassen. Gl�cklicherweise verlie� er die B�hne rechtzeitig, so dass ihn niemand mehr f�r die Folgen verantwortlich machen kann.

Die reichen Bl�ten der Bewunderung, welche die neue herrschende Elite heute �ber Sacharows Grab aussch�ttet, lassen jedoch auch Spuren von Ambivalenz erkennen. Die heutigen russischen Politiker und Medienbarone w�nschen keine gr�ndliche Diskussion �ber die wirklichen Gedanken des sowjetischen Dissidenten, �ber seine ideologische Evolution und �ber die Folgen des politischen Programms, f�r das Sacharow in der zweiten H�lfte der achtziger Jahre �ffentlich eingetreten war.

Der Jubel �ber Sacharow bezieht sich daher in erster Linie auf ihn als bewundernswerten Menschen, nicht als Pers�nlichkeit des �ffentlichen und politischen Lebens. Typisch sind in dieser Hinsicht die Worte von Alexander Ginsburg, der in der Zeit der sechziger bis achtziger Jahre ebenfalls ein bekannter Dissident war: "Wenn Sacharow heute noch am Leben w�re, dann w�rde unser Leben nicht wesentlich anders aussehen... Er wies uns keinen politischen, sondern einen ethischen Weg."

Die N�chternheit dieser �u�erung wird von anderen noch �bertroffen. Der Kommentator Leonid Radsichowski schreibt: "Sacharow bleibt nat�rlich eine historische Figur, doch aus irgend einem Grunde ist er in der russischen �ffentlichkeit nicht zu einem �brandhei�en� Propheten geworden; sein Name wurde nicht zu einem heroischen und mythologischen nationalen Symbol."

Eine wichtige Beobachtung: Sacharow ist nicht zum Volkshelden geworden; er war und bleibt eine Kultfigur der "offiziellen" russischen Intelligenz und von deren Eliten. Dar�ber hinaus �u�ern selbst seine gl�hendsten Verehrer gewisse Vorbehalte.

Welche Inhalte von Sacharows "Verm�chtnis" wecken heute Befremden und Widerspruch? In erster Linie sind es bestimmte grundlegende Ziele Sacharows, die mit seinen Appellen an das menschliche Gewissen, mit seinem Fortschrittsglauben und mit seiner �berzeugung verbunden sind, dass die Gesellschaft im Interesse ihrer Mehrheit ver�ndert werden k�nne.

Obwohl seine konkreten politischen Perspektiven und Vorschl�ge von Mitte der siebziger Jahre an zunehmend reaktion�ren Charakter annahmen und er die Ideen der kapitalistischen Restauration verbreitete, blieb Sacharow bis zu seinem Tode frei von dem Zynismus und der �berheblichen Gleichg�ltigkeit gegen�ber dem Schicksal der Menschheit, wie sie f�r die Postmodernisten typisch sind.

In seiner Autobiographie, die er im reifen Alter verfasste, schrieb Sacharow: "Ich bin kein Berufspolitiker, und vielleicht mache ich mir deshalb st�ndig Gedanken �ber die Wechselbeziehung zwischen meinem Handeln und seinen Endergebnissen. Ich denke, dass hinsichtlich dieser komplexen und widerspr�chlichen Probleme eigentlich nur moralische Kriterien in Verbindung mit geistiger Offenheit eine Art Richtschnur abgeben k�nnen."

Andererseits hegte Sacharow nicht von Anfang an liberale und demokratische Illusionen �ber den Kapitalismus. In einem Papier von 1968 unter dem Titel "Gedanken �ber Fortschritt, friedliche Koexistenz und geistige Freiheit", in dem er sein Credo umriss, bezeichnete er "die Anschauungen des Autors als zutiefst sozialistisch".

Dieses interessante Dokument interpretiert die bekannte Idee der Konvergenz in dem Sinne, dass die soziale Basis der Sowjetunion erhalten bleiben, ihr gesellschaftliches Leben allerdings von Grund auf demokratisiert werden m�sse. Hier h�lt der Autor einen von allen Spuren des Stalinismus gereinigten Sozialismus f�r das historisch �berlegene Gesellschaftsmodell. Erst sp�ter verschob er die Gewichte so, dass die diametral entgegengesetzte Auffassung entstand. Die heute vorherrschende Ideologie in Russland ist nat�rlich wenig geneigt, diesen Aspekt von Sacharows geistigem Werdegang zu w�rdigen.

Eine weitere f�r ihn typische �berzeugung war sein unabl�ssiges Eintreten f�r das Recht auf freie Meinungs�u�erung und f�r Menschenrechte. Dieses Thema ist bei den offiziellen Politikern seit geraumer Zeit nicht mehr gefragt. Der Kreml betreibt, insbesondere seit Putin das Amt des Regierungschefs �bernahm und den zweiten Tschetschenienkrieg begann, die gezielte Unterdr�ckung der Ans�tze zu demokratischen Gepflogenheiten und zu B�rgerrechten, die Anfang der neunziger Jahre in Russland entstanden waren.

Auch m�chte das russische Establishment nicht daran erinnert werden, dass Sacharow Ende der achtziger Jahre am Entwurf einer neuen Verfassung gearbeitet hatte. Unter anderem hatte diese die juristische Gleichberechtigung s�mtlicher nationaler Gebietsteile der Sowjetunion vorgesehen. Als Boris Jelzin in den fr�hen neunziger Jahren die regionalen Eliten aufrief, "Nehmt Euch so viel Souver�nit�t, wie Ihr verkraften k�nnt", st�tzte er sich noch auf diese und �hnliche Vorstellungen. Die Folgen dieser destruktiven Politik �u�erten sich in zahlreichen ethnischen und regionalen Konflikten auf dem gesamten Gebiet der ehemaligen Union, und ihre unschuldigen Opfer z�hlen heute nach Hunderttausenden.

In dieser Frage hat der Kreml eine Wendung um 180 Grad vollzogen. Er begegnet mittlerweile dem Virus des Separatismus mit einer St�rkung des zentralen Milit�r- und Polizeiapparats und belebt eben jene Traditionen wieder, die zuvor mit dem gesamten Erbe des Stalinismus untergegangen schienen.

Mit anderen Worten, der Versuch, Sacharow in einen "Propheten" und eine "Ikone" zu verwandeln, bezieht sich nur auf den Privatmenschen, nicht aber auf den gesellschaftlichen und politischen F�hrer.

Es gibt noch eine weitere Frage, der die russischen Massenmedien ausweichen. Sie betrifft Sacharows Verm�chtnis. Hat er etwas hinterlassen, das der Entstehung einer neuen Generation geistig unabh�ngiger und verantwortungsbewusster B�rger dienen k�nnte, die Verantwortung f�r das Schicksal der Gesellschaft �bernehmen? Die Zust�nde im postsowjetischen Russland lassen erkennen, dass eine solche Generation nicht einmal im Ansatz vorhanden ist.

Die Soziologin der Zeitschrift Expert, T. Gurova, meint, dass die Ideen der Demokratie, der Verteidigung von B�rgerrechten und Freiheiten in der Dissidentenbewegung aus Sowjetzeiten wurzeln; ihre Vertreter sind haupts�chlich "Personen aus der parteiungebundenen oder nur lose parteigebundenen Intelligenz", die im Gro�en und Ganzen �ber 45 Jahre alt sind. "In diesen Kreisen wird der Begriff der Freiheit gleichgesetzt mit den Begriffen der freien Meinungs�u�erung, der Gewissens- und Assoziationsfreiheit, mit dem Recht auf Auswanderung", usw.

Doch nicht diese Leute entscheiden �ber das wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Leben im heutigen Russland. An den Hebeln von Macht und Einfluss sitzen Leute, die in den vergangenen zehn Jahren sehr erfolgreich waren, "doch diesen Erfolg verdankten sie nicht dem mystischen Ideal der Demokratie, sondern ihrem eigenen Willen und ihrer Tatkraft". Ihre Wurzeln liegen, f�hrt die Expert -Autorin fort, "in den ungez�gelten Gesetzes�berschreitungen ihrer Partner, in der Dummheit der regionalen Gouverneure, in der Brutalit�t und im Erfindungsreichtum ihrer Kollegen, in der Gr��e des Marktes, in der Gleichg�ltigkeit der Staatsmacht - in allem, was unser Alltagsleben ausmacht."

M�glicherweise sind dies die einzigen objektiven gesellschaftlichen Folgen, anhand derer wir die Bedeutung A. Sacharows und �hnlicher Figuren bewerten m�ssen. Vielleicht war seine subjektive Zielsetzung in Ordnung. Pers�nlich hat er sich nicht, wie die �berwiegende Mehrheit der Kremlpolitiker seit den neunziger Jahren, mit L�gen, Blutvergie�en und Korruption besudelt. Doch seine politischen Ideen sind darum nicht weniger reaktion�r. Aus der gro�en historischen Perspektive stand sein politisches Programm nicht f�r einen Ausweg der Sowjetunion aus der Sackgasse, in die sie geraten war, sondern f�r das genaue Gegenteil: f�r ihr immer tieferes Versinken in einer t�dlichen Krise, f�r den gesellschaftlichen Verfall.

Es sollte uns nicht �berraschen, dass seine Ideen in der neuen, postsowjetischen Generation keinen positiven Widerhall finden. Der Geburtstag des Wissenschaftlers Sacharow, dessen Tod nun zw�lf Jahre zur�ckliegt, bietet Anlass, diese bezeichnende Tatsache zu �berdenken und uns die Frage zu stellen, welche gesellschaftliche Perspektive zu einer wirklichen Erneuerung unseres Landes f�hren kann.

 

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Neuer Abr�stungsvertrag bereitet Weg f�r Aufr�stung der USA

Von Joseph Kay
1. Juni 2002
aus dem Englischen (22. Mai 2002)

W�hrend seines Besuchs in Moskau hat US-Pr�sident George W. Bush ein neues Waffenkontrollabkommen mit dem russischen Pr�sidenten Wladimir Putin unterzeichnet. Die am 13. Mai geschlossene Vereinbarung ist nur dem Namen nach ein Abr�stungsvertrag. Er erm�glicht eine Eskalation des amerikanischen Militarismus, jetzt mit der Duldung der russischen Regierung.

Im Zentrum des Vertrags steht die Verpflichtung beider Seiten, die Atomsprengk�pfe in den n�chsten zehn Jahren auf ein Drittel ihrer gegenw�rtigen Zahl zu verringern. Im Moment haben beide Atomm�chte jeweils etwa 6.000 bis 7.000 Sprengk�pfe, diese w�rden demnach auf 1.500 bis 2.000 verringert. Es gibt aber keinen Fahrplan f�r die Deaktivierung der Waffen, d.h. die Vereinigten Staaten (ebenso wie Russland) k�nnten ohne weiteres in der Zwischenzeit ihre Best�nde sogar noch erh�hen, solange das Limit im Jahre 2012 nicht �berschritten wird. Dann l�uft der Vertrag aus, wenn er nicht erneuert wird.

Und das ist nicht das einzige Schlupfloch. Der Vertrag verlangt nicht die tats�chliche Zerst�rung der deaktivierten Sprengk�pfe. Russland protestierte zwar, als die Vereinigten Staaten andeuteten, sie k�nnten ihre Best�nde einfach dadurch reduzieren, dass sie sie einlagern, von wo aus sie schnell und leicht reaktiviert werden k�nnten - eigentlich ein reiner Buchhaltungstrick. Die Vereinbarung verbietet das aber nicht, und US-Vertreter haben durchblicken lassen, dass sie zumindest mit einem Teil des gegenw�rtigen Arsenals so verfahren wollen.

Beide Vertragspartner k�nnen mit einer Frist von 90 Tagen aus dem Vertrag aussteigen. Der ABM-Vertrag, den die USA im Dezember letzten Jahres k�ndigten, und die meisten Waffenkontrollvertr�ge haben eine doppelt so lange K�ndigungszeit. Und im Gegensatz zu Vertr�gen wie Start 1 gibt es keine Bestimmungen dar�ber, welche Art von Nuklearwaffen weiterhin stationiert werden darf.

Die Verhandlungen �ber das Abkommen dauerten nur sechs Monate, und es umfasst nur drei Seiten (verglichen mit Start 2, das 700 Seiten lang ist und mehr als zehn Jahre in Anspruch nahm). Es erweckt den Anschein, dass es zusammengestoppelt wurde, um Putin zu erm�glichen, das Gesicht zu wahren - ein Fetzen Papier ohne Substanz, der aber Putin die Behauptung erm�glicht, er habe die Amerikaner gezwungen, einen Vertrag zu unterzeichnen.

Seit ihrer Amts�bernahme hat die Bush-Regierung jeden internationalen Vertrag rundheraus abgelehnt, der dem amerikanischen Milit�r und der R�stungsindustrie irgendwelche Beschr�nkungen auferlegt. Das entspricht der unilateralen Haltung der amerikanischen Regierung insgesamt, die in ihrer Au�enpolitik keinerlei Schranken mehr anerkennt. Im vergangenen Jahr hatte Bush betont, ein Abr�stungsabkommen sollte lediglich ein informelles Abkommen zwischen den beiden Regierungen und kein formeller Vertrag sein.

Die Regierung akzeptierte Russlands Forderung nach einem formellen Vertrag schlie�lich nur deswegen, weil er keine Auswirkungen auf die amerikanische Milit�rpolitik haben wird. Bush hatte schon vorher bekannt gegeben, dass er die Verringerung des amerikanischen Nuklearpotentials auf das in dem Vertrag vorgesehene Ma� plane, ganz unabh�ngig davon, ob ein Abkommen zustande komme oder nicht. Die Vertreter des Pentagon und Bushs wollten allerdings sicherstellen, dass diese Zahl jederzeit wieder erh�ht werden kann, wenn das amerikanische Milit�r es w�nschen sollte. Das Memorandum zur Nuklearpolitik, dass das Pentagon Anfang des Jahres vorlegte, schlug zum Beispiel eine Verringerung des Nukleararsenals vor, erkl�rte aber gleichzeitig: "F�r den Fall, dass die Beziehungen der USA mit Russland sich in Zukunft deutlich verschlechtern sollten, k�nnte es f�r die USA notwendig sein, das nukleare R�stungsniveau wieder zu erh�hen."

Der Vertrag r�umt Russland den gleichen Spielraum ein, einschlie�lich der Stationierung landgest�tzter Mehrfachsprengk�pfe, gegen die sich Washington bisher gewehrt hatte. Die russische Wirtschaft ist aber gar nicht in der Lage, eine mit den USA vergleichbare Nuklearstreitmacht zu finanzieren, und der Vertrag bedeutet die Anerkennung der amerikanischen �berlegenheit. "Platt ausgedr�ckt hat die unilaterale Verringerung des Nuklearpotentials der USA die Form eines bilateralen Dokuments angenommen," schrieb der russische Verteidigungsexperte Alexander Goltz. Ein hoher amerikanischer Experte wurde im gleichen Sinne zitiert: "Was wir jetzt in dem Vertrag vereinbart haben, wollten wir sowieso tun. Es ist ein Vertrag nach unseren Vorstellungen."

Quid pro quo

Das Abr�stungsabkommen �ber Nuklearwaffen ist ein Bereich von mehreren, �ber die es Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland gibt. Unter Putin hat die russische Regierung in den vergangenen Monaten an einer Neuorientierung ihrer Haltung gegen�ber den USA gearbeitet und dabei ihre Opposition gegen die Milit�roperationen der USA weitgehend fallengelassen; sie hofft darauf, dass Washington sich entsprechend revanchiert.

Als Teil seiner Bem�hungen, die Billigung der USA f�r seine eigenes Vorgehen zu erhalten, hat Russland seine Opposition gegen die amerikanischen Pl�ne f�r den Aufbau einer Raketenabwehr (NMD) weitgehend fallengelassen. Bis zum Herbst letzten Jahres lehnte Russland den Versuch Washingtons, den ABM-Vertrag zu k�ndigen, entschieden ab. Als die Bush-Regierung dann im Winter ihre Absicht bekannt gab, den Vertrag aufzugeben, war die russische Reaktion ziemlich unaufgeregt. Bush versicherte Russland damals, dass das System nicht dazu dienen werde, russische Raketen abzuwehren. In dem Vertrag steht �ber dieses Versprechen allerdings nichts, und Raketenabwehrsysteme werden darin gar nicht erw�hnt.

Der Vertrag bereitet daher dem Aufbau einer NMD den Weg, der in wenigen Wochen nach Ablauf der sechsmonatigen K�ndigungsfrist in Alaska beginnen wird. Es hat zwischen den L�ndern sogar Gespr�che �ber eine m�gliche Beteiligung Russlands am Aufbau eines zuk�nftigen Raketenabwehrsystems gegeben. Bush und Putin haben einem gemeinsamen NMD-Komitee zugestimmt, das diese M�glichkeit ergr�nden soll, und ein hoher Sprecher der Regierung sagte, dass die beiden bei einem Treffen in Moskau �ber "verst�rkte Zusammenarbeit... bei der Raketenabwehr" sprechen wollen. Die USA hoffen, dass eine Unterst�tzung Russlands auch die Opposition Europas schw�chen wird.

Die Putin-Regierung hat ihre Kritik an der zunehmenden US-Milit�rpr�senz in Zentralasien, darunter auch in einigen ehemaligen Sowjetrepubliken, abgeschw�cht. Gleichzeitig plant die Nato, sich in die ehemaligen Sowjetrepubliken im Baltikum - Estland, Lettland und Litauen - auszudehnen.

Au�erdem gibt es Anzeichen, dass Russland sich darauf vorbereitet, eine amerikanische Intervention im Irak zu akzeptieren, die f�r Ende des Jahres erwartet wird. Kurz nach dem Abschluss des Raketenabkommens stimmte Russland mit den anderen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats der von den USA unterst�tzten Neuformulierung der Irak-Sanktionen zu. Durch die Unterst�tzung der Resolution versuchte Washington die europ�ische Kritik an der Sanktionspolitik zu unterlaufen und dadurch mehr Unterst�tzung f�r eine Milit�rintervention zu bekommen. Russland hofft auf der anderen Seite, dass die USA ihm in einem Irak nach Hussein die Kontrolle eines Teils der �lfelder des Landes �berlassen wird.

Neben dem Beharren auf dem Prinzip eines internationalen Vertrags spekuliert Russland auch darauf, dass engere Beziehungen mit den USA seine wirtschaftlichen Aussichten verbessern und ihm erm�glichen werden, seine regionalen Interessen ohne Einmischung der USA zu verfolgen. Wladimir Frolow, ein Berater des Vorsitzenden des Au�enpolitischen Ausschusses der Duma, schrieb in einem Kommentar in der St. Petersburg Times : "Putin scheint wirklich zu glauben, dass die Ann�herung Russlands an den Westen in dessen ureigenem Interesse ist, weil nur so die Voraussetzungen f�r die wirtschaftliche und gesellschaftliche Wiederbelebung Russlands und seine Wiedergeburt als Gro�macht geschaffen werden k�nnen... Er steht damit nicht allein und hat in der wachsenden Unternehmerklasse Russlands eine starke St�tze, die nach Anerkennung durch den Westen hungert."

Einen Tag nach der �bereinkunft �ber die Abr�stungsma�nahme stimmte die Nato einer neuen Partnerschaft zwischen Russland und der Nato zu. Russland wird an verschiedenen Nato-Entscheidungen beteiligt werden, obwohl die Vereinigten Staaten und die westeurop�ischen Gro�m�chte die Kontrolle in den meisten Fragen, darunter auch die Entsendung von Truppen, behalten werden. Putin hofft auch auf die Unterst�tzung der USA f�r die Aufnahme Russlands in die Welthandelsorganisation (WTO) Ende des Jahres.

Putin hat die Au�en- und Milit�rpolitik Russlands umorientiert und auf regionale Fragen konzentriert, besonders auf die Unterdr�ckung der nationalistischen Revolte in Tschetschenien und auf den Konflikt mit Georgien, die beide den Zugang Russlands zum �lreichen Kaspischen Meer bedrohen. Seit dieser Umorientierung Russlands haben die USA ihre bis dahin scharfe Kritik an dem brutalen Krieg in Tschetschenien fallen gelassen.

Am 13. Mai - dem Tag des Abschlusses der Abr�stungsverhandlungen - unterzeichnete Russland ein Abkommen mit dem zentralasiatischen Staat Kasachstan �ber die Aufteilung der �l- und Gasvorr�te unter einem Teil des Kaspischen Meeres. Russlands gr��te �lgesellschaft LUKoil hat umfangreiche Interessen in der nordkaspischen �lf�rderung, und Russland hofft, durch eine gesteigerte Ausbeutung dieser Vorkommen den Nahen Osten als wichtigsten Roh�llieferanten Europas und Amerikas herausfordern zu k�nnen. In den vergangenen Monaten haben die USA eine viel freundlichere Haltung gegen�ber den �linteressen Russlands eingenommen als fr�her.

Innere Konflikte

Im vergangenen Jahr hat Russland seinen Ton in den Beziehungen zu Washington merklich ver�ndert. Es hat f�r den Moment die Hoffnung aufgegeben, den USA in einer "multipolaren Welt" Paroli bieten zu k�nnen. Der russische Au�enminister Igor Iwanow �u�erte sich euphorisch �ber die neue Zusammenarbeit mit der Nato: "Wir m�ssen jetzt zusammen am Aufbau der neuen Weltordnung arbeiten."

Diese Umorientierung k�nnte sich schnell wieder �ndern, vor allem wenn die wachsenden Spannungen zwischen den USA und Europa zu einem offenen Bruch der transatlantischen Beziehungen f�hren sollten. Russland hat enge Beziehungen zu Europa und besonders zu Deutschland. Es ist zudem Bestandteil von Putins Strategie, Washington f�r eine Verbesserung der Beziehungen zu Westeuropa zu benutzen. Sollte diese Strategie fehlschlagen, k�nnte die pro-amerikanische Haltung in sich zusammenbrechen.

Es gibt in der russischen Elite starke Widerst�nde gegen eine so empfundene v�llige Kapitulation vor den Vereinigten Staaten. Leonid Iwaschow, der fr�here Leiter der au�enpolitischen Abteilung der russischen Armee, nannte Putins Kurs "einen geostrategischen Selbstmordversuch".

Alexei Mitrofanow, ein Mitglied der russischen Duma, nannte das Nuklearabkommen "einen Fehler.... Wir tun den USA einen Gefallen. Sie bauen einen Abwehrschild und wir zerbrechen unser Schwert. Wir m�ssen uns das Recht vorbehalten, so viele Raketen wie m�glich zu behalten, damit wir unter jedem Baum eine stationieren k�nnen." Besonders in der Milit�rf�hrung gibt es starke Vorbehalte gegen eine Raketenabwehr und eine amerikanische Pr�senz in Zentralasien.

In den USA ist ein Teil der herrschenden Elite emp�rt, dass Bush �berhaupt einem Vertrag zugestimmt hat, selbst einem, der den USA v�llige Freiheit l�sst. In einem Leitartikel des Wall Street Journal mit dem Titel "Ein Geschenk f�r Mr. Putin" hie� es: "Bush hat dem Leichnam Abr�stung neues Leben eingehaucht. Der Vertrag wir die veraltete und gef�hrliche Vorstellung neu beleben, dass die Sicherheit der USA gleichbedeutend mit Vertr�gen sei."

Trotzdem wird der Vertrag vermutlich von beiden L�ndern ratifiziert werden. Im US-Senat haben die meisten f�hrenden Demokraten und Republikaner Zustimmung signalisiert. Der Vorsitzende des Ausw�rtigen Ausschusses des Senats, der Demokrat Joseph R. Biden, und der Republikaner Jesse Helms haben sogar darauf bestanden, dass ein richtiger Vertrag geschlossen wird. Die F�hrer des Senats wollten, dass der Kongress wenigstens einen gewissen Einfluss in dieser Frage hat. Senator Joseph Lieberman nannte den Vertag "einen k�hnen bedeutenden Schritt" der "die Welt sicherer machen" wird.

Die Unverbindlichkeit des Vertrags macht ihn f�r die herrschende Klasse der USA im Gro�en und Ganzen akzeptabel. Es ist aber unklar, wie lange die Unterst�tzung in Russland anhalten wird. Dimitri Trenin, ein au�enpolitischer Experte des Moskauer Zentrums des Carnegie Endowment for International Peace, meinte: "Der Preis [den Russland zahlen muss] ist Russlands Integration in die Weltgemeinschaft, die von den Vereinigten Staaten dominiert wird." Die zweifelhafte Stabilit�t dieser "Gemeinschaft" macht den Nutzen dieses Eintrittspreises ungewiss.

Siehe auch:
Russlands ver�nderte Rolle in der Weltpolitik
(31. Mai 2002)

 

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Bushs Besuch in Moskau

Russlands ver�nderte Rolle in der Weltpolitik

Von Patrick Richter
31. Mai 2002

Seit dem Ende der Sowjetunion vor �ber zehn Jahren wurde kaum so oft von einer "Zeitenwende", einem "historischen Ereignis" oder der "Beerdigung des Kalten Krieges" gesprochen wie in den vergangenen Tagen.

W�hrend seiner j�ngsten Europareise unterzeichnete US-Pr�sident George W. Bush bei seinem dreit�gigen Besuch in Moskau mit dem russischen Pr�sidenten Wladimir Putin Vertr�ge zur Abr�stung von nuklearen Sprengk�pfen und zu einer "strategischen Partnerschaft". Vier Tage sp�ter, am 28. Mai, wurde Russland in Rom mit gro�em Zeremoniell unter Anwesenheit der Regierungschefs aller 19 Nato-L�nder im Rahmen eines zu bildenden Nato-Russland-Rates in die Strukturen der Nato aufgenommen.

Bei der Vertragsunterzeichnung in Moskau erkl�rte Bush feierlich, dass "eine neue amerikanisch-russische Partnerschaft geschnitzt wird". "Wir sind Freunde und keine Feinde mehr". Es herrsche nun ein "Klima des Vertrauens". Putin erg�nzte: "Es herrscht ein Geist des gegenseitigen Verstehens wie zu Zeiten des Nazismus", als USA und Sowjetunion gemeinsam gegen Nazi-Deutschland k�mpften. "Wir sprechen heute eine Sprache".

Doch bei all diesen Vereinbarungen steht hinter der feierlichen Betonung von "Freundschaft", "gleichberechtigter Zusammenarbeit" oder gar einer "Verringerung der atomaren Bedrohung" die nahezu vollst�ndige und bedingungslose Unterordnung des Kremls unter die machtpolitische Dominanz Washingtons. Es ging nur noch darum, dass Moskau wenigstens dem Schein nach sein Gesicht wahren kann.

Im Ergebnis des j�ngsten Treffens bleibt das milit�rische Potenzial der USA unangetastet, und deren Vorbereitungen auf einen Krieg gegen den Irak werden stillschweigend toleriert, wenn nicht sogar tatkr�ftig unterst�tzt.

Schon die Gestaltung des Abr�stungsvertrages spricht B�nde. Die innerhalb weniger Monate hektisch zusammengezimmerte und nur drei Seiten umfassende Vereinbarung sieht den Abbau von zwei Dritteln der jeweils rund 6000 Sprengk�pfe umfassenden Arsenale strategischer Atomwaffen vor. In ihm sind abgesehen von der zehnj�hrigen Laufzeit keinerlei bindende Abr�stungsschritte festgelegt, und die Prozeduren der Vertrags�berwachung sollen erst nach der Unterzeichnung ausgehandelt werden. Dar�ber hinaus kann der Vertrag jederzeit mit einer Vorank�ndigungsfrist von drei Monaten einseitig aufgehoben werden.

Russland konnte sich ohnehin Unterhalt und Wartung der Sprengk�pfe im bisherigen Umfang nicht mehr leisten und lie� schon vor einiger Zeit durchsickern, dass der Bestand bis 2012 auf 1500 reduziert werden solle. Auf US-Seite ist dagegen vorgesehen, die Sprengk�pfe lediglich von den Tr�gersystemen zu trennen. Nur ein kleiner Teil der Sprengk�pfe wird zerst�rt, der Rest zu einem Teil unterirdisch eingelagert und zu einem anderen Teil "in operationeller Reserve" gehalten. Die Tr�gersysteme werden dabei �berhaupt nicht verringert bzw. vernichtet, was immer indiskutable Bedingung aller fr�heren Abr�stungsvertr�ge war.

Dieser Scheinvertrag ist Ergebnis eines au�enpolitischen Schwenks, den der Kreml sp�testens seit Beginn des Afghanistankrieges vollzogen hat. Ihm liegt das Eingest�ndnis zugrunde, dass es dem Kreml milit�risch und wirtschaftlich nicht m�glich ist, sich der immer aggressiveren au�enpolitischen Linie der USA zu widersetzen, ohne Gefahr zu laufen, in einer ernsthaften Konfrontation mit den USA vollst�ndig in eine Krise getrieben zu werden. Auch in Anbetracht seiner innenpolitischen Schw�che und der wachsenden sozialen Spannungen im Innern fl�chtet das russische Establishment in die Arme Washingtons.

Bis zum Beginn des Afghanistankrieges demonstrierte der Kreml von Zeit zu Zeit seine Opposition gegen�ber den Anspr�chen der USA. Als Reaktion auf die Bombardierung Belgrads lie� der damalige Ministerpr�sident Jewgeni Primakow am 24. April 1999 auf dem Weg zu einem Treffen mit Pr�sident Clinton und den Oberh�uptern der Nato-Staaten sein Flugzeug �ber dem Atlantik wenden. Wenige Wochen sp�ter besetzten russische Soldaten in einem �berraschungscoup den Flughafen von Pri�tina, der Hauptstadt des Kosovo. Ein halbes Jahr darauf begann unter Putin der zweite Krieg in Tschetschenien, das Moskau als wichtiges Pfand im Kampf um die �l-Ressourcen des Kaspischen Raumes betrachtete.

Noch bis zum letzten Sommer bem�hte sich Putin um strategische Allianzen mit China und Indien, die als Gegengewicht zur internationalen Dominanz der USA dienen sollten.

Doch sp�testens seit den amerikanischen Angriffen auf Afghanistan und der gleichzeitigen Stationierung von US-Truppen in Usbekistan, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan stand fest, dass Moskau dem nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Es nahm das Eindringen des st�rksten Konkurrenten in seine traditionelle Einflusssph�re tatenlos hin. Auch die Aufk�ndigung des ABM-Vertrages durch die USA vor einem halben Jahr akzeptierte Moskau nolens volens.

Trotz aller noch verbliebener Anspr�che, als Gro�macht oder gar als eine der beiden Superm�chte zu gelten, ist das tats�chliche Gewicht Russlands im Vergleich zu den USA kaum noch relevant. Bei einer Bev�lkerungsgr��e von etwa 55 Prozent betr�gt die Wirtschaftsleistung Russlands weniger als 5 Prozent der amerikanischen, und der gesamte Staatshaushalt liegt nur knapp �ber 30 Milliarden Dollar. 10 Milliarden davon werden f�r milit�rische Zwecke ausgegeben - ein Taschengeld im Vergleich zum Verteidigungshaushalt der USA mit �ber 340 Milliarden Dollar. Das einzige Pfand von Gewicht bildet die verbliebene atomare Streitkraft.

So wurde dieser Abr�stungsvertrag von vornherein als Formalie ausgehandelt. Er dient zur Wahrung des Gesichts und enth�lt keinerlei Verpflichtungen f�r die USA. Die US-Regierung signalisierte von Anbeginn, dass sie sich auf keinerlei kodifizierte atomare Abr�stungsvereinbarung einlassen werde, die ihr irgendetwas vorschreibt.

In den herrschenden Kreisen Russlands besteht �ber dieses Vorgehen weitgehend Einigkeit, und der Vertragsentwurf konnte unbeschadet die Abstimmung im Parlament, der Duma, �berstehen. Alexej Arbatow, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses der Duma, erkl�rte, dass Russland mit diesem Vertrag "die beste L�sung f�r sich herausgehandelt hat, nachdem das russische Milit�r Pl�ne bekannt gegeben hatte, aufgrund von Geldmangel sogar ohne jegliche Vereinbarung mit den USA den Bestand an nuklearen Waffen zu reduzieren". Au�enminister Igor Iwanow gab sich noch bescheidener: "Das ist das meiste, was wir erreichen konnten. Die gr��te Errungenschaft ist, dass wir den Verhandlungsprozess aufrechterhalten konnten."

Lediglich die Kommunistische Partei meldete Opposition gegen diesen Vertrag und Putins Tolerierung von US-Truppen in den ehemaligen Sowjetrepubliken an. Sie sieht sich als Verteidigerin und Sprachrohr einer gro�russischen, nationalen Idee und als Interessenvertreterin bestimmter Teile der Armee sowie der R�stungs- und anderer vom Staat abh�ngiger Industrien. Ihr Vorsitzender, Gennadi Sjuganow, bezeichnete die Vereinbarung als "nationalen Verrat".

Das russische Erd�l als letzter Trumpf

Die Kremlf�hrung geht �ber ihren Kotau vor den USA in Sachen Abr�stung hinaus und bietet sich jetzt auch in anderen Fragen direkt als Juniorpartner an. Wesentlichen Raum auf dem j�ngsten Gipfel nahmen Diskussionen �ber Russlands Rolle auf dem Welt�lmarkt ein. Russische Ank�ndigungen, sich nicht an Mengenabsprachen mit der OPEC zu halten, sorgten im unmittelbaren Vorfeld des Bush-Besuches f�r fallende Preise.

Gegenw�rtig setzt Moskau alles auf den Energiesektor, der als letzter �konomischer Trumpf verblieben ist. Allein in den vergangenen beiden Jahren wurde die �lproduktion um jeweils �ber 7 Prozent ausgeweitet, so dass mittlerweile 38 Prozent der Einnahmen des Staatshaushaltes und 54 Prozent der russischen Devisenreserven von Energieerl�sen abh�ngen. Russland ist nach Saudi-Arabien der weltweit zweitgr��te Erd�lexporteur und schickt sich an, zur Nummer Eins aufzusteigen. Bereits im Februar wurden die Exporte Saudi-Arabiens erstmalig �berboten. Experten sehen Russland einen "gr��eren �lexporteur werden, als es Saudi-Arabien je war".

Obwohl US-�limporte nur zu einem Prozent mit russischem �l (Irak 7 Prozent) bedient werden, will sich Moskau in Bezug auf seine Energiepolitik voll in den Dienst Washingtons stellen. In Gespr�chen und Absichtserkl�rungen wurde auf dem Gipfeltreffen den Worten Bushs zufolge eine "wichtige neue Energiepartnerschaft" eingeleitet.

Russlands �ffnung trifft in mehrerer Hinsicht mit vitalen US-Interessen zusammen. Einerseits soll die �lwaffe der OPEC-L�nder und Anrainerstaaten des Persischen Golfs entsch�rft werden, die immer wieder mit einer Verknappung des �langebotes und dadurch steigenden Preisen drohen und die bei dem beabsichtigten Milit�rschlag gegen den Irak angesichts ihrer eigenen Instabilit�t unberechenbare Gr��en im amerikanischen Kalk�l darstellen. Andererseits soll der russische �lmarkt f�r US-Investitionen und -Beteiligungen ge�ffnet werden. Schon im letzten Herbst erhielt Exxon Mobil den Zuschlag, 4 Milliarden Dollar in die Erschlie�ung von �lfeldern im russischen Fernen Osten zu investieren.

F�r Russland kann eine permanente Gegnerschaft zur OPEC allerdings zu einem Vabanquespiel werden, verf�gt das Kartell doch �ber 78 Prozent der weltweiten �lreserven. Zurzeit sind die F�rderkapazit�ten des Kartells begrenzt. Eine mittelfristige Ausweitung der Produktion k�nnte jedoch den gegenw�rtig etwa 25prozentigen Anteil Russlands an der Weltproduktion reduzieren und einen schweren Preiskrieg ausl�sen. Im Moment entgehen Russlands Staatshaushalt bei einem R�ckgang des �lpreises um einen Dollar 900 Millionen Dollar an Einnahmen. Die Folgen einer l�ngerfristigen Preissenkung w�ren verheerend.

Daher hofft Moskau angesichts der neuen Weltlage zumindest kurzfristig von einer Ausschaltung des Irak als �lproduzenten zu profitieren. In Bezug auf das offensichtliche Hauptziel der Europareise Bushs - die Vorbereitung einer milit�rischen Invasion im Irak - d�rfte der Kreml nicht zuletzt aus dieser Berechnung heraus jeglichen Widerstand aufgegeben haben. Die russischen Beziehungen zum Irak haben sich abgek�hlt und Moskau hat seine langj�hrige Opposition gegen neue Sanktionen gegen den Irak zur�ckgezogen. Gerade das Verh�ltnis zum Irak, f�r den Russland einer der wichtigsten Wirtschaftspartner ist und in dem Russland �ber nicht unwesentliche Beteiligungen vor allem im �lsektor verf�gt, hatte in der Vergangenheit zu Spannungen mit den USA gef�hrt.

Lediglich in Bezug auf den Iran, der wie der Irak Teil von Bushs "Achse des B�sen" ist, zeigt Moskau noch offenen Widerstand. W�rden die USA volle Kontrolle �ber dieses Land bekommen, h�tten sie damit die Schl�sselposition bei der Ausbeutung der Kaspischen und zentralasiatischen �l- und Gasreserven. Auf Vorw�rfe von Bush, dass ein im Iran im Bau befindliches russisches Kernkraftwerk die Herstellung von "Massenvernichtungswaffen" erm�gliche, erwiderte Putin, dass das gleiche auf die Errichtung eines amerikanischen Kraftwerkes in Nordkorea zutreffe.

Mehr oder weniger stillschweigend wurde die weitere Stationierung von US-Truppen in den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens und seit kurzem auch in Georgien von Moskau akzeptiert. Einen Tag nach Bushs Abreise aus Moskau begannen US-Soldaten ein 64 Millionen Dollar teueres Ausbildungsprogramm georgischer Elitesoldaten f�r den "Kampf gegen den Terror". Damit wird eindeutig Moskaus Einfluss im Kaukasus untergraben und dem langgehegten Plan einer Erd�lleitung vom aserbaidschanischen Baku ins t�rkische Ceyhan unter Umgehung Russlands und des Iran weiteren Auftrieb gegeben.

Die Gegenleistung f�r diesen umfassenden russischen Aderlass ist minimal. Anstelle einer vollwertigen Nato-Mitgliedschaft wurde Russland nur eine Neuauflage des 1997 ins Leben gerufenen und w�hrend des Kosovokrieges de facto gescheiterten "Nato-Russland-Rates" gew�hrt, in dem Russland weiterhin keinerlei Einfluss auf Entscheidungen der Nato besitzt, daf�r aber als "gleichberechtigter Partner" mitdiskutieren kann. Seine Opposition gegen eine Nato-Mitgliedschaft der drei baltischen L�nder Litauen, Lettland und Estland, die fr�her zur Sowjetunion geh�rten und heute an Russland grenzen, hat Moskau dabei �brigens ebenfalls kommentarlos fallengelassen.

Mitgliedschaft in der WTO und die soziale Krise

Der f�r Moskau so entscheidende Punkt einer Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WTO konnte kaum zu dessen Befriedigung geregelt werden. Russland ist seit dem Beitritt Chinas die gr��te Wirtschaft au�erhalb der WTO. Bisher wird ein Beitritt Russlands von den USA verhindert, die es noch immer nicht als "Marktwirtschaft" anerkennen und vermittels der weiterhin g�ltigen Jackson-Vanik-Klausel von 1974 wesentliche Handelsbeschr�nkungen, insbesondere im Hightech-Bereich, aufrecht erhalten.

Die USA w�rden einer Aufnahme Russlands in die WTO nur bei einer kompletten �ffnung seines Marktes zustimmen. Davor schreckt der Kreml in Anbetracht des zu erwartenden Bankrotts breiter Teile der heimischen und international nicht konkurrenzf�higen Industrie, wie der Automobil- und Luftfahrtindustrie, aber noch zur�ck. Andererseits droht die weitere internationale wirtschaftliche Isolation die russische Wirtschaft immer weiter ins Hintertreffen geraten zu lassen.

Das ist tats�chlich die Hauptsorge der Wirtschaftsstrategen der russischen herrschenden Elite. Seit 1998 ist der Lebensstandard der Mehrheit der Bev�lkerung kontinuierlich gesunken. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt fiel seit 1997 von 2600 auf 1700 Dollar. Die soziale Krise weitet sich aus, und die um sich greifende Ern�chterung �ber die gro�spurigen Versprechen Putins macht den Abgrund zur Bev�lkerung immer bedrohlicher sp�rbar.

Da die einheimische Industrie nach einem zehnj�hrigen Niedergang v�llig veraltet und bankrott ist, sind weite Teile der russischen Elite zu dem Schluss gelangt, dass sie sich auch wirtschaftlich in die Arme des Westens und seiner Konzerne werfen und den russischen Markt f�r sie �ffnen sollten. Trotz unvers�hnlicher Rhetorik, einem WTO-Beitritt nur bei Gew�hrung von Sonderbedingungen zuzustimmen, sind sie stillschweigend auf die harte Linie der USA eingeschwenkt. Als gro�er Erfolg wurde daher gefeiert, dass die USA am 14. Juni bekannt geben werden, ob Russland als Marktwirtschaft anerkannt wird. Ein WTO-Beitritt k�nnte dann im Herbst n�chsten Jahres erfolgen. Auf US-Dr�ngen haben die EU-Regierungen Russland bereits am 29. Mai als "Marktwirtschaft" anerkannt.

Die "historischen Ereignisse" der letzten Tage haben deutlich gemacht, dass alles andere als eine Periode "partnerschaftlicher Zusammenarbeit" bevorsteht. Die russischen herrschenden Kreise sehen zur Wahrung ihrer eigenen Klasseninteressen in einer von den USA und globalen Konzernen dominierten Welt f�r sich nur noch eine Rolle als Mittler und Helfershelfer bei der Ausbeutung ihres Landes und der umk�mpften Region Zentralasiens. Zunehmend unter dem Druck der eigenen Bev�lkerung, der es trotz der "Erfolge" des Putinschen Russland immer schlechter geht, erhoffen sie sich durch beinahe v�llige Unterwerfung eine L�sung ihrer Krise. Ihren eigenen Bankrott eingestehend verwandeln sie Russland in kaum mehr als eine klassische Rohstoff-, Absatz- und Arbeitskr�ftekolonie, in der sie als Polizist fungieren.

Siehe auch:
Putin und Schr�der bem�hen sich um neue Rolle in der Weltpolitik
(29. September 2001)

 

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Putin verurteilt Irakkrieg als "Fehler"

Von Wladimir Wolkow
26. M�rz 2003
aus dem Russischen (20. M�rz 2003)

Wenige Stunden nachdem die ersten amerikanischen Bomben und Granaten auf dem Territorium des Irak einschlugen, trat der russische Pr�sident Wladimir Putin mit einer Erkl�rung an die �ffentlichkeit. Er verurteilte den Beginn der amerikanischen Aggression als "gro�en politischen Fehler".

Putin zog weder die Ziele des Krieges in Zweifel, noch widerlegte er die falschen und konstruierten Argumente, die von der Bush-Regierung und den US-Medien als Grund f�r dieses blutige Abenteuer angef�hrt werden. Putin rief lediglich zur Respektierung der staatlichen Souver�nit�t und zur Einhaltung des V�lkerrechts auf und erkl�rte, dass nur der UN-Sicherheitsrat eine Entscheidung �ber den Irak treffen k�nne.

Putin kn�pfte mit seiner Erkl�rung an die Haltung Russlands vor dem Azorengipfel an, auf dem die Regierungschefs der USA, Gro�britanniens und Spaniens Saddam Hussein ihr "endg�ltiges" Ultimatum gestellt hatten, ohne die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates einzuholen. In dieser Zeit hatte sich Putin mit dem franz�sischen Pr�sidenten Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schr�der solidarisiert, die das Vorgehen der USA kritisierten.

Auf den Ausgang des Azorengipfels reagierte Putin mit Erleichterung, weil er ihn von der Notwendigkeit befreite, bei einer Abstimmung im Sicherheitsrat auf "Konfrontationskurs" mit den USA zu gehen. Jetzt kann er sich, wie auch die Regierungschefs Deutschlands und Frankreichs, als Verteidiger der Grundlagen der Nachkriegsordnung gegen den amerikanischen Imperialismus ausgeben.

Im Laufe der letzten Monate bem�hte sich die russische Diplomatie, die Kriegsvorbereitungen der USA zu bremsen, ohne jedoch die strategische Orientierung auf ein milit�risch-politisches B�ndnis mit den USA im Rahmen des "Kampfes gegen den Terrorismus" infrage zu stellen.

Innerhalb der herrschenden Elite Russlands hatte sich letztendlich ein gewisser Konsens herausgebildet, dass die USA in einem Krieg zwar nicht unterst�tzt, mit ihnen aber auch nicht zugunsten einer Allianz mit Europa gebrochen werden sollte. So erkl�rte Leonid Slutski, der stellvertretende Vorsitzende des Duma-Ausschusses f�r internationale Fragen: "Wenn Russland auf ein antiamerikanisches Dreierb�ndnis mit Frankreich und Deutschland zusteuern w�rde,... w�rde dieser taktisch vorteilhafte Schritt zu einer strategischen Niederlage f�hren."

Die Begr�ndung f�r diese Orientierung gab die Iswestija, die gegenw�rtig das wichtigste regierungsfreundliche Sprachrohr Russlands ist. Am 13. M�rz argumentierte die Zeitung in einem Artikel unter der �berschrift "Die Enthaltsamkeit des ehrlichen Vermittlers", die Achse Moskau-Berlin-Paris w�rde Russland nichts einbringen.

"W�rde man uns bei den Verhandlungen mit der WTO oder in Fragen der Binnenpreise f�r russische Energietr�ger [von europ�ischer Seite] entgegenkommen?" fragte die Iswestija. "W�rde der jesuitische Hohn gegen�ber den Russen in den Konsulaten der europ�ischen Staaten aufh�ren... ? W�rde sich Frankreich auf ein �partnerschaftliches Gesch�ft� auf dem Markt f�r Kernbrennstoffe einlassen?"

Der Preis f�r einen Streit mit den USA k�nnte "viel zu hoch sein", schreibt die Zeitung weiter: "Interessiert uns der amerikanische Stahlmarkt etwa nicht mehr? Ben�tigen wir nicht die Unterst�tzung der Weltbank...? Wollen wir nicht die arabischen �lanbieter auf dem US-Markt verdr�ngen, im Gegenzug mit US-Investitionen in unserer �lwirtschaft?"

Die Schlussfolgerungen der Iswestija lauten folgenderma�en: "All das bedeutet noch lange keine Unterst�tzung der Politik Bushs im Irak. Soll er nur seinen Fehler allein machen, wenn es ein Fehler ist: vor einer rasenden Dampflok zu stehen, selbst wenn sie sich auf einen Abgrund zu bewegt, ist zumindest kurzsichtig." Es sei notwendig, die "goldene Mitte" zu finden und "sich jeder Beteiligung an der gro�en Schl�gerei mit ihren v�llig unvorhersehbaren Folgen zu enthalten."

Diese passiv-pragmatische Position entspricht v�llig der Rolle Russlands in der Weltwirtschaft als ein Rohstofflieferant, der von der Gewogenheit der wichtigsten Abnehmer abh�ngig ist.

Bis heute hat der Putin-Regierung das geschickte Man�vrieren zwischen Europa und Amerika jedoch noch keine gro�en Vorteile eingebracht. Von beiden Seiten hat sie keine handfesten Garantien oder Zusagen erhalten. Das wird innerhalb des russischen Establishments mit ziemlicher Nervosit�t empfunden. Der Krieg k�nnte zu einem Absinken der �lpreise f�hren, das die russischen Interessen empfindlich treffen w�rde.

Das "europ�ische Dilemma", das hei�t, die Unm�glichkeit, sich mit dem Verlust von fr�heren Stellungen anzufreunden, und die gleichzeitige Unf�higkeit, Amerika offen entgegenzutreten, nimmt in Russland noch sch�rfere Formen an als in Europa und steigert die Nervosit�t. Daher erinnerte die russische Politik der letzten Wochen an den Zustand einer stillen Hysterie, die sich zwischen Gegens�tzen bewegt - zwischen Angstanf�llen und unbestimmten Hoffnungen.

Die Iswestija griff zu psychologischen Beruhigungstherapien, indem sie dazu aufrief, "nicht in Verzweiflung zu verfallen" und "nicht panisch zu werden". Nach dem Treffen auf den Azoren sei "f�r Russland nichts Schreckliches passiert".

In Russland gab es bisher im Unterschied zu Europa und Amerika keine Massenproteste gegen den Krieg, nicht weil die Bev�lkerung f�r den Krieg w�re, sondern weil nicht eine politische Organisation, einschlie�lich der liberalen Demokraten (SPS oder Jabloko) und der nationalistisch-stalinistischen Kommunistischen Partei Gennadi Sjuganows, die Motive der amerikanischen Aggression verurteilt hat.

Die russischen Nationalisten schlagen verschiedene Varianten vor, wie der Krieg f�r die St�rkung des russischen geopolitischen Einflusses ausgenutzt werden k�nnte. Der notorische ultrarechte Demagoge, Wladimir Schirinowski, erkl�rte bereits: "Wir sollten uns schlimmer [d. h. frecher] benehmen als die Amerikaner." Er rief dazu auf, dass Russland massiv Milit�r in den Nahen Osten verlagern, prorussische Regimes in Transkaukasien und Zentralasien errichten oder die baltischen Staaten wirtschaftlich erdr�cken solle, um mit diesen und anderen Ma�nahmen Russland wieder in den Rang einer Supermacht zu verhelfen. Schirinowski sagte: "Der Irak tut uns nat�rlich leid, aber die Irakkrieg ist eine Sternstunde f�r Russland."

So extravagant sich Schirinowski auch ausdr�ckt, spiegelt er doch bestimmte Stimmungen in Teilen der russischen herrschenden Elite wider.

Vor diesem Hintergrund versucht Putin nahezu als Friedensstifter zu erscheinen. Er verurteilte das Ultimatum des Azoren-Gipfels und begr�ndete seine Haltung damit, dass �ber zwanzig Millionen Muslime in Russland leben. "Wir k�nnen deren Meinung nicht ignorieren", erkl�rte er, ohne zu beachten, dass es im Irak nicht um das Schicksal eines religi�sen, sondern eines weltlichen Regimes geht.

Diese Worte sind eine heuchlerische und billige Ausrede. In den drei Jahren seiner Amtszeit hat Putin den Islam im Rahmen der offiziellen Kreml-Propaganda als Hauptfeind und im Grunde als Verk�rperung des Terrorismus angesehen. Gerade die kaukasischen V�lker, die nach 1991 unter den Einfluss des Islam gerieten, wurden zur Zielscheibe einer w�tenden chauvinistischen Hetzkampagne, die nach dem Moskauer Geiseldrama vom Herbst vergangenen Jahres verst�rkt auflebte.

Putin selbst ist nicht bereit, die B�rger- und demokratischen Rechte der Bev�lkerung und insbesondere der religi�sen und nationalen Minderheiten Russlands zu respektieren. Besonders deutlich wurde das an dem Referendum, das an diesem Wochenende in Tschetschenien stattfand. Es war eine Polizeifarce, vor den M�ndungen der Gewehrl�ufe der russischen Armee sollten die jetzigen Machtstrukturen legitimiert werden.

Siehe auch:
Russland und der Krieg gegen den Irak
(5. M�rz 2003)

 

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Der nationalistische Reflex

Junge Welt und konkret begeistern sich f�r Putin

Von Peter Schwarz
30. September 2000

Der Untergang des russischen Atom-U-Boots "Kursk" im August wurde in der russischen und internationalen �ffentlichkeit mit gro�er Betroffenheit verfolgt. Das Ereignis traf einen Nerv, der tiefer lag, als dies die Anteilnahme f�r das tragische Schicksal der 118 Besatzungsmitglieder und ihrer Angeh�rigen allein h�tte vermuten lassen. In gewissem Sinne befand sich, wie wir damals schrieben, "die gesamte Bev�lkerung Russlands in einer �hnlichen Lage wie die U-Bootbesatzung: sie leidet, sucht einen Ausweg aus der Sackgasse und hofft auf Hilfe."

Dem internationalen Publikum f�hrte die Katastrophe das Ausma� des Niedergangs vor Augen, den Russland seit der Aufl�sung der Sowjetunion durchgemacht hat. Pr�sident Wladimir Putin stand pl�tzlich ohne Kleider da. Die Mischung von Gleichg�ltigkeit, Inkompetenz und Arroganz, mit der der Kreml auf die Katastrophe reagierte, erinnerte an die schlimmsten Zeiten der Stagnation unter Breschnew und Tschernenko. Die tiefe Kluft zwischen Regime und Bev�lkerung, die hier sichtbar wurde, blieb auch der internationalen Presse nicht verborgen, die Putin wegen seines unsensiblen Verhaltens teilweise scharf kritisierte.

Unter diesen Umst�nden hat der russische Pr�sident von scheinbar unerwarteter Seite Sch�tzenhilfe bekommen. Zwei deutsche Zeitungen, die sich selbst zum linken Spektrum z�hlen, haben sich f�r ihn in die Bresche geworfen.

Die junge Welt sieht in der Berichterstattung der westlichen Medien �ber die "Kursk"-Havarie den Versuch, "alte Feindbilder zu bedienen". Der neue Mann im Kreml, kommentiert Rainer Rupp am 23. August, habe der NATO die Z�hne gezeigt. "Da er nicht bereit ist, das russische Erbe f�r eine westliche Erbsensuppe an den aggressiven Neoliberalismus zu verkaufen, �ndert sich inzwischen der Ton der �freiheitlichen� Weltpresse." Das U-Boot-Ungl�ck eigne sich trefflich, "altgewohnten anti-russischen Reflexen freien Lauf zu lassen".

Noch deutlicher - und mit gr��erer Distanz zu den Ereignissen - �u�ert sich Ralf Schr�der in der Oktoberausgabe der Zeitschrift konkret. Schr�der sieht in Putin einen "erkl�rten russischen Patrioten", der angetreten sei, "Russlands Gr��e wiederherzustellen und das gesetzlose Kartell [gemeint sind Jelzin und die Oligarchen] aus dem Kreml zu vertreiben". Das habe "die einfachen Russen begeistert" und "mit neuem Nationalstolz erf�llt". Die "Putin-Skeptiker innerhalb und au�erhalb Russlands" habe dagegen "die Furcht geeint, der russische Staat werde sich auf seinen letzten, eigentlich weithin akzeptierten Daseinsgrund besinnen und - im Gegensatz zur Jelzin-�ra - von nun an nationale Interessen vertreten".

In diesem Ton geht es weiter. Putin habe vor, "sein Land aus dem halbkolonialen Status zu befreien, den die Politik Jelzins herbeigef�hrt hat," erkl�rt Schr�der, und: "Da Putin gleich nach seinem Amtsantritt recht energisch und unter dem Beifall seiner Untertanen an eine Reorganisation der staatlichen Souver�nit�t nach innen und au�en ging und zudem ank�ndigte, k�nftig m�glichst auf West- und IWF-Kredite zu verzichten, kam die informelle Allianz zwischen der russischen Mafia und dem deutschen Journalismus beinahe zwangsl�ufig zustande."

Faktisch betrachtet ist diese Darstellung absurd. Die Behauptung, Putin sei ein Gegner westlicher Wirtschafts- und russischer Oligarcheninteressen, entspringt nicht dem Boden der Tatsachen, sondern politischem Wunschdenken. Sie sieht einfach dar�ber hinweg, dass der v�llig unbekannte Geheimdienstler als handverlesener Kandidat seines Vorg�ngers Jelzin ins h�chste Staatsamt aufstieg und seinen Wahlerfolg der propagandistischen und finanziellen Unterst�tzung der Oligarchen verdankte. Insbesondere Boris Beresowski, der Finanzier der Jelzin-Familie, hatte den gesamten, von ihm kontrollierten Medienapparat f�r Putin eingesetzt.

Dass sich Putin inzwischen mit Beresowski �berworfen hat, macht ihn noch lange nicht zum Gegner der Oligarchen. Wer das behauptet, verwechselt den Machtkampf innerhalb einer Clique mit dem Kampf gegen diese Clique. Putin hat den Oligarchen umfangreiche Garantien gegeben, dass ihr Besitz nicht angetastet wird. Er verwahrt sich lediglich gegen eine �berm��ige Einflussnahme auf die Angelegenheiten des Staates, ein Anliegen, das auch von internationalen Finanzkreisen geteilt wird, die in dem Geflecht von Korruption, Einflussnahme und Abh�ngigkeiten ein Investitionshindernis sehen.

Was Putins Beziehung zum IWF, zur Weltbank und zum internationalen Finanzkapital ganz allgemein betrifft, so hat er nie die geringsten Zweifel aufkommen lassen, dass er zur engsten Zusammenarbeit bereit ist und die kapitalistischen "Reformen" der Jelzin-�ra fortsetzen wird. Auch hier erweist sich die Darstellung von Junge Welt und konkret als reines Hirngespinst.

Interessanter als diese offensichtliche Fehlinterpretation der Wirklichkeit ist der unverbl�mt nationalistische Ton, der beide Artikel durchzieht. Seit wann verteidigen Linke oder Sozialisten das Eintreten f�r nationale Interessen als "Daseinsgrund des Staates", wie dies Ralf Schr�der in konkret tut? Und das ausgerechnet in Russland?

Historisch betrachtet hat der Nationalismus in Russland stets eine reaktion�re Rolle gespielt. In Westeuropa war die nationale Idee in der Epoche der b�rgerlichen Revolution entstanden. Sie war progressiv, solange sie sich gegen den feudalen Partikularismus wandte. Mit der Festigung der b�rgerlichen Herrschaft wurde sie zunehmend reaktion�r und nahm schlie�lich einen offen imperialistischen Charakter an. In Russland dagegen entwickelte sich die Bourgeoisie mit gro�er historischer Versp�tung und spielte nie eine fortschrittliche Rolle.

Die Ereignisse des Jahres 1917 bewiesen ihre Unf�higkeit, die demokratischen Aufgaben der b�rgerlichen Revolution zu l�sen. Durch die Februarrevolution an die Macht getragen, hatte sie keine Antwort auf die brennenden Fragen der Zeit: die Agrarfrage, die Kriegsfrage und die nationale Frage, die sich in Russland nicht in Form der Vereinigung von Kleinstaaten zu einem Nationalstaat, sondern der Gew�hrung demokratischer Rechte an die unterdr�ckten Nationalit�ten im zaristischen V�lkergef�ngnis stellte.

Der Erfolg der Bolschewiki im Oktober war letztlich darin begr�ndet, dass nur sie eine Antwort auf diese Fragen hatten. Aber dazu mussten sie sich auf eine internationale, und nicht auf eine nationale Perspektive st�tzen. Die Oktoberrevolution konnte auf lange Sicht nur bestehen, wenn sie Unterst�tzung in der sozialistischen Weltrevolution fand. Erst unter Stalin wurde die Oktoberrevolution zunehmend als nationales Ereignis interpretiert. Aber damit begann auch ihr Niedergang, der 1990 in der Restauration des Kapitalismus durch Stalins Erben gipfelte.

Die nationalistischen Klischees, derer sich Putins Propagandaapparat heute bedient, stammen nicht aus der Tradition des b�rgerlichen Freiheitskampfes, die es in Russland nie gab, sondern aus der Rumpelkammer des gro�russischen Chauvinismus, der im Zarenreich die ideologische Atmosph�re verpestete und unter Stalin wieder belebt wurde. Er l�sst sich leicht an seinem unappetitlichen �u�eren erkennen: der Wiedergeburt der orthodoxen Kirche, dem Aufleben von Antisemitismus und dem Aufflammen von rassistischen Vorurteilen gegen nationale Minderheiten, die w�hrend des Tschetschenienkriegs hysterische Ausma�e annahmen.

Putins Nationalismus dient dazu, die Herrschaft einer halbkriminellen, parasit�ren Clique zu sichern, die ihren Aufstieg zu Macht und Reichtum der Zerst�rung der Errungenschaften der Oktoberrevolution verdankt. Seine Sto�richtung ist nicht demokratisch, sondern zielt auf die Errichtung eines diktatorischen Regimes. Die heutigen Kremlherrscher sind die lebendige Verk�rperung der Tatsache, dass es in Russland heute weniger als je zuvor eine stabile Grundlage f�r die b�rgerliche Demokratie gibt. Im Vergleich zu ihnen nimmt sich das 1917 gest�rzte Kerenski-Regime geradezu jugendlich frisch aus.

Putins gelegentliches S�belrasseln gegen die NATO macht ihn nicht zum Antiimperialisten, wie konkret mit dem Hinweis auf den "halbkolonialen Status" Russlands impliziert. Es steht au�er Zweifel, dass die Nato die einstige Supermacht systematisch in die Enge treibt. Der Krieg auf dem Balkan, das Vordringen der Westm�chte in den kaukasischen und kaspischen Raum und die amerikanischen Pl�ne zum Aufbau eines Antiraketensystems (NMD) zielen in diese Richtung. Aber wer daraus den Schluss zieht, Putins Nationalismus verteidige die Interessen des russischen Volkes, �bersieht den un�berbr�ckbaren Klassengegensatz zwischen der herrschenden Kremlclique und der Masse der Bev�lkerung.

Ungeachtet seiner nationalistischen Rhetorik dient das Regime von Putin dem internationalen Kapital als Einfallstor in die ehemalige Sowjetunion. Wenn es gelegentlich mit den Westm�chten aneinander ger�t, so zeigt dies nur, dass es trotz seiner wirtschaftlichen Schw�che auch eigene imperialistische Ambitionen verfolgt. Es kann aber nicht die Aufgabe von Sozialisten sein, eine schw�chere imperialistische M�chte gegen die st�rkere zu unterst�tzen. Der anhaltende wirtschaftliche Niedergang �ndert nichts am reaktion�ren Charakter des russischen Imperialismus. Im Gegenteil, die Verbindung von gesellschaftlichem Zerfall und noch vorhandener atomarer Schlagkraft ergibt ein explosives Gemisch, dessen Detonation katastrophale Folgen f�r die gesamte Menschheit h�tte. Unter Umst�nden, unter denen auch die USA und die europ�ischen M�chte bei der Durchsetzung ihrer globalen Interessen immer offener auf die milit�rische Karte setzen, kann eine solche tragische Entwicklung nicht mehr ausgeschlossen werden.

Die einzig m�gliche Antwort auf diese Gefahr liegt im internationalen Zusammenschluss der Arbeiterklasse im Kampf gegen das global organisierte Kapital und seine nationalen Repr�sentanten. Die wesentliche Voraussetzung daf�r ist die Zur�ckweisung jeder Form von Chauvinismus und Nationalismus, ganz gleich ob er sich ins Sternenbanner, schwarz-rot-goldene oder blau-rot-wei�e Farben h�llt.

Die schamlose Verherrlichung des russischen Nationalismus durch konkret und junge Welt kennzeichnet einen scharfen Rechtsruck dieser Bl�tter.

Bei der jungen Welt verwundert dies nicht weiter. Das einstige Zentralorgan des DDR-Jugendverbands FDJ hat zwar nach der Wende eine gewisse politische �ffnung vollzogen, aber nie grundlegend mit den ideologischen Voraussetzungen des Stalinismus gebrochen. Wie wir gesehen haben, deutete dieser die Oktoberrevolution als nationales, russisches Ereignis. Unter der Verteidigung der Sowjetunion verstand er dementsprechend die Unterordnung unter die nationalen Interessen der herrschenden B�rokratie, und nicht das Eintreten f�r eine internationale sozialistische Perspektive.

Der Autor des zitierten Artikels, Rainer Rupp, hat selbst jahrelang f�r die Sowjetunion das Hauptquartier der NATO ausspioniert, bevor er nach Verb��ung einer l�ngeren Haftstrafe in die Redaktion der jungen Welt eintrat. Der jungen Welt f�llt es daher leicht, ihre Loyalit�t zur Sowjetunion ungeachtet der ver�nderten sozialen Grundlagen einfach auf das heutige Russland zu �bertragen. Schlie�lich hat auch die Nachfolgerin der KPdSU unter Sjuganow Gefallen an Putins Nationalismus gefunden. Hier kommt einfach der antrainierte nationalistische Reflex zum tragen.

Etwas komplizierter verh�lt es sich bei konkret. Auch diese Zeitschrift ist im Dunstkreis des Stalinismus entstanden. Unter der Leitung von Klaus Rainer R�hl und Ulrike Meinhof, der sp�teren RAF-Gr�nderin, diente sie in den f�nfziger Jahren als offizi�ses Organ der verbotenen KPD. Mitte der sechziger Jahre l�ste sie sich aus der stalinistischen Vormundschaft und diente verschiedenen Str�mungen der 68-er Bewegung als Sprachrohr.

Im Gegensatz zu anderen Presseorganen, die aus dieser Bewegung hervorgegangen sind, wie etwa der taz, behielt sie auch nach dem Aufstieg der Gr�nen zur Regierungspartei ihre kritische Distanz zur offiziellen deutschen Politik bei. So stellte sie sich vehement gegen das Eingreifen der Nato im Kosovo, und Herausgeber Hermann L. Gremliza bekennt sich bis heute mit Stolz dazu, dass er vor zehn Jahren das vereinigte Deutschland als "Viertes Reich" bezeichnet hatte.

Auffallend an konkret ist der zynische Unterton, der die meisten Artikel kennzeichnet. Sie sind auf den Ton des beleidigten intellektuellen Snobs gestimmt, der �ber die bestehenden Zust�nde grollt und schimpft, ohne einen Ausweg zu sehen.

Dem liegt eine subjektive Weltanschauung zugrunde, wie sie f�r viele Radikale typisch ist: Politik besteht aus einer Kette von Verschw�rungen. Die Medien sind Mittel der Meinungsmanipulation und sonst nichts. Wenn die b�rgerliche Presse Wei� sagt, m�ssen wir Schwarz sagen und umgekehrt. Wenn die deutsche Presse Putin angreift, m�ssen wir ihn verteidigen. Dieses simple Schema zieht sich wie ein roter Faden durch Ralf Schr�ders Artikel. Dass es daneben auch noch eine objektive Welt gibt, die auch die b�rgerlichen Medien nicht v�llig ignorieren k�nnen, �bersehen die Autoren von konkret.

Vor allem wollen sie nicht wahrhaben, dass es neben der offiziellen Politik auch noch die Masse der Bev�lkerung gibt, deren Bestrebungen und Bed�rfnisse aufgrund der Degeneration der offiziellen Arbeiterbewegung zwar keinen politisch artikulierten Ausdruck finden, aber dennoch immens progressive Tendenzen beinhalten. F�r konkret existiert die Bev�lkerung nur als dumpfe Masse, die sich nach Belieben manipulieren l�sst.

Besonders deutlich zeigt das ein weiterer Artikel zur "Kursk"-Havarie, der in derselben Ausgabe von konkret erschienen ist. Der Autor, Florian Sendtner, macht sich �ber die Anteilnahme lustig, mit der die U-Boot-Katastrophe in Deutschland verfolgt wurde. Er sieht darin lediglich eine Mischung von Kriegsnostalgie und Medienmanipulation. Das hinter dem Mitgef�hl f�r die verzweifelte Lage der jungen, oft kaum zwanzigj�hrigen Matrosen auch ein Element tiefempfundener internationaler Solidarit�t stecken k�nnte, zieht er gar nicht in Erw�gung.

Der Artikel gipfelt in einem Vergleich mit dem Concorde-Absturz in Paris und der rhetorischen Frage: "Wie kommt es, dass den deutschen Medien das Nordmeer n�her ist als Paris? Dass ihnen 118 Iwans wichtiger sind als 114 unschuldige Flugzeuginsassen, von denen die allermeisten Deutsche waren? Wie kommt der deutsche Mensch ins russische U-Boot?" Das soll ironisch klingen, ist aber nur zynisch. Der rassistische Unterton l�sst sich nicht �berh�ren. Deutlicher kann man Arroganz und Feindschaft gegen�ber den Massen nicht ausdr�cken.

Diese Haltung treibt konkret und junge Welt ins Lager des Nationalismus, und zwar nicht nur des russischen. Wenn der "weithin akzeptierte Daseinsgrund" des russischen Staates darin besteht, nationale Interessen zu vertreten, wie Ralf Schr�der in konkret schreibt, warum dann nicht auch der Daseinsgrund des deutschen Staates? Dieser Logik l�sst sich kaum entrinnen. Insbesondere dann nicht, wenn sich die Spannungen zwischen Deutschland und den milit�risch �berlegenen USA weiter versch�rfen.

Letztlich reagieren konkret und junge Welt mit ihrer Begeisterung f�r den Nationalismus auf Spannungen und Ver�nderungen im Unterbau der Gesellschaft. Es w�re nicht das erste Mal, dass linke Intellektuelle am Vorabend gro�er Klassenk�mpfe ins gegnerische Lager �berwechseln.

Siehe auch:
Putins "Tschernobyl" - Die Trag�die des russischen Atom-U-Bootes in der Barentssee
(22. August 2000)

 

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Der Brand des Moskauer Fernsehturms

Von Patrick Richter
29. August 2000

Am Sonntag Nachmittag versammelten sich immer mehr Moskauer in der N�he des Fernsehturms, um ungl�ubig das Ende eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt und eines der technischen Wunder der Nachkriegperiode zu verfolgen. Der Turm war in Brand geraten und die stabilisierenden Tragseile in seinem Inneren schmolzen eines nach dem anderen in der Hitze des Feuers dahin.

Nach dem Ausbruch des Brandes um 15.08 Uhr Moskauer Zeit fiel die �bertragung der wichtigsten nationalen Fernseh- und Radioprogramme und einiger kleinerer Sender im europ�ischen Teil Russlands vollst�ndig aus. Als der Brand knapp 24 Stunden sp�ter endlich gel�scht war, sah die Bilanz verheerend aus: Mehr als die H�lfte der technischen Anlagen des Fernsehturms waren zerst�rt und im gesamten, vom Feuer erfassten Bereich war alles ausgebrannt, was brennbar war. Nur der Teil unterhalb der H�henmarke von 60 Metern war infolge der Errichtung einer Schaumbarriere durch die Feuerwehr weitestgehend unbesch�digt geblieben. Alle Fahrst�hle waren ausgefallen und nach Rei�en der Stahlseile in die Tiefe gest�rzt.

J�ngsten Angaben zufolge kamen bei dem Brand vier Menschen ums Leben: Drei Feuerwehrleute und eine Fahrstuhlf�hrerin, die zun�chst im Brandherd feststeckten und erstickten und danach in die Tiefe st�rzten. Die Besucher des Fernsehturms wurden rechtzeitig evakuiert, so dass eine Trag�die gr��eren Ausma�es verhindert werden konnte.

Als wahrscheinliche Ursache f�r den Brand wird ein Kurzschluss in einer H�he von 460 Metern angenommen.

Ein hochrangiger Offizier der Feuerwehr erl�uterte gegen�ber der Presse, dass der Kurzschluss Folge einer st�ndigen �berlastung der elektronischen Anlagen gewesen sein k�nne. Die Kapazit�ten des 33j�hrigen Fernsehturms seien schon Anfang der 90er Jahre ersch�pft gewesen. Trotzdem wurden weitere Anlagen installiert, was zu einer �berlastung des Turms durch technische Installationen um 30 Prozent gef�hrt habe. Insbesondere die Installation von �bertragungsanlagen f�r Pager-Systeme, so der Offizier weiter, h�tte zu einer �berlastung und somit stillschweigend zur Verletzung der Brandschutzregeln gef�hrt. Schon seit Jahren sei das von der Feuerwehr angemahnt worden. Der Fernsehturm �bertrug au�erdem elf Fernseh- und zw�lf Radioprogramme.

Die russische Fernseh- und Kommunikationsindustrie, die von den sogenannten Oligarchen kontrolliert wird und die sich buchst�blich um den Fernsehturm herum etabliert hat, hat in den vergangenen Jahren fantastische Profite erzielt. Die bedenkenlose Installation der �u�erst lukrativen Pagersysteme, die wahrscheinlich zu der �berlastung gef�hrt hat, ist dabei charakteristisch f�r die Durchsetzung des Kapitalismus im ganzen Land. Ohne eine grundlegende Erneuerung der maroden Infrastruktur wurden in k�rzester Zeit die Bedingungen zur rigorosen Bereicherung der neuen Oberschicht geschaffen - ohne R�cksicht auf m�gliche Konsequenzen.

Nun sollen allein durch den fast zweit�gigen Ausfall des Fernsehturms schon Verluste von mehreren Millionen Dollar angefallen sein.

Die Neigung des Turms und seine Instabilit�t infolge des Rei�ens von mehr als der H�lfte der 149 Trageseile, die Bestandteil der besonderen Konstruktion des Turms sind, l�sten am Montagabend heftige Debatten aus, ob der Turm stehen bleibt. Aus Sicherheitsgr�nden wurde das Gel�nde schon w�hrend der L�scharbeiten im Umkreis von 700 Metern ger�umt. Bisher soll die Neigung an der Spitze des Turms zwei Meter vom Normalstand betragen.

Experten, der Firma "Spezialstahlbetonbau", die den Fernsehturm seinerzeit errichtet hatte, gehen davon aus, dass die 100 m lange Spitze demontiert werden muss, um den Turm als Ganzen zu retten. Das w�re allerdings nur mittels einer gef�hrlichen Hubschrauberaktion m�glich. Andere Experten sprechen sogar von einem g�nzlichen Abriss des Geb�udes. F�r die kurzfristige Sicherung des Turms sei jetzt wichtig, dass in den n�chsten, kritischen Tagen kein st�rmisches Wetter aufkommt und die �blichen Herbstst�rme nicht zu stark ausfallen.

Experten f�rchten auch, dass das Abk�hlen des Turms zur Folge haben k�nnte, dass sich die Konstruktion ernsthaft verformt und Metallteile herausbrechen und abst�rzen.

Panne �ber Panne

Der Brand im Moskauer Fernsehturm "Ostankino" ist ein weiteres Glied in einer Kette von Ungl�cksf�llen, die deutlich machen, in welch katastrophale Lage Russland geraten ist, seit vor zehn Jahren die Politik "kapitalistischer Reformen" eingeleitet wurde. Die Bev�lkerung Russlands muss zunehmend damit rechnen, Opfer einer technischen Katastrophe zu werden. Zu lange sind Investitionen ausgeblieben, um notwendige Instandhaltungen an fast allen wichtigen technischen Einrichtungen und Anlagen des Landes durchzuf�hren, die das t�gliche Leben von Millionen ber�hren.

Welcher Russlandbesucher kennt nicht das �bliche Stra�enbild in den St�dten des Landes, wo Busfahrer des �ffentlichen Nahverkehrs unter ihren Fahrzeugen liegen, um sie f�r die Weiterfahrt zu reparieren, oder im kalten russischen Winter Dampf von den Stra�en aufsteigt oder das Gras in vollem Saft steht, weil die darunter liegenden W�rmeversorgungsrohre undicht sind. Diese Situation notd�rftiger, flickwerkartiger Reparaturen und Improvisationen pr�gt das Leben des gesamten Landes. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die n�chste, noch folgenreichere Katastrophe hereinbricht.

Was sich bei der gescheiterten Rettung der Besatzung der "Kursk" im Nichtvorhandensein von Tauchern, die in der Lage sind, 100 Meter tief zu tauchen, gezeigt hat, wurde nun wieder beim L�schen eines Feuers 300 Meter �ber den D�chern Moskaus deutlich.

Zuerst versagten die eingebauten Feuerl�schanlagen und dann stellte sich heraus, dass f�r diesen speziellen Fall weder Technik noch ausgebildete Feuerwehrleute zur Verf�gung stehen. Der ben�tigte L�schschaum fehlte v�llig. Handl�schger�te mussten aus der ganzen Stadt zusammengetragen werden. Die Schl�uche der st�dtischen Feuerwehr reichen nur 120 Meter in die H�he, so dass das gewohnte Improvisieren begann, das letztendlich zum Ausbrennen des gr��ten Teils des Fernsehturms f�hrte.

Zun�chst ging die Feuerwehr mit Sand und Kohlendioxid vor, ohne verhindern zu k�nnen, dass das Feuer weiter nach unten gelangte. Vom Ausbruch des Feuers bis zum Einbruch der Nacht besch�ftigte sie sich Agenturmeldungen zufolge lediglich mit der Befreiung der im Fahrstuhl Festsitzenden. Erst in der Nacht sei sie dazu �bergegangen, die Kabel zu kappen, an denen entlang sich das Feuer nach unten entwickelte, anstatt diese relativ einfache Ma�nahme gleich zu Beginn zu treffen.

Diese Verz�gerung soll dazu gef�hrt haben, dass sich das Feuer in hoher Geschwindigkeit weiter nach unten vorfra�, und somit die Kabel erst in einer H�he von 64 Metern gekappt und der Kabelschacht mit Sand, Beton und Asbest gef�llt werden konnte. In dem Kabelschacht befinden sich die Kabel f�r die Rundfunk�bertragungen sowie f�r die Speisungen der �brigen technischen Anlagen des Fernsehturms.

Innenminister Wladimir Ruschailo, der Minister f�r Au�ergew�hnliche Angelegenheiten Sergej Schoigu und Medienminister Wladimir Lessin besichtigten um 3 Uhr nachts per Hubschrauber den Ungl�cksort und gingen wortlos an den Journalisten vor�ber. Das Feuer fra� sich immer weiter vor, und gelbe Flammen zeigten sich f�r jeden sichtbar auf der Aussichtsplattform, unterhalb der sich das ber�hmte Drehrestaurant "Im Siebenten Himmel" befindet.

Um 5.50 Uhr ereignete sich in einer H�he von 147 Metern eine Explosion, nach der schwarzer Rauch austrat. Der Brandherd hatte sich in den fr�hen Morgenstunden auf eine H�he von 120 bis 130 Meter hinuntergefressen. Gegen 8.00 Uhr musste der Brand schon auf einer H�he von 101 bis 105 Metern bek�mpft werden. Um 10.00 Uhr reichte der Brand auf eine H�he von 66 Metern hinab, wo er nicht weiter nach unten vordringen konnte, weil sich dort die von der Feuerwehr errichtete Schaumbarriere befand.

Bis dahin sahen Feuerwehrleute und die hinzugestr�mte Menge v�llig gel�hmt und hilflos mit an, wie sich die Rauchwolken verst�rkten und aus immer weiter unten liegenden Teilen des Turms hervordrangen. �berall ert�nten Verzweiflungsrufe: "Das Feuer ist nicht aufzuhalten, das Feuer ist nicht aufzuhalten!"

Ein Symbol sowjetischer Ingenieurskunst

Mit seiner H�he von 537 Metern ist der Moskauer Fernsehturm das gr��te Geb�ude Europas und nach dem 553 Meter hohen CN-Tower im kanadischen Toronto, der neun Jahre sp�ter eingeweiht wurde, das zweith�chste Geb�ude der Welt. Er wurde am 5. November 1967 zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution fertiggestellt und gilt bis heute wegen seiner f�r damalige Verh�ltnisse einzigartigen und revolution�ren Stahlbetonkonstruktion als eines der symboltr�chtigsten Geb�ude Russlands und der Welt. In der Reihe der Sehensw�rdigkeiten Moskaus wird er nach dem Kreml von den meisten Touristen an zweiter Stelle genannt und zog bis jetzt j�hrlich mehr als 200.000 Besucher an.

Die Konstruktion des 55.000 Tonnen schweren Giganten stammt von dem genialen Architekten Nikolaj Wassiljewitsch Nikitin (1907-1973). Sie stellte damals eine wichtige bautechnische Neuerung dar und gab dem Ansehen der Sowjetunion im Nachkriegskr�ftemessen mit den USA einen wesentlichen Impuls. Es gelang Nikitin, mithilfe von gespannten Stahlseilen im Inneren der Turmummantelung einen �u�erst d�nnen und extrem hohen Turm zu errichten, der dabei nur ein vergleichsweise kleines Fundament ben�tigte. Mithilfe der Spannung der Stahlseile konnte beim Bau des Turms die Schwankung an der Spitze von 3 Metern auf die H�lfte reduziert werden.

Diese Technik r�ckte die Errichtung von Geb�uden von �ber einem Kilometer H�he in den Bereich des technisch Machbaren. Es gab dar�ber sogar Verhandlungen mit Japan, die jedoch wegen der hohen Kosten f�r ein solches Geb�ude scheiterten.

In den Arbeiten des Architekten Nikitin sind das Streben und die Tr�ume einer ganzen Generation von Technikern, Ingeneuren und Konstrukteuren verk�rpert. Nikitin ist nicht nur ber�hmt f�r den Bau des Fernsehturms, sondern auch f�r den Bau des 1953 fertiggestellten neuen Hauptgeb�udes der Moskauer Lomonossow-Universit�t und des "Mutter-Heimat"-Denkmals in Wolgograd, das der Entscheidungsschlacht von Stalingrad gegen die faschistischen Truppen gedenkt.

Beim Bau des 242 Meter hohen Geb�udes der Universit�t l�ste Nikitin das Problem des Fundamentes ebenfalls auf revolution�re Weise. Das die gesamte Stadt �berragende, gigantische Geb�ude wurde auf Wunsch von Stalin auf einem der H�gel im S�dwesten Moskaus errichtet. Der Untergrund war weich und h�tte demzufolge ein enorm tiefgehendes und teures Fundament notwendig gemacht. Nikitin entwickelte ein Fundament, das einem umgekehrten Schuhkarton �hnelt und somit verhindert, dass das Geb�ude durch Verdr�ngung des Untergrundes in die Erde sinkt.

Sein Schulkamerad, der bekannte Konstrukteur Sergej Pawlowitsch Koroljow (1907-1966), nach dem eine der an den Fernsehturm angrenzenden Hauptstra�en benannt ist, steht f�r die Entwicklung der meisten sowjetischen Raumfahrzeuge - wie Wostok, Woschod, die den Flug Juri Gagarins und die folgenden Expeditionen ins All erm�glichten - sowie f�r die Weiterentwicklung der Raketentechnik. Er baute die Raketen, die die ersten Satelliten in den Kosmos schossen, sowie die bis heute in Anwendung befindlichen Interkontinentalraketen.

Angesichts der Symboltr�chtigkeit des Feuers auf dem Fernsehturm f�hlt man sich unwillk�rlich an den Leuchtturm von Alexandria - eines der sieben Weltwunder - erinnert. Er wurde 279 v. u. Z. etwa 50 Jahre nach der gr��ten Ausdehnung des Hellenismus unter Alexander dem Gro�en erbaut und erreichte die bis dahin nur von den �gyptischen Pyramiden �bertroffene phantastische H�he von 134 Metern. Er �berstand die dunkelsten Perioden des Mittelalters und st�rzte erst 1326, also fast 1.600 Jahre sp�ter, w�hrend eines Erdbebens ins Meer.

Die russische Version des heutigen Kapitalismus bedarf dagegen keiner solcher Naturkatastrophen, um die Symbole geschichtlicher H�hepunkte auszul�schen. Sie schafft das innerhalb k�rzester Zeit aus eigener Kraft. F�r den zweith�chsten Fernsehturm der Welt brauchte sie jedenfalls nur zehn Jahre.

 

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